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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.07.2019

Symbolträchtig

Die Stille des Todes
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Man merkt sofort, dass die Autorin, Eva García Sáenz, in Vitoria zu Hause ist. Sie kennt jeden Winkel, jede Kirche, jedes Fest. Deswegen ist die ganze Atmosphäre authentisch. Mitten im Festtrubel werden ...

Man merkt sofort, dass die Autorin, Eva García Sáenz, in Vitoria zu Hause ist. Sie kennt jeden Winkel, jede Kirche, jedes Fest. Deswegen ist die ganze Atmosphäre authentisch. Mitten im Festtrubel werden zwei entkleidete Leichen gefunden, die auf eine Art und Weise drapiert sind, die nahtlos an eine lange zurückliegende Mordserie anknüpft. Der Täter wurde damals gefasst, sitzt noch hinter Gittern, aber soll bald auf Hafturlaub frei kommen. Für den Ermittler Unai López und seine Kollegin Esti beginnt eine furchtbare Zeit, denn der Killer dringt in ihre Privatsphäre ein. Ihre bis dato freundschaftliche Zusammenarbeit droht daran zu zerbrechen, auch Unais Liebelei mit der neuen Vorgesetzten wird zur zusätzlichen Belastungsprobe. Es gibt einen zweiten Handlungsstrang aus der Vergangenheit, der den Leser eher als die beiden Kommissare auf die richtige Spur bringt. Gegen Ende ist es eine Sache von Sekunden, die über Leben und Tod entscheiden, aber so muss ein richtiger Thriller eben sein. Der Roman gewinnt an Tiefe durch seine sehr emotionalen Protagonisten und ihr hochempfindliches Beziehungsgeflecht. Auch Nebenfiguren, wie der hochbetagte, mehr als rüstige Großvater, oder Unais kleinwüchsiger Bruder haben einen hohen Stellenwert. Nicht nur um die Geschichte auszuschmücken, sondern auch um die Handlung voranzutreiben und die Handlungsweisen besser zu verstehen.
"Die Stille des Todes" fesselt von der ersten Seite an und es ist toll, dass im Herbst schon mit dem ersten Folgeband zu rechnen ist

Veröffentlicht am 16.06.2019

Geraubte Kindheit

Keiner hört dein Schweigen
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Die Autorin Dania Dicken hat Psychologie studiert. Das wirkt sich im Ganzen sehr positiv auf diesen Psychothriller aus, denn die Handlungen und Reaktionen des schwer traumatisierten Opfers sind in sich ...

Die Autorin Dania Dicken hat Psychologie studiert. Das wirkt sich im Ganzen sehr positiv auf diesen Psychothriller aus, denn die Handlungen und Reaktionen des schwer traumatisierten Opfers sind in sich stimmig und nicht der Fabulierkunst entsprungen. Vielleicht bringt auch die Beschäftigung mit real stattgefundenen Verbrechen eine andere Sicht auf die Untiefen menschlicher Grausamkeit, so dass dieses Buch entstehen konnte. Aus der Zeitung haben wir schon von Kindern gelesen, die jahrelang eingesperrt und ihren Entführern ausgeliefert waren. Bei Dania Dicken sind es zwei Schwestern, Katie und Tracy, die spurlos verschwinden. Nach acht Jahren taucht die Jüngere verwahrlost wieder auf. Die Profilerin Andrea versucht aus dem verstummten Mädchen Informationen zu erhalten, damit auch Tracy gerettet werden kann. Sie geht dabei sehr einfühlsam vor, und was nach und nach zu Tage tritt, ist für den Leser schwer auszuhalten. Noch grausamer wird es beim finalen Showdown. Zum Glück zeigen die letzten Seiten eine positive Sicht auf die Zukunft und auch dem Gerechtigkeitssinn des Lesers wird Genüge getan. Obwohl die Handlung sehr aufwühlt, bleibt der Schreibstil doch sachlich, dabei wird gleichzeitig so eine Spannung aufgebaut, dass man förmlich von Seite zu Seite getrieben wird. Generell ist das Buch nicht für Leser mit schwachen Nerven geeignet, aber all die anderen werden begeistert sein.

Veröffentlicht am 13.06.2019

Stationen einer Geisha

Die Lotosblüte
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Mit 15 Jahren schon wird die junge bitterarme Koreanerin Shim Chong als Bettgefährtin an einen greisen alten Mann nach China verkauft. Nach dessen Tod wird sie von seinem jüngsten Sohn "übernommen" und ...

Mit 15 Jahren schon wird die junge bitterarme Koreanerin Shim Chong als Bettgefährtin an einen greisen alten Mann nach China verkauft. Nach dessen Tod wird sie von seinem jüngsten Sohn "übernommen" und für dessen Bordell angelernt. Das sind die ersten Stationen ihres jungen Lebens, aber beständig wird sie weiter gereicht, über Ländergrenzen hinaus muss sie immer mit ihrem Körper zu Diensten sein.
Der Leser kann ihren Lebensweg bis zu ihrem Tod verfolgen. Es ist ein sehr pragmatisches Dasein, fast ohne Träume. Auch wenn der Autor das Auge auf viele Details richtet, so bleibt immer eine gewisse Distanz zur Protagonistin. Genauso distanziert betrachtet die junge Frau ihr eigenes Leben. Jedes Mal, wenn sie wieder verkauft wird, sich in einer neuer Umgebung zurechtfinden muss, eine neue Sprache lernt, macht sie das Beste aus der Situation. Sie ist geschäftstüchtig, aber dennoch behält sie das Wohl ihrer Mitmenschen im Blick.
"Die Lotosblüte" ist ein historischer Roman, der im 19. Jahrhunder in Korea beginnt, aber dann einen weiten Bogen schlägt unter anderem über China, Taiwan, Singapur und Japan. Man erfährt einiges über die Lebensweise von Geishas und Prostituierten in den jeweiligen Ländern, aber auch die politischen Situationen werden angerissen. Leider hat sich mir aus dem Kontext heraus die geographische Lage oft nicht erschlossen,weil altertümliche Namen verwendet werden.
Dennoch bin ich fasziniert in die mir fremde Welt abgetaucht und den Spuren der tapferen Lotosblüte Shim Chong gefolgt.

Veröffentlicht am 10.06.2019

Louise und Lavinia

So schöne Lügen
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Trotz ihrer fast 30 Jahre ist Louise noch nicht richtig im Leben angekommen. Sie steckt voller Minderwertigkeitskomplexe, hat ständig Angst, sich ihr Leben zu verbauen und muss jeden Tag hart mit drei ...

Trotz ihrer fast 30 Jahre ist Louise noch nicht richtig im Leben angekommen. Sie steckt voller Minderwertigkeitskomplexe, hat ständig Angst, sich ihr Leben zu verbauen und muss jeden Tag hart mit drei Teilzeitjobs das Geld für den Lebensunterhalt zusammen kratzen. Als sich die unglaublich reiche und schöne Lavinia für sie interessiert, beginnt ein neuer Lebensabschnitt im Glanze der High Society. Louises Leben wird komplett umgekrempelt, wird glamourös, abwechslungsreich und interessant. Doch die Sorgen ums Überleben nehmen nicht ab, sie ändern sich nur. Jetzt muss sie sich den Launen der kapriziösen Freundin beugen, wenn sie nicht plötzlich mittellos auf der Straße stehen will. Das geht auf Dauer nicht gut, aber Louises Lebensmotto ist: Ich schaffe das! Und nach dem großen Knall wird es für den Leser eigentlich noch interessanter, wie raffiniert die junge Frau ihr Leben organisiert. Klasse!
Im Mittelpunkt stehen Louise und ihre maliziös narzisstische Freundin Lavinia. Aber auch die dekadenten Freunde werden in ihrer Unreflektiertheit und Selbstüberschätzung spannend charakterisiert. Die Handlung erinnert natürlich über weite Phasen an einen Chicklit-Roman, aber die psychologische Komponente wertet das Ganze immer wieder auf.
Der Schreibstil ist etwas gewöhnungsbedürftig. Abgehackte, kurze Sätze mit gezielten Wortwiederholungen wirken sich hemmend auf den Lesefluss aus, aber das ist von der Autorin so gewollt und macht auch viel vom Charme des Buches aus.
Die Hörspielversion wird hervorragend gelesen von Britta Steffenhagen. Vom Lesen des Klappentextes hatte ich mir schon ein Bild der Protagonistinnen im Kopf entworfen, aber mit den ersten Sätzen wurde es auf den Kopf gestellt. Die Sprecherin versteht es wunderbar, die Gefühle im ganzen Spektrum von Naivität bis zur berechnenden Bosheit in das Timbre ihrer Stimme zu legen. Durch ihre Ausdruckskraft behält man als Hörer auch immer den Überblick.
Dieses Buch hat mir gut gefallen und ich empfehle es gerne weiter. Meiner Meinung nach wird es allerdings in erster Linie Frauen ansprechen, aber Ausnahmen bestätigen die Regel.

Veröffentlicht am 16.05.2019

Very rich and very crazy

Crazy Rich Asians
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Rachel und Nick, beides amerikanische Hochschulprofessoren mit chinesischen Wurzeln, leben in einer gut funktionierenden Partnerschaft. Sie fliegen nach Singapur zur Hochzeit von Nicks bestem Freund, und ...

Rachel und Nick, beides amerikanische Hochschulprofessoren mit chinesischen Wurzeln, leben in einer gut funktionierenden Partnerschaft. Sie fliegen nach Singapur zur Hochzeit von Nicks bestem Freund, und dabei soll Rachel gleichzeitig mit der Familie ihres Liebsten bekannt gemacht werden.

Nick ist allerdings ein Meister des Tiefstapelns. Kapitelweise wird beschrieben, wie Rachel Schritt für Schritt begreift, dass sie die Freundin von Asiens reichstem und begehrtesten Junggesellen ist. Darauf hat sie der bescheidene Nick in keinster Weise vorbereitet.

Seine Familie ist in weiten Teilen not amused. Ehen werden in dieser Gesellschaftsklasse traditionell arrangiert, Geld und Einfluss sind dabei ausschlaggebend. Doch gezielte Störfeuer werden nicht nur durch die Verwandtschaft in spe gezündet, nein auch Töchter aus gutem Haus, die Nick als geeignete Beute ansehen, laufen zur Höchstform in puncto Bösartigkeit auf. In sofern ist es die klassische Liebesgeschichte, in der zwei Menschen jede Menge Hindernisse bis zu ihrem persönlichen Glück überwinden müssen.

Demnach ist "Crazy Rich Asians" eigentlich kein besonderer Roman, auch wenn die Protagonisten sehr sympathisch sind. Besonders wird er erst durch das Milieu der Singapurer Oberschicht: dekadent in ihrem unbeschreiblichen Reichtum, meist mit einem furchtbaren Geschmack gesegnet und von der eigenen Bedeutung bis ins Unermessliche überzeugt. Natürlich muss man die zum Teil epischen Schilderungen von Kleidung und Einrichtung mögen, aber sie stecken voll feinem Humor, und zusammen mit der immer wieder auftretenden Situationskomik, lässt sich das Buch mit einem ständigen Lächeln auf den Lippen gut lesen. Ich konnte es nicht aus der Hand legen. Hoffentlich werden die beiden anderen Bände der Trilogie auch bald übersetzt.