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Veröffentlicht am 15.05.2023

Und plötzlich bricht die Welt zusammen

Siegfried
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„Wie schlecht ist man im Vergleich zu dem, was gut wäre – und wie soll man mit diesem Terror fertigwerden?“

Und plötzlich bricht die Welt zusammen. Aber nicht mit einem lauten Knall oder viel Lärm, sondern ...


„Wie schlecht ist man im Vergleich zu dem, was gut wäre – und wie soll man mit diesem Terror fertigwerden?“

Und plötzlich bricht die Welt zusammen. Aber nicht mit einem lauten Knall oder viel Lärm, sondern weil alles zu viel wird und aus dem Gleichgewicht gerät. So geht es der Protagonistin in Antonia Baums neuem Roman ‚Siegfried‘.
Sie streitet sich mit ihrem Partner. Er zeigt ihr die kalte Schulter. Nebenbei gilt es den Anforderungen des Alltags als junge Mutter wie immer gerecht zu werden… Nach und nach lässt sie ihre Familiengeschichte Revue passieren und es wird deutlich, dass es nicht nur die konkreten Herausforderungen im Alltag sind, die ihren Zusammenbruch gefordert haben. Auch in ihrer Geschichte und der ihrer Eltern und Großeltern liegen Probleme verborgen, die bis heute nachwirken.

Antonia Baum spricht eine aktuelle und sehr wichtige Thematik an. Sie analysiert Zusammenhänge, die bis in unsere Herkunftsfamilien reichen. Ein durchaus gelungenes, unterhaltendes Buch. Es ist auch ein sehr junges Buch, modern und urban. Manchmal fand ich die Vielschichtigkeit und gleichzeitige Strukturlosigkeit etwas anstrengend. Es ist auch kein Buch, das besonders lange nachhallt. Zumindest für mich nicht. Dennoch empfehlenswert.

„Die Dunkelheit dort war so unerträglich gewesen, dass ich das Licht wieder angemacht und auf den Tag gewartet hatte. Jetzt war er da, und ich wusste nicht, wie ich ihn überstehen sollte. Mir war heiß, ich hatte das Gefühl, schlecht Luft zu bekommen, und vielleicht kam mir da das erste Mal der Gedanke, in die Psychiatrie zu fahren.“

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Veröffentlicht am 28.04.2023

Das muss ich nicht gelesen haben

Muss ich das gelesen haben?
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„Wenn ein literarischer Klassiker ach so zeitlos ist, wieso interessieren sich dann immer weniger Leute für ihn? Wieso finden Jugendliche (sowie Erwachsene) den Zugang dazu nicht mehr?“ (2%)

Mit dieser ...

„Wenn ein literarischer Klassiker ach so zeitlos ist, wieso interessieren sich dann immer weniger Leute für ihn? Wieso finden Jugendliche (sowie Erwachsene) den Zugang dazu nicht mehr?“ (2%)

Mit dieser durchaus wichtigen Fragestellung befasst sich die Autorin Teresa Reichl. Sie hinterfragt den Literaturkanon, der seit Jahren und immer noch in der Schule behandelt wird. Und prangert an, dass diese angestaubten Klassiker wenig diverser Schriftsteller schuld daran sein könnten, dass immer weniger Interesse an Literatur und am Lesen gezeigt wird.

Damit trifft sie einen Punkt. Ihr Ansatz ist absolut richtig und ich glaube, dass tatsächlich ein frischer Wind in Literaturkanon und -didaktik wehen sollte, um aus den Menschen in der heutigen Zeit interessierte und vielleicht sogar passionierte Leser zu machen.

Teresa Reichels Sprache in „Muss ich das gelesen haben“ ist allerdings sehr schwierig. Zumindest für mich; vermutlich findet sie damit unter Jugendlichen den richtigen Ton. So war das Buch für mich enttäuschend und kaum zu Ende zu lesen. Aber ich vermute, dass ich einfach nicht zur Zielgruppe gehöre. Drei Sterne für ein Werk, dass sich mit einem wichtigen Thema befasst und die richtigen Fragen stellt, mich aber leider sprachlich nicht überzeugen konnte.

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Veröffentlicht am 15.01.2023

Über unsere Arbeitswelt

Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten?
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„Wir versuchen in einer übermäßig fordernden, Workaholic-Kultur zu überleben, die Menschen dafür niedermacht, grundlegende Bedürfnisse zu haben.“ (5%)

Schon vor vielen Jahren gab es die Mutmaßung, dass ...

„Wir versuchen in einer übermäßig fordernden, Workaholic-Kultur zu überleben, die Menschen dafür niedermacht, grundlegende Bedürfnisse zu haben.“ (5%)

Schon vor vielen Jahren gab es die Mutmaßung, dass wir heutzutage deutlich weniger arbeiten müssten als zu Beginn der Industrialisierung, da viele Aufgaben von Maschinen übernommen werden können. In der Tat wurde sehr vieles übernommen. Und wir sind mehr Menschen geworden. Aber der Arbeitsumfang ist nicht weniger, sondern mehr geworden. Warum? In welch absurdem Hamsterrad stecken wir da fest?

Sara Weber geht dieser Frage nach und führt viele Analysen und Zitate zu unserer Arbeitswelt zusammen. Das ist eine fleißige Arbeit gewesen und ihr Buch liest sich auch ganz interessant. Es stellt allerdings kaum mehr als eine Paraphrase bereits bestehender Ideen und Theorien dar. Sprachlich flüssig aufbereitet, aber auch nicht spektakulär. Der gelungenste Satz ist der Titel des Buches.
Dieser führt allerdings auch ein wenig in die Irre. Erwartet hätte ich nämlich ein Buch, dass unsere Arbeits- und Wirtschaftswelt in den direkten Kontext zur Klimakrise stellt. Sie wird aber nur als eine von vielen Krisen immer mal wieder am Rande erwähnt.

Ich denke, dass Sara Weber ein wichtiges Thema aufgreift, das uns auch künftig noch mehr beschäftigen wird. Ihr Buch bietet einen guten Einstieg, wenn man den heutigen Arbeitsalltag hinterfragen möchte und eine Wissensgrundlage braucht. Darüber hinaus gibt es wenig Neues zu erfahren.

Das Zitat ist im Original aus „Laziness Does Not Exist“ von Devon Price.

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Veröffentlicht am 02.06.2021

Mehr Biografie als Sachbuch

Fairknallt
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„Die Welt lässt sich also verändern, indem wir uns selbst ändern, indem wir unsere Kinder im Bewusstsein für die begrenzten Ressourcen des Planeten erziehen und unsere Mitmenschen für einen nachhaltigen ...

„Die Welt lässt sich also verändern, indem wir uns selbst ändern, indem wir unsere Kinder im Bewusstsein für die begrenzten Ressourcen des Planeten erziehen und unsere Mitmenschen für einen nachhaltigen Lebensstil begeistern.“ (9%)

Vielleicht kennt ihr den Blog fairknallt.de? Marie Nasemann schreibt dort seit einigen Jahren über nachhaltige Mode und Kosmetik. Nun hat sie ein Buch mit demselben Titel rausgebracht. Sie schreibt darin nicht nur über faire Mode, sondern auch über andere Alltagsthemen. Außerdem erklärt sie ganz nebenbei einiges über die Klimakrise und all die Zusammenhänge. Hauptsächlich aber geht es im Buch um ihren persönlichen Lebensweg.

Generell freue ich mich über jedes Buch, das zu einem nachhaltigen Lebensstil inspirieren kann. Am besten von den unterschiedlichsten Autoren, aus den unterschiedlichsten Lebensbereichen und mit den unterschiedlichsten Schwerpunkten. Marie Nasemann ist eine junge Frau und Mutter, die als Model berühmt geworden ist. Inzwischen ist sie „die wichtigste Botschafterin für faire Mode in Deutschland“.

Entsprechend hatte ich mir von ihrem Buch vor allem das gewünscht: Einen Ratgeber zum Thema nachhaltige Mode. Denn das ist gar nicht so einfach. Das nachhaltigste Kleidungsstück ist immer noch das, was man bereits besitzt. Wie kann man also trotzdem seine Freude an Mode ausleben?

Ein großes Kapitel in „Fairknallt“ behandelt auch tatsächlich dieses Thema. Die meisten Tipps diesbezüglich habe ich allerdings dem umfangreichen Anhang entnommen, in dem die Autorin viele Links zu nachhaltigen Marken und auch hilfreichen Blogs und Websites gibt. Außerdem sind hier auch noch einige spannende Dokus und Filme gelistet, sowie weiterführende Literatur.

Insgesamt war „Fairknallt“ aber leider nicht ganz das, was ich erwartet hatte. Zum einen habe ich mich daran gestört, dass die Erzählstimme sehr tonlos und nett-naiv scheint. Und zum anderen beschreibt Marie Nasemann eben hauptsächlich ihren eigenen Weg. Und den ging und geht sie in einem sehr privilegierten Umfeld. Da werden dann doch einige Kompromisse gemacht, mit denen viele von uns sich gar nicht erst befassen müssen. Z.B. mit dem SUV des Vaters zum Gardasee zu fahren oder die große Wohnung.

Vielleicht muss man der Autorin hier aber auch zu Gute halten, dass sie sehr ehrlich ist. Auch glaube ich, dass ihr Buch für viele Menschen sehr motivierend sein kann. Und das ist das Wichtigste.

Außerdem ist „Fairknallt“ super recherchiert und die schon erwähnten Klick-Tipps sind Gold wert. Ich freue mich, dass Marie Nasemann sich dem wichtigen Thema der Nachhaltigkeit angenommen hat.

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Veröffentlicht am 16.09.2020

Eine schöne Liebesgeschichte

Just Like You
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„Die Zukunft des Landes ist für dich sinnlos?« »Ziemlich. Sind wir nicht sowieso alle am Arsch?« »Warum das denn?« »Wenn der Meeresspiegel um dreißig Zentimeter steigt und wir alle überschwemmt werden? ...

„Die Zukunft des Landes ist für dich sinnlos?« »Ziemlich. Sind wir nicht sowieso alle am Arsch?« »Warum das denn?« »Wenn der Meeresspiegel um dreißig Zentimeter steigt und wir alle überschwemmt werden? Das ist mir nicht egal.“ (85%)

Das sagt Joseph, 22, zu Lucy, 42, als sie ihn fragt ob er für oder gegen den Brexit stimmen wird. Die beiden kommen aus unterschiedlichen sozialen Milieus, haben unterschiedliche Hautfarben und einen großen Altersunterschied. Doch sie verlieben sich ineinander und beginnen eine Beziehung.

Natürlich ist das eine Beziehung, die auf recht wackeligen Beinen steht. Vor allem Lucy denkt zunächst viel über all die möglichen Probleme dieser Partnerschaft nach. Und die Probleme sind mannigfaltig: Sie bewegen sich in unterschiedlichen Kreisen und befinden sich in unterschiedlichen Lebenssituationen. Ganze Lebensplanungen wie z.B. eine mögliche Familiengründung auf Josephs Seite könnten in dieser Beziehung nicht umgesetzt werden. Hinzu kommt, dass die beiden oftmals nicht auf Augenhöhe kommunizieren und sind.

Die Darstellung dieser komplexen Partnerschaft und Liebe finde ich recht gelungen. Sie ist ganz und gar unkitschig. Wir sehen hier zwei Menschen, die sich lieben - egal, wie unterschiedlich sie sind - und die versuchen, diese Liebe zu leben.

Deshalb drei von fünf Sternen.

Doch dann kommt noch eine ganze Menge an wirklich großen Themen hinzu. Allen voran der Brexit. Leider bleibt dieses Thema im Roman ziemlich auf der Strecke. Am Ende sind die Aussagen dazu dann etwa: Leute aus der Arbeiterschicht sind für den Austritt, Bildungsbürger nicht. Zwei Kreuze zu machen ist besser als gar nicht wählen zu gehen. Und Trump ist ein größeres Problem als der Brexit.

Wenn Hornby einen jungen Engländer mit dunkler Hautfarbe über den Brexit nachdenken lässt und dabei aufzeigt, dass Rassismus viele Facetten haben kann, und warum der EU-Austritt auch für unter dem Rassismus leidende Briten in Frage kommen konnte - dann ist das wiederum sehr klug und spannend.

Es kommen aber noch Themen wie das Altern, Scheidung, Trennungskinder, Alkoholismus, Musik, das Schulwesen und das Bildungssystem hinzu. Ach ja, und dann noch... Sex, Sex, Sex. (Darüber wird die ganze Zeit geredet, ohne dass es wirklich spannend wäre oder was Aufregendes passieren würde.)

Der Roman will zu viel auf einmal und Hornby bleibt hinter seinen Möglichkeiten zurück. Finde ich. Und bin deshalb ein bisschen enttäuscht.

Doch wie gesagt: Die Liebesgeschichte ist ganz schön und dafür lohnt sich der Roman dann doch.

„Sie war glücklich, glücklich in einer Blase, und der einzige Grund, sie platzen zu lassen, war, dass Blasen nicht das wahre Leben waren. Aber Blasen ließen das Leben erträglich werden, und der Trick bestand darin, so viele wie möglich zu machen.“ (33%)

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