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Veröffentlicht am 14.08.2023

Faszinierende Antiheldin und schonungslose Gesellschaftskritik

Die Einladung
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Keine Einladung gilt für immer – erst Recht nicht für Alex. Emma Clines Protagonistin, ein ehemaliges Escort Girl, landet nach einem kurzen Schnupperbesuch im Leben der Reichen und Schönen, auf dem Boden ...

Keine Einladung gilt für immer – erst Recht nicht für Alex. Emma Clines Protagonistin, ein ehemaliges Escort Girl, landet nach einem kurzen Schnupperbesuch im Leben der Reichen und Schönen, auf dem Boden der Tatsachen. Nachdem sie seinen Wagen beschädigt hat, setzt der deutliche ältere Simon, sie vor die Tür seiner Villa in den Hamptons. Alex beschließt, sich bis zu Simons großer Party alleine durchzuschlagen und reißt die Leser:innen mit in eine soghafte Abwärtsspirale.

Ohne Plan, ohne Obdach, ohne Geld und mit schwindendem Schmerzmittelvorrat macht Alex sich auf den Weg und zeigt sich dabei manipulierend, oft grenzüberschreitend und ohne Reue. Die brennende Frage, warum Alex ist, wie sie ist, lässt Emma Cline dabei explizit unbeantwortet.

„Warum bist du so?“ fragte er. Und er fragte wirklich. Erwartete irgendeine Erklärung, irgendeine logische Gleichung - x war ihr passiert, irgendetwas Schlimmes, deshalb war y ihr Leben, und das leuchtete natürlich ein. Aber wie sollte, Alex erklären, dass es keinen Grund gab, dass ihr nie etwas Schlimmes widerfahren war. Es war alles ganz normal gewesen. (S. 147)

Mit dieser Figur gelingt Emma Cline eine faszinierende Antiheldin – es fällt schwer für Alex Sympathie zu entwickeln, viel mehr löst sie Gefühle wie Abscheu und Entsetzen, manchmal auch Mitleid aus. Interessanterweise führt dies aber nicht dazu, dass die Personen, denen Alex begegnet, positiver wahrgenommen werden. Im Gegenteil, die Interaktionen mit Alex ermöglichen einen schonungslosen und nüchternen Blick auf die Gesellschaft, der durch den klaren, schnörkellosen Schreibstil noch unterstrichen wird.

Wie natürlich es Alex scheint, sich den Bedürfnissen älterer Männer anzupassen, keine Reibungsflächen zu bieten, sich unsichtbar zu machen. Wie selbstverständlich alle Unannehmlichkeiten des Lebens an Personal „outgesourced “ werden, wie sehr die Kinder der Reichen sich selbst überlassen sind – fest verankerte patriarchalische Strukturen, Machtgefälle, Abhängigkeiten, Drogenkonsum – ohne je belehrend zu wirken, zeichnet der Roman ein Bild der Gegenwart und ist damit auch eine Einladung zum Nachdenken.

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Veröffentlicht am 09.08.2023

Auf geht’s in den Zirkus mit Zippel

Zippel macht Zirkus
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Juhuu, ein neues Zippel Buch! Nachdem wir Zippel, das Schlossgespenst, und Paul schon in zwei Bänden kennengelernt haben, war die Vorfreude auf ein neues Abenteuer hier riesengroß. Und dieses Mal geht ...

Juhuu, ein neues Zippel Buch! Nachdem wir Zippel, das Schlossgespenst, und Paul schon in zwei Bänden kennengelernt haben, war die Vorfreude auf ein neues Abenteuer hier riesengroß. Und dieses Mal geht es sogar in die weite Welt bis nach Italien, zum Zirkus Giacometti. Auch bekannte Charaktere, wie Frau Wilhelm und Quokel sind wieder dabei, worüber sich hier alle Zippel-Fans sehr gefreut haben.

Gleich das Cover macht große Lust auf die neue Geschichte, mit den vielen bunten Details und dem unverwechselbaren Stil von Alex Scheffler. Seine Illustrationen sprechen einfach für sich geben jedem Charakter das gewisse Etwas. Der bunte Zirkuswagen verspricht ein großes Abenteuer – wir haben hier direkt ein paar Kapitel auf einmal gelesen. Auch dieses Buch liest sich in gewohnter Zippel-Manier - RONGELDIWONG und KLONKERRABONKER - die in den Text eingebauten Geräusche und die typischen Zippel-Gedichtchen zusammen mit der direkten Ansprache der kleinen Leserinnen machen aus den Büchern einfach tolle Vorlesebücher. Meine Kinder sind 3 und fast 6 Jahre alt und die Kapitellängen passen für uns sehr gut um beim Vorlesen sinnvolle Unterbrechungen zu setzen (15 Kapitel + Schluss auf 137 Seiten). Außerdem sind genügend Illustrationen vorhanden, um auch den Dreijährigen interessiert zu halten.

Inhaltlich geht es immer spannend, aber nicht gruselig zu und es gibt natürlich auch etwas zu lachen. Kleine Wortwitze machen das Buch auch für erwachsene Vorleser
innen zum Vergnügen. Die beiden Vorgängerbände müssen nicht bekannt sein, um mit Zippel in den Zirkus zu reisen. Von uns also eine klare Empfehlung!

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Veröffentlicht am 09.08.2023

Vielschichtiger, als das Cover vermuten lässt

Bei euch ist es immer so unheimlich still
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"Bei euch ist es immer so unheimlich still" ist deutlich vielschichtiger, als ich es bei diesem Cover erwartet hätte. Blumen und Vögel ließen mich an eine seichtere, eher romantische Geschichte denken. ...

"Bei euch ist es immer so unheimlich still" ist deutlich vielschichtiger, als ich es bei diesem Cover erwartet hätte. Blumen und Vögel ließen mich an eine seichtere, eher romantische Geschichte denken. Autorin und Kurzbeschreibung konnten mich jedoch neugierig machen – zum Glück, denn mit Silvia und Evelyn begegnen mir zwei ganz unterschiedliche, sehr vielschichtige Protagonistinnen. Die Tochter, Silvia, im Jahr 1989 im unkonventionellen Berlin und die Mutter, Evelyn, 1950, kurz vor ihrer Hochzeit auf dem eher spießigen Land. Warum hat Silvia ihr Heimatdorf verlassen? Wie ist die junge Evelyn zu der etwas ungepflegten, alten Frau geworden, auf die Silvia, gerade selbst Mutter geworden, dann 1989 wieder trifft?

Seite für Seite entsteht ein Bild der beiden Frauen und werden ihre Gefühle, Motive und Beziehungen untereinander klarer. Durch viele Zeitsprünge begleitet das Buch Silvia durch ihre Kindheit und Evelyn in ihren ersten Jahren als Mutter, bis sich beide 1989 wiedertreffen. Auch Silvias Tante Betti und die Monika, die mit Silvia zur Schule ging und dann im Ort wohnen blieb, sind interessante Persönlichkeiten, anhand denen die Autorin ganz deutlich werden lässt das Außenwirkung und innere Gefühlswelt nicht immer übereinstimmen. Wie prägt uns unsere Kindheit und Vergangenheit? Welche Erinnerungen bleiben? Was steckt hinter der Fassade? Rund um diese Fragen dreht sich der Roman, der dabei flüssig und unterhaltsam zu lesen ist.

Von mir daher eine klare Leseempfehlung! Der Roman „Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, Blaues Kleid“ von Alena Schröder, der auf der Zeitebene von Silvias Tochter Hanna spielt, ist nun ebenfalls auf meiner Wunschliste nach oben gerutscht.

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Veröffentlicht am 18.07.2023

Mutmachbuch rund um das Thema Selbstbestimmung

Mieko tanzt
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Mieko tanzt ist ein wunderschönes Kinderbuch und dreht sich rund um ein wichtiges Thema: Selbstbestimmung und Vielfalt, abseits von Stereotypen und Genderrollen!
Das Buch handelt von Mieko, die es liebt ...

Mieko tanzt ist ein wunderschönes Kinderbuch und dreht sich rund um ein wichtiges Thema: Selbstbestimmung und Vielfalt, abseits von Stereotypen und Genderrollen!
Das Buch handelt von Mieko, die es liebt zu tanzen und vor allem zu springen. Selbstbewusst bestimmt sie über ihre Haare und ihre Kleidung und läuft zu ihren Tanzstunden. Doch die Reaktionen der anderen lösen dann doch unangenehme Gefühle in ihr aus. Wir begleiten Mieko bei all ihren Gefühlen, Stolz, Freude, Zweifel, Scham, Traurigkeit – und natürlich auch zur Versöhnung zum Schluss.
Dabei vermittelt das Buch einfühlsam eine wichtige Botschaft: Jeder Mensch ist ganz genauso richtig, wie er schon ist. Kinder werden ermutigt, sie selbst zu sein.
Für mich ist es ganz wichtig, meinen Kindern zu vermitteln, dass sie über ihren Körper allein entscheiden dürfen. Die Geschichte von Mieko bietet viele Anknüpfungspunkte um darüber mit Kindern zu sprechen - und zwar ganz abseits von Klischees und Stereotypen: Wie fühlt sich Kleidung an, was mag ich? Welche Gefühle lösen die Reaktionen von anderen Menschen bei mir aus? Wie fühlen sich die Gefühle im Körper an?
Mich persönlich spricht auch der ganz eigene und besondere Stil der Illustratorin an. Er ist sehr modern, mit teils surrealen Überzeichnungen, gerade was die Größe einzelner Gegenstände betrifft. Diversität wird auch bildlich in den Charakteren im Buch dargestellt. Die Bilder sind bunt, jedoch in matten, gedeckten Farben und insgesamt wirkt das Buch sehr hochwertig.
Das Buch umfasst 48 Seiten, die Geschichte selbst ist jedoch kurz und prägnant gehalten. Der Schreibstil der Autorin ist einfach und klar. So lässt sich das Buch gut in einem Mal durchlesen. Meine Kinder sind drei und fünf Jahre alt und der Umfang hat für beide gut gepasst.
Fazit: Ein wichtiges Buch mit einer schönen Botschaft, das viele wertvolle Gespräche mit Kindern anstoßen kann und Kinder ermutigt, ihren eigenen Weg zu gehen.

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Veröffentlicht am 13.07.2023

Modern, bezaubernd und hochaktuell

Mein Leben als einsamer Axolotl
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Mein Leben als einsamer Axolotl von Linda Bondestam ist ein Kinderbuch, das positiv aus der Reihe springt! Im ersten Eindruck springen direkt die außergewöhnlichen Illustrationen in den Blick - sie sind ...

Mein Leben als einsamer Axolotl von Linda Bondestam ist ein Kinderbuch, das positiv aus der Reihe springt! Im ersten Eindruck springen direkt die außergewöhnlichen Illustrationen in den Blick - sie sind modern, farbenfroh, im mixed media - Collagen Stil und gar nicht "typisch niedlich- kindlich". Es gibt auf jeder Seite viel zu entdecken und bestaunen. Auch das Cover ist sehr ansprechend gestaltet. Während der Hauptteil matt gehalten ist, sind Titel und Axolotl glänzend gedruckt. Durch dieses kleine Detail ist der leuchtend gelbe Titel besonders auffallend und das Buch auch haptisch spannend.

Thematisch ist das Buch top aktuell: Das Thema Klimawandel wir hier ungeschönt und direkt besprochen. Das Axolotl beobachtet die Menschen an Land – hier Plumpiane genannt. Diesen Begriff finde ich sehr passend, denn schnell wird deutlich wie plump und dreist die Menschen die Erde für sich nutzen. Ohne erklärend oder belehrend zu sein, zeigt das Buch Tatsachen auf und betrachtet die Welt aus den Augen des kleinen Axolotls. Die Folgen des unbedachten Verhaltens der Menschen werden offensichtlich. Viele kleine Details machen für mich den Zauber dieses Buches aus, z.B. die beiden Zitate am Anfang und am Ende des Buches, die auf die Zerbrechlichkeit der Erde hinweisen, aber darauf, dass das Leben auf der Erde immer einen Weg findet. Die Frage ist nur, welche Rolle werden die Menschen spielen? Bleibt die Erde für uns bewohnbar? Diese unglaublich großen Fragen werden durch simple Beobachtungen mit Kindern besprechbar – ohne zu verängstigen. Dabei steht es den Leser:innen offen, wie tief und intensiv sie in das Thema eintauchen möchten.

In Kombination mit dem niedlichen und ungewöhnlichen Protagonisten, dem Axolotl, entsteht eine hochinteressante Mischung: Bunt, grell, mit fantasievoller Sprache und vielen Details wird die Geschichte auf jeden Fall Aufmerksamkeit erzeugen und das Thema Klimawandel mit einem ganz neuen Ansatz besprechbar machen. Fazit: Ein wunderschönes Buch, das ich sicher nochmal nachkaufen und verschenken werde!

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