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heinoko

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.05.2021

Wie Schweres leicht wird

Solupp 1: Sommer auf Solupp
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Ein zauberhaft schönes Kinderbuch ist Annika Scheffel hier gelungen. Leicht und schwer.. Aufregend und beschaulich. Lustig und ernsthaft. Dazu passt die sorgfältige Ausstattung, die der Verlag dem Buch ...


Ein zauberhaft schönes Kinderbuch ist Annika Scheffel hier gelungen. Leicht und schwer.. Aufregend und beschaulich. Lustig und ernsthaft. Dazu passt die sorgfältige Ausstattung, die der Verlag dem Buch verpasst hat mit Leinenbindung, Lesebändchen und einer trefflichen Titel-Illustration.

Die winzige Insel Solupp liegt versteckt irgendwo im Meer. Wenn man sie sucht, wird man sie kaum finden. Dass die Mutter von Mari, Kurt und Bela diese Insel entdeckte und mit der gesamten Familie den 6-wöchigen Sommerurlaub dort verbringen will, findet nur wenig Gegenliebe. Denn die 12-jährige Mari wollte sich in den Ferien unbedingt in einem Fußballcamp austoben und ihr großer Bruder will nichts als seine Kopfhörer und in Ruhe gelassen werden. Auch der kleine Bela ist erst einmal wenig begeistert. Und Papa schläft nur. Im Grunde befindet sich die gesamte Familie in einer Art von Schockstarre, denn Papa war lebensbedrohlich erkrank und erholt sich nur ganz langsam. Wie tief solch ein Ereignis in das Familiengefüge eingreift, wird im Laufe der Geschichte immer klarer. Ich hatte beim Lesen zu Beginn immer ein leises Gefühl der Bedrücktheit, doch je weiter die Geschichte fortschritt, umso befreiter fühlte ich mich. Solupp, seine liebenswerten Bewohner, Sonne und Meer haben eine tiefgreifende Wirkung auf jeden einzelnen. Und spannende Abenteuer gibt es natürlich auch.

Der Autorin ist ein Buch gelungen, das wunderbar die Waage hält zwischen Urlaubsleichtigkeit und Tiefgang. Es wird unterhaltsam erzählt, wie im Sommersonnenlicht Schweres leicht wird und wie die Meereswellen Festgefahrenes in Bewegung bringen. Das Erlebnis von Freundschaft und neuen Erfahrungen, das Bestehen von gefährlichen Situationen und dadurch gewonnenem neuen Mut und Selbstvertrauen verändert alles. Annika Scheffel erzählt in einer bildhaften, intensiven Sprache und zaubert mit lyrisch schönen Beschreibungen lebendige Bilder und tiefe Empfindungen in den Kopf des Lesers. Wenn die Stille im Raum „in den Ohren beißt“ zum Beispiel, oder das „kratzige Wort Keilkliff“ ein Geheimnis birgt, bleiben solche Sätze nicht ohne Wirkung. Und wer hätte nicht gerne einen Freund wie Joon, dessen Grinsen Wut und Enttäuschung einfach wegzaubert. Das Buch ist ideenreich, herausfordernd und tröstend und vor allen Dingen spannend zu lesen.
Absolute Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 25.05.2021

Schauder der Nähe

Ich will dir nah sein
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Dieser Psychothriller hat mich fasziniert und mir Schauder über den Rücken gejagt. Weil er subtil ist. Weil er seine Wirkung aus dem Alltäglichen zieht, aus der Tatsache, dass das Erzählte so oder ähnlich ...

Dieser Psychothriller hat mich fasziniert und mir Schauder über den Rücken gejagt. Weil er subtil ist. Weil er seine Wirkung aus dem Alltäglichen zieht, aus der Tatsache, dass das Erzählte so oder ähnlich in der Realität stattfinden könnte. Wenn man Nachbarn hat zum Beispiel…

Lester Sharp liebt seinen Job. Er arbeitet im Fundbüro des öffentlichen Nahverkehrs. Und entwickelt zu den Fundstücken, die er zu archivieren hat, ein ganz persönliches Verhältnis, insbesondere wenn sie ihm bei näherer Betrachtung eine Geschichte erzählen. Oder Begehren wecken. Lester ist hochgradig kontaktscheu, sein wahres Leben findet in seinen Vorstellungen statt. Als die junge Tänzerin Erin seine neue Nachbarin wird, richten sich seine Gedanken mehr und mehr auf sie. Sie weckt Erinnerungen an eine frühere Liebe. Und so versinkt Lester zunehmend in eine irreale Beziehung, die alle Grenzen überschreiten lässt…

Geschrieben ist der Thriller aus verschiedenen Perspektiven. So kommt nicht nur Lester zu Wort, auch Erin, die Tänzerin, und Rhys, ein Immobilien-Makler, schildern aus ihrer Sicht das Geschehen. Gelegentlich kommt außerdem ein neutraler Erzähler zu Wort. Dies ergibt viele einzelne kleine Szenen, was das Lesen außerordentlich kurzweilig macht, aber man braucht zumindest zu Anfang des Buches eine Weile der Anstrengung, um nicht die Orientierung zu verlieren. Der Autorin gelingt es, die einzelnen Personen sehr eindrücklich zu schildern. Man fühlt die geistige Stärke von Erin, die trotz eines entzündeten Fußgelenks und großer Schmerzen ihr Engagement bis zum letzten Tag erfüllen will. Man spürt den Sog der Einsamkeit und die abstoßende Besessenheit von Lester. Und man weiß nicht recht, wie man Rhys einschätzen soll, denn er bleibt in seiner Darstellung irgendwie vage. Der Spannungsbogen baut sich sehr schnell auf. Ich konnte das Buch nicht weglegen, weil die Handlung in mir eine Fülle von unterschiedlichen Gefühlen weckte, Ekel, Abscheu, Angst, Trotz, Mut und Mitgefühl zum Beispiel. Im letzten Drittel steigt die Spannung noch erheblich an, denn die Handlung erfährt eine unglaubliche, eine unfassbare Wendung…

Fazit: Ein subtiler, spannender, überraschender Psychothriller, der den Leser schaudern lässt, ganz ohne Blutvergießen.

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Veröffentlicht am 10.05.2021

Ein Debütroman von bedrückender Kraft

Der Verdacht
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Eine Fülle von Begriffen fällt mir zu diesem Buch ein: beeindruckend, schaurig, kraftvoll, schonungslos, mitreißend, beängstigend, erschütternd, intensiv, bedrückend, spannend und lange nachwirkend. ...



Eine Fülle von Begriffen fällt mir zu diesem Buch ein: beeindruckend, schaurig, kraftvoll, schonungslos, mitreißend, beängstigend, erschütternd, intensiv, bedrückend, spannend und lange nachwirkend. Kurzum: großartig.

Blythe bekommt endlich ihr Wunschkind Violet. Doch irgendetwas fühlt sich falsch an, wenn Blythe ihr Neugeborenes anschaut. Obwohl sie alle Liebe geben wollte, wächst mehr und mehr die Ablehnung, ja sogar Angst vor ihrem Kind, was ihr Mann Fox, der seine Tochter abgöttisch liebt, nicht begreifen kann. Doch Blythe wird sich immer sicherer, dass Violet böse ist, von Grund auf und mit voller Absicht. Bis etwas Entsetzliches geschieht…

Fast möchte ich diesen Roman einen Psychothriller nennen. Denn es liegt auf den Seiten von Beginn an eine unheilvolle Spannung, die sich zunehmend steigert. Wir lernen Blythe im Laufe des Buches sehr gut kennen, ihr großes Bemühen, alles gut und richtig zu machen, eine liebevolle, fürsorgliche Mutter zu sein. Wir erfahren von ihrer eigenen Kindheit und wir erfahren die Geschichte ihrer Mutter. Und je mehr man eindringt in die Vergangenheit, umso verschwommener wird die Sicht des Lesers auf Blythe in der Gegenwart. Was ist Realität? Was ist irreale Angst? Was diktieren frühe Traumata? Gibt es tatsächlich Kinder, die aus sich heraus von Geburt an böse sind, die von zerstörerischen Kräften getrieben werden? Das Thema Mutterschaft wird dem Leser ohne Weichzeichner in allen Facetten auf schonungslose Weise zugemutet, und dies in einer direkt-klaren Sprache, die unter die Haut geht. Eine aufwühlende Leseerfahrung!

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Veröffentlicht am 29.04.2021

Ein hinreißend geschriebenes Porträt

Hauskonzert
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Man muss kein Musikkenner sein und kein Konzertgänger, um an diesem hinreißend geschriebenen Buch seine wahre Freude zu haben. Hilfreich jedoch ist es, neugierig zu sein. Neugierig auf Menschen, auf ihr ...


Man muss kein Musikkenner sein und kein Konzertgänger, um an diesem hinreißend geschriebenen Buch seine wahre Freude zu haben. Hilfreich jedoch ist es, neugierig zu sein. Neugierig auf Menschen, auf ihr Werden und Leben, auf ihr Denken und Sein. Auf das, was Berufung sein kann, im Leichten und im Schweren.
Florian Zinnecker öffnet mit seinem Porträt eine sensible, feinfühlige und vielschichtige Sicht auf Igor Levit. Dieser ist nicht nur ein begnadeter Konzertpianist, er ist ein Jahrhundertkünstler, ein Ausnahmetalent, doch das möchte er nicht sein, zumindest nicht das allein. Zu viel gleichzeitig will er, in der Musik wie im Leben - das ist Igor Levit. Und er ist ein Getriebener seiner selbst, ein Ich-Sager. Und ein Bestimmer, denn er mag nicht hinter die Werke treten, die er spielt, sondern er möchte in jedem Augenblick des Spiels die Regeln selbst festlegen, und diese Regeln speisen sich einzig und allein vom Moment, von der Atmosphäre. Fast könnte man sagen, die Ausstrahlung des Publikums schafft die Interpretation. Denn technische Brillanz besitzen viele Pianisten, aber diese unfassbare Kreativität und schillernde Gestaltungskraft hat nur Igor Levit. Er spielt sein momentanes Empfinden und die Energie aus dem Publikum umsetzend, nicht Beethovens Intentionen, soweit man diese überhaupt kennen kann, folgend. Igor Levit ist so viel mehr als ein großer Künstler. Er ist auch ein Störfaktor, denn er bezieht klar und bedingungslos Stellung, auch ungefragt, zum wachsenden Antisemitismus zum Beispiel, egal wie viel Morddrohungen und Judenhass er erntet.
Dies und noch viel mehr Facetten der vielschichtigen Persönlichkeit des Igor Levit blättert der Journalist Florian Zinnecker vor uns auf. Er begleitete Igor Levit durch die Konzertsaison 2019/20, eine Zeit der besonderen Herausforderungen. In diesem Buch wurde mir die eigentliche Tragik und gesamte Tragweite der Pandemie im Kunstbereich deutlich. Igor Levit hat in dieser Zeit unzählige Hauskonzerte auf Twitter eingestellt und sagt doch, dass sich sein Künstlerleben durch Corona vaporisiert. Florian Zinnecker, ein Jongleur, der Wörter und Eindrücke gleichermaßen kunstvoll zu Gehör bringt, der Einfühlung und Musikverstand noch dazu nimmt und dies alles aufs Papier wirft, federleicht scheint es, und doch gewichtig im Kopf des Lesers verbleibend. Denn er jongliert nicht nur in die Höhe, er geht mit seiner Wortkunst auch in die Tiefe, mit der gleichen schwebenden Leichtigkeit, die einen beim Lesen fast umhaut. Perlend wie bei einem Klaviervirtuosen die Töne, so die Worte und Sätze des Autors. Mal kurz, mal eilig, mal verhalten, sich wiederholend, aber immer treffend. Sätze, die in ihrer Gesamtheit von einem Menschen erzählen, der in jeglicher Hinsicht außergewöhnlich ist. Das Buch hat mich begeistert.

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Veröffentlicht am 13.04.2021

Ein Psychothriller par excellence

Sie weiß von dir
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Einen Thriller dieser Art habe ich noch nie gelesen. Noch nie wurde mein Mitfühlen und Mitdenken beim Lesen am Ende so vollkommen auf den Kopf gestellt wie bei diesem Buch. Absolut raffiniert und brillant ...


Einen Thriller dieser Art habe ich noch nie gelesen. Noch nie wurde mein Mitfühlen und Mitdenken beim Lesen am Ende so vollkommen auf den Kopf gestellt wie bei diesem Buch. Absolut raffiniert und brillant geschrieben.

Louise, alleinerziehender Mutter eines kleinen Sohnes, arbeitet in einer psychiatrischen Praxis. In einem Pub lernt sie einen Mann kennen, dessen anziehender Art sie sich kaum erwehren kann. Doch ein paar Tage später kommt die Ernüchterung: Dieser Mann ist ihr neuer verheirateter Chef. Kurze Zeit später stößt sie auf der Straße mit einer Frau zusammen, der Frau ihres Chefs. Adele ist eine wunderschöne Frau, wirkt sehr zart und verletzlich. Und die beiden werden Freundinnen. Mehr darf über den Inhalt nicht vorab erzählt werden.

Der Roman macht den Einstieg nicht ganz leicht. Wie einzelne unzusammenhängende Puzzlestückchen werden dem Leser verschiedene Szenen resp. einzelne Personen und Perspektiven näher gebracht, aus denen man sich erst einmal keinen Reim machen kann. Über das Buch hinweg werden mit jeder einzelnen Szene immer wieder manche der vielen kleinen Puzzlestücke zusammengefügt, sodass man zunehmend glaubt, eine Ahnung vom fertigen Bild zu bekommen. Die Autorin erzählt so detailreich, dass man in manchen Passagen geneigt ist, die vielen kleinen Beschreibungen etwas unaufmerksam zu lesen, was man jedoch nicht tun sollte. Der Thriller ist trotz seiner ständigen Perspektivwechsel und Detailfreude niemals langweilig, denn man spürt von Seite zu Seite mehr, dass sich im Hintergrund etwas zusammenbraut. Und man glaubt zu wissen, was. Doch das unfassbar verstörende, fulminante Ende lag meilenweit entfernt von meinem Vorstellungsvermögen!

Fazit: Sarah Pinborough ist ein Thriller gelungen, mit dem sie den Leser im wahrsten Sinn des Wortes grenzenlos schwindelig zurücklässt.

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