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Veröffentlicht am 16.05.2024

Change of life - Eine Frau wird älter

Eine Frau wird älter
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Ulrike Draesner hat mit „Eine Frau wird älter“ das bei Supposé als Hörbuch erschienene Erzählprojekt „Happy Aging“ als Essay ausformuliert. Es ist ein sehr persönliches Buch, erzählt die Autorin doch von ...

Ulrike Draesner hat mit „Eine Frau wird älter“ das bei Supposé als Hörbuch erschienene Erzählprojekt „Happy Aging“ als Essay ausformuliert. Es ist ein sehr persönliches Buch, erzählt die Autorin doch von sich und dem Älterwerden. Sie beschreibt es aus Sicht einer Frau, die kurz davor ist, 50 zu werden. Wie jeder runde Geburtstag ein Ereignis, das dazu einlädt, das Vergangene Revue passieren zu lassen und über die Zukunft nachzudenken.

Allerdings für Frauen noch einmal ein besonderer Moment, denn mit den Wechseljahren beginnt eine neue Phase, die für jede von uns allein von den „Nebenwirkungen“ schon anders verläuft. Die Jahre, in denen eine Frau fruchtbar ist, neigen sich dem Ende zu und das bedeutet schon einen großen Einschnitt auf der psychischen Ebene. Körperlich passiert so einiges im Körper, was für die eine kaum spürbar ist und für die andere von Schlaflosigkeit, Hitzewellen, Gewichtszunahme bis zu Depressionen gehen kann. Und dann ist es oftmals immer noch so, dass Frauen unsichtbar werden und als Neutrum betrachtet werden.

Die Autorin begibt sich auf die Suche nach Antworten auf diese Fragen. Sie fragt ihre Mutter, schaut sich in ihrer Verwandtschaft um und fragt Freundinnen zu diesem Thema und vergleicht das Altern ihrer Großmutter mit dem ihren.

Äußere und innere Veränderungen nimmt sie unter die Lupe, sie geht auf die Pubertät ein, die Zeit der ersten Monatsblutung und auf die letzte Monatsblutung. Was bedeutet die Hormonumstellung, was geht damit einher und was verändert sich in puncto Beziehungen? Die sexuelle Lust verschwindet nicht und was bedeutet es, nur aufs Alter reduziert zu werden in diesem Kontext?

Auch wenn ich das Hörbuch „Happy Aging“ schon kannte, gibt mir die Verschriftlichung mehr. Allein dadurch, dass ich an den Stellen, an denen ich ein Fragezeichen im Kopf habe, Pause machen kann, bringt noch einmal mehr Tiefe in das Gedankenspiel Ulrike Draesners. Vieles kann ich nachvollziehen, einiges nicht, bei bestimmten Stellen hole ich Erinnerungen aus meinem Leben hervor.

Dadurch, dass das Buch wie eine Art Tagebuch ist, in dem Gedanken festgehalten werden, regt es zum Nachdenken an. Es geht ja nicht um das Älterwerden jeder Frau, sondern um das ganz persönliche Altern der Autorin. Für sie ist es ein Aufbruch und ich mag diese Vorstellung. Eine Phase neigt sich dem Ende zu, aber am Horizont geht schon die nächste Phase auf. Der Begriff Metamorphose bzw. Change of life, den Ulrike Draesner benutzt, beschreibt es gut. Es ist ein bisschen wie ein Schmetterling, der sich zum zweiten Mal verpuppt, um ein neuer oder besser ein älterer Schmetterling zu werden.

Mir gefällt, dass eine Brücke geschlagen wird zwischen den Altern, also der Generation der eigenen Eltern und den Jungen, der Generation, die nach uns kommt. Ulrike Draesner beschreibt es, dass sie in der Mitte steht und die Arme in jede Generation ausgestreckt hat. Ich mag diesen Vergleich. Ich mag auch, wie sie darüber schreibt, was sie ihrer Tochter mitgeben möchte und wie offen sie mit bestimmten Themen wie ihren Fehlgeburten umgeht. Sie hat eine sehr direkte Art über die Dinge zu sprechen und schafft es trotzdem, das Thema des Älterwerdens auf eine philosophische Ebene zu heben.

Mich hat dieses Buch weitergebracht in Bezug auf meinen eigenen Umbruch, meine Metamorphose, in der ich mich befinde.

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Veröffentlicht am 27.04.2024

Realistische Dystopie

Der Traum von einem Baum
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Mit „Der Traum von einem Baum“ endet das sogenannte Klimaquartett von Maja Lunde. In Spitzbergen gibt es eine Pflanzensamenbank, in der fast alle ursprünglichen Pflanzensamen aufbewahrt werden. Hierauf ...

Mit „Der Traum von einem Baum“ endet das sogenannte Klimaquartett von Maja Lunde. In Spitzbergen gibt es eine Pflanzensamenbank, in der fast alle ursprünglichen Pflanzensamen aufbewahrt werden. Hierauf ruht eine letzte Hoffnung in einer dystopischen Endzeitwelt.

Am Ende von „Die Letzten ihrer Art“ hatte ich schon gehofft, dass Maja Lunde die noch offenen Enden der ersten drei Bände des Klimaquartetts zusammenführt. Dies macht sie in „Der Traum von einem Baum“.

Es beginnt ganz hoffnungsfroh damit, dass ein Baum mit grünen Blättern angespült wird auf Spitzbergen. Doch 13 Jahre später, im Jahr 2110, wird alles anders sein. Maja Lunde erzählt diesen Teil der Geschichte in einer Art Rückblick und erst am Ende wird das ganze persönliche Ausmaß für Tommy, der von seiner Großmutter zum künftigen Wächter der Pflanzensamenkammer ausgewählt wurde, sichtbar.

Maja Lunde bringt zu Ende, was sie begonnen hat und hat mit der Auswahl der Charaktere, die sie hier einbringt, eine gute Wahl getroffen. Tao ist wieder mit von der Partie und auch eine weitere alte Bekannte wird auftauchen, deren Geschichte zu Ende erzählt werden musste. Es gelingt der Autorin gleich zu Beginn einen großen Spannungsbogen aufzubauen, denn mit dem Trick, die Geschichte vom Ende herzuleiten, möchte man natürlich wissen, wie es dazu kommen konnte.

Die Einzelschicksale der Hauptfiguren machen betroffen, sie schaffen eine Verbindung in die Zukunft, das gelingt Maja Lunde sehr, sehr gut.

Die Welt im Jahre 2110 ist keine glückliche oder schöne Welt. Die Menschheit hat es nicht geschafft, die Notbremse zu ziehen und die Erderwärmung so zu begrenzen, dass auch die Folgen noch einigermaßen in den Griff zu bekommen waren. Viele Tier- und Pflanzenarten sind ausgestorben und die Naturgewalten sind unberechenbarer geworden, unglaubliche Trockenheit im Süden und zu viel Wasser im Norden. Infrastrukturen sind zusammengebrochen und es gibt die früheren Länder nicht mehr. Auch ist die Menschheit stark geschrumpft und entwickelt sich zivilisatorisch aufgrund von Ressourcenmangel zurück.

Es wirkt so, als ob der Großteil der Menschheit schon aufgegeben hätte, die kleine Gemeinschaft in Spitzbergen hatte eine Zeit der Glückseligkeit, auch wenn dies nicht der richtige Ausdruck dafür ist. Ein wenig hatte es auch von der Abgeschiedenheit einer Sekte vom Rest der Welt. Tao und der Rest ihre Expeditionsmannschaft erhofft sich einen letzten goldenen Treffer durch das Auffinden der Saatgutbank, um doch noch die Kurve zu bekommen bzw. mit dem Saatgut noch einmal neu anfangen zu können.

„Der Traum von einem Baum“ führt einmal mehr vor Augen, in welche Richtung wir uns als Menschheit bewegen, wenn wir nicht ernsthaft beginnen, etwas zu tun und zwar sofort und nicht erst, wenn Technologie XY erfunden wurde. Maja Lunde hat sich im Klimaquartett nicht etwas einfallen lassen, das erst noch passieren muss, vieles ist schon da. Das Bienensterben, immer länger andauernde Dürren, Überschwemmungen und – Fun Fact – sogar der so absurd klingende Export von Gletschereis zur arabischen Halbinsel ist mittlerweile Wirklichkeit geworden, ein grönländisches Start-up ist dabei, diese total bescheuerte Geschäftsidee umzusetzen.

Eine Botschaft Maja Lundes ist, dass wir mehr auf die Natur hören sollten und uns nicht noch weiter von ihr entfernen dürfen, zumindest nehme ich das so für mich mit aus den vier Bänden des Klimaquartetts.

Mich hat das Buch traurig, melancholisch und ein wenig frustriert zurückgelassen, es gibt wenig Hoffnung, auch wenn noch nicht alles verloren ist am Ende. Maja Lunde hat mit „Der Traum von einem Baum“ einen spannenden, ungeschönten Klimaroman geschrieben, der das Klimaquartett gut abschließt. Auch rechnet sie ab mit denjenigen, die es soweit haben kommen lassen, dass kaum noch Zukunft für die Menschen, die es im Jahr 2110 noch gibt. Taos Wut richtet sich gegen uns und die, die vor uns waren und nichts getan haben.

Das Buch bekommt ein klare Leseempfehlung von mir, vielleicht kann es ja dazu bewegen, dass ein paar mehr von uns etwas gegen die Klimakrise tun werden, denn es ist leider als sehr realistische Dystopie geschrieben.

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Veröffentlicht am 14.04.2024

Bestimmen die Vorfahren unser Leben?

Als wir Vögel waren
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„Als wir Vögel waren“ ist ein Roman, der in der Welt der Lebenden und der Toten auf Trinidad spielt. Es geht um Liebe und darum, wie sehr die Vorfahren unser Leben bestimmen können.

Vom ersten Satz an ...

„Als wir Vögel waren“ ist ein Roman, der in der Welt der Lebenden und der Toten auf Trinidad spielt. Es geht um Liebe und darum, wie sehr die Vorfahren unser Leben bestimmen können.

Vom ersten Satz an hat mich die Geschichte in ihren Bann gezogen. Ich fühlte die Spannung mit Yejide auf dem Schoß ihrer Großmutter und die innere Zerrissenheit Emmanuels, der sich von allem abwenden musste, als er sich dafür entschied, den einzig verfügbaren Job anzunehmen.

„Als wir Vögel waren“ beginnt wie ein Märchen und baut immer wieder Elemente ein, die die tiefe Verbindung zwischen der Welt der Geister und der Lebenden deutlich machen. Die beiden Hauptcharaktere sind Gefangene in ihren Traditionen und sowohl Yejide als auch Emmanuel haben einen inneren Befreiungskampf auszufechten ohne sich selbst dabei verlieren zu wollen.

Ayanna Lloyd Banwo nutzt die Landschaft und das Wetter, um die Geschehnisse und die Gefühle zu verstärken. Es zieht ein Sturm auf, als Yejides Mutter stirbt. Ein Sturm ist auch das, was in Yejide tobt, sie muss sich entscheiden. Dadurch wird die Geschichte noch dichter und die Gefühle noch greifbarer.

Gleichzeitig kommt durch die illegalen Geschäfte auf dem Friedhof eine ganz reale Spannung in das Buch. Beim Lesen spürt man die Spannung, die in der Luft liegt, man möchte den Atem anhalten und hofft, dass es gut ausgeht. Ein Buch auf mehreren Ebenen gut erzählt, das ist es. Auch habe ich mehr über die Rastafari gelernt, über die ich vorher einfach kaum etwas wusste.

„Als wir Vögel waren“ erzählt eine magische Geschichte, es hat etwas von Magie und gleichzeitig erzählt es die Geschichte von zwei jungen Menschen, die ihren eigenen Platz im Leben suchen, die unabhängig sein möchten, ohne dabei ihrer Familie zu entsagen.

Ich habe das Buch unglaublich gerne gelesen, erinnerte es mich ein wenig an die Geschichten und die Art wie Gabriel García Márquez seine Geschichten ausbreitete. Es ist im Hier und Jetzt und gleichzeitig auch woanders. Ein ganz wunderbares Buch!

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Veröffentlicht am 14.04.2024

Weniger ist mehr

Mein Leben in drei Kisten
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Von heute auf morgen war alles anders in Annes Leben. Ihre Arbeit in einem Verlag war der Dreh und Angelpunkt ihres Lebens – dann wurde ihre Abteilung aufgelöst und sie wurde gekündigt. Von heute auf morgen ...

Von heute auf morgen war alles anders in Annes Leben. Ihre Arbeit in einem Verlag war der Dreh und Angelpunkt ihres Lebens – dann wurde ihre Abteilung aufgelöst und sie wurde gekündigt. Von heute auf morgen war alles anders. Dieses Erlebnis und ihre darauffolgende Reise nach Indien brachten bei ihr einiges ins Rollen: Was will ich mit meinem Leben machen? Wie will ich leben? Will ich so weitermachen wie bisher? Bin ich glücklich und brauche all das in meinem Leben? Es war eine Initialzündung zum Entrümpeln ihres bisherigen Lebens. Und darüber hat sie dieses Buch geschrieben.

Anne Weiss‘ findet sich in einer Ausnahmesituation vor und zieht eine Bilanz, schaut sich Soll und Haben an und geht in die Tiefe. Nach der äußeren Entrümpelung der Sachen kommt das innere Aufräumen und sie stellt alles in Frage bzw. kehrt zurück zu den Wurzeln, nachdem das Konsum-Make-up entfernt ist.

Sie merkt, was ihr wirklich wichtig ist und wie sie leben möchte. So fügt sich langsam ein Puzzlestück zum nächsten und ihr wird klar, was sie wirklich möchte und was ihr in all den Jahren, in denen sie so viel hatte, auch gefehlt hat. Zeit war immer ein kritischer Faktor, Zeit, um sie mit anderen Menschen zu verbringen. Das Ausmisten ist auch eine Reise durch ihr Leben und öffnet ihr die Augen, genauso wie viele Gespräche, die sie führt.

„Mein Leben in drei Kisten“ ist kein Ratgeber im eigentlichen Sinne, es ist ein persönlicher Erfahrungsbericht, der für das eigene Leben ein paar hilfreiche Denkanstöße gibt. Es geht um die Kernfrage „Wie will ich leben und was brauche ich dazu?“ Eine Reise ins Innere und darüber hinaus und wir als Leser*innen begleiten Anne Weiss dabei.

Das Buch gefällt mir gut, denn es nicht dogmatisch, die Autorin weiß, dass sie in einer privilegierten Situation ist und es ist leicht und humorvoll geschrieben. Es gibt viele Tipps für einen besseren Umgang mit den Sachen und um nicht wahllos wieder neue Sachen anzuhäufen.

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Veröffentlicht am 14.04.2024

Geschichten vom Reisen

Glück ist kein Ort
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Zeit zu haben, sie sich zu nehmen, sie sich nehmen zu können und echtes Interesse als Antrieb sind die Voraussetzungen zum Reisen. Zeit zum Reisen ist nicht mit Urlaub zu verwechseln. Reisen machen Juan ...

Zeit zu haben, sie sich zu nehmen, sie sich nehmen zu können und echtes Interesse als Antrieb sind die Voraussetzungen zum Reisen. Zeit zum Reisen ist nicht mit Urlaub zu verwechseln. Reisen machen Juan Moreno glücklich und enttäuschen ihn nicht, wie es Urlaube manchmal tun. In „Glück ist kein Ort“ finden wir als Lesende eine Sammlung seiner glücklichsten Momente, auch wenn das angesichts dessen, was er manchmal so erlebt auf seinen Reisen, nicht leicht nachvollziehbar ist. In 17 Reisegeschichten nimmt er uns mit in die Welt und in ganz andere Welten.

Juan Moreno hat einen leicht ironischen Ton beim Schreiben, verliert aber nicht den Respekt vor den Menschen und den Welten, die er bereist. Es gelingt ihm, skurrile Momente einzufangen, so zum Beispiel in der transsibirischen Eisenbahn, wo man als Leserin schon allein von der häufigen Erwähnung des Wodkas betrunken wird.

Er betrachtet sich selbst mit genügend Abstand und weiß natürlich, dass er nur einer der vielen ist, die zum Beispiel auf Kuba so fischen möchten, wie Hemingway es tat. Hemingway, den er beschreibt als einen Mann, der einfach nicht wusste, wohin mit all dem Testosteron. Ich musste lachen, denn war ich doch selbst in San Sebastian und Madrid auf Hemingways Spuren unterwegs. Eine Bar, in der der alte Ernest schon gesoffen hat, wird gleich interessanter.

Mir gefällt, wie es ihm gelingt, Situationen zu beschreiben, Gefühle zu vermitteln und auch die Zweifel und Einsichten, die er auf seinen Reisen gewinnt. Seine Worte treffen auf den Punkt, er erzählt die Geschichten hinter den großen Geschichten. Das macht betroffen wie bei der Rettung der Jungen aus einer Höhle in Thailand oder als er die Situation der Aborigines in Australien beschreibt.

Gleichzeitig schafft er es, Erinnerungen an frühere Reisen zu wecken und dankbar zu sein, für das, was wir hier haben. Ein Buch, dass ich dir empfehle, wenn du eine Reise in Gedanken machen möchtest, zur Urlaubsvorbereitung ist es nicht geeignet.

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