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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.08.2020

700 Seiten Lesegenuss pur

Die Henkerstochter und der Fluch der Pest (Die Henkerstochter-Saga 8)
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Da ich die ersten Bände rund um die Henkerstochter nicht kenne und historische Romane nicht mein bevorzugtes Genre sind, fürchtete ich mich etwas vor dem schwergewichtigen Werk. Andererseits war ich auch ...


Da ich die ersten Bände rund um die Henkerstochter nicht kenne und historische Romane nicht mein bevorzugtes Genre sind, fürchtete ich mich etwas vor dem schwergewichtigen Werk. Andererseits war ich auch neugierig darauf, denn in „Der Lehrmeister“ hatte mich der Autor bereits mit seiner plastisch-lebendigen Erzählfreude überzeugt.
Den Inhalt gibt der Verlag sehr prägnant an: „Sommer 1679. Die Pest, die bereits in Wien wütet, breitet sich in Bayern aus. Der Schongauer Scharfrichter Jakob Kuisl wird von einem Pestkranken aufgesucht, der kurz darauf zusammenbricht. Bevor er stirbt, flüstert er Jakob Kuisl noch ein paar rätselhafte Worte ins Ohr: Kuisl muss Kaufbeuren retten, ein schwarzer Reiter spielt dort mit seiner Pfeife zum Tanz auf, der Mörder hat zwei Gesichter. Gemeinsam mit seiner Tochter Magdalena geht Jakob Kuisl den geheimnisvollen Andeutungen nach. Ein gefährliches Unterfangen, denn inzwischen gibt es immer mehr Tote in Kaufbeuren. Doch was steckt dahinter – die Seuche oder ein raffinierter Mörder?
In Zeiten von Corona über die Pest zu lesen, erfasst den Leser ganz, ganz hautnah. Schrecken und Schauder einer Seuche in ihrem ganzen Ausmaß geschildert zu bekommen, bedeutet plötzlich nicht mehr nur, durch eine Geschichte aus weit, weit ferner Zeit unterhalten zu werden. Man zieht beim Lesen immer wieder Parallelen zur Gegenwart, und genau das machte mir die Lektüre, was die Grundthematik betrifft, besonders intensiv. Wiederum besticht der lebendige und fesselnde Schreibstil von Oliver Pötzsch. Über das gesamte Buch hinweg bleibt es durchweg spannend. Immerzu hatte ich farbig-lebendige Bilder im Kopf und empfand das Buch als ein Füllhorn rasant erzählter Historie und damit als Lesegenuss pur!

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Veröffentlicht am 21.07.2020

Ein Haus und ein Buch mit einem Sog wie Sirenengesang

Das Gartenzimmer
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„Das ist ein guter Ort“ sagte der Journalist Sanders 2001 zur Villa Rosen. „Und das ist ein gutes Buch“, möchte ich hinzufügen.
Der in späteren Jahren zu Weltruhm gelangende Architekt Max Taubert wird ...


„Das ist ein guter Ort“ sagte der Journalist Sanders 2001 zur Villa Rosen. „Und das ist ein gutes Buch“, möchte ich hinzufügen.
Der in späteren Jahren zu Weltruhm gelangende Architekt Max Taubert wird 1909 von Professor Adam Rosen und seiner Frau Elsa beauftragt, in Berlin-Dahlem ein Haus zu entwerfen. Sein erster Auftrag! Es entsteht ein neoklassizistisches Landhaus, dessen viele durchdachte Details und Einbauten die Hingabe des Architekten verraten. 100 Jahre später entdecken Frieder und Hannah Lekebusch das leerstehende Haus, restaurieren es aufwändig, um das Haus in seinem Originalzustand wieder zum Leben zu erwecken. Damit erringen sie viel Aufsehen bei Taubert-Fans, Journalisten und Künstlern. So könnte man ganz oberflächlich den Buchinhalt erzählen. Doch das Buch ist so viel mehr als diese dürftige Zusammenfassung vermuten lässt!
Villa Rosen ist ein Haus, das sich wie ein Schiff durch die Zeiten pflügt, ungerührt von den Ereignissen. Auch wenn der Autor feinsinnig von den Menschen berichtet, die mit dem Haus in Berührung kommen - niemals lässt sich das Haus in den Hintergrund des Lebens schicken. Geradezu beängstigend drängt es sich immer wieder fordernd ins Zentrum. „Häuser sind Diven…“, sie verteilen freigebig Schutz und Schönheit, aber fordern auch Fürsorge und Rundumbetreuung. Welch ein beeindruckender Kunstgriff, der Andreas Schäfer mit diesem Roman gelungen ist. Wir wandern im Haus umher und wandern gleichzeitig durch die Zeitläufte zwischen Weimarer Republik, Nazi-Herrschaft und Gegenwart. Die Chronologie wird in den Erzählsequenzen immer wieder gebrochen, einzig das Haus ist konstant. Die Villa Rosen erscheint mir wie ein bewegtes Bühnenbild, vor dem sich das Leben abspielt, laut und leise, dramatisch und verhalten, sehnsüchtig und übersättigt, immer aber wunderbar poetisch in Worte gefasst. Und ich werde beim Lesen das Gefühl nicht los, dass sich das Bühnenbild, das Haus, tatsächlich einmischt, für manch unbeobachteten Moment sogar die Schicksalsfäden übernimmt.
Ich ging durch das Buch wie durch eine Gemäldegalerie. Ich sah Bild um Bild vor mir, mit Worten, teils erstaunlichen Worten, gemalt. Da sieht man das Bild des Botschafters mit seinen „gefräßigen Augen“. Oder das Fragen aufwerfende Bild eines Gartens, in dem Pfingstrosen und Astern gleichzeitig blühen (S. 87). Oder das Horror- Bild gelblicher Augäpfel in Gläsern zu Forschungszwecken gefangen. Momentaufnahmen. Sensibel, feinfühlig, poetisch gezeichnet. Der Roman möchte mehrfach gelesen werden. Ich bin sicher, dass das Haus von Mal zu Mal weitere Räume offenbart.

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Veröffentlicht am 16.07.2020

Beste Thriller-Unterhaltung

Der Behüter: Thriller
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Eigentlich könnte ich mich ständig selbst zitieren aus meinen früheren Rezensionen, denn egal welchen Thriller ich von Catherine Shepherd lese, egal aus welcher ihrer Thriller-Reihen, immer fühle ich ...

Eigentlich könnte ich mich ständig selbst zitieren aus meinen früheren Rezensionen, denn egal welchen Thriller ich von Catherine Shepherd lese, egal aus welcher ihrer Thriller-Reihen, immer fühle ich mich auf verlässliche Weise auf das Beste und Spannendste unterhalten. So erging es mir auch mit „Der Behüter“, dem neuen Thriller aus der Laura-Kern-Serie.
Vor den Mülltonnen eines Krankenhauses wird eine Tote gefunden, eine Frau, die offenbar vor ihrem Tod in der Klinik behandelt worden war und lt. Überwachungskamera mit einem fremden Mann unerlaubt die Klinik verlassen hatte. Eine weitere Patientin verschwindet. Beide Frauen waren von ihren Lebensgefährten misshandelt worden. Und die weiteren Geschehnisse erwecken den Eindruck, der unbekannte Täter wolle die Frauen vor den Misshandlungen retten. Aber warum tötet er sie dann? Laura Kern wird wieder bis an ihre persönlichen Grenzen gefordert, als ihr klar wird, dass sie einen Serientäter jagt. Insbesondere für das letzte Entführungsopfer wird es ein schier hoffnungsloser Kampf gegen die Zeit.
Catherine Shepherd spielt wieder gekonnt mit dem Leser. Die Reihe der Verdächtigen, die die Autorin in die Handlung einbringt, ist lang. Viele Spuren werden verfolgt, verlaufen im Sande, rücken durch neue Ermittlungsergebnisse erneut in den Fokus, und der Leser wird immer verwirrter. Catherine Shepherd schreibt so bildhaft, so kurzweilig und ideenreich, so überaus spannend, dass man ohne Pause durch die Seiten jagt. Und es gelingt ihr tatsächlich, zum Schluss die Handlung zu einer Auflösung zu führen, mit der man ganz und gar nicht gerechnet hatte. Die von ihr beschriebenen Personen wirken authentisch, vielschichtig, psychologisch stimmig, in ihren Handlungen nachvollziehbar. Übrigens sehr wohltuend fällt im Buch auf, dass Laura sich immer wieder bei ihren Mitarbeitern bedankt. So eine Geste kommt selten vor in Thrillern. Ungewöhnlich ist auch, dass man für den Täter tatsächlich ein wenig Sympathie oder Mitgefühl entwickelt. Denn die Suche nach aufrichtiger Liebe kennen wir alle…
Fazit: Wieder ein überaus spannender und wendungsreicher Thriller von Catherine Shepherd, gekonnt geschrieben. Ein Muss für alle Thriller-Fans!

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Veröffentlicht am 15.07.2020

... der stets das Gute will und stets das Böse schafft...

Seitensprung
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Das vorliegende Buch war das erste, das ich von Jason Starr gelesen habe. Deshalb war ich über das erste Drittel hinweg nur mäßig angetan vom Buch und fragte mich immer wieder, wo denn zwischen all den ...


Das vorliegende Buch war das erste, das ich von Jason Starr gelesen habe. Deshalb war ich über das erste Drittel hinweg nur mäßig angetan vom Buch und fragte mich immer wieder, wo denn zwischen all den Beziehungskonflikten und Kinderbetreuung der Thriller versteckt sein soll. Ich fühlte mich in einer trüben Geschichte zwischen schlechter Ehe eines erfolglosen Ehemanns mit Sex-Fantasien und einem Sammelsurium an Unwichtigkeiten und entsprechender Langeweile gefangen. Doch es lohnt sich durchzuhalten und weiterzulesen!

Kurz zum Inhalt: Jack Harper war einstens ein halbwegs erfolgreicher Rockstar und Alkoholiker. Heute fristet er als desinteressierter, erfolgloser Immobilienmakler sein Dasein und besucht regelmäßig die Gruppentreffen der Anonymen Alkoholiker. Seine Ehe mit Maria ist auf dem Tiefpunkt angelangt. Einziger Lichtblick ist Sohn Jonah, um den sich Jack mit großer Liebe und Aufmerksamkeit kümmert. Das Gespräch mit einem potentiellen Kunden weckt in Jack die Neugier auf eine Seitensprung-Website. Trotz etlicher Bedenken und Vorbehalte siegt schließlich die Neugier, und es beginnt eine schier tödliche Spirale an Fehlern und Missverständnissen.

Es ist schon beeindruckend, wie sich der Protagonist als Opfer sieht, immer und überall. Stets hat er die besten Absichten, macht sich viele Gedanken um diese guten Absichten, und scheitert doch jedes Mal kläglich, ja schlimmer noch, er schwört neue weitere Katastrophen heraus. Von Mal zu Mal werden die fatalen Verstrickungen schlimmer, bis hin zu tödlichen Konsequenzen. Solch einen spiralförmig durchkomponierten Thriller habe ich tatsächlich noch nie gelesen. Unglaublich, wie man als Leser, ausgestattet mit viel Sympathie für den tragischen Helden Jack Harper, hineingerät in ein verzweifeltes inneres Aufschreien, wenn wieder und wieder dem vermeintlich Harmlosen Schlimmeres folgt. Man möchte Goethe zitieren, und zwar in Umkehr des Originals: „Ich (Jack) bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Gute will und stets das Böse schafft…“ Ein genial komponierter Thriller, der nach einem langsamen Anfang das Tempo mehr und mehr steigert, bis es vermeintlich keinen Ausweg mehr gibt. So genial komponiert, dass man dem Autor mühelos auf den Leim geht. Denn nichts ist so wie es scheint. Mir fällt kein besseres Wort ein: ein genialer Thriller!

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Veröffentlicht am 14.07.2020

Achtsam und mit Respekt durch die Natur

Lotta entdeckt die Welt: Im Wald
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Wenn ich in meinem Umfeld beobachte, wie kleine Kinder völlig ungeniert und ohne jegliches Gefühl für Natur durch liebevoll angelegte Blumenbeete stapfen und Blütenköpfe abreißen, während die Mütter auf ...


Wenn ich in meinem Umfeld beobachte, wie kleine Kinder völlig ungeniert und ohne jegliches Gefühl für Natur durch liebevoll angelegte Blumenbeete stapfen und Blütenköpfe abreißen, während die Mütter auf ihre Handys starren oder einander Wichtiges zu erzählen haben, bin ich immer wieder aufs Neue entsetzt. Haben Eltern nicht einen Erziehungsauftrag? Sollte Kindern nicht so früh wie möglich Achtung und Respekt vor der Natur übermittelt werden?
Das vorliegende Bilderbuch ist ein großartiges und wertvolles Beispiel, auf welch liebevoll-zugewandte Weise dies gelingen kann, und zwar schon bei den Kleinsten. Lotta beobachtet sehr genau, was es im Wald zu entdecken gibt. Zusammen mit ihrem Opa und dem Hund Zottel ist sie unterwegs, neugierig, mit offenen Augen. Sie ist leise, um die Tiere nicht zu erschrecken. Sie spürt die Weichheit der Blättchen eines winzigen Bäumchens. Lotta ist achtsam und sorgsam und entdeckt dadurch so viel Interessantes. Die fröhlich-positiven Zeichnungen von Katja Senner sind auf geschickte Weise eingebettet in Naturfotos, was einen ganz besonderen Zauber auslöst. Heile Welt? Ja, vielleicht. Warum auch nicht? Was kann es Besseres geben, als mit solchen Bilderbüchern bereits im frühesten Alter die Sehnsucht zu wecken nach dem reichen Erlebnis, das Natur denen bietet, die achtsam sind.

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