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Veröffentlicht am 05.12.2023

Von der Idee zur größten Naturschutzorganisation Österreichs

Von Natur aus wild
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Wir alle kennen den Panadabären im kreisrunden Logo des WWF, aber die wenigsten wissen, welche bahnbrechenden Ideen, unzählige Ellenbogeneinsätze und Visionen dahinter stecken, um aus der bedrohten Artenvielfalt ...

Wir alle kennen den Panadabären im kreisrunden Logo des WWF, aber die wenigsten wissen, welche bahnbrechenden Ideen, unzählige Ellenbogeneinsätze und Visionen dahinter stecken, um aus der bedrohten Artenvielfalt eine friedliche Koexistenz werden zu lassen. Heidi List blickt auf 60 Jahre WWF in Österreich zurück und zeigt, was es heißt, auch mit Nachdruck und Widerstand gegen die Großkopferten vorzugehen, um dem Raubbau an Flora und Fauna Einhalt zu gebieten.

Es sind Bilder, die für sich sprechen und Worte, die auf- & wachrütteln, um den Leser:inne zu zeigen, dass Biodiversität ein Spiel mit komplexen Regeln ist, das keine faulen Kompromisse eingeht, sondern nur ein Ziel kennt: Schutz und Erhalt der Artenvielfalt.

Das Buch ist Rückschau, Gegenwartsbetrachtung und Zukunftsvision in einem, denn nur wenn es gelingt, die Geschichte des WWF in seiner Gesamtheit zu betrachten, kann auch ein Umdenken im Hier und Jetzt erfolgen, um Gefährdungslagen rechtzeitig zu erkennen und Chancen dann zu nutzen, wenn sie sich bieten.

Nationaler und internationaler Naturschutz hat sich der WWF auf die Fahne geschrieben und die Erfolge, mögen sie manchmal auch noch so klein sein, geben den großen Visionären recht. Statt dem Bau eines Kraftwerks hat das Ausfahren der Ellenbogen ein Umdenken erreicht und Naturparadiese geschaffen bzw. erhalten, die das empfindliche ökologische Gleichgewicht stützen.

Muss es denn wirklich noch eine größere und modernere Skiliftanlage auf einem ohnehin von der Klimakrise bedrohten Gletscher sein ? Reicht es nicht, dass die fragile Welt im Eis durch Menschenhand und geschliffene Skikanten rabiat beschnitten wird ? Das Buch richtet ernste Worte, die zum Nachdenken anregen, an die Leserschaft, wirkt aber dabei nicht anprangernd oder oberlehrerhaft, sondern kann mit klugen und nachvollziehbaren Argumenten jede noch so diplomatisch verfasste Entgegnung entkräften.

Geschichten, die die Arbeit des WWF vom steinigen ersten Schritt bis zum beeindruckenden Erfolg erlebbar machen, die Gesichter hinter der Organisation vorstellt und Einblicke in die großartigen Visionen gibt, um die Klimakrise als Chance zu nutzen und der Natur wieder das Wilde, Ursprüngliche zurückzugeben

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Veröffentlicht am 04.12.2023

Der Geist der Erinnerung ist schön und schrecklich zugleich

Aenne und ihre Brüder
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Reinhold Beckmann erzählt in leisen, aber sehr eindringlich Worten seine Familiengeschichte und lässt die Generation der Nachkriegskinder und - Enkel:innen an schönen, aber auch sehr schmerzhaften Erinnerungen ...

Reinhold Beckmann erzählt in leisen, aber sehr eindringlich Worten seine Familiengeschichte und lässt die Generation der Nachkriegskinder und - Enkel:innen an schönen, aber auch sehr schmerzhaften Erinnerungen seiner Mutter teilhaben. Schon als Kind erlebt Aenne zwei Verluste, die erschütternd sind und doch verliert sie nie den Glauben an das Gute, hat Gottvertrauen und sieht positiv ihrer Zukunft entgegen.

Es ist schön, die Geschwister aufwachsen zu sehen und ihre Entwicklung miterleben zu dürfen und Beckmann findet auch hier jederzeit die richtigen Worte, um die Leser:innen nicht auf Distanz zu halten, sondern sie mit in eine Zeit zu nehmen, als sich in Deutschland der Wind dreht und von rechts weht.

Die Erinnerungen seiner Mutter gehen zu Herzen und bringen eine Saite zum Klingen, die voller Emotionen und Mitgefühl schwingt. Dabei drückt Beckmann nicht auf die Tränendrüse, sondern schreibt die Gedanken und Gefühle seiner Mutter nieder und veröffentlicht die Feldpost seiner Onkel. Es schwingt Empathie, Achtung und Respekt mit und die Leserschaft spürt deutlich das innige Band zwischen Mutter und Sohn, aber auch zwischen Aenne und ihren Brüdern, das viel erträgt, duldet und verarbeitet.

Es sind die Stimmen derer, die im Krieg geblieben sind, die hier wieder laut werden dürfen um zu erzählen, welche grausame Fratze das Nazi-Regime zeigt und was Krieg und Soldat sein wirklich bedeutet. Es sind Fragen, die in vielen Familien nie gestellt oder nicht beantwortet wurden, die hier ins Licht der Öffentlichkeit gerückt werden. Fragen, die uns Nachkommen ermöglichen, ein wenig zu verstehen, was sich ereignet hat und wie geliebte Menschen in den Herzen derer weiterleben, die sie allzu früh loslassen mussten.

Gerade weil das Buch auch einen näheren Bezug zu meiner unmittelbaren Umgebung hat, gehen mir gewisse Schilderungen unglaublich nah und lassen mich mehr als einmal das Buch aus der Hand legen. Bilder, die sich vor dem inneren Auge abspulen, wirken noch lange nach und machen betroffen.

Es gelingt Beckmann, seine Onkel als die Menschen darzustellen, die sie wirklich gewesen sind - mit all ihren Ecken, Kanten, Sorgen, Ängsten und Träumen. Menschen, die zum Dienst an der Waffe gegen ihren Willen gezwungen wurden und mit ihrem Leben bezahlt haben.

Gerade weil aktuell der Krieg in der Ukraine und am Gaza-Streifen wieder unschuldige Menschenleben fordert, geht dieses Buch unter die Haut und sendet eine unausgesprochene Botschaft aus, die wir alle im Herzen tragen sollten.

Eine sehr intensive und nachdenklich stimmende Lektüre

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Veröffentlicht am 03.12.2023

Wo bin ich zuhaus‘, wo gehör‘ ich hin`? (Betina Graf)

Das versunkene Dorf
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Wo bin ich zuhaus‘, wo gehör‘ ich hin`?
Wo such‘ ich ihn, wo find‘ ich ihn,
den Ort, wo ich aufgehoben bin? (Betina Graf)


Für viele von uns ist er ein Wegweiser Richtung Süden, ein Hotspot für Motorradfahrer:innen ...

Wo bin ich zuhaus‘, wo gehör‘ ich hin`?
Wo such‘ ich ihn, wo find‘ ich ihn,
den Ort, wo ich aufgehoben bin? (Betina Graf)


Für viele von uns ist er ein Wegweiser Richtung Süden, ein Hotspot für Motorradfahrer:innen und ein bekanntes Postkarten-Motiv - der Kirchturm im Reschensee. Die wenigsten kennen die emotionale und grausame Geschichte, die dahinter steckt.

"Das versunkene Dorf" mit seinem stummen Zeitzeugen mitten im See ist ein Tourist:innen-Magnet und zugleich ein Mahnmal, erzählt von Heimat- & Identitätsverlust, Macht- & Geldgier, Zwangsenteignung und dem verzweifelten Versuch, zu retten, was noch zu retten ist. Ein Buch, das nicht nur Zahlen und Fakten bietet, sondern viel tiefer geht - nämlich unter die Haut, mitten ins Herz und es berührt die Seele.

Stimmen von Zeitzeug:innen, die miterleben mussten, wie alles, was sie sich mühsam aufgebaut haben, teilweise über Generationen hinweg, dem Untergang geweiht ist. Mitspracherecht - Fehlanzeige ! Anspruch auf Entschädigung - nur nach großen Protestaktionen ! Und wofür das alles ? Für Macht, Einfluss und ein Prestigeobjekt, das die Bewohner:innen der Dörfer nicht gewollt haben.

Doch Geld kann die Heimat nicht ersetzen, gibt den Toten nicht ihr Leben zurück und trocknet nicht die Tränen, die die Hinterblieben weinen. Das Autoren-Duo geht sehr einfühlsam und mit viel Fingerspitzengefühl vor, um nicht Wunden aufzureißen, die sowieso nie ganz verheilt sind. Spätestens dann, wenn der See wieder trocken fällt und die Überreste von Alt-Graun und Alt-Reschen wie Atlantis aus den Tiefen auftauchen, werden Ungerechtigkeit und das traurige Schicksal wieder greifbar.

Ein Buch, das von Leid und Rücksichtslosigkeit erzählt, von der Sehnsucht nach einem Ankommen und dem Gefühl, doch nie ganz Zuhause zu sein. Die Zeitzeug:innenberichte und viele Schwarz-Weiß-Fotografien machen Geschichte lebendig, wirken wie ein stummer Schrei, der nie ganz verhallt und geben denjenigen ein Gesicht, die bis heute nicht mit dem Schiff über den See fahren - aus Respekt und Ehrfurcht vor dem, was war. Für sie gibt es keine Zeit des Loslassens, sondern immer wieder nur den Versuch, sich mit der Tragödie auseinanderzusetzen und die Lücke im Herzen mit Erinnerungen zu füllen.

Ein sehr eindringliches Zeitdokument, das zum Nachdenken und Diskutieren anregt - sehr lesenswert !

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Veröffentlicht am 03.12.2023

Zauber vergessener und vergangener Schönheit

Verlassenes Italien
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Einst waren sie prunkvolle Pallazi, Orte der Ruhe und Entspannung oder auch Heimstätten für eher unschöne Ereignisse, die in der Geschichte Italiens eher einen dunklen Fleck in der Erinnerung hinterlassen. ...

Einst waren sie prunkvolle Pallazi, Orte der Ruhe und Entspannung oder auch Heimstätten für eher unschöne Ereignisse, die in der Geschichte Italiens eher einen dunklen Fleck in der Erinnerung hinterlassen. Doch was sie alle eint ist die Melancholie des Verfalls und der Zauber der Vergänglichkeit, die aus jedem Winkel, aus jeder Ritze hervordringen.

Es ist ein prunkvoller Spaziergang auf zugewucherten Wegen und staubbenetzten Treppen, der hinter jeder Tür, die schief in den Angeln hängt ein neues Geheimnis offenbart. Die Farbe an den Wände blättert ab und wirkt, als würden sich die nackten Grundmauern dahinter dagegen wehren, dass diese Narben entstehen.

Die Staubpartikel tanzen fröhlich in der Luft, begleitet von magischen Farbspielen aus Sonnenlicht und Buntglasfenstern, die die einst imposanten Eingangshallen mit ihren stuckverzierten Decken und schmiedeeisernen Treppengeländern in fast surreale Welten verwandeln.

Leerstehende Villen, Kirchen, Fabrikhallen oder Hotels wispern leise ihren Geschichten, erzählen Episoden aus einer längst vergangenen Zeit und doch wirken manche Lost Places so, als seien ihre Besitzer gerade erst aus der Tür gegangen, um nur mal kurz eine Besorgung zu machen. Traumhafte Ausblicke von den weitläufigen Terrassen auf das Meer, weitläufige Gartenanlagen oder brei geschwungene Treppen, die nur darauf warten, dass die Dame des Hauses in einer festlichen Abendrobe feierlich die Stufen hinab schreitet, um ihre Gäste zu begrüßen.

Und doch holt sich die Natur Stück für Stück wieder, was ihr einst genommen wurde. Robin Brinaert lässt daraus Fotos entstehen, die Licht und Schatten der verlassenen Bauten widerspiegeln und die Betrachtenden vollkommen für sich einnehmen.

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Veröffentlicht am 30.11.2023

Es gab nur wenige Denunzianten, aber ihre Zahl genügte, um unbeschreibliches Unglück über die Menschen zu bringen.“ Fritz Wöss

Die Freiheit so nah
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Kay muss 2016 Abschied nehmen von einer lieben Freundin und ihr die letzte Ehre erweisen. Das Zusammentreffen mit seiner alten Clique reißt alte Wunden auf, weckt Erinnerungen und lässt seine Gedanken ...

Kay muss 2016 Abschied nehmen von einer lieben Freundin und ihr die letzte Ehre erweisen. Das Zusammentreffen mit seiner alten Clique reißt alte Wunden auf, weckt Erinnerungen und lässt seine Gedanken immer wieder zurück schweifen. Aus der unbeschwerten Kinderclique ist im Verlauf der Jahre eine eingeschworene Gemeinschaft geworden, die sich zwar mit den Umständen in der DDR nie wirklich ganz arrangiert, aber trotzdem zusammengehalten hat wie Pech und Schwefel. Erst als die Zeichen immer deutlich werden, die Repressalien der Stasi um sich greifen und die Clique direkt betroffen ist, macht sich Kay seine Gedanken. Kann es wirklich sein, dass einer aus den eigenen Reihen ein Verräter ist ? Als Kay seine Flucht plant, kommt alles anders....


"Die Freiheit so nah" erzählt in sehr eindringlichen Worten aus der Sicht von Kay, wie sich ein Leben als junger Mensch in der DDR angefühlt hat. Der Staat hat seine Augen und Ohren überall und der Machtapparat Stasi tut alles dafür, schon in der Schule die Grundsteine zum Denunziantentum zu legen. Eine Machtausübung, die im Kreis der "indischen Reisegruppe" unvorstellbar ist und doch trifft sie zu.

A.A.Kästner schildert in ihrem Roman die Ereignisse nach wahren Begebenheiten so authentisch und überzeugend, dass sie Leser;innen das Gefühl erhalten, direkt an Kays Seite zu stehen und alles hautnah mitzuerleben. Der Gruß der FdJ "Freundschaft" wird zum Sinnbild für die Clique und so steht auch einer für den anderen ein, kämpft gemeinsam mit den Jungs für die Verwirklichung von Träumen und Wünschen und doch stoßen sie immer wieder an Grenzen. Sei es politisch, persönlich, physisch oder psychisch.

Mit der Erzählstimme Kay wird das Buch unglaublich intensiv und es sind seine ganz persönlichen Erinnerungen und Eindrücke, die sich manchmal bleischwer auf die Seele legen. Es fällt, auch 34 Jahre nach Grenzöffnung, wohl den meisten nicht leicht, all das zu begreifen, was im Namen der Stasi an Verbrechen, Verrat und Verunsicherung geschehen ist.

Der Roman beleuchtet eine fast unerschütterliche Freundschaft, die auch die guten Seiten eines Lebens in der DDR aufzeigt, aber dennoch immer wieder deutliche Worte in Bezug auf Misswirtschaft, Unzufriedenheit und Verrat enthält. Ein Stück deutscher Geschichte, die zum Nachdenken, Diskutieren und Innehalten anregt und aufzeigt, dass Freundschaft nicht alles verzeihen kann, da das persönliche Unglück einfach zu schwer wiegt.

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