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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 03.11.2021

Von der Bedeutung der Büchereien

Die letzte Bibliothek der Welt
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In der englischen Kleinstadt Chalcot lebt June Jones ein zurückgezogenes Leben. Die junge Bibliothekarin hat das verschlafene Örtchen, in dem sie aufgewachsen ist, noch nie verlassen. Seit dem Tod ihrer ...

In der englischen Kleinstadt Chalcot lebt June Jones ein zurückgezogenes Leben. Die junge Bibliothekarin hat das verschlafene Örtchen, in dem sie aufgewachsen ist, noch nie verlassen. Seit dem Tod ihrer Mutter zieht sich die schüchterne 30-Jährige mehr denn je in die Welt der Bücher zurück. Doch dann droht der Bibliothek, in der sie arbeitet, plötzlich die Schließung und June muss sich neuen Herausforderungen stellen…

„Die letzte Bibliothek der Welt“ ist der Debütroman von Freya Sampson.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 38 Kapiteln mit einer angenehmen Länge. Erzählt wird in chronologischer Reihenfolge aus der Sicht von June, allerdings mit Rückblicken. Der Aufbau ist einfach, aber funktional.

Der Schreibstil ist zwar unspektakulär, jedoch anschaulich und lebhaft. Gut gefallen haben mir die vielen Referenzen zu bekannten Romanen und fiktiven Figuren.

Das Personal des Romans ist erfrischend bunt und vielfältig. Neben der introvertierten Protagonistin June, die schnell meine Sympathie gewinnen konnte, gibt es viele liebenswerte Nebencharaktere wie die 16-jährige Chantal und den 82-jährigen Stanley. Leider kommen manche Figuren etwas klischee- und schablonenhaft rüber.

Den Reiz des Romans machen für mich die bibliophilen Passagen aus. Die Botschaft, dass Büchereien bedeutsam sind, finde ich wichtig und begrüßenswert. Darüber hinaus spielt eine Liebesgeschichte eine entscheidende Rolle. Es gibt humorvolle und anrührende Momente. Alles in allem hätte die Story aber durchaus etwas tiefgründiger und überraschender sein dürfen.

Ich habe den Roman als ungekürzte Lesung angehört. Sprecherin Laura Maire verleiht dem Hörbuch mit ihrer angenehmen Stimme eine warmherzige Note.

Der deutsche Titel ist fast, aber nicht ganz wörtlich aus dem Englischen („The Last Library“) übersetzt, wobei mir die Originalformulierung besser gefällt. Das liebevoll illustrierte Cover passt gut zu der Geschichte.

Mein Fazit:
„Die letzte Bibliothek der Welt“ von Freya Sampson ist ein unterhaltsamer Roman mit liebenswerten Charakteren für schöne Lese- oder Hörstunden.

Veröffentlicht am 02.11.2021

Dunkle Machenschaften

Das Glashotel
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Das Unterwegssein gehört zu Vincents Leben. Schon früh verlässt die junge Frau ihre Heimat, nachdem ihre Mutter nicht mehr nach Hause kommt. Als ihr Vater stirbt, kehrt sie zurück und fängt einen Job als ...

Das Unterwegssein gehört zu Vincents Leben. Schon früh verlässt die junge Frau ihre Heimat, nachdem ihre Mutter nicht mehr nach Hause kommt. Als ihr Vater stirbt, kehrt sie zurück und fängt einen Job als Barkeeperin im Hotel Caiette an. Dort lernt sie Jonathan Alkaitis kennen, einen New Yorker Investor. Sie ahnt nichts von seinen dunklen Machenschaften…

„Das Glashotel“ ist ein Roman von Emily St. John Mandel.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus drei Teilen, die insgesamt 16 Kapitel umfassen, die sich wiederum aus mehreren nummerierten Abschnitten zusammensetzen. Erzählt wird aus wechselnden Perspektiven, zum Beispiel in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Vincent. Die Geschichte beginnt und endet 2018, aber spielt zwischendurch in den 1990er-, 2000er- und 2010er-Jahren. Sie springt zwischen den Zeiten hin und her. Einheitliche Angaben am Anfang der Kapitel helfen bei der Orientierung. Auch die Schauplätze variieren. Der Aufbau ist recht komplex und erfordert ein sorgfältiges Lesen, funktioniert jedoch gut.

Der Schreibstil ist eine der Stärken des Romans. Er ist atmosphärisch stark, eindringlich und manchmal sogar ein wenig poetisch. Weil er anfangs recht fragmentarisch wirkt, fiel es mir zunächst schwer, in das Buch zu finden. Die Geschichte konnte mich aber zunehmend für sich einnehmen.

Der Roman hat erstaunlich viele Protagonisten. Die Charaktere sind authentisch und reizvoll ausgestaltet. Sie bleiben allerdings etwas fremd. Die meisten sind zudem keine Sympathieträger.

Inhaltlich ist die Geschichte durchaus kreativ, facettenreich und interessant. Es geht um die Schicksale unterschiedlicher Menschen. Deren Verbindung, die ich hier nicht vorwegnehmen möchte, wird nach und nach deutlich.

In den ersten beiden Dritteln der fast 400 Seiten gibt sich der Roman bisweilen ein bisschen sperrig. Besonders gelungen, überraschend und überzeugend ist für mich allerdings der dritte Teil.

Der deutsche Titel wurde erfreulicherweise wörtlich aus dem Englischen („The Glas Hotel“) übersetzt. Trotzdem ist er etwas irreführend. Das Cover finde ich leider gar nicht ansprechend, allerdings passender.

Mein Fazit:
Mit „Das Glashotel“ hat Emily St. John Mandel einen Roman geschrieben, der sowohl in seiner Struktur als auch wegen seines Inhalts ungewöhnlich ist. Eine nicht immer einfache, gleichwohl jedoch lohnende Lektüre.

Veröffentlicht am 28.10.2021

Wie das Licht fällt

Wenn wir heimkehren
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Köln in den 1950er-Jahren: Wilhelm Koch wird in eine Wohnung gerufen, in die er eine Wand einziehen soll. Der Handwerker ist über den Auftrag verwundert, da die Wand Licht wegnehmen wird. Margot und ihr ...

Köln in den 1950er-Jahren: Wilhelm Koch wird in eine Wohnung gerufen, in die er eine Wand einziehen soll. Der Handwerker ist über den Auftrag verwundert, da die Wand Licht wegnehmen wird. Margot und ihr Sohn Fred, die dort wohnen, gehen ihm danach nicht aus dem Kopf. Die gebürtige Luxemburgerin musste ihre Heimat verlassen. Mit einem unehelichen Kind war sie im Krieg auf sich allein gestellt. Margot hat Schuld auf sich geladen. Aber auch Willi hat der Krieg traumatisiert…

„Wenn wir heimkehren“ ist ein Roman von Andrea Heuser.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus zwei Teilen. Diese gliedern sich in mehr als 50 Kapitel mit einer angenehmen Länge. Der Roman umfasst viele Jahrzehnte: Er reicht von 1933 bis in die Gegenwart. Er springt durch Zeit und Raum. Einheitliche Orts- und Zeitangaben zu Beginn der Kapitel erleichtern jedoch die Orientierung. Auch die Erzählperspektive wechselt mehrfach.

Sprachlich ist der Roman besonders gelungen. Der Schreibstil ist detailliert, dialoglastig und poetisch angehaucht. Eingefügt sind hin und wieder Zitate aus Liedern und dergleichen.

Margot, Fred und Willi stehen im Vordergrund des Romans. Aber auch auf die übrigen Familienmitglieder fällt hin und wieder ein Schlaglicht. Die Charaktere sind authentisch und mit psychologischer Tiefe ausgestaltet.

Inhaltlich handelt es sich um einen Familienroman, der mehrere Generationen abdeckt, und zugleich eine tiefgründige und facettenreiche Liebesgeschichte. Es geht um Schuld, Verdrängung, Traumata, Beziehungen, Wurzeln und das Weitermachen. Der Schwerpunkt liegt auf der Nachkriegszeit, aber die Geschichte beschränkt sich nicht nur darauf.

Auf fast 600 Seiten ist die Geschichte meistens recht dicht, aber nicht ohne Längen und manchmal spannungsarm. Trotzdem konnte sie mich immer wieder abholen und berühren.

Der Roman hat autobiografische Züge. Die Figur Willi basiert auf dem Großvater der Autorin. Zudem hat Andrea Heuser eigene Erinnerungen eingearbeitet. An mehreren Stellen wird darüber hinaus die akribische Recherche der Autorin deutlich. Ein Nachwort, das diese Hintergründe des Buches erläutert, hätte den Roman abrunden können.

Das künstlerische Cover hat wenig Aussagekraft, gefällt mir aber dennoch gut. Der Titel ist treffend formuliert.

Mein Fazit:
„Wenn wir heimkehren“ von Andrea Heuser ist ein Familien- und Liebesroman, der vor allem in sprachlicher Hinsicht glänzt. Eine lesenswerte Geschichte.

Veröffentlicht am 20.10.2021

Der schreibende Pilot und seine Rose

Madame Exupéry und die Sterne des Himmels
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Es ist Liebe auf den ersten Blick, als die 30-jährige Malerin Consuelo, eine Witwe, auf einer Party den 29-jährigen Antoine de Saint-Exupéry, genannt Tonio, trifft. Die gebürtige Mittelamerikanerin will ...

Es ist Liebe auf den ersten Blick, als die 30-jährige Malerin Consuelo, eine Witwe, auf einer Party den 29-jährigen Antoine de Saint-Exupéry, genannt Tonio, trifft. Die gebürtige Mittelamerikanerin will in Paris mit ihm einen Neuanfang wagen. Sie wird zur Muse des Piloten, der lieber Schreiben und Zeichnen möchte. Das Buch „Der kleine Prinz“ macht Antoine weltweit bekannt. Aber das Leben an seiner Seite ist alles andere als leicht…

„Madame Exupéry und die Sterne des Himmels“ ist ein Roman von Sophie Villard.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 81 kurzen Kapiteln, die von einem Pro- und einem Epilog eingerahmt werden. Die Handlung umfasst die Jahre 1930 bis 1944 und spielt an wechselnden Orten. Entsprechende Angaben zu Beginn der Kapitel erleichtern die Orientierung. Erzählt wird aus der Perspektive von Consuelo, allerdings nicht streng chronologisch, denn es gibt zwei Erzählebenen. Der Aufbau funktioniert prima.

Der Schreibstil fokussiert darauf, Ereignisse zusammenzufassen. Passagen mit längeren Dialogen oder ausführlichen Beschreibungen sind selten. Dennoch ist der Schreibstil anschaulich und macht das Geschehen lebhaft. Schön finde ich, dass zwischendurch immer mal wieder Zitate aus „Der kleine Prinz“ eingestreut werden.

Im Vordergrund stehen Tonio und Consuelo. Der Protagonist kommt nicht immer sympathisch rüber. Er ist ein eher schwieriger, sperriger Charakter, was den biografischen Zügen des Romans geschuldet und damit für mich kein Manko ist. Consuelo, die Protagonistin, wirkt wesentlich warmherziger und sympathischer, sodass man ihr Leben gerne verfolgt. Ihre Gedanken und Gefühle lassen sich gut nachvollziehen.

Vor der Lektüre war ich als Anhängerin des „kleinen Prinzen“ sehr auf den Roman zu dessen Erfinder gespannt. Das Buch bringt uns den Vater dieser Figur, Antoine, definitiv näher, obwohl der erzählerische Schwerpunkt auf Consuelo liegt.

Wieder einmal hat die Autorin gewissenhaft und gründlich recherchiert. Das ist dem Roman an vielen Stellen anzumerken. An ihrem Wissen lässt sie ihre Leserinnen und Leser auf unterschiedliche Weise teilhaben. Erwähnenswert und interessant ist der Anhang des Romans. Es gibt eine Literaturliste und ein Nachwort, in dem die weitere Geschichte des Paares zusammengefasst wird. In einem zusätzlichen Text erläutert die Autorin, wie es sich mit Fakten und Fiktion in ihrem Roman verhält. Außerdem klärt sie über den weiteren Verbleib der handelnden Personen auf.

Auf rund 450 Seiten bleibt die Geschichte unterhaltsam und abwechslungsreich. Obwohl das Ende von Tonio bekannt ist, wird sie nicht langweilig. Wie schon in einem früheren Roman der Autorin werden einige Szenen für meinen Geschmack etwas zu kurz abgehandelt. Insgesamt macht dies das Buch ein wenig episodenhaft.

Das genretypische Cover ist hübsch gestaltet. Der poetisch anmutende Titel passt inhaltlich sehr gut.

Mein Fazit:
Auch mit „Madame Exupéry und die Sterne des Himmels“ ist Sophie Villard ein gleichsam unterhaltsamer wie interessanter Roman für schöne Lesestunden gelungen. Eine empfehlenswerte Lektüre, die Lust darauf macht, den Kinderbuchklassiker neu zu entdecken, sich aber nicht nur für die Fans von „Der kleine Prinz“ eignet.

Veröffentlicht am 20.10.2021

Gequälte Seelen

Wer das Feuer entfacht - Keine Tat ist je vergessen
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Auf einem Hausboot auf dem Regent’s Canal in London wird der 23-jährige Daniel Sutherland tot aufgefunden. Er wurde offenbar mit einem Messer erstochen. Erst wenige Wochen vorher ist seine Mutter Angela ...

Auf einem Hausboot auf dem Regent’s Canal in London wird der 23-jährige Daniel Sutherland tot aufgefunden. Er wurde offenbar mit einem Messer erstochen. Erst wenige Wochen vorher ist seine Mutter Angela gestorben. Kann das Zufall sein? Und haben seine Tante Carla, sein Onkel Theo (52), seine zeitweise Nachbarin Miriam (53) oder sein letzter One-Night-Stand Laura (25) etwas mit dem Mord zu tun? Was weiß die 80-jährige Witwe Irene?

„Wer das Feuer entfacht - Keine Tat ist je vergessen“ ist ein Spannungsroman von Paula Hawkins.

Meine Meinung:
Das Buch besteht aus 39 Kapiteln und endet mit einem Epilog. Zwischendurch sind Passagen eines weiteren Romans eingestreut. Erzählt wird im Wechsel aus den Perspektiven von Carla, Miriam, Laura, Theo und Irene - chronologisch, jedoch mit diversen Rückblenden. Die eigentliche Handlung spielt in London und erstreckt sich über mehrere Tage. Eine Stadtkarte gibt Aufschluss über die einzelnen Schauplätze. Dieser Aufbau funktioniert sehr gut.

Der Schreibstil des Romans ist angenehm, aber unauffällig. Gut gefallen hat mir, dass die Sprache je nach Perspektive variiert.

Die Charaktere sind psychologisch aufwendig ausgestaltet. Die Protagonistinnen sind - mit Ausnahme von Irene - gequälte, kaputte Seelen. Sie standen in einer Verbindung zum Mordopfer. Stück für Stück werden ihre Schicksale aufgedröselt. Obwohl man durchaus mit ihnen mitfühlen kann, sind sie unsympathisch und bleiben mir fremd. Dadurch entsteht jedoch viel Raum für mögliche Motive.

Inhaltlich ist der Roman erstaunlich komplex. Im Laufe der Geschichte werden die losen Fäden gekonnt wieder aufgegriffen und miteinander verwoben. Positiv aufgefallen ist mir, dass der Roman die Polizeiarbeit, also die Ermittlungen der Detectives, nur streift. Stattdessen ist die Geschichte nah an den Leben der vier Frauen.

An mehreren Stellen wirkt die Geschichte recht konstruiert. Es gibt aber keine Logiklücken. Auf rund 400 Seiten ist die Spannung nicht konstant hoch. Dennoch ist der Roman kurzweilig und bietet immer wieder Stoff, über die Hintergründe der Tat zu spekulieren. Die Auflösung ist ab einem bestimmten Zeitpunkt zwar vorhersehbar, aber - bis auf kleinere Details - absolut stimmig.

Das Cover, das auf den zweiten Blick weitere Details offenbart, gefällt mir gut - obwohl ich die Feuer-Metapher nicht ganz so treffend finde. Deshalb sind sowohl der deutsche Titel als auch das Original („A Slow Fire Burning“) für mich nicht die perfekte Wahl.

Mein Fazit:
„Wer das Feuer entfacht - Keine Tat ist je vergessen“ von Paula Hawkins ist ein solider Spannungsroman für unterhaltsame Lesestunden. Zwar nicht das beste Buch der Autorin, trotzdem eine lesenswerte Geschichte.