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Veröffentlicht am 23.07.2021

Leider sehr schwach

Auszeit
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Henriette sollte ihre Dissertation bald einreichen, kommt aber einfach nicht voran. Dabei ist auch nicht sehr hilfreich, dass sie nach einem kurzen Intermezzo mit einem verheirateten Mann schwanger ist ...

Henriette sollte ihre Dissertation bald einreichen, kommt aber einfach nicht voran. Dabei ist auch nicht sehr hilfreich, dass sie nach einem kurzen Intermezzo mit einem verheirateten Mann schwanger ist und das Kind letztlich abtreibt. Mit ihrer besten Freundin Paula fährt sie in den bayrischen Wald um mal wieder herunterzukommen, ihren Kopf frei zu kriegen und ihr Leben neu auszurichten.

Der Beginn von Hannah Lühmanns Debütroman konnte mich stark gefangen nehmen. Gerade Fragen wie "Wo will ich eigentlich hin im Leben?" und „Wo bin ich falsch abgebogen?“, die zur Identifikation der Generation Y geworden sind, spielen eine ständige Rolle in Henriettes Leben. Obwohl sie objektiv betrachtet alle Möglichkeiten der Welt hat, hat sie bei jedem noch so kleinen Schritt das Gefühl nicht gut genug zu sein und ihr Leben nicht so auszufüllen, wie sie es mit den Privilegien, die sie hat, tun könnte und sollte. Als Leserin hatte ich das Gefühl, dass Henriette sich deswegen einfach treiben lässt, keine Entscheidungen trifft und sich nun durch die Abtreibung darüber klar wird, dass es so nicht weitergehen kann. Ihre Gefühle und Ängste konnte ich nachvollziehen und wurden durch die Autorin authentisch beschrieben.

Nach gut der Hälfte hat der nur knapp 180 Seiten lange Roman für mich allerdings stark abgenommen. Anstatt dass Henriette wirklich etwas aus ihrer Zeit macht und sich mit ihren Werten und Wünschen auseinandersetzt, lässt sie sich einfach weiter dahintreiben. Vor allem von Paula, ihrer besten Freundin, die auf den wenigen Seiten ständig von Yoga, Meditation, Achtsamkeit und Handauflegen redet, was ich ihr jedoch nicht vollständig abnehmen konnte. Wie es hinter der gelassenen Fassade aussieht, bleibt für mich leider ungeklärt. Ich hätte erwartet, dass Henriette lernen muss Verantwortung zu übernehmen und aktiv etwas zu gestalten, doch nichts dergleichen passiert.

Das Buch lässt mich dann tatsächlich sehr ratlos und fast schon wütend zurück. Henriettes Probleme scheinen sich irgendwann in Luft aufgelöst zu haben, wo genau und durch welchen Trigger, wurde nicht beschrieben. Die Autorin hat es sich in meinen Augen etwas zu einfach gemacht, eine sehr passive und hoffnungslose Protagonistin in ein paar Sätzen im Epilog in eine zufriedene Frau zu verwandeln und das quasi aus dem Nichts heraus. Welche Opfer sie dafür bringt, welche Aufgaben und Ängste sie bewältigen muss und welche sozialen Komplikationen ihre Entscheidungen mit sich bringen, fällt unter den Tisch.

Der Anfang gefiel mir so gut, das Ende war für mich leider sehr schwach und substanzlos. Für mich wurde Henriette zwar anfangs ganz gut gezeichnet und authentisch beschrieben, ihr Weg zu sich selbst und zu dem Leben, das sie leben will, fühlte sich dagegen alles andere als realistisch an. Vielmehr wirkte der Epilog auf mich leider sehr distanziert und fast schon surreal bei der Henriette, die ich als Leserin auf den vorherigen Seiten kennen gelernt habe. Ihr Glück habe ich ihr nicht abgekauft und so bleibe ich leider enttäuscht zurück. Was die Autorin mit diesem Roman vermitteln wollte, bleibt mir leider verborgen.

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Veröffentlicht am 28.07.2020

In meinen Augen ziemlich problematisch

Für eine Nacht sind wir unendlich
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Ich liebe Festivals. 2020 ist das erste Jahr seit langem, in dem ich kein einziges Festival und nicht einmal ein Konzert ohne feste Platzzuweisungen besuchen werde. Umso mehr freute ich mich über das Rezensionsexemplar ...

Ich liebe Festivals. 2020 ist das erste Jahr seit langem, in dem ich kein einziges Festival und nicht einmal ein Konzert ohne feste Platzzuweisungen besuchen werde. Umso mehr freute ich mich über das Rezensionsexemplar „Für eine Nacht sind wir unendlich“ von Lea Coplin, verlost von Lovelybooks und dem dtv-Verlag. In diesem YA/NA-Roman begleiten wir Liv und Jonah beim Glastonbury Festival in England. Jonah ist mit seinem Freundeskreis samt Ex-Freundin angereist, während Liv nicht als Gast auf dem Festival unterwegs ist, sondern ihrer Tante mit deren Food Truck aushilft. Erhofft habe ich mir eine süße Liebesgeschichte, die Leichtigkeit, Sorglosigkeit und Festivalflair verbreitet. Leider wurden diese Hoffnungen nicht erfüllt.

Die Protagonistin Liv ist eine sehr sympathische junge Frau mit allerlei Unsicherheiten, die ich erst einmal positiv hervorheben will. Ihre Selbstzweifel, ihr innerer Kritiker und ihre Vergleiche mit anderen Frauen waren sehr authentisch, dabei aber nicht aufdringlich eingearbeitet. Trotz all ihrer Zweifel, vor allem an ihrem Aussehen und Gewicht, hat sie eine starke Persönlichkeit, kennt ihre Werte für eine 18-Jährige schon recht gut und verteidigt diese im Laufe des Buches auch gegenüber Jonah.

Und genau Jonah, bzw. der Umgang der Autorin mit ihm, ist es, der mich an diesem Buch so sehr gestört hat, dass ich nur 2 Sterne vergeben kann. Er ist absolut von sich eingenommen und hat natürlich ein tiefes Geheimnis, welches er nicht einmal seinem besten Freund anvertrauen kann. Genau dieses soll vermutlich sein herablassendes und wenig rücksichtsvolles Verhalten gegenüber seinen Mitmenschen und vor allem Frauen entschuldigen, was für mich vollkommen daneben und aus der Klischeekiste gegriffen war (und nein, seine Erlebnisse rechtfertigen sein Verhalten natürlich in keinster Weise!). Bis auf Liv denkt er über fast jede Frau, der er auf dem Festival begegnet, abschätzig. Und dabei ist es ganz egal, ob es zufällig platzierte „gackernde, betrunkene“ Engländerinnen sind, sein ein paar Stunden später schon gar nicht mehr so sexy erscheinender One-Night-Stand (kein Spoiler, das Buch beginnt direkt damit, wie Jonah Sally im Zelt zurücklässt mit der Ausrede, er müsse nur mal aufs Klo…) oder seine „dürre, schmallippige“ Ex-Freundin Annika, an der er kein einziges gutes Haar lässt.

Generell hatte ich ein großes Problem mit der Darstellung von Frauen in diesem Buch. Liv soll nahbar wirken, da sie gerade keine Modelmaße hat, was ich nach wie vor extrem gut finde. ABER alle schlanken weiblichen Figuren mit Adjektiven wie „dürr“ und „sauer von den wochenlangen Buttermilchdiäten“ zu beschreiben und sie dazu zumeist als oberflächlich, egoistisch, zickig und hohl darzustellen, ging für mich gerade in einem Jugendbuch gar nicht. Und obwohl Livs offensichtliches Problem mit ihrem Körper, das Kalorienzählen und der Verzicht auf Essen sehr authentisch beschrieben wurden und ich es gut finde, dass dieser Aspekt überhaupt angesprochen wurde, hat die Autorin eines Jugendbuches es auch hier verpasst, auf einen gesunden Umgang mit Ernährung und Körper hinzuweisen. Sie hätte bloß Livs Weg der Heilung andeuten oder zumindest hinten im Buch weiterführende Kontakte oder Links angeben müssen, an die man sich wenden kann, wenn man in ähnlichen Denkmustern wie Liv gefangen ist.

Eingangs habe ich meine Festivalliebe erwähnt, deswegen hatte ich mir auch noch mehr Festivalatmosphäre erhofft. Die beiden schauen sich keine Band komplett an, wobei gerade Musik so sehr verbinden kann und ich mir etliche romantische Situationen vor einer Bühne vorstellen kann. Das hat mich leider sehr enttäuscht. Auch die Zeltplatzromantik kam sehr kurz, viel mehr wurden wirkliche Attraktionen (Stichwort Aussichtspunkte) auf und um das Festivalgelände herum in den Fokus gerückt.

Da ich also durchweg entweder wütend auf Jonahs Gedanken oder enttäuscht über das verschenkte Potential war, ist es kein Wunder, dass ich die Chemie zwischen den beiden Protagonisten überhaupt nicht gespürt habe. Ich habe mir ständig nur gewünscht, dass Liv und jede andere Frau von Jonah verschont bleibt. Vom Stil her fand ich das Buch in Ordnung. Es ist sehr umgangssprachlich geschrieben und einige Phrasen wurden mir zu oft wiederholt, aber ich kam schnell und flüssig durch das Buch durch.

Insgesamt bin ich leider sehr enttäuscht darüber, wie Jonahs Charakter modelliert wurde. Anfangs hatte ich Hoffnungen, dass Liv ihm den Spiegel vorhält und er sich vielleicht zum Besseren ändert. Zwar gibt sie ihm in einer Szene auch Kontra, wofür ich sie sehr bejubelt habe, allerdings bleibt es bei einer Szene und natürlich verändert diese auch nicht Jonahs Denkweisen. Das gesamte Buch war mir in mehreren Hinsichten zu problematisch und erhält daher leider auch keine Leseempfehlung von mir.

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Veröffentlicht am 17.10.2017

Ich, Molly Marx, das wandelnde Klischee

Ich, Molly Marx, kürzlich verstorben
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Tatsächlich habe ich dieses Buch schon vor ungefähr 7 Jahren gelesen. Damals hat es mir eigentlich ganz gut gefallen und da ich Lust auf eine lockere und witzige Geschichte hatte, habe ich das Buch nochmal ...

Tatsächlich habe ich dieses Buch schon vor ungefähr 7 Jahren gelesen. Damals hat es mir eigentlich ganz gut gefallen und da ich Lust auf eine lockere und witzige Geschichte hatte, habe ich das Buch nochmal gelesen. Dieses Mal war ich jedoch ziemlich enttäuscht.

Molly Marx ist erst 35 als sie stirbt. Sie führte das scheinbar perfekte Leben mit Ehemann Dr. Barry Marx und der kleinen Tochter Annabelle in einer schicken New Yorker Wohnung. Kann es also Selbstmord gewesen sein? War es ein tragischer Unfall oder gar Mord?

Ich hatte gehofft, dass das Buch diesen Fragen auf spannende und unterhaltsame Art und Weise auf den Grund geht. Ziemlich amüsant ist der Schreibstil tatsächlich, allerdings trieft der Roman nur so vor Klischees und Oberflächlichkeiten, dass es mir schon nach kurzer Zeit schwer fiel, das Buch überhaupt wieder in die Hand zu nehmen. Ich hatte eigentlich ständig das Gefühl in einer dieser grauenhaften Frauenzeitschriften zu blättern, so oft wurden irgendwelche Mode- und Kosmetikmarken, Sex und Affären erwähnt.

Spannung kommt auch in den Kapiteln, in denen es um Detective Hicks, den leitenden Ermittler in Mollys Todesfall, geht, kaum auf. In meinen Augen ist dieser Mann eine totale Katastrophe, dem sofort die Dienstmarke abgenommen werden müsste.

Der gesamte Roman ist aus Mollys Sicht geschrieben. Einige Kapitel sind Rückblenden auf Mollys Leben, andere erzählt sie aus dem Himmel heraus, von wo sie ihre Familie und Freunde auch nach ihrem Tod beobachten (und verurteilen) kann. Die Idee an sich finde ich nach wie vor spannend und gut, leider ist Molly ein wandelndes Klischee und reduziert sich selbst nur auf ihre Fähigkeiten in Küche, Bett und Kindererziehung. Die letzten Kapitel habe ich wirklich nur überflogen, so unsympathisch waren mir Molly, ihr Mann, ihre Freunde und auch Detective Hicks.

Fazit:
Ich weiß wirklich nicht, warum ich dieses Buch nach dem ersten Lesen relativ gut bewertet hatte. Der Schreibstil ist zwar locker und witzig, jedoch leben diese Witze leider zum Großteil von Vorurteilen. Fast jeder Charakter in diesem Buch ist oberflächlich und frauenfeindlich. Emotionen kamen bei mir NIE auf, weder bei Mollys Beerdigung, noch bei ihren Erinnerungen an ihre Tochter oder ihre große Liebe. Auch von Spannung waren die kriminalistischen Elemente rund um Mollys Todesfall weit entfernt. Ich vergebe für den anfänglichen Unterhaltungswert noch gerade so eben 2 Sterne, aber ein drittes Mal werde ich dieses Buch auf keinen Fall lesen.

Veröffentlicht am 17.10.2017

Kann man sich auch sparen

Magic Cleaning
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"Magic Cleaning" ist aktuell in aller Munde und da ich Ordnung, Sauberkeit und Strukturen liebe, habe ich mir das Hörbuch selbstverständlich angehört.

Leider hätte ich mir das Anhören auch sparen können. ...

"Magic Cleaning" ist aktuell in aller Munde und da ich Ordnung, Sauberkeit und Strukturen liebe, habe ich mir das Hörbuch selbstverständlich angehört.

Leider hätte ich mir das Anhören auch sparen können. In den ersten Kapiteln kommt die Autorin nicht wirklich zur Sache und danach habe ich gefühlt eine Stunde lang nur die zwei grundlegendsten Dinge gehört, die man sich vorstellen kann: Erst ausmisten, dann einen festen Platz für jedes Teil suchen. Diesen Grundsatz verbuche ich eigentlich als Allgemeinwissen und ich hatte mir eher Tipps erhofft, wie man sich besser von Sachen trennen kann oder wie man den perfekten Aufbewahrungsort für Kleinkrams findet.

Darüberhinaus empfand ich die Aufräummethode von Marie Kondo auch ein wenig zu langwierig und spirituell. Häufig geht es darum, Objekte komplett auszuräumen (z.B. Bücher aus dem Regal) und dann einzeln zu prüfen, ob das Betrachten und Befühlen des Objektes noch Spaß und Glück bringt. Würde ich nach der vorgeschlagenen Methode alle Teile der Wohnung ausmisten, dann säße ich in 50 Jahren noch dran. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie groß der zeitliche Aufwand für Leute sein soll, die eben alles horten und nichts wegschmeißen können.

Was mich auch noch unglaublich(!) gestört hat, ist die ständige Empfehlung alles aussortierte wegzuwerfen. Ich weiß nicht, ob ich wirklich chaotische und unordentliche Menschen damit überfordere, aber wie wäre es denn, wenn man nicht mehr glücklich machende Kleidung, Bücher, Möbel, etc. spendet und nicht einfach in den Müll befördert? Macht übrigens auch glücklicher als wegzuwerfen.

Fazit:
Ich kann mir vorstellen, dass dieses Buch für Leute, die sich wirklich sehr schwer mit dem Aufräumen tun, oder für "Messis" ganz gute Denkanstöße liefert, aber auch nicht mehr. Marie Kondos Methoden sind viel zu schwammig beschrieben und außerdem fördert sie in meinen Augen eine Wegwerfgesellschaft. Für alle, die sowieso schon relativ ordentlich sind, ist dieses (Hör-)Buch absolut überflüssig. Hätte ich es nicht auf Spotify angehört, sondern analog konsumiert, würde ich es direkt ausmisten.

Veröffentlicht am 17.10.2017

Leider VIEL zu einseitig!

54 Minuten
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Aus vier verschiedenen Perspektiven erzählt Marieke Nijkamp einen Amoklauf an der amerikanischen Opportunity Highschool. Das scheinbar wahllose Töten des ehemaligen Schülers Tyler verfolgen seine Schwester ...

Aus vier verschiedenen Perspektiven erzählt Marieke Nijkamp einen Amoklauf an der amerikanischen Opportunity Highschool. Das scheinbar wahllose Töten des ehemaligen Schülers Tyler verfolgen seine Schwester Autumn, ihre Freundin Sylv und deren Bruder Thomás, außerdem noch Tylers Ex-Freundin Claire. Insgesamt 54 Minuten dauert der Horror, bei welchem man als LeserIn hautnah dabei zu sein scheint.

Ich bin stark dafür, dass ein so wichtiges Thema wie ein Amoklauf in Jugendbüchern thematisiert wird. Leider ist die Autorin der Komplexität des Themas in meinen Augen nicht gerecht geworden und hat mich ziemlich enttäuscht.

Das fing schon mit dem Schreibstil an, der mir gar nicht gefallen hat. Er wirkt sehr melodramatisch und aufgesetzt, was mir selbst für ein Jugendbuch zu viel war. Ein Beispiel ist der Satz "Nur das Tanzen hält mich am Leben. Es wird mich befreien, und ich darf nichts dazwischenkommen lassen." (S. 35). Generell erinnern manche Aussagen der Charaktere eher an diese "tiefgründigen" Sprüche, die auf einem im Regen geschossenen Foto auf Facebook die Runde machen.
Dieser Schreibstil ist auch der Grund, warum ich mit keiner der vier Protagonisten so richtig mitfühlen und mitfiebern konnte, obwohl jeder sein eigenes schweres Schicksal hat.

Nachdem ich mich einmal mit dem Stil abgefunden hatte, konnte ich das Buch relativ flüssig und schnell lesen. Der Spannungsaufbau ist der Autorin auf jeden Fall gelungen. Gut gefallen hat mir außerdem das Einbringen gewisser Diversity-Aspekte, z.B. Homosexualität, und die Diskussion von sozialen Medien im Zusammenhang mit Amokläufen. Die Rolle von Twitter und Co in diesem Buch deckt sich leider sehr gut mit den Erfahrungen, die ich mit sozialen Medien in den letzten Monaten bei Terroranschlägen gemacht habe.

Diese drei kleinen Punkte bleiben leider für mich das einzig Positive an diesem Buch. Nachdem ich mit den erzählenden Charakteren nicht warm geworden bin, hatte ich wenigstens eine zufriedenstellende Auseinandersetzung mit Tyler und seinen Gründen für den Amoklauf erwartet. Die kam aber leider bis zur letzten Seite nicht. Natürlich gibt es kein Schicksal, welches einen Amoklauf rechtfertigt, aber in einem Buch zu diesem Thema erwarte ich einen Einblick in die Psyche des Täters. Handelt es sich sogar noch um einen (ehemaligen) Schüler der Schule, ist es für mich noch wichtiger zu erfahren, was genau ihn überhaupt zum Täter hat werden lassen und warum er die Schule für den Kugelhagel wählt und nicht ein Einkaufszentrum in der Innenstadt. Tyler wird ausschließlich als Bösewicht im Buch dargestellt und dadurch, dass seine Geschichte fehlt, weiß ich nach dem Buch nicht einmal, was die Katastrophe eventuell hätte verhindern können. Ein Jugendbuch mit dieser Message ist für mich schlicht unbefriedigend und viel zu einseitig.

SPOILER ANFANG!
Hinzu kommt auch noch, dass Tyler ein Vergewaltiger ist. In einer Szene überlegt das Vergewaltigungsopfer, ob sie den Amoklauf mit einer rechtzeitigen Anzeige hätte verhindern können. Ich bin grundsätzlich dafür, dass Opfer ihre Peiniger anzeigen, aber anzudeuten, dass das Vergewaltigungsopfer eine Mitschuld am Amoklauf trägt, fand ich unverantwortlich und hat mich richtig wütend gemacht. Tyler ist im Buch letztlich nur ein Vergewaltiger und Mörder, aber wie er dazu geworden ist, wird mit keinem Wort auch nur angedeutet. Da es sich hier aber um einen Schüler handelt, der bewusst seine Mitschüler und Lehrer umbringt, konnte ich über diese fehlende Erklärung nur den Kopf schütteln.
SPOILER ENDE!

Fazit:
"54 Minuten" hat mich auf ganzer Linie enttäuscht, weswegen ich es keinesfalls empfehlen kann. Der Schreibstil ist mir selbst für Jugendliche zu dramatisch und aufgesetzt, repräsentiert aber die ganze Geschichte ganz gut, denn sie ist nur auf Dramatik, Tragik und Spannung ausgelegt. Eine tiefgehende Auseinandersetzung mit dem Thema des Amoklaufs, wie Schüler zur Tätern werden und wie man dies verhindern könnte, gibt es gar(!) nicht. Das Buch ist einseitig und wird diesem sensiblen und wichtigen Thema nicht einmal ansatzweise gerecht. Wer sich grundsätzlich dafür interessiert, dem kann ich "Die Hassliste" von Jennifer Brown oder "19 Minuten" von Jodi Picoult empfehlen.