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Veröffentlicht am 11.12.2021

Kleines Buch mit gewaltigem Inhalt

Sturmvögel
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Winter. Ein isländischer Trawler - das Schleppnetz-Fangschiff Mávur - ist auf dem Weg Richtung Neufundland. An Bord sind 32 Seeleute, erfahrene und unerfahrene. Und sie holen tonnenweise Fisch aus dem ...


Winter. Ein isländischer Trawler - das Schleppnetz-Fangschiff Mávur - ist auf dem Weg Richtung Neufundland. An Bord sind 32 Seeleute, erfahrene und unerfahrene. Und sie holen tonnenweise Fisch aus dem Meer. Doch es kommt Sturm auf, ein gewaltiger, nicht endenwollender Sturm, der das Schiff mit einer dicken Eisschicht überzieht. Notrufe bleiben ungehört. Die Besatzung ist auf Gedeih und Verderb auf sich gestellt.

Ein Szenario von apokalyptischem Ausmaß malt der Autor auf nur 140 Seiten. Und dies so intensiv, dass ich mich lesend hilflos ausgesetzt mitten in Eiseskälte und Lebensgefahr fühlte, wurde zum Teil der Besatzung und empfand Todesangst im Erleben der unbarmherzigen Kräfte der Natur. Ich erlebte fast körperlich die Kälte und Erschöpfung der Schiffsbesatzung. Tief beeindruckend beschreibt der Autor, wie die meterhohen Brecher das Schiff mit glas-scharfem Eis überziehen, sodass aus daumendicken Seilen wasserrohrdicke Skulpturen werden und wie in endloser und lebensgefährlicher Sisyphus-Arbeit das Abschlagen von den stetig nachwachsenden Eisschichten das Schiff vor dem Zerbersten retten soll. Doch der tosende Sturm nimmt kein Ende. Zwar kenne ich die meisten der verwendeten nautischen Begriffe nicht, aber diese Tatsache änderte nichts daran, dass die Geschichte des erbarmungslosen Kampfes der Elemente gegen die die stoische Kraft der Hoffnung der zur See fahrenden Männer, geschrieben in einer intensiv-eindrücklichen Sprache, lange im Gedächtnis bleibt.

Fazit: Ein überaus beeindruckender bildstarker kleiner Roman, der lange nachwirkt.

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Veröffentlicht am 04.12.2021

Bedrückend und beglückend gleichermaßen

Hast du uns endlich gefunden
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Im Buch ist und bleibt Edgar Selge 12 Jahre alt. Jedenfalls meistens ist das so. Daran ändern auch gelegentliche Perspektivwechsel nichts. Ein Zwölfjähriger erzählt von sich im Spiegel seiner Familie. ...


Im Buch ist und bleibt Edgar Selge 12 Jahre alt. Jedenfalls meistens ist das so. Daran ändern auch gelegentliche Perspektivwechsel nichts. Ein Zwölfjähriger erzählt von sich im Spiegel seiner Familie. Das ist außerordentlich beeindruckend gut gelungen. Und doch fehlt es mir, dass Edgar nicht älter wird. Ich würde gerne miterleben, wie es ihm gelingt, seine Austernschale zu sprengen. Denn so manches, was mich im Buch berührt, legt der gereifte, erwachsene Edgar dem 12-Jährigen in den Sinn. Reizvoll zwar, aber nicht immer schlüssig nachzuvollziehen.

Wir erleben die 60er Jahre in einer mittelgroßen Stadt. Es wird uns das Gesellschaftsbild einer privilegierten Familie gezeichnet, einerseits musisch-kulturell gebildet, andererseits einem Konglomerat von nationalsozialischem und wilhelminischem Denken verhaftet. Der Vater, einst Staatsanwalt, ist Gefängnisdirektor, und zwar „ein besonders gut klavierspielender Gefängnisdirektor“, der regelmäßig ausgewählte Gefängnisinsassen einlädt zu Hauskonzerten. Edgar kämpft mit Liebe um dieses Vaterbild, das von Strenge, Härte und brutalen Prügelstrafen genauso geprägt ist wie von göttlich beseeltem Klavierspiel. Edgar trägt schwer an dem Gefängnis in sich, weil er „nicht den Mut hat, andere zu enttäuschen“. In vielen Szenen und Episoden, Erinnerungsfetzen, Träumen und Momentaufnahmen erleben wir Edgar als seismographisch feinen Beobachter und gleichzeitig als einen stillen Außenseiter im Familiengefüge. Herausragend gut, wie Edgar Selge es schafft, gleichzeitig Musik sehr tief empfindend zu beschreiben und parallel dazu genauso tief die Menschen zu erfassen, die Musik machen oder hören oder daran verzweifeln. Oder wenn der Autor Beethoven gleichsetzt mit Dostojewskij in seiner Hoffnung auf Unmögliches. Oder wenn er in bildhaft-starker Sprache von seinem Musiker-Bruder erzählt, der „Etüden schaufelt wie ein Kohlenarbeiter“. Dass Edgar Selge besonders wissbegierig die Spuren der Hitler-Zeit in seiner Familie sucht und es für wichtig hält, sich sogar als 73-Jähriger im Buch dazu zu Wort zu melden, hebt das Buch damit aus der rein privat-persönlichen Seite mit all dem Bedrückenden und Aufwühlenden weit heraus.


Fazit: Ein Buch, das ich als ebenso bedrückend wie beglückend empfand. Ein Buch zum Mehrfachlesen!

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Veröffentlicht am 30.11.2021

Das ideale Geschenk für alle, die Freude am Stricken haben

Gemeinsame Strickzeit. SPIEGEL Bestseller
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Wer kennt sie nicht, die Strickexpertin Tanja Steinbach. Im ARD Mittagsbuffet, in Büchern und in den sozialen Medien teilt sie ihre Strickideen mit einem großen Publikum. Was sie macht, hat stets Hand ...


Wer kennt sie nicht, die Strickexpertin Tanja Steinbach. Im ARD Mittagsbuffet, in Büchern und in den sozialen Medien teilt sie ihre Strickideen mit einem großen Publikum. Was sie macht, hat stets Hand und Fuß. Es ist ihr gegeben, immer wieder mit neuen Strickideen Lust auf eines der schönsten und wohltuendsten Hobbys zu vermitteln. Dass Stricken gesundheitsfördernde Wirkung hat, ist längst durch Forschungen belegt. Was gibt es also Besseres, als dieses neue Buch von Tanja Steinbach und Kerstin Balke zu Weihnachten zu verschenken?

Das „Strickbuch rund ums Jahr“ geht mit seinen passenden Modellvorschlägen durch das gesamte Jahr. Neben größeren Projekten finden sich auch immer kleine, schnell zu fertigende Strickideen, stets passend zur jeweiligen Jahreszeit. Die Anleitungen sind sehr, sehr ausführlich und detailreich, sodass auch Anfänger sich an die Umsetzung wagen können. Mir persönlich haben abgesehen von den vielen schönen Strickideen die vielen beigefügten Tipps und Tricks gefallen, von denen ich, wenngleich ich eine erfahrene Strickerin bin, dennoch profitieren konnte. Liebenswert auch, dass sich für jede Jahreszeit ein Rezept unter die Anleitungen geschmuggelt hat. Und wer gerne Socken strickt, findet im Buch besonders viele Anregungen.

Fazit: Ein aufwändig, sorgfältig und ansprechend gemachtes Strickbuch, das sowohl Anfängern und auch geübten StrickerInnen viel Freude bereitet.

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Veröffentlicht am 27.11.2021

Spannender, bildstarker und kurzweilig zu lesender historischer Roman

Die Brücke der Ewigkeit
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Zu gern wüsste ich, wer sich hinter dem Pseudonym Wolf Hector versteckt. Denn der historische Prag-Roman „Die Brücke der Ewigkeit“ ist so gekonnt, so bildgewaltig, so packend geschrieben, dass der Autor ...


Zu gern wüsste ich, wer sich hinter dem Pseudonym Wolf Hector versteckt. Denn der historische Prag-Roman „Die Brücke der Ewigkeit“ ist so gekonnt, so bildgewaltig, so packend geschrieben, dass der Autor (oder die Autorin?) hinter dem Pseudonym einer von den richtig guten sein muss. Die Sinnhaftigkeit von Pseudonymen erschließt sich mir oftmals nicht wirklich, schon gar nicht, wenn der Autor unter seinem Realnamen bereits einen Preis einheimsen konnte für ein Buch des gleichen Genres, also mit einem historischen Roman. Warum dann jetzt ein Pseudonym?

Wir befinden uns im Prag des 14. Jahrhunderts. Während eines schrecklichen Unwetters versinkt die steinerne Judithbrücke in den Fluten. Otlin schwört bei Gott, dass er die Brücke wieder aufbauen will, wenn Gott seine Mutter, die in die Fluten zu stürzen droht, errettet. Jahre später bekommt der Baumeister Jan Otlin die Gelegenheit, sein Gott gegebenes Versprechen einzulösen. Doch er ist von Feinden umgeben, die nichts unversucht lassen, den Konkurrenten Otlin auszuschalten.

600 Seiten umfasst dieser Roman. Und er hat mich von Anfang bis Ende gefesselt, was besonders am plastisch-bildhaften Schreibstil des Autors liegt. Ich mag es sehr, wenn historisch zuverlässig Recherchiertes sich verbindet mit routiniertem Handlungsaufbau und fantasievoll farbiger Erzählweise. Die historisch nachgewiesenen Personen sind zu Anfang des Buches in einem Personenverzeichnis gekennzeichnet, was mir zur Einschätzung der Rechercearbeit gut gefiel. Eine Zeittafel lässt uns vorab wissen, dass die „Steinerne Brücke“ ab Baubeginn im Jahr 1357 dreimal durch Hochwasser beschädigt wurde und deshalb erst 1380 fertiggestellt werden konnte. Erst im Jahr 1870 erhielt die Brücke den uns heute vertrauten Namen „Karlsbrücke“. Im Roman entsteht ein sehr intensives Zeitgemälde, das mir viele filmreife Bilder ins Kopfkino zauberte.

Fazit: Ein spannend-bildstarker, kurzweilig zu lesender historischer Roman, sorgfältig recherchiert. Sehr lesenswert!

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Veröffentlicht am 23.11.2021

Wenn man sich dem Schicksal willenlos ausliefert - bedrückend-grandios geschrieben

Das Dorf und der Tod
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Dieses Buch ist vieles. Was es jedoch ganz gewiss nicht ist, egal was der Verlag auf dem Cover drucken ließ – es ist kein Kriminalroman! Der Roman ist ein historischer Roman, er ist eine entsetzliche ...



Dieses Buch ist vieles. Was es jedoch ganz gewiss nicht ist, egal was der Verlag auf dem Cover drucken ließ – es ist kein Kriminalroman! Der Roman ist ein historischer Roman, er ist eine entsetzliche Lebens-Tragödie und er ist auch ein Heimatroman im besten Sinne des Wortes, ein tragischer Heimatroman, dunkel, trostlos, lieblos. Und dieser Roman ist bedrückend-grandios geschrieben.

Es geht um die Menschen in einem kleinen Dorf in Oberbayern, beginnend im Jahr 1921. Diese Menschen begleiten wir über die Jahre hinweg, wie sie sich von der Zukunft viel erhoffen und wie sie sich entmutigt zurückziehen auf das, was getan werden muss, jeden Tag im ewigen Gleichmaß. Wie sie lieben oder auch nicht. Wie sie, geprägt von Tradition und dörflichen Zwängen, einander und sich selbst verlieren. Wie Hitler kommt und geht. Und wie es mit Menschen wird, die keine Liebe erfahren und wo oft nichts anderes mehr bleibt, als „sich Unbeschwertheit ins Hirn zu trinken“ oder unüberwindbare Gebirge von Hass aufzutürmen.

Das Buch wehrte sich, von mir gelesen zu werden. Diese entsetzlich kleine Schrift ist eine Zumutung für die Augen. Die langen Absätze ohne Zeilenunterbrechung, die raren Dialoge machen das Lesen ebenfalls schwer. Doch nach zähem und mühsamem Beginn gewannen die geschriebenen Worte eine Kontur, eine geradezu lyrische Kontur, in die einzutauchen einen seltsamen Sog auslöste, dem ich mich nicht mehr entziehen konnte. Das harte dörfliche Leben in seiner Begrenztheit zwischen Pflicht und Tradition beschädigt die Seelen der Menschen, macht sie willenlos und ergeben. Daran kann weder das harte Regiment der Kirche noch politische Verführung etwas ändern. Christiane Tramitz zeichnet ganz fein, wie nebenbei, stille Momentaufnahmen von brachialer Gewalt, die im Gedächtnis bleiben. Das Buch kommt mir vor wie Bilder der Maler der Münchner Schule, auf denen wir vordergründig die Idylle des dörflichen Verbunds und die Schönheit der Natur sehen, während dahinter unsichtbar, aber umso gewaltiger, Kälte und verzweifelter Hass wachsen.

Ein beeindruckend starker Roman!

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