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Veröffentlicht am 19.12.2019

Stuttgart und Schokolade in den Goldenen Zwanzigern

Die Schokoladenvilla – Goldene Jahre
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20 Jahre sind seit dem ersten Band vergangen. Die Raufbolde Karl und Anton sind erwachsen und Victor und Judith haben eine Familie gegründet. Jetzt zieht Victors Halbschwester Serafina nach dem Tod des ...

20 Jahre sind seit dem ersten Band vergangen. Die Raufbolde Karl und Anton sind erwachsen und Victor und Judith haben eine Familie gegründet. Jetzt zieht Victors Halbschwester Serafina nach dem Tod des Vaters zu ihnen. Sie ist sofort von der Welt der Schokolade fasziniert - und von Anton, doch der scheint eine andere Frau im Sinn zu haben. Aber sein Zwillingsbruder Karl ist ja auch sehr gutaussehend, galant und draufgängerisch. Doch Serafin hat ein dunkles Geheimnis und Angst, dass dieses sie einholt …

Maria Nikolai hat die Geschichte der Familie Rothmann weitergesponnen. Wir sind in den Goldenen Zwanzigern, die Frauen sind inzwischen deutlich selbstbewusster, fahren Auto, haben geschlechtliche Beziehungen ohne gleich zu heiraten und nehmen leitende Positionen ein - so wie Judith, die die Schokoladenfabrik zusammen mit Victor führt. Ihr Bruder Karl ist davon nicht begeistert. Er hatte immer gehofft, die Fabrik eines Tages zu übernehmen. Sein Zwillingsbruder Anton hingegen hat sich als Klavierbauer und Musiker einen Namen gemacht.

Neben Stuttgart spielt diesmal auch Berlin eine große Rolle, weil Serafina bis zum Tod ihres Vaters da gelebt hat und ihr Geheimnis dort verwurzelt ist. Sie sucht u.a. ihre Mutter, die sie nie kennengelernt hat und die Schauspielerin gewesen sein soll. Unerwartete Hilfe bekommt sie von der Französin Lilou, die für Josephine Baker arbeitet und in Serafina verliebt ist. Durch Lilous Nachforschungen bekommt man einen tollen Eindruck vom Berliner Nachtleben, zwielichtigen Klubs und skandalträchtigen Frauen wie Anita Berber.

Stuttgart steht ganz im Zeichen des Bauhauses. Die Weißenhausausstellung wird vorbereitet. Vor allem Karl ist sehr an der modernen Architektur und den futuristischen Designs interessiert und versucht, die Rothmanns dadurch nach vorn zu bringen. Doch zuerst müssen sie klären, ob die vielen Störungen in der Firma Zufälle sind oder jemand Sabotage betreibt.

Meine Lieblingsprotagonistin ist Judiths Tochter Vicky, die ihren Onkeln an Streichen und Unsinn in nichts nachsteht. Sie extrem liebenswert und pfiffig und schon tief im Schokoladenimperium verwurzelt. Von klein auf stand sie mit ihrer Mutter in der Versuchsküche und hat u.a. die Himbeeren-Trüffel (mit) entwickelt, deren Rezept auch Innen im Cover abgedruckt ist. Wird sie das Unternehmen später mal übernehmen?

„Goldene Jahre“ ist eine schöne, abwechslungsreiche Familiengeschichte und aufgrund der über 700 Seiten ein echter Schmöker, aber mir kam die Schokolade diesmal etwas zu kurz. Auch waren es mir zu viele Nebenschauplätze und Handlungsstränge - gerade die um Serafinas Geheimnis, Judiths Sohn Martin oder um den Vater von Vickys Freundin Mathilda hätte es für mich nicht gebraucht.

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Veröffentlicht am 13.12.2019

Beruf(ung) oder Liebe?

Die Hafenschwester (1)
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Hamburg 1892: Marthas Familie lebt im Gängeviertel, bei der Choleraepidemie sterben ihre Mutter und ihre kleine Schwester. Daraufhin flüchtet sich ihr Vater in den Alkohol. Martha bleibt nichts anderes ...

Hamburg 1892: Marthas Familie lebt im Gängeviertel, bei der Choleraepidemie sterben ihre Mutter und ihre kleine Schwester. Daraufhin flüchtet sich ihr Vater in den Alkohol. Martha bleibt nichts anderes übrig, als mit 14 die Schule zu verlassen und sich eine Arbeit zu suchen. Sie wird Krankenwärterin im Allgemeinen Krankenhaus St. Georg. Schnell stellt sie fest, dass sie sich für Medizin wirklich interessiert - das fällt auch ihren Vorgesetzten und den Ärzten auf. Man verhilft ihr zu einer Lehrstelle bei den Erikaschwestern im Eppendorfer Krankenhaus, wo sie bald eine Karriere als OP-Schwester macht. Sie kommt über eine Kollegin mit Frauenrechtlerinnen und Sozialisten in Kontakt und lernt den Gewerkschaftler Paul kennen. Die beiden verlieben sich, aber eine Erikaschwester muss unverheiratet (oder verwitwet) sein. Martha liebt ihr Leben im Krankenhaus und die Arbeit als OP-Schwester. Sie hat Bedenken, ihren Beruf und ihre Unabhängigkeit für eine Ehe aufzugeben und sich einem Mann unterzuordnen …

Melanie Metzenthin schreibt über eine sehr bewegte Zeit voller politischer und gesellschaftlicher Umbrüche und deckt die damaligen Missstände auf.

Marthas Herkunft macht eine Berufsausbildung fast unmöglich. Viele Frauen ihrer Schicht werden Prostituierte, genau wie ihre beste Freundin Milli. Diese wird vom eigenen Vater an die Freier verkauft.
Nur wegen ihrer Fürsprecher kann Martha eine „richtige“ Krankenschwester mit einer ordentlichen Entlohnung werden, während ihr Vater immer weiter abrutscht und ihr 12jähriger Bruder neben der Schule Botengänge und Heimarbeit verrichtet, um zum Unterhakt der Familie beizutragen.
Die Hafenarbeiter werden ausgebeutet und mies bezahlt. Obwohl sich die Lebenshaltungskosten in den letzten Jahren verdoppelt haben, sind die Löhne unverändert geblieben. Die Männer arbeiten oft 72 Stunden am Stück, viele verunglücken völlig übermüdet, trotzdem reicht ihr Lohn nicht für den Lebensunterhalt.
Martha kennt all dies aus eigener Erfahrung und engagiert sich darum in der Arbeiterbewegung, doch ihr ist immer besonders wichtig, auch auf die Situation der Frauen hinzuweisen und sich für deren Rechte und Gleichberechtigung einzusetzen.

Die Autorin schreibt sehr anschaulich und mitreißend, allerdings stand für mich die Politik (Versammlungen, Reden etc.) etwas zu oft im Vordergrund und hat meinen Lesefluss gebremst. Martha ist eine starke Persönlichkeit, die ihren Weg geht und kein Blatt für vor den Mund nimmt. Sie scheut sich nicht, ihre Meinung zu vertreten, auch wenn sie dadurch Freundinnen verliert und ihre Arbeit aufs Spiel setzt. Interessant waren auch die Behandlungs- und Operationsmethoden zu dieser Zeit.

Mein Fazit: Interessanter Auftakt der Reihe um die Hafenschwester Martha – ich bin gespannt, wie es weitergeht.

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Veröffentlicht am 22.11.2019

Das Auge isst mit

Wirbelkuchen
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Ich koche und backe sehr gern und mag es, wenn das Ergebnis auch optisch ansprechend aussieht. Leider habe ich kein Händchen fürs Dekorieren, darum finde ich die Idee der Wirbelkuchen gut. Egal ob süß ...

Ich koche und backe sehr gern und mag es, wenn das Ergebnis auch optisch ansprechend aussieht. Leider habe ich kein Händchen fürs Dekorieren, darum finde ich die Idee der Wirbelkuchen gut. Egal ob süß oder herzhaft, bereits bei der Zubereitung der Kuchen, Torten oder Tartes wird der Belag so arrangiert, dass er harmonische Rosetten, Spiralen oder Strudel bildet – das Auge isst schließlich mit.

Insgesamt werden 30 Rezepte auf je einer Doppelseite mit Bild vorgestellt (nur 2 sind ohne).Die Böden sind meist aus Blätterteig oder Mürbeteig – der Einfachheit halber wird im Buch auf gekauften zurückgegriffen, aber den gerade Mürbeteig kann man auch ganz schnell selber machen.

Als erstes habe ich mich an die Süßkartoffeltarte mit roten Zwiebeln und Ziegenkäse gewagt und bin gleich über eine Ungenauigkeit im Rezept gestolpert. Dort wird nämlich eine Masse aus Ziegenkäse, Sahne, Salz und Pfeffer angerührt und in einen Spritzbeutel gefüllt. Allerdings taucht die Masse danach nicht mehr in den Zubereitungsschritten auf, aber ich habe mir anhand des Fotos gedacht, dass sie wohl vor dem Backen auf die Süßkartoffeln gegeben wird. Meine Tarte sah nach dem Backen allerdings anders aus als im Buch – gehört die Masse vielleicht doch unter die Süßkartoffeln? Ich werde es beim nächsten Mal probieren, denn die Tarte war sehr lecker und es wird sie garantiert noch mal geben.

Den Schokoladenkuchen mit Birnen und Cashewkernen haben wir ebenfalls bereits probiert und für sehr lecker befunden. Die hauchdünnen Birnenscheiben werden kreisförmig auf einen Brownieteig gesetzt. Doch auch hier gibt es eine kleine Diskrepanz – der Kuchen wird nicht mit Cashewkernen (wie in der Überschrift bezeichnet), sondern mit Cashewmus zubereitet.

Mein Fazit: Man sollte die Rezepte vor dem Nachbacken genau durchlesen, um evtl. Unstimmigkeiten darin frühzeitig zu entdecken. Davon abgesehen sind sie aber sehr lecker und sehen toll aus.

Veröffentlicht am 21.11.2019

Wo Licht ist, ist auch Schatten

Die Frauen von Skagen
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„Drei Menschen, die nicht in ihr richtiges Leben finden, drei Menschen – Marie, Sören und sie selbst - , die es einfach nicht schaffen, voneinander loszukommen und allein glücklich zu werden.“ (S. 235)
Skagen, ...

„Drei Menschen, die nicht in ihr richtiges Leben finden, drei Menschen – Marie, Sören und sie selbst - , die es einfach nicht schaffen, voneinander loszukommen und allein glücklich zu werden.“ (S. 235)
Skagen, Ende des 19. Jahrhunderts: Asta ist die Gesellschafterin der Fabrikantentochter Marie und wird mir ihr zusammen erzogen und unterrichtet. Da Marie Malerin werden will, erstreitet sie sich von ihren Eltern Zeichenunterricht und Asta muss bzw. darf sie zu jeder Stunde begleiten. Als der berühmte Maler Peder Severin Krøyer ein Portrait von Marie anfertigt, verliebt sich Asta in ihn, doch dieser hat nur Augen für Marie ...

Frankfurt, 2016: Vibekes Vater gehört eine Farbenfabrik und er wünscht, dass sie diese später übernimmt. Doch Vibeke möchte Malerin werden. „Das Leben ist sinnlos ohne Papier und Stift, ohne Leinwand und Farben.“ (S. 44) Ihre Mutter Malu unterstützt sie dabei, denn sie hat ihre Träume nach dem Kunstgeschichtsstudium für ihre Familie geopfert. „… zum Malen braucht man Mut. Ich glaube, der ist mir abhandengekommen.“ (S. 44) Malu reist mit Vibeke nach Skagen, wo es um 1900 eine berühmte Künstlerkolonie gab und sich heute noch eine außergewöhnliche Kunsthochschule befindet. Vibeke wird angenommen und entdeckt im Hinterzimmer eines Cafés ein bisher unbekanntes, nicht signiertes Gemälde, dass sie Marie Krøyer zuschreibt. Kann sie das Geheimnis des Bildes lüften?

Stina Lund erzählt im vorliegenden Roman die Biografien der Skagen-Maler als psychologischen Spannungsroman.

Asta beneidet Marie um ihr Aussehen, ihre Herkunft und ihr Talent. Sie schafft es auch Jahre nach deren Hochzeit mit Krøyer nicht, sich von ihnen zu lösen, sondern lebt als ihre Haushälterin und Vertraute mit in der Künstlerkolonie. Aber auch die Krøyers sind so daran gewöhnt, dass sich Asta um alles kümmert, dass sie nicht auf sie verzichten möchten. Marie hat erste Erfolge als Malerin, doch ihr Mann gibt ihr immer wieder zu verstehen, dass sie nicht gut genug ist. Sie beugt sich seinem Urteil, auch wenn die anderen Skagener Künstler das nicht so sehen. „Er ist nicht nur mein Ehemann, er ist auch mein Vorbild. Sein Wort hat Gewicht.“ (S. 172)
Asta ist von Krøyer besessen und nimmt jede Chance wahr, ihm nahe zu sein und sich in die Ehe einzumischen. Ihre Ménage á tois ist geprägt von gegenseitiger Eifersucht, Abhängigkeit, Machtspielen und Gewalt. Sie bindet sie immer fester aneinander und nimmt krankhafte Züge an.

Vibeke ist fasziniert von Skagens Künstler und ihrer Geschichte und dem ganz besonderen Licht, das dort strahlt. Sie hat das Gefühl endlich angekommen zu sein: „Ich möchte nie wieder weg von hier.“ (S. 103.

Zwischen beiden Erzählsträngen gibt es viele Parallelen. Es geht um Frauen, die von der Kunst leben können wollen, sich aber von Männern bzw. Vätern und ihren eigenen Ängsten bremsen und unterdrücken lassen.
Stina Lund schreibt sehr spannend und anschaulich, ich hatte die Gemälde und besonderen Lichtverhältnisse stets vor Augen. Die zwischenmenschlichen Spannungen und Wechselspiele haben mir gut gefallen, wobei ich den Erzählstrang um Marie und Asta etwas interessanter fand, als den um Vibeke.

Auch wenn ich die Handlungsweisen der Protagonistinnen aus heutiger Sicht nicht immer verstehen konnte – vor allem Maries bedingungslose Unterwürfigkeit – konnte ich ihr Verhalten trotzdem nachvollziehen.

Veröffentlicht am 12.11.2019

Auf ins zitronengelbe Glück

Ein Hauch von Sommer und Zitronen
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Lina hat gleich dreifach Pech: Ihr Chef taucht unter, um die Insolvenz der Firma zu verschleppen. Ihr Freund Ole sagt ihr, dass er sich ein eine Kollegin verguckt hat und eine Auszeit braucht, um sich ...

Lina hat gleich dreifach Pech: Ihr Chef taucht unter, um die Insolvenz der Firma zu verschleppen. Ihr Freund Ole sagt ihr, dass er sich ein eine Kollegin verguckt hat und eine Auszeit braucht, um sich über seine Gefühle klarzuwerden. Und ihr Vermieter kündigt ihr die Wohnung wegen Eigenbedarf.
Auch die Beziehung zu ihrer Mutter ist schwierig, eigentlich kaum vorhanden. Lina war erst 2, als ihr Vater die Familie verlassen hat und ihre Mutter als Alleinerziehende und Alleinverdienende ständig überfordert und überarbeitet war. Zum Glück gibt es die ehemalige Nachbarin und Wahl-Oma Trude, die Lina mit aufgezogen hat und ihr heute noch sehr nah steht.

Als sie in dieser Situation unerwartet vom Onkel ihres Vaters ein Häuschen erbt, hofft sie natürlich, dass sich damit das Wohnungsproblem gleich gelöst hätte. Leider steht es irgendwo im Bergischen Land und ist sehr renovierungsbedürftig. Doch Lina hat ja Zeit. Sie belegt ein paar Handwerkerseminare im Baumarkt und fängt einfach an, schließlich sagt Oma Trude immer „Nicht träumen, sondern anpacken.“ (S. 82) Außerdem helfen ihr die neuen, netten Nachbarn und auch Konditor Ben, der ihr immer wieder über den Weg läuft, bei den Arbeiten. Und als sich Lina endlich vorstellen kann, in ihr zitronengelbes Häuschen zu ziehen, tauchen der Denkmalschutz und Ole auf …

„Ein Hauch von Sommer und Zitronen“ ist nach „Ines und die grasgrüne Liebe“ bereits der zweite von Greta Niels und macht Lust auf Sommer in den Bergen und Bens Zitronentörtchen a la Lina. (Das Rezept dafür findet ihr übrigens am Ende des Buches.)

Lina ist Mitte 30 und hatte ihr Leben bereits durchgeplant. Ihre Karriere lief gut und auch die Hochzeit und Kinder mit Ole waren (zumindest für sie) nur noch eine Frage der Zeit. Nachdem all ihre Pläne wie Seifenblasen geplatzt sind, helfen ihr vor allem Oma Trudes Lebensweisheiten, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Bei der Sanierung des geerbten Hauses setzte sie sich mit ihrer Vergangenheit und ihren Eltern auseinander. Lina merkt, dass sie mit ihnen Frieden schließen muss, wenn sie ihre Zukunft unbelastet angehen will.
Ben sieht nicht nur gut aus und macht ihr immer wieder Avancen, sondern wird schnell zum echten Freund und Helfer für alle Lebens- und Renovierungsfragen. Geht da etwa was?

Die Geschichte ist sehr kurzweilig und herzerwärmend, aber ich hätte sie mir etwas weniger vorhersehbar und mit mehr Humor gewünscht – so wie in Greta Niels erstem Buch.