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heinoko

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.02.2020

Herzerfrischend und liebenswert

Helsin Apelsin und der Spinner
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Helsin ist ein fröhliches Mädchen, das allerdings zugegebenermaßen gerne die erste Geige spielt. Und genau daraus entsteht auch ihr Hauptproblem: Denn wenn sie etwas ärgert, zum Beispiel wenn etwas nicht ...


Helsin ist ein fröhliches Mädchen, das allerdings zugegebenermaßen gerne die erste Geige spielt. Und genau daraus entsteht auch ihr Hauptproblem: Denn wenn sie etwas ärgert, zum Beispiel wenn etwas nicht nach ihrem Kopf geht, dann bekommt sie einen „Spinnerten“, also einen Wutausbruch, der es in sich hat. So passiert es, dass sie dem neuen Mitschüler Louis die Nase blutig haut, als er sich über ihren komischen Namen lustig macht. Dass sie ihm schließlich auch noch seinen Leguan klaut, führt zu einer Fülle neuer Probleme, aus der Helsin beinahe keinen Ausweg mehr findet.

Leider enthält das Buch etliche schlimme Trennungsfehler. Hier wurde offensichtlich nicht korrekturgelesen, das ist schade. Denn das Buch begeistert Kinder und Erwachsene gleichermaßen. Es ist fröhlich und schildert bewundernswert einfühlsam die wechselnden Gefühle von Helsin. Eine Zwergenklasse voller Individualisten lernen wir kennen. Jeder der Mitschüler ist besonders, kann etwas besonders gut. Natürlich machen Kinder Fehler. Aber wie schön, Fehler können vergeben werden und nichts ist so schlimm, dass es nicht möglich wäre, dem Ganzen durch Einsicht und Mut zur Entschuldigung letztlich doch noch eine gute Wendung zu geben.

Ganz besonders begeistert mich die Sprache der Autorin. So bildhaft, so malerisch, so intensiv, dass man manche Schilderungen gar nicht mehr vergisst. Wenn sich zum Beispiel das Glück warm wie ein frischer Pudding im Magen ausbreitet oder Opa ein Gesicht wie zerknülltes Papier hat oder Helsin Lieder mag, die am traurigschönsten klingen. Feine und feinste Beobachtungen und Gefühlswechsel werden locker-heiter beschrieben, und so manches Kind findet sich darin wieder und dadurch verstanden. Von Eifersucht und Freundschaft, von Rache und Ehrlichkeit und von vielen weiteren Themen, die im Alltag der 8- bis 10-Jährigen eine wichtige Rolle spielen, erzählt Stefanie Höfler auf liebevoll-kluge Weise. Die Zeichnungen von Anke Kuhl ergänzen das Buch auf perfekte Weise, denn sie geben ausdrucksstark die ganze Bandbreite der Emotionen wieder. Ein wunderbar herzerfrischendes Kinderbuch

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Veröffentlicht am 31.01.2020

Spannendes Lesefutter

Abgefackelt
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Es handelt sich um den zweiten Band über den Rechtsmediziner Paul Herzfeld, der noch sehr angeschlagen ist von seinem letzten Fall. Deshalb versetzt ihn sein Chef von Kiel auf eine ruhigere Stelle in ...


Es handelt sich um den zweiten Band über den Rechtsmediziner Paul Herzfeld, der noch sehr angeschlagen ist von seinem letzten Fall. Deshalb versetzt ihn sein Chef von Kiel auf eine ruhigere Stelle in die Pathologie nach Itzehoe. Doch genau dort blickt Herzfeld auf eine Brandruine, in der das Klinikumarchiv mit zahllosen Akten und Gewebeproben dem Feuer zum Opfer gefallen waren, zusammen mit dem Pathologen Doktor Petersen. Ein schrecklicher Suizid, wird Herzfeld erklärt. Aber je mehr Ungereimtheiten Herzfeld entdeckt, umso tiefer gerät er einem Skandal ungeheueren Ausmaßes auf die Spur und er selbst in größte Lebensgefahr.

Man muss den ersten Band nicht gelesen haben, es gibt im Verlauf des Buches genügend Hinweise auf die Vorgeschichte Paul Herzfelds. Der Thriller zwingt den Leser von der ersten Seite an in seinen Bann und treibt ihn durch die Seiten. Die kurzen Kapitel verstärken seine Sogwirkung, der man sich, hat man zu lesen begonnen, nicht mehr entziehen kann. Sehr wohltuend habe ich empfunden, dass sich die Szenenwechsel in Grenzen halten, sodass sich das Buch von Anfang bis Ende leicht und flüssig lesen lässt. Der Autor Michael Tsokos ist Professor für Rechtsmedizin. Diese Fachkenntnis spricht aus nahezu jeder Seite des Buches. Die vielen Details bei Obduktionen und Leichenschauen verraten den Mann vom Fach, was dem Leser so manchen Schauer über den Rücken jagt. Gleichzeitig sind gerade diese Szenen besonders interessant, weil man hier von Erfahrungen, nicht von Autorenfantasien ausgehen kann. Gut und Böse mögen ein wenig klischeehaft eingesetzt sein, was aber der Spannung keinen Abbruch tut. Etwas irritiert hat mich die Uneinheitlichkeit des Schreibstils: Da gibt es auf der einen Seite einen spröde, altväterlich wirkenden Satzbau und unnatürlich und konstruiert wirkende wörtliche Reden, dann wieder findet man gekonnt flüssig-spannend geschriebene Sequenzen. So als ob zwei Seelen, ein Wissenschaftler und ein Schriftsteller, gemeinsam abwechselnd geschrieben hätten.

Fazit: Absolut spannendes Lesefutter. Die mit großer Fachkenntnis geschriebenen harten und sehr beeindruckenden Szenen bzw. Schilderungen sind allerdings nichts für empfindliche Gemüter.

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Veröffentlicht am 29.01.2020

"Es gibt immer einen Weg"

Das Wolkenschiff – Aufbruch nach Südpolaris (Das Wolkenschiff 1)
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Was für ein überraschend guter Erstlingsroman. Er enthält alles, womit man Kinder ans Buch fesseln kann: Spannung, Abenteuer, Fantasy und Humor. Großartig.

Marie und Arthur sind Zwillinge, aber sehr, ...


Was für ein überraschend guter Erstlingsroman. Er enthält alles, womit man Kinder ans Buch fesseln kann: Spannung, Abenteuer, Fantasy und Humor. Großartig.

Marie und Arthur sind Zwillinge, aber sehr, sehr unterschiedlich. Als ihr Vater Ernest Brightstorm, ein Forscher, von einer Expedition nicht mehr zurückkommt und alle Welt vermutet, dass er gegen den Ehrenkodex der Geographischen Gesellschaft verstoßen hat, zerbricht die Welt der Zwillinge. Sie verlieren ihr Zuhause und werden verkauft an ein Ehepaar, für das sie schuften müssen. Unverbrüchlich halten die beiden jedoch zusammen und heuern schließlich bei der Forscherin Harriet Culpfeffer an, als diese zu einer Expedition nach Südpolaris aufbrechen will. Die Zwillinge hoffen, auf dieser Fahrt etwas über den Verbleib ihres Vaters aufdecken zu können.

Es sind ungewöhnliche Helden, die wir in diesem Buch kennenlernen, so wie die liebenswerten Hauptpersonen, die Zwillinge. Marie ist ein Technikgenie und eine Tüftlerin und hat für ihren Bruder Arthur, der nur einen Arm hat, einen sehr hilfreichen Metallarm konstruiert. Arthur dagegen verfügt über große Kraft, über sich hinauszuwachsen, kann kochen und ist sicher, dass es immer einen Weg gibt. Aber auch die wagemutige Harriet Culpfeffer mit ihrer unglaublichen Konstruktion des Luftschiffes Aurora ist eine Protagonistin, der die Sympathie des Lesers gehört, denn sie gibt Kindern eine Chance, sich zu beweisen. Wie schön, dass die Autorin das Wolkenschiff Aurora mit einer Bibliothek ausgestattet hat. „Bücher sind das schönste Geschenk überhaupt“. Wie wahr. Jede handelnde Person hat besondere Fähigkeiten und Stärken und trägt damit zum Gelingen der Reise bei. Meine persönlichen Lieblinge jedoch sind die Weisewesen, überaus kluge Tiere. Welch zauberhafte Idee! Aber da gibt es auch die Bösen, die Lügner, die Hinterhältigen, all diese Verkörperungen des Negativen, die mit ihren Machenschaften die Crew rund um Harriet Culpfeffer boykottieren wollen und dadurch für atemlose Spannung sorgen.

Fazit: Wichtige Themen wie Vertrauen, Mut, Zuversicht, Einfallsreichtum, Vorurteile, Geschwisterliebe, Freundschaft und Zusammenhalt sind in eine überaus fantasievolle, ideenreiche Geschichte verwoben. Der Autorin ist mit „Das Wolkenschiff“ ein großartiges Kinderbuch gelungen, klug, spannend und zauberhaft fantasievoll.

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Veröffentlicht am 26.01.2020

Berauschend gut geschrieben

Die ganze Welt ist eine große Geschichte, und wir spielen darin mit
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Charlotte Roth, Literaturwissenschaftlerin und Autorin, ist mit dem vorliegenden Buch etwas ganz Besonderes und absolut Bewundernswertes gelungen. Und zwar eine romanhafte, poetisch erzählte Biographie, ...


Charlotte Roth, Literaturwissenschaftlerin und Autorin, ist mit dem vorliegenden Buch etwas ganz Besonderes und absolut Bewundernswertes gelungen. Und zwar eine romanhafte, poetisch erzählte Biographie, die so viel mehr als eine Biographie ist. Eher ein Erspüren, ein Nachspüren dessen, was Michael Ende ausmachte. Eine Roman-Biographie also als etwas Er-Dichtetes, als etwas Ver-Dichtetes im direkten Wortsinn. Nein, Charlotte Roth ist keine Biographin, sondern eine künstlerische Gestalterin eines Lebens, in das sie tief, tief eingedrungen ist und das sie mit ihrer persönlichen wunderbar poetischen Sprache wiedergibt. Und womöglich kommt Charlotte Roth und mit ihr somit auch der Leser dem Menschen Michael Ende dadurch sehr viel näher als jegliche theoretische, chronologische Auflistung an Lebens- und Werkfakten es je leisten könnte.
Der Titel (ein Zitat aus „Momo“) könnte gar nicht treffender sein, aber verkaufsfördernd ist er vermutlich nicht, denn für den oberflächlich schweifenden Blick eines Menschen in einer Buchhandlung ist er zu lang. Oder wirkt er vielleicht gerade deshalb anziehend? Wie auch immer, hinter dem Titel verbirgt sich ein Buch, das zu lesen mich begeistert hat wie schon lange keines mehr und dem ich viele vorurteilsfreie Leser wünsche.

Über den Inhalt muss man nicht viel erzählen. Der Roman beginnt mit dem Elternhaus von Michael Ende. Sowohl der Vater, Edgar Ende, eine schwierige Künstlerpersönlichkeit, als auch die Mutter Luise, erfüllt von geradezu besitzergreifender Liebe zu Michael, lernen wir sehr ausführlich kennen, was dem Leser ein gewisses Grundverständnis für die Persönlichkeit Michael Endes schenkt. Wir verfolgen seinen Lebensweg, sein verzweifeltes Ringen, sein permanentes Suchen, unterbrochen von nur kurzen Zeiten des entspannten Zurücklehnens, des wachsenden Erfolges. Wir erleben mit Michael Ende Lüge und Betrug, Neid und Profitgier und am schlimmsten schmerzend viel Unverständnis.

Der Schreibstil der Autorin ist sensibel, inhaltsreich, psychologisch klug, mit großer emotionaler Kraft, deshalb nichts für oberflächliche Schnellleser. Zuviel steckt in den Sätzen. Ihre intensiven Beschreibungen, ihre Wortbilder wirken an manchen Stellen fast so surreal wie die Bilder von Edgar Ende, dem Vater. Allein schon wie es Charlotte Roth gelingt, sich in das Kind Michael einzufühlen, das zwischen Verzärtelung, bitterer Armut, Elternstreit und politischer Zeit-Verzweiflung aufwächst, mit einer Mutter, „die nach innen weint“, das ist unfassbar gut und psychologisch tief. Sie schreibt poetisch, bilderreich, intelligent, einfühlsam, mit Kopf und Herz gleichermaßen, ohne je zu werten, in den ihr eigenen intensiven Sprachbildern. Eine Roman-Biographie von großer sprachlicher Kraft über einen lebenslang verzweifelt Suchenden, berauschend gut geschrieben.

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Veröffentlicht am 20.01.2020

Melancholisch und poetisch

Eine fast perfekte Welt
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Die Autorin wünscht sich den idealen Leser als einen, der sich in einer Rettungsaktion engagiert, bei der alles, was verloren zu gehen droht, vor dem Vergessen bewahrt wird. Dieser Gedanke hat mich eine ...


Die Autorin wünscht sich den idealen Leser als einen, der sich in einer Rettungsaktion engagiert, bei der alles, was verloren zu gehen droht, vor dem Vergessen bewahrt wird. Dieser Gedanke hat mich eine ganz andere Seite des Lesens erkennen lassen: Der Autor beschreibt etwas, und der Leser bewahrt es. Ein Leben vielleicht, Erfahrungen, Erlebnisse, Entdeckungen. Im vorliegenden Buch geht es um Sardinien, so wie es vor drei Generationen war, steinig, ursprünglich, arm. Und um Menschen auf der Sinnsuche.

Nur 200 Seiten, aber diese Seiten sind so prall voller Warten, Sehnsucht, Traurigkeit, Liebe, Hoffnung, Zorn, Gelassenheit – voller Leben.
Ester wartet Jahre auf ihren Geliebten, und als sie ihn endlich heiraten kann und nach Genua zieht, ist sie unglücklich, sehnt sich nach ihrem Dorf zurück. Aber auch dort bleibt in ihr diese ewige Sehnsucht. Ihre Tochter Felicita lebt sich leichter, denn sie ist ein in sich ruhender, gelassener Mensch. Deren Sohn Gregorio jedoch ist unstet, es zieht ihn fort, egal wo er ist, er läuft weg.

Melancholisch und humorvoll, träumerisch und in zarten Farben, zuweilen in eindringlich dichten Szenen erzählt Milena Agus von Menschen, die auf sehr unterschiedliche Weise ihr Leben teils passiv hinnehmen, teils aktiv gestalten, teils nur davon träumen, was sein könnte. In einer sehr berührenden poetischen Sprache, unaufdringlich und leise beschreibt die Autorin Außergewöhnliches und Alltägliches. Und genau diese leise Erzählweise ist es, die dem Leser im Herz haften bleibt.

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