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heinoko

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.10.2017

Eine wahrlich schmackhafte Krimispeise

Frostkalt
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Winter in Bremen:
Zwei konkurrierende Bäckerbrüder, ein ausgesetztes Baby mit zwei möglichen Vätern, mit Pestiziden verseuchte Rosinen, ein durch eine Nussallergie ausgelöster Tod eines Kindes, eine versuchte ...

Winter in Bremen:
Zwei konkurrierende Bäckerbrüder, ein ausgesetztes Baby mit zwei möglichen Vätern, mit Pestiziden verseuchte Rosinen, ein durch eine Nussallergie ausgelöster Tod eines Kindes, eine versuchte Erpressung und zwei Morde, mit der gleichen Mordwaffe durchgeführt, eine Jugendliche, die brutal zusammengeschlagen wird – es geschieht sehr viel in diesem Buch, und so sind Kommissar Hölzle mit gemütlichem schwäbischen Sprachductus und seine Kollegen vollauf beschäftigt, mit Hilfe regelmäßiger Nahrungsaufnahme und kollegialen Neckereien der ernsthaften Ermittlungsarbeit nachzugehen – bis zur völlig überraschenden Aufklärung.

Bevor ich noch so wirklich mit dem Lesen begonnen hatte, war ich schon hingerissen vom Buch. Zum einen wegen des Personenregisters. Da ich meist mehrere Bücher nebeneinander lese, ist mir solch ein Register, wenn es denn vorhanden ist, eine ganz große Hilfe, um nicht die Orientierung zu verlieren. Und dann diese wunderbare Umdichtung des Liedes „Morgen kommt der Weihnachtsmann…“ in „Morgen kommt der Sensenmann…“. Eine bessere Einstimmung in den Krimi könnte ich mir gar nicht denken.

Die beiden Autorinnen verstehen es ganz großartig, erfrischend lebendige und spannende Elemente zusammenzurühren und das Ganze mit einer Prise Humor zu würzen. Als Zuckerl gibt es dazu den schwäbischen Slang des Kommissar Hölzle. Eine ganz leckere Krimispeise! Sehr genehm für die Leser ist, dass die Ermittler relativ entspannt, ohne Zickereien, aber stets hungrig ihrer Arbeit nachgehen. Ein mehrschichtiger Plot lässt erst gegen Ende beim Leser Vermutungen aufkommen, sodass die Spannung nie abreißt.
Wie schön, so ein kurzweiliges, gleichbleibend spannendes Buch entdeckt zu haben. Herr Hölzle hat an mir einen neuen Fan gewonnen!

Veröffentlicht am 01.10.2017

Freude am unbeschwerten Lesen

Nimmerwiedersehen
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Manchmal tut es gut, ein Buch zu lesen, das ohne Ballast daher kommt. Das man einfach so wegliest und seine Freude daran hat. Weil es unterhält. Weil es ablenkt. Weil es lange Stunden abkürzt. Stefan ...


Manchmal tut es gut, ein Buch zu lesen, das ohne Ballast daher kommt. Das man einfach so wegliest und seine Freude daran hat. Weil es unterhält. Weil es ablenkt. Weil es lange Stunden abkürzt. Stefan Barz kann das, leicht, locker, unterhaltsam schreiben, ohne seicht zu sein.
Ein Klassentreffen in der Eifel, 20 Jahre nach dem Abitur und 20 Jahre nach einem schrecklichen Ereignis, bei dem ein Mitschüler zu Tode kam. Cornelius, dessen bester Freund der Tote war, fährt zum Klassentreffen in der festen Überzeugung, dass es sich damals nicht um einen Unfall gehandelt hatte, sondern um Mord. Er will den Täter im Rahmen dieses Treffens dazu bringen, die Tat zu gestehen. Doch Cornelius wird noch in der Nacht tot aufgefunden. Mit einer Heugabel brutal erstochen! Und ein weiterer Teilnehmer des Klassentreffens verschwindet.
Das Ermittlerteam Wagner und Grimberg ist sich nicht besonders grün. Wagner als alter Hase schaut überheblich auf den jungen Grimberg herab, der so einige dumme Sprüche ertragen muss. Und doch ist es gerade Grimberg, der letztlich einen entscheidenden Gedanken hat, der zur frappierenden Aufklärung führt.
Wenn man es erst einmal geschafft hat, die vielen Namen, die bereits am Anfang auf den Leser einprasseln, sozusagen das Who is Who, zu sortieren, kann man sich ganz entspannt dem Buch hingeben. Denn der Autor leitet uns sehr sicher durch die Wirrnisse der Ermittlungen bis hin zu lange zurückliegenden Ereignissen. Es wird nicht viel Wortmalerei betrieben, es wird nicht viel beschrieben in diesem Buch. Vielleicht wird mal eine Beatles-Frisur erwähnt oder das Tragen eines Kurzmantels, aber viel mehr an Äußerlichkeiten erfährt man nicht. Die Protagonisten bleiben der Phantasie des Lesers überlassen. Das mag nicht jedermanns Geschmack sein, mich persönlich hat es überhaupt nicht gestört. Denn das Buch gewinnt seine Lebendigkeit und Spannung durch das reine Erzählen dessen, was geschieht, durch die Gespräche und Interaktionen. Und ich halte es für eine ganz besondere Stärke des Autors, sich zwar zu beschränken auf das reine Geschehen, aber dennoch im Kopf des Lesers sehr genaue Bilder entstehen zu lassen.
Ein klarer, durchgehend spannender Krimi ohne Schnörkel, in einem Rutsch zu lesen!

Veröffentlicht am 25.09.2017

Feuer und Kohle

Das Mädchen im schwarzen Nebel
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Eigentlich bin ich sehr kritisch, was historische Romane betrifft. Entweder sind sie überfrachtet mit Fachwissen, was mich schnell langweilt, oder sie sind reine Fantasieprodukte ohne jeglichen sorgsam ...

Eigentlich bin ich sehr kritisch, was historische Romane betrifft. Entweder sind sie überfrachtet mit Fachwissen, was mich schnell langweilt, oder sie sind reine Fantasieprodukte ohne jeglichen sorgsam recherchierten Hintergrund. Von dem hier vorliegenden Buch und seiner Autorin wurde ich jedoch absolut positiv überrascht!

Zwei Handlungsstränge werden wechselnd erzählt: Im Jahr 1813 in der Oberlausitz lernen wir die Zigeunerfamilie rund um die junge, etwas starrsinnige Rosana kennen. Mit Seiltanzen, Wahrsagen aus Karten, Handlesen und Feuerspucken verdienen sie sich durch die Gegend umherziehend ihren Lebensunterhalt. Im Winter kommen sie in einem festen Quartier unter, und zwar auf dem Hof des Braumeisters Oswald.
1816: Hier begegnet uns der Köhler-Sohn Lorenz, der erstmalig ohne seinen Vater den eben neu aufgerichteten Meiler bewachen darf, zusammen mit zwei Köhlergehilfen. Nach einem exzessiven Besäufnis brennt der Meiler lichterloh. Eine Katastrophe! Und es kommt noch schlimmer – man findet im Meiler eine bis zur Unkenntlichkeit verbrannte Leiche. Natürlich fällt der Verdacht sofort auf Lorenz. Aber jetzt kommt Dr. Cornelius Waldeck ins Spiel, dieser sympathische Arzt, mit scharfer Beobachtungsgabe und präzise-folgerichtigem Nachdenken ausgestattet sowie mit einem Faible für die Gall’sche Gehirnlehre. Er glaubt nicht daran, dass Lorenz der Täter ist und macht sich eigenständig auf Spurensuche.

In einer sehr schönen, leicht altertümelnden Sprache wird uns ein durchaus spannender Krimi erzählt, der anhand lebendig und sympathisch gezeichneter Protagonisten gut lesbar ist. Bis zu den letzten Seiten und der endgültigen Aufklärung bleibt die Spannung erhalten. Was an historischen Details auftaucht, ist sorgsam recherchiert. Interessant, was ich z. B. über die Handlesekunst erfuhr, oder wie schwierig es ist, einen Meiler zur Holzkohlegewinnung richtig zu bauen. Auch sind die Lebensumstände der Zigeuner zu dieser Zeit wunderbar eindrücklich geschildert und machen das Buch zusammen mit den Schilderungen der Landschaften zu einer die inneren Bilder anregenden und spannenden Lektüre.

Fazit: Ein historischer Krimi, den ich sehr unterhaltsam fand und den ich gerne weiterempfehle, weil er neben Spannung und farbig erzählter Zeitgeschichte Verständnis weckt für Menschen, die am Rande der Gesellschaft standen (stehen?). Nicht umsonst ist mir dieses Buchzitat eindrücklich in Erinnerung geblieben:
„Wenn die Leute nicht viel wissen, lach nicht über sie, denn jeder von ihnen weiß etwas, was du nicht weißt.“

Veröffentlicht am 23.09.2017

Ein Buch-Häppchen für zwischendurch

Verliebt... Verlobt ... Verdächtig!
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Dieser liebenswerte Ostfriesland-Krimi ist die ideale Lektüre, wenn es mal was Leichtes für Zwischendurch sein darf.
Eva Sturm wurde zu einer winzigen Polizeistation auf Langeoog versetzt, ein Job mit ...


Dieser liebenswerte Ostfriesland-Krimi ist die ideale Lektüre, wenn es mal was Leichtes für Zwischendurch sein darf.
Eva Sturm wurde zu einer winzigen Polizeistation auf Langeoog versetzt, ein Job mit wenig Arbeit und viel Natur. An Jürgen, der das Touristik-Büro auf der Insel führt, findet sie einen verlässlichen Freund. Eva gewöhnt sich an das geruhsame Inselleben – bis sie eines Tages am Strand einen Ehering mit Inschrift „Maren“ und einem Datum findet. Auf der erst einmal erfolglosen Suche nach dem Besitzer führt sie ihr Weg bis nach Köln. Schließlich wird der Ring gestohlen – und echte Ermittlungsarbeit beginnt…
Moa Graven erzählt kurzweilig die durchaus spannend zu lesende Geschichte. Sympathische Hauptpersonen und die Prise Humor, die hinter jedem Winkel des Geschehens hervorlugt, ließen mich das Büchlein gerne lesen. Am Ende des Buches hatte ich allerdings gewaltigen Hunger, denn so viele Restaurant-Besuche, wie Eva Sturm in dem geschilderten Zeitraum absolviert, unternehme ich das ganze Jahr nicht!

Veröffentlicht am 23.09.2017

Rassismus immer und überall

Underground Railroad
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Hochgelobt, Pulitzer-Preis, National Award – das beeindruckt. Und es verpflichtet geradezu, das Buch großartig zu finden, seine Tiefe, seine Zeitbezüge, seine Eindringlichkeit zu loben. Wer das nicht tut, ...

Hochgelobt, Pulitzer-Preis, National Award – das beeindruckt. Und es verpflichtet geradezu, das Buch großartig zu finden, seine Tiefe, seine Zeitbezüge, seine Eindringlichkeit zu loben. Wer das nicht tut, gibt sich eine literarische Blöße, hat das Buch nicht verstanden, ist ein Literatur-Banause. Nun denn….
Erzählt wird die Geschichte von Cora, einer Sklavin auf den Baumwollfeldern Georgias, der mit Hilfe der Underground Railroad (im Buch fiktiv als unterirdische Eisenbahn bezeichnet) die Flucht gelingt. Quer durch Amerika begegnen ihr auf der Flucht weiterhin schlimmste Grausamkeiten. Die ersehnte Freiheit ist eine Utopie. „Als gäbe es auf der Welt keine Orte, wohin man sich flüchten konnte, sondern nur solche, die man fliehen musste.“
Die im Buch dargestellte schier endlose Aneinanderreihung an unsagbaren Grausamkeiten, die Menschen anderen Menschen angetan haben (auch Sklaven untereinander!), ist verstörend. Die einem Sachbuch ähnliche Darstellung, die Lakonie der Sprache, das Verdichten der gezeichneten Bilder lässt mich erschrecken, aber doch immer nur auf der Verstandesebene. Dass das Fantasy-Element des unterirdischen Zuges vorkommt, lässt leider - sicher zu Unrecht - zweifeln an der historischen Glaubwürdigkeit des gesamten Romans.
Dieses Buch zu lesen, war für mich mühevoll, teils abstoßend, teils unglaubwürdig. Der lakonische Sprachstil, die nüchterne, reduzierte Erzählweise erreichten mich nicht. Was bleibt, ist die Gewissheit, dass nicht nur Amerikas Sklaven der Brutalität in den Köpfen der Menschen ausgesetzt waren, sondern dass bis heute auf der ganzen Welt Feindbilder als Projektionsfläche für das Ausleben niederster und boshaftester Triebe dienen und der Mensch der größte Feind des Menschen ist. Daran wird auch dieses Buch nichts ändern, Pulitzer-Preis hin oder her!