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Veröffentlicht am 19.07.2018

Sprechstunde

Dr. Knox
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Mit Dr. Knox hat der Autor eine Romanfigur mit Serien-Charakter und Suchtpotenzial geschaffen.

Eine Figur mit Prinzipien, eine Figur die ziemlich kaputt ist und mit mehr als einem Dämon zu kämpfen hat, ...

Mit Dr. Knox hat der Autor eine Romanfigur mit Serien-Charakter und Suchtpotenzial geschaffen.

Eine Figur mit Prinzipien, eine Figur die ziemlich kaputt ist und mit mehr als einem Dämon zu kämpfen hat, die aber trotz aller Widrigkeiten nicht bereit ist den leichten Weg zu gehen. Eine Figur mit Witz, Härte, Gerechtigkeitssinn, Berufsethos. Eine Figur mit dem Drang das Richtige zu tun.

Auch die Geschichte hinter der Figur ist speziell. Ein Arzt, der in einer herruntergekommen Gegend eine Klinik für diejenigen betreibt, die am Rande der Gesellschaft stehen, und der sich das Geld für seine Arbeit dadurch beschafft, dass er vom Filmstar bis zum Bankräuber jeden behandelt, der aus offensichtlichen Gründen nicht in ein Krankenhaus möchte. Explosive Mischung, Komplikationen vorprogrammiert.

Das Buch ist nicht speziell als Actionthriller gekennzeichnet, passt aber für mich durchaus in dieses Genre und hat alles was hierfür nötig ist, angefangen von Menschenhandel, Zwangsprostitution, Geiselnahme, Schießereien bis hin zur russischen Mafia und dem durchgeknallten Sohn eines reichen Konzernchefs, der sich anmaßt durch sein Geld und seine Verbindungen über dem Gesetz zu stehen. Der Autor hat es gut verstanden die Debatte um Richtig und Falsch, Recht haben und Recht bekommen, Macht und deren Missbrauch in eine rasante und spritzige Action-Story zu packen.
Er lenkt die Sympathie und die Antipathie der Leser präzise auf die jeweiligen Figuren. Diese sind so treffend charakterisiert, dass man gar nicht anders kann als sie zu mögen oder zu hassen. Eine emotionale Achterbahnfahrt.

Die Geschichte ist wie ich finde klassisch amerikanisch. Mit Deutschland als Handlungsort hätte sie für mich nicht funktioniert, aber das ist OK.

Während der Lektüre kam mir ziemlich schnell der Gedanke daran, welcher Schauspieler für die Rolle vom Doc und seinem Kumpel Sutter geeignet wäre, ich kann mir die Story gut auf dem Bildschirm vorstellen. Fürs Erste wäre ich aber auch durchaus mit einer Fortsetzung des Romans zufrieden, den am Ende des Buches gibt es schon noch die ein oder andere Baustelle im Leben von Dr. Knox.

Veröffentlicht am 19.05.2024

Zum Ursprung

Mütter Europas
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Geschichte ist ein unglaublich spannendes und weitläufiges Themengebiet und die verschiedensten Ereignisse wurden bereits aus den verschiedensten Blickwinkeln analysiert. Interessant ist dabei natürlich ...

Geschichte ist ein unglaublich spannendes und weitläufiges Themengebiet und die verschiedensten Ereignisse wurden bereits aus den verschiedensten Blickwinkeln analysiert. Interessant ist dabei natürlich immer der aktuelle Stand der Wissenschaft der jeweiligen Zeit und so bleibt es nicht aus, das sich Lehrmeinungen, die zu ihrer Zeit revolutionär waren, später als schlichtweg falsch herausstellen und letztlich ganze Geschichtsbücher neu geschrieben werden müssen.

Auch über die Entwicklung des modernen Menschen, vom Affen hin zum aufrecht gehenden Neandertaler bis zu uns, die wir heute in Europa leben, wurde schon viel geforscht und die Ergebnisse dieser Forschung bildete die Grundlage dessen, was ich in der Schule gelernt habe. Meinen Enkeln wird sich später im Schulunterricht allerdings schon ein ganz anderes Bild zeigen.

Mit modernsten DNA Analysen ist es Prähistorikern mittlerweile gelungen unsere Entstehungsgeschichte immer detaillierter nachzuverfolgen. Funde werden neu bewertet und wir müssen die Sichtweise auf das Leben unserer Vorfahren überdenken. Es wird deutlich, das Funde oft fehlinterpretiert wurden, teils aus Unwissenheit, teils aber einfach auch, weil sie so besser in unser patriarchalische System passen. Die Vorstellung vom starken Steinzeitjäger, der seiner Familie das Mammut nach Hause bringt und den Frauen, die in der Zwischenzeit die Höhle sauber halten, ist allerdings überholt und nach den neuesten Erkenntnissen schlichtweg falsch.

Wie unsere Entwicklung, von einer nahezu gleichberechtigten Gesellschaft, über Jahrhunderte hin zu dem führen konnte, was heute unser allgemeines Weltbild bestimmt, wird im vorliegenden Buch anschaulich erklärt. Karin Bojs zeichnet die Wege unserer Vorfahren sehr detailliert nach, anhand bekannter Funde erklärt sie, wie verbreitet der Kult rund um eine "Muttergöttin" war und wie sich dieser im Laufe der Zeit gewandelt hat. Die Gründe hierfür sind vielfältig und auch ihnen geht die Aurorin nach, wobei sie die Arbeiten vieler Historiker*innen in ihre Überlegungen einbezieht.

Trotz der vielen wissenschaftlichen Fakten ist das Buch leichtgängig geschrieben und bietet neben interessanten Fakten auch viel Unterhaltung. Unterstützt werden die Texte mit einigen Fotografien, erklärenden Karten, einem umfassenden Quellennachweis und verschiedenen Registern zu Personen und Orten.

Das Buch erklärt woher wir kommen und räumt auf mit veralteten Denkmustern und Klischees. Die neuesten Methoden der DNA Analyse machen deutlich, dass wir Europäer ein weitgereister, buntgemischter Haufen sind und das ist gut so.

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Veröffentlicht am 01.05.2024

Ermittler mit Traum

Seele voll Zorn
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Mikael Kohonen, Ermittler bei der Polizei Helsinki, ist nach einem Unfall im Dienst, bei dem sein Kollege schwer verletzt wurde, eigentlich gerade noch voll mit sich selbst beschäftigt, da bekommt seine ...

Mikael Kohonen, Ermittler bei der Polizei Helsinki, ist nach einem Unfall im Dienst, bei dem sein Kollege schwer verletzt wurde, eigentlich gerade noch voll mit sich selbst beschäftigt, da bekommt seine Dienststelle es mit dem brutalen Mord an einem Ehepaar zu tun. Die Ermittlungen laufen erstmal ins Leere, bis ein weiteres Pärchen vermisst wird.

Helene Falk schickt ihren finnischen Kommissar hier das erste Mal auf Verbrecherjagd und trotz seiner eigenen Baustellen schlägt er sich gut. Ich bin ja bekanntermaßen ein Fan von Ermittlerfiguren mit Ecken, Kanten, Problemchen. Man könnte meinen ich mag die kaputten Typen, die, die grad mit ihren eigenen Dämonen kämpfen und selbst kurz vorm Abgrund stehen. Eine solche kaputte Figur ist Mikael Kohonen definitiv. Nach dem schweren Unfall ist er zwar im Dienst zurück, kämpft aber immer wieder mit Flashbacks und Angstzuständen, gerade wenn es ums Autofahren geht. Nachts wacht er schweißgebadet aus Alpträumen auf, er vergräbt sich in Arbeit, seine Ehe steht auf der Kippe und die verordneten Gespräche mit der Psychologin meidet er wo es nur geht. Ein ganz wichtiger Punkt, der der Figur sehr zu schaffen macht ist das fehlende Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, wie Kohonen selbst sagt, weiß er nicht mehr, ob er seinem, früher untrüglichen Bauchgefühl noch trauen kann. Man spürt beim Lesen sehr, welche Selbstzweifel und Selbstvorwürfe den Ermittler umtreiben. Manchmal war es kurz davor nervig zu werden, aber irgendwie hat die Autorin ein gutes Händchen dafür, die Sympathien des Lesers für die Hauptfigur nicht zu verspielen.

Die Kapitel des Buches sind nach den jeweiligen Tagen unterteilt, an denen die Ereignisse stattfinden, unterbrochen von Rückblicken. Schon im Prolog erahnt der Leser, das es heftig werden wird, allerdings kann man erstmal keine Verbindung zu den Taten in der Gegenwart feststellen. Die Autorin legt im Verlauf gleich mehrer Handlungsstränge an, die augenscheinlich nichts miteinander zu tun haben. Es ist manchmal etwas schwierig gleich einzuordnen, um wen es gerade geht, weil sich die Ereignisse eben am selben Tag abspielen und man sich erstmal anhand der Namen, oder der Örtlichkeiten orientieren muss. Im Verlauf der Geschichte wird dies leichter, weil man die einzelnen Figuren dann kennt. Erst recht spät werden die Handlungsstränge zusammengeführt und es kommt eine Geschichte zutage, die ich so nicht unbedingt vorhergesehen habe. Durchaus nachvollziehbar zusammengeführt, aber dennoch kleinen Schwächen.

Die dargestellten Gewalttaten sind nichts für schwache Nerven, es geht um Vergewaltigung, Folter und Mord, dessen ist man sich als Leser dieses Genres allerdings bewusst. Auf jeden Fall ein gelungener Start der Reihe, bin gespannt wie es weitergeht.

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Veröffentlicht am 30.04.2024

Das Ende eines Märchens

Schneeweißchen stirbt
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Nora Rothmann versucht nach ihren traumatischen Erlebnissen aus dem letzten Buch wieder in ihren Arbeitsalltag zurückzufinden, doch immer noch sind die Ermittlungen zu den berüchtigten Grimm Akten nicht ...

Nora Rothmann versucht nach ihren traumatischen Erlebnissen aus dem letzten Buch wieder in ihren Arbeitsalltag zurückzufinden, doch immer noch sind die Ermittlungen zu den berüchtigten Grimm Akten nicht abgeschlossen, die Verstrickungen und der Mord an ihrer Familie nicht aufgeklärt. Zudem tritt Fiona, Noras Freundin aus Kindertagen wieder in Noras Leben und das ist ziemlich beängstigend.

Mit Schneeweißchen stirbt liefert Elias Haller den Abschluss zu seiner Grimm Trilogie rund um Kommissarin Nora Rothmann. Auch in diesem Band spielen die düsterern Versionen der Märchen der Gebrüder Grimm eine wichtige Rolle. Die Mitglieder der elitären Gemeinschaft rund um Grimm stellen diese Märchen auf brutalste Weise nach und filmen sie, und das schon seit Generationen, wie die Ermittlungen ergeben. Nun geht es darum das Erbe, die Grimm Akten, zu schützen.

Schon in den ersten beiden Teilen wird immer wieder auf Noras Familie, deren Anteil an Grimm und deren Ermordung eingegangen. Hier wird es aber nun so richtig persönlich, Nora muss sich ihrer Vergangenheit stellen und so auch ihrer Freundin Fiona, die sich immer mehr zur Gefahr für Noras Umfeld entwickelt.

Da das Buch das letzte der Reihe ist, ist natürlich klar, dass es auf alle offenen Fragen eine Antwort geben muss. Den Weg dorthin gestaltet der Autor wieder sehr spannend. Ich hatte recht schnell ein bestimmtes Gefühl, in welche Richtung sich das Buch entwickeln würde, bin aber immer wieder davon abgekommen, weil der Autor mir sehr glaubhaft dargestellt hat, das es so eben doch nicht sein kann. Hier hat Elias Haller wieder ganze Arbeit geleistet. Die Auflösung kam dann letztlich nicht ganz unerwartet, war logisch erklärt. Ich kann mir aber vorstellen, das einige Leser vielleicht damit hadern.

Das Buch ist wieder typisch für den Autor und seinen Stil, die Beschreibungen sind nichts für schwache Nerven, gerade, da auch immer wieder Gewalt gegen Kinder beschrieben wird. Das Buch sollte auf keinen Fall außerhalb der Reihe gelesen werden, die Vorkenntnisse aus den anderen Büchern sind zwingend nötig um die geschichte zu verstehen.

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Veröffentlicht am 21.04.2024

Alte weiße Männer

Der letzte Genderman
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Peter kann nicht aus seiner Haut, als alter weißer Mann steckt er fest in den seit Jahrhunderten anerzogenen Geschlechterstereotypen. Seine toxische Männlichkeit macht ihn zum Pflegefall und seine weiblichgelesene ...

Peter kann nicht aus seiner Haut, als alter weißer Mann steckt er fest in den seit Jahrhunderten anerzogenen Geschlechterstereotypen. Seine toxische Männlichkeit macht ihn zum Pflegefall und seine weiblichgelesene Partnerin Maria kümmert sich um ihn. Unterstützung bekommt sie dabei von Ingo/Penelope, ihrer Freundin und verschiedenen Therapeuten, doch bald wird klar, Peter ist wohl ein hoffnungsloser Fall.

Kaum ein Thema hat in der jüngsten Vergangenheit die Gemüter so erhitzt, wie die Genderdebatte. Während es für die Einen der logische Schritt in die richtige Richtung ist, verweigern sich Andere komplett. Auch an Autoren geht die Thematik nicht vorbei und so habe ich bereits Bücher gelesen, in denen zu Beginn ersteinmal darauf hingewiesen wurde, dass das Geschriebene genderkonform ist. In einer SciFi Geschichte wurde so zum Beispiel eine Begfrüßungsformel angewendet, in der man bei der Vorstellung seinem Gegenüber nicht nur den Namen sagt, sondern eben auch direkt die Pronomen mitteilt, mit denen man sich identifiziert. Guten Tag, mein Name ist Doreen, meine Pronomen sind sie/ihr. Vielleicht ist das die Zukunft, vielleicht aber auch etwas völlig anderes.

Autor Mark Jischinski nähert sich dieser Thematik nun auf satirische Weise und damit man ihn hier keinesfalls falsch versteht, ist auf dem Buchrücken direkt eine entsprechende Triggerwarnung zu lesen. Wer also mit Satire nicht so umgehen kann, sollte das Buch besser wieder ins Regal stellen, alle Anderen, Herzlich Willkommen in einer nicht näher bezeichneten Zukunft. Amüsant treibt der Autor es hier auf die Spitze und manchmal sogar ein Stück darüber hinaus, wenn er beschreibt welche irrwitzigen Auswüchse Gleichstellung und Geschlechterneutralität bekommen können. Einer Frau die Tür aufhalten wird so zum Ausdruck männlicher Dominanz und Unterdrückung, Vegetarismus allein aus Gesundheitsgründen gilt als zutiefst egoistisch, schließlich geht es darum die Welt zu retten und nicht nur sich selbst.

Das Lesen war ein sprachliches Vergnügen und man folgt Hauptfigur Peter gern bei seinem Weg von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen. Herrlich, wie er sich immer wieder Schlupflöcher überlegt, oder wie er in Erinnerungen an Zeiten schwelgt, in denen seine Frau noch Gefallen an seiner eindeutigen Männlichkeit gefunden hat (hier wollte ich eigentlich eine weitere Warnung einfügen, aber ich fürchte meine Rezi wäre mit meinem beabsichtigten Wortlaut nicht veröffentlicht worden, sagen wir es mit den Worten des Autors bei einer Lesung - seine Eltern sind anwesend, also muss diese Passage jetzt ausfallen).

Natürlich haben die im Buch beschrieben Thematiken einen ernstzunehmenden Hintergrund, das steht außer Frage. Der ein, oder andere Leser könnte jetzt fragen - Darf der das? Und ja, er darf das, oder sollte es, in einer demokratischen Gesellschaft, die die Meinungsfreiheit hochhält, dürfen. Das Buch ist eine Satire und bedient sich hier eindeutig dem Stilmittel der Übertreibung. Es ist als gesellschaftsrelevante Kritik zu verstehen, aber eben in erster Linie einfach nur als ein humorvolles Leseerlebnis. Manchmal ist ein Buch eben einfach nur ein Buch und dieses noch dazu ein ziemlich unterhaltsames.

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