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Veröffentlicht am 26.01.2023

Sumpf der Vergangenheit

Totes Moor (Janosch Janssen ermittelt 1)
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Es modert an allen Ecken in "Totes Moor", dem Rhön-Krimi von Lars Engels, der laut Verlagsangaben auch der Beginn einer neuen Serie ist. Da ist zum einen die Lage des Rhön-Städtchens Grimmbach am Roten ...

Es modert an allen Ecken in "Totes Moor", dem Rhön-Krimi von Lars Engels, der laut Verlagsangaben auch der Beginn einer neuen Serie ist. Da ist zum einen die Lage des Rhön-Städtchens Grimmbach am Roten Moor. Der junge Polizist Janosch Janssen ist mit sehr gemischten Gefühlen in seinen Heimatort und in sein marodes Elternhaus zurückgekehrt, um seiner unter Angststörungen leidenden Mutter unter die Arme zu greifen. Nur vorübergehend, wie er sich und allen anderen versichert. Es drängt ihn zurück nach Frankfurt, wo er seit seiner Ausbildung gearbeitet hat. In Grimmbach spürt er die Last schwerer Erinnerungen und einer schmerzlichen Vergangenheit.

Diese Vergangenheit aber tritt mit dem Fund einer Leiche im Moor wieder zutage. Die Tote war seit neun Jahren vermisst: Matilda, eine Mitschülerin von Janosch, der damals gerade das Abitur machte und heimlich für die schöne und extrovertirerte junge Frau schwärmte.

Matildas letztes Lebenszeichen war ein Anruf beim Notruf, nach einem nächtlichen Unfall auf der Landstraße. Im anderen Auto, bewusstlos, saß damals ausgerechnet Janoschs Vater, der Besitzer eines Blumenladens. Als eine Gärtnerschere mit seinen Fingerabdrücken und Mathildas Blut gefunden wurden, wurde er als Verdächtiger behandelt. Nach einem besonders aggressiven Verhör der ehrgeizigen Ermittlerin Diana Quester fand ihn Janosch erhängt im Laden.

Ausgerechnet diese Beamtin, mittlerweile in der Hierarchie noch weiter aufgestiegen, leitet nun die Sonderkommission, die sich noch einmal mit dem Verschwinden Mathildas befasst. Um Janosch besser im Blick zu behalten, holt sie ihn trotz seines persönlichen Bezugs zu dem Fall in die SoKo. So hofft sie den jungen Poliziste besser im Blick zu haben, wenn er eigenständig ermitteln will. Denn Janosch will posthum unbedingt die Unschuld seines Vaters beweisen.

Doch es gibt viele, die die Vergangenheit ruhen lassen wollen. Der eigentliche Sumpf, müssen die Ermittler erkennen, ist Grimmbach, wo lang gehütete Geheimnisse vielen buchstäblich die Luft genommen haben. Und doch muss irgendjemand gewollt haben, dass Mathilda gefunden wird, befestigte eine Solarlampa am Ort, an dem die Leiche lag. Dass es bei den Ermittlungen zu Spannungen zwischen Janosch und Diana Quester kommt, zu wechselseitigen Vorwürfen und Misstrauen, ist angesichts der Vorgeschichte wohl unvermeidlich. Doch je hartnäckiger die Ermittler sich in den Sumpf vorwagen, desto mehr Überrauschungen und neue Gefahren tauchen auf.

Mitunter wird in "Totes Moor" etwas dick aufgetragen, sind die Protagonisten reichlich plakativ und lassen Tiefe vermissen. Die düstere Atmosphäre des Moores und die Verformung der Dorfgesellschaft durch Verschweigen und Verdrängen dagegen sind gut getroffen. Trotz einiger Schwächen insgesamt solide Krimi-Kost.

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Veröffentlicht am 21.01.2023

Mord im Dunkeln

The Dark
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Eigentlich ist es schwer, von einem locked room mystery zu sprechen, wenn der Schauplatz der Handlung für unendliche Weite steht. Doch in Emma Haughtons Antarktis-Krimi "The Dark" sind die Charaktere abgeschlossen ...

Eigentlich ist es schwer, von einem locked room mystery zu sprechen, wenn der Schauplatz der Handlung für unendliche Weite steht. Doch in Emma Haughtons Antarktis-Krimi "The Dark" sind die Charaktere abgeschlossen vom Rest der Welt in einer Forschungsstation im antarktischen Winter. Da kann niemand rein und niemand raus, draußen herrscht vier Monate lang völlige Dunkelheit, wenn man mal von Sternen und gelegentlichen Polarlichtern absieht. Keine Umgebung also für Menschen mit Platzangst oder Furcht vor dem Dunkeln.

Ein denkbar schlechter Arbeitsplatz also für die englische Notärztin Kate, die sich im antarktischen Winter von den Dämonen der Vergangenheit befreien will. Nach einem schweren Verkehrsunfall fühlt sie sich wegen der Narbe im Gesicht verunstaltet, ihre Beziehung ist gescheitert und sie ist tablettenabhängig. Nicht die besten Voraussetzungen für ein Leben mit nur zwölf anderen Menschen, mit denen man irgendwie auskommen muss, ohne viele Abwechslungsmöglichkeiten und buchstäblich am Ende der Welt. Richtig stressig wird es allerdings, als Kate immer mehr Hinweise darauf erhält, dass der Unfalltod ihres Vorgängers womöglich kein Unfall war. Als es dann noch einen weiteren Toten gibt, wird immer deutlicher: Einer der Kollegen ist ein Mörder - oder eine Mörderin.

Das Setting und der Plot des Buches haben mich überzeugt, ebenso Tanja Geke als Sprecherin, die jedem der Besatzung eine eigene "Stimme" gibt. Die Tatsache, dass das Team international zusammengewürfelt ist und sie zumindest teilweise mit Akzenten arbeiten kann, macht das beim Zuhören sehr abwechslungsreich. Auch die Beschreibungen der Weite der Antarktis, des Schwindens der Sonne, der Weite der Landschaft, der Isolation und zunehmenden Paranoia sind der Autorin gut gelungen.

Zu den Schwächen des Buches gehört für mich aber insbesondere die mangelnde Glaubwürdigkeit der Hauptfigur Kate. Angesichts der medizinischen und psychologischen Tests, die mit der Arbeit an so einem entlegenen Ort verbunden sein dürften, ist es unwahrscheinlich, dass der ständige Pharma-Cocktail in ihrem Blut und ihr seelischer Zustand unentdeckt bleiben würden. Dass die Stationsärztin sich nicht nur an den Medikamentenvorräten der Forschungsstation vergreift, sondern ihren Kolleginnen und Kollegen entgeht, dass sie ständig breit ist, ist ebenso unwahrscheinlich. Und dass sie selbst mit kaltem Entzug es fertig bringt, in der Krise den Rest des Teams zu koordinieren, ganz zu schweigen von einem komplizierten medizinischen Eingriff - nein, da konnte mich die Autorin überhaupt nicht überzeugen.

Ein Denkfehler Kates zum Mörder auf der Station, der fast fatale Folgen gehabt hätte, war ebenfalls nicht sonderlich glaubwürdig. Insofern bin ich bei "The Dark" zwiegespalten. Die Antarktis als Schauplatz eines Whoodunit ist eine faszinierende Location, ich mag das Setting, wo die Beteiligten in Dunkelheit und Kälte ihren ganzen Überlebenswillen sammeln müssen, die Beschreibungen der Station sind faszinierend, und die kleinen und großen Macken des Personals sorgen für zusätzliche Entwicklungen der Handeln. Die Figur der Kate dagegen ist einfach viel zu dick aufgetragen und hat mich irgendwann nur noch genervt.

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Veröffentlicht am 06.01.2023

Unversöhnlich

Kuckuckskinder (Ein Falck-Hedström-Krimi 11)
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Der Titel "Kuckuckskinder" passt zu Camilla Läckbergs neuem Roman - so viel lässt sich wohl sagen, ohne zu spoilern. Bisher hatte ich von der schwedischen Autorin nur Bücher gelesen, in denen die Protagonistin ...

Der Titel "Kuckuckskinder" passt zu Camilla Läckbergs neuem Roman - so viel lässt sich wohl sagen, ohne zu spoilern. Bisher hatte ich von der schwedischen Autorin nur Bücher gelesen, in denen die Protagonistin Rache an den Männern nahm, die sie kleingehalten, misshandelt oder sonstwie an einer eigenständigen Entwicklung gehindert hatten Mit der Protagonistin Erika Falk ist sie zu einer Seie zurückgekehrt, die mir bisher nicht bekannt war, ich kam aber auch ohne Vorwissen gut mit den Protagonisten klar, allen voran Schriftstellerin Erika, die mit True Crime-Romanen erfolgreich ist, und ihrem Ehemann Patrik Hedström von der Polizei im südschwedischen Fjällbacka.

Das Ehepaar hat über eine Freundin Erikas eine Einladung zu einer goldenen Hochzeit einer prominenten und wohlhabenden örtlichen Familie erhalten: Henning ist Schriftsteller, wird als Kandidat für den Literaturnobelpreis gehandelt, seine Frau stammt aus einer altehrwürdigen Verlegerfamilie. Ausgerechnet nach einem weinseligen Abend wird der verkaterte Patrik zu einer Mordermittlung gerufen: Der Starfotograf Rolf ist tot in einer Galerie gefunden worden. Auch er war zu der Feier eingeladen, hatte aber abgesagt.

Bilder der geplanten Ausstellung inspirieren Erika, bei einem ohnehin geplanten Reise nach Stockholm den Spuren von Lola nachzugehen, einer Transfrau, die Rolf offenbar so beeindruckt hat, dass ihr Foto im ehelichen Schlafzimmer hing. Bei ihren Recherchen stößt Erika auf eine tragische Geschicht: Lola und ihre Tochter kamen vor Jahren bei einem Brand ums Leben. Das ist der Stoff für einen neuen Roman, ist Erika überzeugt, die an die Theorie von einem Unfalltod nicht glauben will.

Sie stellt überrascht fest, dass Lola nicht nur Rolf kannte, sondern dass die Künstler- und Intellektuellenclique um Rolf, Henning und Elisabeth damals ihre Ersatzfamilie bildete. Währenddessen kommt es in Fjällbacka zu einem regelrechten Blutbad, das auch erfahren Polizisten nicht kalt lässt. Irgendjemand scheint einen unversöhnlichen Hass gegen die Familie zu hegen.

In einem zweiten Handlungsstrang geht es um die Zeit um 1980, die Monate vor Lolas Tod und das Leben und die Vergangenheit der Transfrau. Eniges hierzu wird von Erika im Gespräch mit Freunden und Nachbarn aufgedeckt, anderes aus der damaligen Erlebnisperspektive geschrieben.

Mir war eigentlich früh klar, wer hinter der Mordserie stecken musste, insofern hat mich die Auflösung des Plots nicht sonderlich überrascht. Trotzdem ist "Kuckuckskinder" spannend zu lesen, denn auch wenn ich die Lösung geahnt hatte, waren da noch einige "wie"-Fragen zu klären. Gut gefiel mir die Normalität von Erika und Patrik, die eben nicht als Superhelden dargestellt werden, sondern als gestresstes Ehepaar, dass auch noch den Alltag mit drei kleinen Kindern bestehen muss und plötzlich vor einer überraschenden und schwierigen Situation steht, die völlig andere Weichen für die Zukunft stellen kann.

Auch die übrigen Polizisten müssen neben der Arbeit private Probleme und Herausforderungen bewältigen. Dass auch Polizisten nur Menschen sind und beim Anblick mancher Tatorte traumatisiert werden, wird ebenfalls thematisiert.

"Kuckuckskinder" ist eingängig geschrieben, fängt allerdings etwas langsam an, bis die Handlung Fahrt aufnimmt. Am Ende fand ich einiges überzogen, kann darauf aber nicht ohne Spoilern eingehen.

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Veröffentlicht am 02.01.2023

Wettlauf mit der Zeit

Er will dein Ende
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Finanzberater Kipp Brown steckt mächtig in der Klemme in "Er will dich zerstören", der 14. Band von Peter James´Reihe um den Kriminalpolizisten Roy Grace aus Brighton. Denn der Mann, der das Vermögen seiner ...

Finanzberater Kipp Brown steckt mächtig in der Klemme in "Er will dich zerstören", der 14. Band von Peter James´Reihe um den Kriminalpolizisten Roy Grace aus Brighton. Denn der Mann, der das Vermögen seiner Kunden erfolgreich verwaltet und auf großem Fuß lebt, leidet unter Spielsucht. Der eigene Wohlstand ist längst mehr Schein als Sein. Als sein Sohn dann das Opfer einer Entführung wird und er Lösegeld zahlen muss, fürchtet er das Schlimmste - er kann einfach nicht zahlen. Und es ist ein Wochenende, er kann auch nicht bei den Banken versuchen, kurzfristig Geld locker zu machen. Sollte er dagegen das Vermögen seiner Kunden antasten, wäre das nicht nur beruflich das Aus, er stünde mit einem Bein im Gefängnis,

Einmal mehr gibt James den Lesern mehr Informationen als den Ermittlern. Denn der angeblich entführte Junge fühlt sich nach dem Unfalltod der älteren Schwester von den trauernden Eltern vernachlässigt, ja ungeliebt. Die Entführung, die er mit Hilfe eines Schulfreundes simuliert, soll Klarheit darüber bringen, ob ihn sein Vater überhaupt liebt. Doch dann wird aus dem Vorhaben der beiden Jungen tödlicher Ernst und die Bemühungen um Mungos Freiheit und Leben werden zum Wettlauf mit der Zeit.

In einem weiteren Handlungsstrang geht es um die Erpressung des örtlichen Fußballclubs durch einen Unbekannten, der mit Sprengstoffanschlägen droht.Verschärft wird die Situation durch einen brutalen Machtkampf innerhalb der albanischen Mafia in Brighton. Die Zusammenhänge bleiben den Ermittlern lange verborgen, erst am Ende des Buches kommt es zu einem dramatischen Showdown.

Zwischendurch war allerdings manche Entwicklung absehbar, manche Brutalität der Mafiamethoden wäre auch verzichtbar gewesen. Insgesamt entwickelte sich der Spannugsbogen gelegentlich etwas zäh. Der vorangegangene Roman über Romance Scams hatte mir jedenfalls besser gefallen. Dennoch solida Krimikost, bei der man als Leser vor allem am Dilemma Kipp Browns Anteil nehmen kann.

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Veröffentlicht am 30.12.2022

Exzentrikerinnen unter sich

Tea Time
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it "Tea Time" ist Ingrid Noll irgendwie zu ihren Anfängen zurückgekehrt: Was "Die Apothekerin" einer ihrer frühen Erfolge, ist die Ich-Erzählerin Nina als Apothekenhelferin in der gleichen Branche. Die ...

it "Tea Time" ist Ingrid Noll irgendwie zu ihren Anfängen zurückgekehrt: Was "Die Apothekerin" einer ihrer frühen Erfolge, ist die Ich-Erzählerin Nina als Apothekenhelferin in der gleichen Branche. Die junge Frau aus einer Kleinstadt an der Bergstraße pflegt ihre Spleens - ebenso wie ihre fünf Mitstreiterinnen aus dem "Club der Spinnerinnen". Ninas Freundin Franzi etwa kämmt mit Vorliebe Teppiche, Supermarktkassiererin Jelena deutet Wolkenbilder und die Lehrerin Corinna steigt als Voyeurin in fremde Gärten ein. Nina wiederum fotografiert mit Vorliebe Unkräuter, wickelt sich im Bett in einen dichten Kokon - eine für die Partnersuche eher hinderliche Angewohnheit und entwickelt im Laufe des Buches eine leichte kleptomanische Ader.

Es wäre kein Ingrid Noll-Kriminalroman, wenn nicht auch mörderische Instinkte und unangenehme Männer zur Handlung gehörten. Der unangenehme Mann heißt in diesem Fall Andreas Haase, ist der Ex von Jelena und der Vater ihrer kleinen Zwillingssöhne. Die halten ihn zwar für einen super Papa, aber neben Alkoholproblemen fällt der arbeitslose Uhrmacher mit unerwünschten sexuellen Avancen auf, als er im Park Ninas verlorene Handtasche findet.

Die Auseinandersetzung schaukelt sich nach und nach hoch - bis Haase eines Tages tot aufgefunden wird und Nina die Antwort auf eine schreckliche Frage finden muss. Hatte sie da etwa eine Hand im Spiel? Eher unabsichtlich, aber vielleicht doch unbewusst morden wollend? Zwischen schlechtem Gewissen und eher dilettantischer Detektivarbeit findet Nina gleichwohl noch Zeit, ihrem ebenfalls eher verschrobenen Nachbarn Yves näher zu kommen.

Frauenfreundschaft und -solidarität, Sympathie mit skurrilen Charakteren und Lust am Absurden prägen diesen Kriminalroman mit zahlreichen humorvollen Elementen und manchem Wortspiel. Mit ein bißchen Verrücktheit, so die liebenswerte Botschaft, kommt man entspannter durchs Leben.

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