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Veröffentlicht am 23.01.2019

Wem kannst du vertrauen?

Alles, was du fürchtest
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"Wieder das Geräusch. Es kam von der Tür, die in den Keller führte. Sie öffnete die Tür, und da stand Alan und streckte ihr die Hände entgegen.“


Inhalt


Nachdem Kate Priddy Opfer eines gewalttätigen ...

"Wieder das Geräusch. Es kam von der Tür, die in den Keller führte. Sie öffnete die Tür, und da stand Alan und streckte ihr die Hände entgegen.“


Inhalt


Nachdem Kate Priddy Opfer eines gewalttätigen Freundes geworden ist, der sie traumatisierte, leidet sie unter Panikattacken und fühlt sich in jeder Lebenssituation bedrängt. Immer rechnet sie mit dem Schlimmsten und versucht nun einen Neuanfang in Boston zu wagen. Ihr Cousin Corbin hat ihr einen Wohnungstausch angeboten, der es ihr ermöglicht, die Enge ihrer Londoner Wohnung hinter sich zu lassen und sich stattdessen im geräumigen Appartement des Verwandten einzurichten. Aber an dem Tag, als sie ihr neues Domizil bezieht, wird bekannt, dass ihre jetzige Nachbarin zum Mordopfer geworden ist. Und als sich kurz nach ihrer Ankunft der gutaussehende Alan, der ebenfalls im Gebäudekomplex lebt, um die Bekanntschaft mit ihr bemüht, bleibt Kate ein Nervenbündel. Sie weiß einfach nicht, wem sie vertrauen kann und wer es nicht gut mit ihr meint. Für die Polizei rückt wenig später auch noch ihr Cousin Corbin ins Visier der Ermittlungen, so das Kate auf eigene Faust Recherchen durchführt. Wenig später entdeckt sie Fotos von Frauenleichen im Keller, die ganz genauso ermordet wurden, wie die Nachbarin. Für Kate ist es eindeutig: diesmal wird sie nicht mit dem Leben davonkommen …


Meinung


Der amerikanische Autor Peter Swanson hat sich bereits mit mehreren Spannungsromanen einen Namen gemacht und wird von der Presse für sein rasantes Tempo und die unvorhersehbaren Wendungen in seinen Thrillern gelobt. Dieses Buch ist mein erstes aus der Feder des Autors und ich habe mich auf psychologisch spannende Lesestunden mit dem entsprechenden Nervenkitzel gefreut. Leider gelingt es dem Autor nicht, mich von seinem Werk zu begeistern, gerade im Genre der Psychothriller ist diese Erzählung doch eine schwächere, der es an Überraschungsmomenten und einer gewissen Logik fehlt.

Zunächst einmal kommt die Geschichte mit einer überschaubaren Handlung daher, nur wenige Protagonisten, alle werden ausführlich und detailliert beschrieben, so dass sie eine gewisse Rolle spielen und diese auch begleiten. Intensiv geht Swanson auf Kates Nervosität ein, auf Corbins zu Gewaltausbrüchen neigenden Charakter ebenso wie auf Alans Unvermögen direkten Kontakt zwischen sich und seiner Angebeteten herzustellen. Stilistisch nutzt der Autor dazu wechselnde Erzählperspektiven, die jeden der handelnden Personen zu Wort kommen lassen. Dadurch entsteht ein objektiver, weitsichtiger Blick des Lesers auf das Geschehen, weil man immer mehr weiß, als die Betroffenen selbst – dieses Element hat mir zugesagt und die Lektüre über weite Strecken abwechslungsreich und interessant gestaltet.

Die Charaktere selbst strapazierten allerdings meine Nerven. Nicht nur, dass es die stets wiederkehrenden Handlungen von ihnen sind, die der Geschichte den Wind aus den Segeln nehmen, nein es sind allesamt sehr fragwürdige, nicht wirklich lebensechte Figuren, die hier ein ebenso ungewöhnliches wie anstrengendes Miteinander führen. Gerade für die Hauptprotagonistin fehlte mir definitiv das Verständnis, denn obwohl sie doch kaum aus der eigenen Haut kann und von ihren Panikattacken dominiert wird, begibt sie sich wissentlich und vollkommen unerschrocken immer wieder in Gefahrensituationen. Verschreckt und leichtgläubig – keine direkt glaubwürdige Charakterkombination. Ein weiteres Manko des Thrillers ist die viel zu frühe Bekanntgabe der eigentlich elementaren Wendung im Handlungsverlauf. Der Autor schafft es doch tatsächlich, bei knapp der Hälfte des Buches die Auflösung zu präsentieren und es kommt danach auch kein nennenswerter Wandel. Stattdessen katapultiert er den Leser nun in den Kopf des Mörders und beschreibt aus allen Facetten die Beweggründe und Motive in der verqueren Denkweise eines Serienkillers. Gerade dieser Schachzug hat mir die Lesefreude vergällt, insbesondere weil Vieles so banal so ohne schwerwiegenden Grund passiert.


Fazit


Ich vergebe 3 Lesesterne für einen gut lesbaren, lockeren Thriller, dem es allerdings an Spannung und Logik fehlt. Inhaltlich ist es mal eine andere, nicht so vorhersehbare Situation, die auch mit wenig Blut und Schockelementen auskommt. Doch die psychologische Komponente wird nicht so deutlich, wie erhofft. Mein Urteil: Kann man lesen, muss man aber nicht. Die angerissene Thematik über Stalking hat mir gut gefallen und ich hätte mir gewünscht, dass dieses Phänomen, andere aus der direkten Nähe zu beobachten, ohne selbst unter Beobachtung zu stehen ausführlicher beleuchtet wird – doch auch das verläuft irgendwie im Sand. Schade, hier bleiben die guten Ansätze im Keim stecken und münden in einen mittelmäßigen Roman, der mir nur wenig Gänsehautmomente beschert hat.

Veröffentlicht am 20.12.2018

Das Begehren trifft den Tod

Hagard
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„Er hat sein Verderben nicht gesucht, nicht einmal die Gefahr, obwohl er dann, als es soweit war und er begriff, an welchem Faden seine Existenz hing, sich dieser Gefahr stellte, ohne zu zögern.“


Inhalt


Erzählt ...

„Er hat sein Verderben nicht gesucht, nicht einmal die Gefahr, obwohl er dann, als es soweit war und er begriff, an welchem Faden seine Existenz hing, sich dieser Gefahr stellte, ohne zu zögern.“


Inhalt


Erzählt wird die Geschichte von Philip, einem Geschäftsmann um die vierzig, mit einem ganz profanen Leben, zwischen Verpflichtungen, anstehenden Terminen und einer hinreichend verplanten Zeit. Einer von Vielen, der in der grauen Masse verschwindet und sich mit ihr tagtäglich im gleichen Trott bewegt. Eine Zufallsbekanntschaft auf der Straße, ein willkürlicher Akt der Begegnung stellt seinen Tag und im Folgenden sein ganzes Leben auf den Kopf. Philip folgt einem Paar pflaumenblauer Ballerinas durch die Großstadt, die dazugehörige Frau betört ihn, vor allem weil er ihr Gesicht noch nicht gesehen hat und es im Grunde seines Herzens egal ist, ob sie zwanzig oder vierzig Jahre alt ist. Sie wird seine Obsession und er folgt ihr bis nach Hause, versucht in ihren Wohnkomplex zu gelangen und ihre Haustür ausfindig zu machen. Die nächsten 48 Stunden verbringt er im verbotenen Rausch der unentdeckten Beobachtung einer Fremden, sich der Gefahr, die ihm droht durchaus bewusst. Doch von ihr lassen will er auch nicht, selbst dann nicht, als sein Auto nicht mehr auffindbar ist, er nach der Flucht aus der Bahn seinen Schuh verloren hat und sein Handy keine Ladung mehr besitzt. Losgelöst von Raum und Zeit und dennoch erschreckend getrieben steuert das Intermezzo seinem Finale entgegen und Philip seinem Verderben.


Meinung


Der Schweizer Autor Lukas Bärfuss ist Dramatiker und Romancier zugleich und gehört der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung an, sein vorliegendes Buch wird diesem Anspruch mehr als gerecht, vermag er doch eine vollkommen belanglose, willkürliche Situation in ein fesselndes Spiel zu verwandeln und sie darüber hinaus noch hinterfragend, sezierend und philosophisch zu verpacken. Sprachlich konnte mich dieses Buch auf ganzer Linie überzeugen – so viel Inhalt, so viele Varianten in nur wenigen Sätzen, die außerdem noch ausreichend Interpretationsspielraum lassen – sehr faszinierend.


Der Autor lässt den Leser rätseln, indem er einen übergeordneten Erzähler einsetzt, der seinerseits versucht die Ansprüche des Protagonisten Philips zu entschlüsseln. Dieser Ansatz wirkt wie ein Variante, das Unerklärliche zu offenbaren und wahrt andererseits eine interessante Distanz, die eher aufarbeitend als vorwurfsvoll daherkommt.


Inhaltlich hingegen ist das Werk sehr diskutabel und schwer greifbar. Man fühlt sich selbst wenig involviert und hat auch kein genaues Bild vor Augen. Die geschilderten Momentaufnahmen sind ein Experiment, ja ein Gedankenexperiment bezüglich einer kleinen Realitätsverschiebung. Bärfuss geht der Frage nach, warum Menschen von ihren erlernten Verhaltensmustern abweichen und sich plötzlich in einer Art Parallelwelt wiederfinden, die vollkommen neue Perspektiven bietet aber auch ungeahnte Abgründe erscheinen lässt. Und er geht sogar noch weiter. Denn nicht nur Philip allein entscheidet, wie er handelt, sondern auch andere unbeteiligte Zeitgenossen in Form von Kontrolleuren, Taxifahrern und Postboten, ja sogar in der Erscheinung einer Elster, die ihren Platz beansprucht. Außerdem liefert er die Antwort auf alle resultierenden Fragen, die den Leser beschäftigen gleich mit, indem er schreibt: „Vielleicht wollte mir seine Geschichte etwas sagen, mich an etwas erinnern, dass ich nicht hätte vergessen dürfen. Bloß hatte ich keine Ahnung, was das hätte sein können, welche Lehre ich aus der Geschichte hätte ziehen sollen.“


Fazit


Ein ganz klassischer Fall für eine Bewertung mit 3 Lesesternen, denn das Für und Wider hält sich hier die Waage. Kulinarisch betrachtet würde ich sagen, es handelt sich weder um Fleisch noch um Fisch und kann damit keinen nennenswerten Beitrag leisten, doch interessant ist dieser sezierende Blick auf gesellschaftliche Werte allemal. Ein optimales Buch für eine Diskussionsrunde, für ebenfalls vielschichtige Meinungsäußerungen und unterschiedliche Blickwinkel, demnach auch eine Empfehlung für den gymnasialen Oberstufenunterricht. Ein Buch, welches in Erinnerung bleibt – ohne wirklich Bestand zu haben und diese literarische Leistung möchte ich loben, selbst wenn mir persönlich alles zu schwammig und offen blieb.

Veröffentlicht am 04.12.2018

Die Vergangenheit - konserviert in einer Sammlung

Grabkammer
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„Was immer in dieser Kammer auf sie wartete, hatte die Männer verstört, und ihr Schweigen ließ sie zögern. Sie konnte nicht hineinsehen, aber sie wusste, dass etwas Abscheuliches dort in der Dunkelheit ...

„Was immer in dieser Kammer auf sie wartete, hatte die Männer verstört, und ihr Schweigen ließ sie zögern. Sie konnte nicht hineinsehen, aber sie wusste, dass etwas Abscheuliches dort in der Dunkelheit lauerte – etwas, das hier so lange eingeschlossen war, dass die Luft drinnen modrig und beklemmend wirkte.“


Inhalt


Josephine Pulcillo arbeitet in einem Museum für Archäologie in Boston in dem durch Zufall eine Mumie entdeckt wird und wenig später der mumifizierte Schädel einer anderen Frau, nachdem die Polizei den Keller des Hauses durchkämmt hat und auf Geheimgänge gestoßen ist. Schon bald steht fest, dass die Leichen längst nicht so alt sind, wie vermutet, sondern maximal seit einem viertel Jahrhundert zu den Toten zählen. Und wenig später erhält auch die junge Museumsmitarbeiterin eine deutliche Botschaft, sie schwebt in Gefahr, denn der gesuchte Mörder nimmt sie als Nächste ins Visier seiner grausigen Sammlung. Allerdings stellt Jane Rizzoli fest, dass es Josephine Pulcillo gar nicht mehr gibt, denn diese ist bereits vor zwanzig Jahren verstorben, und die Frau, die nun ihren Namen trägt scheint ein dunkles Geheimnis zu hüten und selbst auf der Flucht vor der Polizei zu sein? Ist sie Opfer oder Täterin und warum führen alle Spuren an einen Ausgrabungsort in der Wüste Ägyptens? Jane Rizzoli versucht Licht in das Dunkel zu bringen, doch dann findet man schon die nächste Leiche …


Meinung


In ihrem 7. Band der Rizzoli-Isles-Reihe unternimmt die amerikanische Autorin Tess Gerritsen einen Ausflug in die Ägyptologie, hin zu geheimnisvollen Ausgrabungsorten, rituellen Bestattungszeremonien und teuflischen Mördern, die von ihren Opfern regelrecht besessen sind. Prinzipiell gefällt mir dieser Ansatz durchaus, haben doch gerade Mumien und alte Skelette immer einen mystischen Anklang und verbinden historische Taten mit den Möglichkeiten der heutigen Technik. Doch leider empfinde ich den Mix in diesem Roman viel zu spannungsarm und weder sehr okkult noch sonderlich spektakulär.


Gerade in der ersten Hälfte des Buches habe ich mich sehr gelangweilt, selbst wenn man dort schon auf Josephine aufmerksam wird, da sie der Dreh- und Angelpunkt des jüngsten Verbrechens zu sein scheint, doch die diversen Möglichkeiten, gewisse Leichenteile zu konservieren dominieren die eigentliche Kriminalhandlung und lassen wenig Platz für aufschlussreiche Ermittlungen. Zwar gewinnt das Tempo im zweiten Teil des Buches und auch die Figurenzeichnung wird deutlicher, doch mit Herzblut und Nervenkitzel hat der Text immer noch nichts am Hut. Einzig die Protagonistin Josephine bleibt lange das Geheimnis, welches man zu verstehen versucht.


Ebenfalls unglücklich würde ich die Zusammenarbeit zwischen Jane Rizzoli und Maura Isles bezeichnen. Denn Zweitere nimmt hier kaum am Geschehen teil und wenn, dann nur aus der Sicht einer Frau, die den Opfern sehr ähnlich sieht, mit der Ermittlung selbst hat sie keine Berührungspunkte und tritt viel zu weit in den Hintergrund, einmal abgesehen von ihrer unglücklichen Liebe zum Priester Daniel Brophy. Innerhalb einer geschlossenen Reihe würde ich es begrüßen, wenn man auch gleich viel Neues von den Akteuren erfährt.


Fazit


Ich vergebe 3 durchschnittliche Lesesterne für diesen Roman, der mich trotz seiner verheißungsvollen Thematik eher enttäuscht hat. Es ist ein bisschen von allem und dennoch nichts, was mir lange in Erinnerung bleiben wird, insbesondere wegen der unglücklichen Kombination aus persönlichem Schicksal, historischen Hintergründen und organisierten, vertuschten Verbrechen. Eindeutiges Urteil: Kann man lesen (insbesondere, wenn man die Buchreihe verfolgt), muss man aber nicht.

Veröffentlicht am 06.11.2018

Die trübe Atmosphäre eines Herzens

Drei sind ein Dorf
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„Wenn du es schaffst, das erste große Glücksgefühl nach der langen Migration loszulassen, wenn du darauf vertraust, dass du auch in einem Jahr oder einem Jahrzehnt noch immer du sein wirst, auch ohne die ...

„Wenn du es schaffst, das erste große Glücksgefühl nach der langen Migration loszulassen, wenn du darauf vertraust, dass du auch in einem Jahr oder einem Jahrzehnt noch immer du sein wirst, auch ohne die Schätze, die du unterwegs gesammelt hast und die immer noch mehr werden können – wenn du aufhörst, das alles auf deinem Rücken zu tragen-, vielleicht ist das der Moment, in dem die Flüchtlingsjahre enden.“


Inhalt


Nilou, ihr kleiner Bruder Kian und ihre Mutter sind aus dem Iran geflohen und lebten lange Zeit als Flüchtlinge: geduldet aber nicht willkommen, beäugt aber nicht gesehen und letztlich ziemlich arm und bescheiden. Nilou wendet sich mit ihrem ganzen Ehrgeiz der Integration zu, lernt die Sprache, besucht Schulen, später die Universität und findet einen Mann, der sie liebt. Mit 30 ist ihr klar, dass die iranischen Wurzeln längst nicht mehr so tief reichen wie früher, nun ist es eher eine Art Sehnsucht, wenn sie Farsi hört, oder Kurkuma schmeckt oder lange Geschichten über die Last und Bürde der Immigration hört.

Nur ihr Vater, der Zahnarzt Bahman Hamidi, ist in ihrem Heimatdorf zurückgeblieben, hat zwischenzeitlich noch zweimal geheiratet und sucht immer wieder den Kontakt zu seinen beiden ältesten Kindern. Viermal haben sie sich getroffen, nachdem Nilou den Iran verlassen hat und immer wieder bringt ihr Vater das Leben von früher zurück, ihre Kindheit, die aktuelle Lage im Land und sein Wunsch, vielleicht doch eines Tages gemeinsam mit seiner ersten Familie ein anderes Leben zu beginnen

. Anfangs mag Nilou, den für sie fremden Mann nicht wahrhaben, als Vater hat er ihres Erachtens versagt und als Mann trägt er zu viele Laster mit sich herum. Doch seine Geister überschatten immer mehr ihr eigenes Leben und sie fragt sich, was ihr eigentlich fehlt? Warum findet sie in ihrem doch so perfekten Leben keine Freude? Bahman kennt eine Antwort darauf und versteht Nilou besser, als sie glaubt …


Meinung


Auf diesen Roman der iranischen Autorin Dina Nayeri bin ich in erster Linie durch die positiven Leserstimmen aufmerksam geworden. Der Text hat autobiografische Parallelen, denn sie selbst ist in jungen Jahren aus der Heimat geflohen und hat sich in der Fremde ein neues Leben aufgebaut. Doch meine hohe Erwartungshaltung konnte das Buch leider nicht erfüllen. Denn obwohl die Thematik hinreichend spannend ist und mir die Problematik der verlorenen Heimat bereits in diversen Romanen begegnet ist, fehlte mir hier in erster Linie der rote Faden.

„Drei sind ein Dorf“ wirkt auf mich sehr gewollt, mit einer Vielzahl wichtiger und diskussionsfähiger Ansätze, die sich dann aber immer wieder in alle Winde zerstreuen und mich nie ganz erreichen konnten. Fast so als würde man die losen Enden vor sich sehen und sie nach besten Gewissen zusammenführen, nur um dann wenig später festzustellen, dass es diese Intonation gar nicht haben sollte – das ist mühselig, fast anstrengend und bringt nicht den gewünschten Erfolg. Größtenteils ist der Roman langatmig, fast langweilig und verschenkt sein großes Potential.

Sehr positiv hingegen der sprachliche Aspekt – durchaus anspruchsvoll aber immer verständlich und sehr intensiv. Die Gefühlswelt der Protagonistin und auch ihr Charakter wirken sehr authentisch, ihre Familie, insbesondere der Vater, wird plastisch beschrieben und man kann die Charakteristik der handelnden Personen sehr gut nachvollziehen.

Doch auch hier bleibt die Distanz zwischen der echten und der beschriebenen Nilou bestehen. Es fiel mir beispielsweise schwer, nachzuvollziehen, warum die junge Frau, zwar objektiv betrachtet ein geordnetes westliches Leben führt und dieses auch immer wieder preist und sich dennoch nicht von ihrer Heimat lossagen kann. Aber nicht etwa, weil sie unfreiwillig gegangen ist, sondern nur, weil andere Flüchtlinge sie an ihr eigenes Schicksal erinnern. Auch ihr Vater, der sie in seinen Verhaltensweisen erschreckt, ist es, der sie plötzlich zum Innehalten zwingt – wohlgemerkt ohne ein besonders liebevolles Verhältnis zueinander, er ist ihr doch eigentlich sehr fremd.


Fazit


Ich vergebe mittelmäßige 3 Lesesterne für diesen Roman über eine schwierige Vater-Tochter-Beziehung und der Sehnsucht nach Heimat und Zugehörigkeit. Ein stetiges Auf-und Ab der Gefühle, eine eigenwillige Erzählstimme, viele kulturelle Aspekte aber schlicht und einfach eine fehlende Gesamtaussage lassen mich an der Geschichte zweifeln. Es fällt mir hier schwer, die wichtigen Dinge herauszufiltern, alles verliert sich zwischendurch und bleibt nur schwach in Erinnerung. Trotzdem glaube ich, dass es Leser gibt, die hier genau das finden, was sie suchen, nur irgendwie war die Story nicht meins. Deshalb kann ich die Lektüre durchaus empfehlen, es ist vielleicht nur eine Frage der Perspektive. Traurig, berührend und mit einem wahren Kern ist sie definitiv ausgestattet.

Veröffentlicht am 28.10.2018

Der böse Geist der Nephilim

Blutmale
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„Ich sage nur, es kann sein, dass du glaubst, einen Menschen zu kennen – bis er dich irgendwann überrascht. Bis er etwas tut, womit du nie gerechnet hättest. Und dann wird dir klar, dass du keinen Menschen ...

„Ich sage nur, es kann sein, dass du glaubst, einen Menschen zu kennen – bis er dich irgendwann überrascht. Bis er etwas tut, womit du nie gerechnet hättest. Und dann wird dir klar, dass du keinen Menschen wirklich kennst. Keinen.“


Inhalt


Der Täter in Jane Rizzolis aktuellem Fall scheint ein Anhänger eines ganz besonderen Satan-Kults zu sein, finden sich doch an den blutbesudelten Schauplätzen grausige Wandmalereien aus umgedrehten Kreuzen, magischen Symbolen und schaurigen Inszenierungen. Die Frauen, die ermordet werden stehen direkt oder indirekt in Verbindung zu einem ominösen Club, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Dämonen der gefallenen Engel auf Erden zu jagen. Diese sogenannten Nephilim sind die höllische Ausgeburt einer Verbindung zwischen Engeln und sterblichen Frauen und verbergen sich hinter ganz normalen Menschen. Ihr böses Treiben kann jedoch tödlich enden, für all jene die sich ihnen in den Weg stellen. Der gutaussehende Vorsitzende des exklusiven Clubs Anthony Sansone kennt sich nicht nur bestens aus in der Historie der gefallenen Wesen, sondern jagt sie über den ganzen Erdball hinweg. Gerne würde er die attraktive Gerichtsmedizinerin Maura Isles mit unter seine Fittiche nehmen, doch die ist ebenso skeptisch wie Jane Rizzoli selbst. Die Frauen jagen lieber einen Mörder aus Fleisch und Blut als eine Reinkarnation des Bösen. Doch als immer mehr Mitglieder des sogenannten „Mephisto-Clubs“ brutal ermordet werden, stellt sich die Frage, woher der Mörder seine Informationen bezieht …


Meinung


Die amerikanische Autorin Tess Gerritsen unternimmt in ihrem 6. Band der Jane-Rizzoli-Reihe einen Ausflug in die Welt des Unerklärlichen, der Magie und der dunklen Mächte. Anders als in den vorherigen Bänden wirkt die Inszenierung deshalb stellenweise sehr verwaschen und weniger glaubwürdig, es sei denn man schenkt dem Übernatürlichem ebenfalls das entsprechende Augenmerk.

Der Fall selbst schwankt zwischen grausamen Ermordungsszenarien, die detailliert geschildert werden, einer etwas aufgesetzten Romanze zwischen der Gerichtsmedizinerin Maura Isles und dem Priester und der Lebensgeschichte einer jungen Frau, die entweder das Böse selbst ist, oder es über alle Maßen gut kennt.

Auch die Randfiguren in diesem Spiel aus Gut und Böse haben alle einen etwas antiquierten Touch und wirken ein bisschen fehl am Platze in einer modernen Mordermittlung. Ihr schriftstellerisches Handwerk versteht die Autorin dennoch, denn der Thriller liest sich hinreichend spannend und kann zwischendurch auch mal kleine Highlights setzten, nur täuscht das nicht über die fehlenden Inhalte hinweg und so bleibt man doch bei einer eher mittelmäßigen Umsetzung hängen.


Fazit


Ich vergebe mittelmäßige 3 Lesesterne für diesen Fall, der mich weder vom Schauplatz her noch von der Geschichte an sich begeistern konnte, also definitiv einer der schlechteren Bände dieser Reihe. Wer kleine Ausflüge ins Mysteriöse liebt und eine Verbindung zwischen realen Morden und fiktiven Gedanken ansprechend findet, kommt hier bestimmt auf seine Kosten. Insgesamt ist es wohl der Mix, der mich nicht so ganz überzeugen konnte, denn Romane wie zum Beispiel die von Anne Rice und ihren Vampiren haben durchaus ihren Reiz, nur nicht, wenn sie wie hier versuchen, mehrere Verbrechen auf eine logische Erklärung zu reduzieren. Wenn schon dunkle Mächte, dann lieber in einem Fantasy-Roman und nicht in einer Kriminalreihe.