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Veröffentlicht am 29.04.2024

Turbulent wie die Asse

Das letzte Feuer
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Eine Zeitreise ins 20. Jahrhundert, eine Reise in das Bergdorf Orpierre-d'Asse in der Haute-Provence ist "Das letzte Feuer" von Maria Borrély aus dem Französischen übersetzt v. Amelie Thoma @kanonverlag
Und ...

Eine Zeitreise ins 20. Jahrhundert, eine Reise in das Bergdorf Orpierre-d'Asse in der Haute-Provence ist "Das letzte Feuer" von Maria Borrély aus dem Französischen übersetzt v. Amelie Thoma @kanonverlag
Und obwohl mit unter 150 Seiten vollgepackt mit einer turbulenten Geschichte um eine Dorfgemeinschaft in den Bergen, eine Landschaft geprägt vom steifen Wind, trocken und karg. Menschen, welche sich nach fruchtbaren Getreidefeldern, Obstbäumen und einem reichhaltigen Leben sehnen. Mittendrin die eigenwillige Pélagie mit ihrer Enkelin Berthe. Während alle anderen Familien nach und nach in das neue Dorf unten an den Fluss, die turbulente, unberechenbare und unzähmbare Asse ziehen, bleiben ebendiese beiden oben in den Bergen. Die Großmutter ist fest davon überzeugt, dass das Klima nahe dem Fluss schädlich ist. Anfangs glaubt ihr niemand, das Dorf blüht auf. Doch das gtoße Glück währt nicht lange.
Auch den zweiten Roman von Maria Borrély habe ich mit großer Freude gelesen. Im Vergleich zu "Mistral" finde ich "Das letzte Feuer" deutlich turbulenter, lebendiger. Und doch blieb die Autorin ihrem Erzählstil treu, umschreibt die Region der Handlung gekonnt und malerisch mit starken Konturen, welche die Geschichte für mich beinahe greifbar machen. Ich freue mich sehr, dass auch dieser Roman der vergessenen französischen Schriftstellerin ins Deutsche übersetzt wurde.
Definitiv wieder ein Lieblingsbuch.

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Veröffentlicht am 29.04.2024

Auf wen ist Verlass in schwierigen Zeiten?

Jeanie und Julius
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Jeanie und Julius sind 51, leben seit Jahrzehnten mit ihrer Mutter Dot auf dem Land in einem Cottage. Das Leben ist eher einfach. Julius schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch, Jeanie unterstützt die ...

Jeanie und Julius sind 51, leben seit Jahrzehnten mit ihrer Mutter Dot auf dem Land in einem Cottage. Das Leben ist eher einfach. Julius schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch, Jeanie unterstützt die Mutter Zuhause im Garten. Doch als ebendiese plötzlich stirbt steht das Leben der Zwillinge auf dem Kopf. Was ist nun mit dem lebenslangen und mietfreiem Wohnrecht im Cottage? Was ist das für eine rätselhafte Abmachung zwischen dem Eigentümer und Dot gewesen? Was ist mit den ganzen Schulden? Während die Geschwister vor die Tür geworfen werden stellt sich auch die Frage, wer Freundin und wer Feindin ist. Auf wen können sich die zwei nun verlassen? Ist Blut tatsächlich dicker als Wasser?
Claire Fuller erzählt in ihrem Roman "Jeanie und Julius" aus dem Englischen übersetzt v. Andrea O'Brian @kjonaverlag respektvoll und wertungsfrei die Geschichte einfacher Leute. Obwohl kein typischer Pageturner entwickelt die Handlung ihre ganz eigene Spannung, erwachte in meinem Kopf zu bewegten Bildern. Und ich kann den Roman um Verlust, Trauer, Zusammenhalt und Liebe sehr zum Lesen empfehlen.

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Veröffentlicht am 29.04.2024

Ohne sie wären wir um ein Vielfaches ärmer

»Und so blieb man eben für immer«
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Aus den verschiedensten Ländern kamen sie nach dem 2. Weltkrieg nach Deutschland, u.a. Kosovo, Italien, Griechenland, Türkei und noch unzählige weitere. Sie wurden dringend gebraucht als Arbeitskräfte, ...

Aus den verschiedensten Ländern kamen sie nach dem 2. Weltkrieg nach Deutschland, u.a. Kosovo, Italien, Griechenland, Türkei und noch unzählige weitere. Sie wurden dringend gebraucht als Arbeitskräfte, sogenannte Gastarbeiter*innen. In "Und so blieb man eben für immer" erzählen Sabrije Asani Krasniqi, Arzije Asani, Elona Beqiraj, Esra Canpalat, Ornella Rosaria Cosenza, Sofie Soujon & Baris Yüksel in Gedichten, Lyrik, und Berichten aus ihren verschiedenen Leben. Ergänzt wird diese eindrückliche und äußerst diverse Anthologie mit Fotografien von Emine Akbaba & Julius Matuschik. Die Texte haben mich alle sehr unterschiedlich bewegt und berührt. Auch das Vorwort der Herausgeberin Jehona Kicaj. Es sind Geschichten von Eltern und Kindern, ohne welche wir alle, nicht nur die deutsche Industrie, sondern wir alle als Gesellschaft und Kultur um ein Vielfaches ärmer wären, Menschen, welche in unsere Mitte gehören und nicht ausgegrenzt. Es sind Geschichten vom Herkommen, Ankommen, Nicht-Ankommen, Dazwischen, manchmal Rückkehr aber auch vom Bleiben für immer.

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Veröffentlicht am 13.04.2024

Abwägen

Diese eine Entscheidung
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Das ist ihr täglich Brot. Alma ist Untersuchungsrichterin und arbeitet in einer speziellen Abteilung für Terrorismusbekämpfung in Paris. Ihr Beruf bedeutet ihr sehr viel. So sehr, dass ihre Ehe mit Ezra ...

Das ist ihr täglich Brot. Alma ist Untersuchungsrichterin und arbeitet in einer speziellen Abteilung für Terrorismusbekämpfung in Paris. Ihr Beruf bedeutet ihr sehr viel. So sehr, dass ihre Ehe mit Ezra scheitert, sie sich auf eine Affäre ausgerechnet mit dem Rechtsanwalt einlässt, welcher einen Terrorverdächtigen verteidigt. Doch es ist die große Liebe.
"Diese eine Entscheidung" von Karine Tuil aus dem Französischen übersetzt v. Maja Ueberle-Pfaff @buechergilde behandelt auf packende Weise ein aktuelles und auch komplexes Thema. Lässt sich wirklich einschätzen, ob eine dem Terrorismus verdächtige Person tatsächlich eine Gefahr für die Bevölkerung darstellt? Es ist sehr schwierig. Und Alma entscheidet sich nach reiflicher Überlegung für die Freilassung des Verdächtigen unter Auflagen. Doch alsbald wird sie mit den Konsequenzen für ebendiese eine Entscheidung schmerzvoll konfrontiert.
Obwohl sehr spannend und ergreifend fand ich den Roman doch etwas einseitig, ging es in der Handlung schwerpunktmäßig um Dschihadismus. Meines Erachtens gibt es aber nicht nur diese Form oder Motivation zum Terrorismus, dieser kann aus jeder Religion, jeder politischen Gesinnung erwachsen. Ich persönlich lehne Terror in all diesen Arten ab. Und zugleich ist nicht jeder muslimische Mensch automatisch Dschihadist. Daher finde ich es wichtig, diesen Roman mit einer gewissen Differenzierung zu lesen.

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Veröffentlicht am 13.04.2024

Vom Festhalten & Loslassen

Bis wir Wald werden
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Nanush ist um die 30 und lebt mit ihrer Urgroßmutter Babulja in einem Hochhaus. Nachdem die beiden Sibirien verlassen mussten und nach Deutschland kamen ist eben dieses Haus ihr Lebensmittelpunkt. Hier ...

Nanush ist um die 30 und lebt mit ihrer Urgroßmutter Babulja in einem Hochhaus. Nachdem die beiden Sibirien verlassen mussten und nach Deutschland kamen ist eben dieses Haus ihr Lebensmittelpunkt. Hier leben nicht nur, aber auch viele andere Menschen, welche als Spätaussiedlerinnen unter Altkanzler Helmut Kohl nach Deutschland geholt wurden. Obwohl weit weg, liegt in der Geschichte um die beiden Frauen eine diffuse Sehnsucht nach Sibirien. Immer wieder klopfen Erinnerungen an die damalige Vertreibung bei Babulja an, welche sie jedoch bis fast an ihr Lebensende immer wieder beiseite schiebt, auch wenn die Urenkelin von klein auf immer wieder nachfragt. Während Babulja zunehmend in ihrer ganz eigenen Welt aus einem baumartigen Hochhaus, dem angrenzenden Wald, den Tieren Bär, Fuchs und Reh lebt, geht Nanush täglich arbeiten im örtlichen Real an der Kasse. Ist sie glücklich? Vielleicht ja. Die Beziehung zwischen den beiden Frauen ist liebevoll, zärtlich und innig. Sie halten aneinander fest. Doch bald ist es an der Zeit, dass sie einander loslassen müssen.
Birgit Mattausch @frauauge erzählt in ihrem Roman "Bis wir Wald werden" auf fast schon märchenhafte Weise von einer bunten Hausgemeinschaft. Sie alle sind sehr verschieden, doch eint sie die Vertreibung. In Sibirien wurden sie Faschisten geschimpft und hier manchmal abfällig als Russen. Und führen ein Leben dazwischen. Schön bei der Autorinnen-Lesung im vergangenen November im Literarischen Zentrum Braunschweig hat mich die Geschichte in dem Roman berührt und fasziniert. Und auch in mir hat es Erinnerungen geweckt an die Kinder und Jugendlichen in meinem Heimatdorf, welche wie hier im Buch aus Spätaussiedler
innen-Familien stammen. Ich habe diese als herzliche und freundliche Menschen in Erinnerung. Wenn ich nach der Schule dort zu Gast war, gab es in den Küchen der Familien immer reichlich zu essen, es war sehr lebhaft und familiär. Vorurteile gegenüber diesen Menschen sind für mich bis heute nicht nachvollziehbar, da ich bisher nur positives erlebt habe.
Der Roman ist auf jeden Fall äußerst lesenswert. Und mit seinen knapp 177 Seiten schnell verschlungen.

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