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Veröffentlicht am 19.12.2022

Lebendige und rührende Fortsetzung, aber aufgrund der schwermütigen Themen ohne Weihnachtsstimmung

Weihnachten in der kleinen Sommerküche am Meer
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Es ist Winter auf der kleinen Insel Mure im Norden Schottlands, wo der sibirische Wind für eisige Temperaturen sorgt. Während ihr Freund Joel beruflich noch in New York ist, stellt Flora überraschend fest, ...

Es ist Winter auf der kleinen Insel Mure im Norden Schottlands, wo der sibirische Wind für eisige Temperaturen sorgt. Während ihr Freund Joel beruflich noch in New York ist, stellt Flora überraschend fest, dass sie schwanger ist. Die Freude darüber ist getrübt, denn sie weiß nicht, wie sie es Joel erklären soll, der für eine Familiengründung noch nicht bereit ist.
Floras Schwager Coltan, der an Krebs erkrankt ist, geht es immer schlechter und dann taucht auch noch sein Bruder Tripp aus Texas auf, der offenbar nur aus finanziellen Gründen nach Mure gekommen ist.
Der syrische Inselarzt Dr. Saif Hassan, der erst vor wenigen Monaten seine beiden Söhne wiedergefunden hat, weiß noch immer nichts über den Verbleib seiner Ehefrau Amena, die seine große Liebe ist. Gefühle hat er inzwischen auch für Lorna, die Lehrerin seiner Kinder entwickelt, was ihm schwer zu schaffen macht und auch Lorna ist unglücklich in ihn verliebt und verzehrt sich vor Sehnsucht.

"Weihnachten in der kleinen Sommerküche am Meer" ist der dritte Band von "Floras Küche" und knüpft fast nahtlos an die beiden Bücher zuvor an. Durch eine kurze Vorstellung der wesentlichen Charaktere zu Beginn des Romans ist man schnell wieder mitten im Geschehen und freut sich auf ein Wiedersehen mit den Figuren auf dieser abgelegenen, nordischen Insel.
Cover und Titel sowie die Werbung als "Ein Roman so süß und winterlich wie Weihnachts-Shortbread und Früchtekuchen" weckt allerdings etwas falsche Erwartungen, denn Floras Café und auch Weihnachten stehen nicht im Vordergrund der Geschichte. Stattdessen dreht sich das Buch um die Sorgen und Probleme von Flora und Joel, die mit einer unerwarteten Schwangerschaft konfrontiert werden, um Fintan und den todkranken Colton, die von einander Abschied nehmen müssen und um Said und Lorna, die ihre Liebe zueinander nicht ausleben können. Es ist deshalb über weite Teile ein eher schwermütiger Roman über das Unglück der Inselbewohner.

Der Schreibstil von Jenny Colgan ist wie gewohnt bildhaft und warmherzig. Durch die stetigen Wechsel der Perspektiven fällt es zudem leicht, sich in die Lebenssituation der Hauptpersonen hineinzudenken und mitzufühlen.

Das Buch schreibt die Geschichte auf Mure lebensnah, lebendig und rührend fort. Für einen Weihnachtsroman ist mir Band 3 der Reihe jedoch mit zu vielen betrüblichen Themen wie Krankheit, Tod, Abschied und unglücklichen Liebesbeziehungen besetzt.
Ich bin gespannt, ob der vierte Band der Reihe, "Weihnachten im kleinen Inselhotel", der bereits erschienen ist, mehr in die Kategorie Wohlfühlroman einzuordnen und insgesamt hoffnungsvoller gestimmt ist.

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Veröffentlicht am 10.11.2022

Weniger spannend und bewegend als der Vorgängerroman. Für mich kam vor lauter Schilderung historischer Ereignisse die Geschichte der beiden Schwestern zu wenig zum Tragen

Kinder des Aufbruchs
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Der Klappentext verrät schon fast zu viel, denn der Mord an der Sängerin und ehemaligen Freundin von Alice aus dem Kinderheim in der DDR, Irma Assmann, ereignet sich erst im letzten Drittel des Romans. ...

Der Klappentext verrät schon fast zu viel, denn der Mord an der Sängerin und ehemaligen Freundin von Alice aus dem Kinderheim in der DDR, Irma Assmann, ereignet sich erst im letzten Drittel des Romans. Bis dahin beschreibt der Roman die Lebenssituation der beiden Zwillingsschwestern Emma und Alice, die inzwischen beide verheiratet sind. Emma Laakmann ist Dolmetscherin, die deshalb einiges von den politischen Verwicklungen zwischen Ost und West aus erster Hand erfährt und sowohl beruflich als auch privat den Kalten Krieg zu spüren bekommt. Alice Weiß schreibt für die Tageszeitung Telegraf, worin sie ihre linkspolitisch gerichtete Einstellung zum Ausdruck bringen kann.
Der Roman handelt in den späten 1960er-Jahren in West-Berlin, wo auch Alice nach ihrer Flucht ein Zuhause gefunden hat und wo die Studentenunruhen und die geplanten Notstandsgesetze das Tagesgeschehen und die Nachrichten beherrschen.
Emma, Alice und ihre Ehemänner Julius Laakmann und Max Weiß haben ihre (dunklen) Geheimnisse und werden jeder auf unterschiedliche Art von ihrer Vergangenheit eingeholt. Dabei spielt stets die politische Situation, die deutsche Teilung und der Ost-West-Konflikt im Mittelpunkt, die jede(n) von ihnen auf unterschiedliche Art und Weise betrifft. Durch die massiven Geheimdienstaktivitäten von BND und Stasi in der geteilten Stadt herrscht ein grundsätzliches Misstrauen vor Fremden und Geflüchteten aus der DDR. Ängste werden geschürt, die vor allem Alice zu spüren bekommt, als sie von den Geistern der Vergangenheit heimgesucht wird und sich notgedrungen als Fluchthelferin engagiert.

"Kinder des Aufbruchs" ist die Fortsetzung des Romans "Kinder ihrer Zeit", der als Vorwissen und zur Einordnung der Charaktere vorab gelesen werden sollte. Er beginnt gut fünf Jahre nach dem Ende von "Kinder ihrer Zeit" und dem Bau der Berliner Mauer, mit dem die deutsche Teilung zementiert wurde. Die bewegende Geschichte der Zwillingsschwestern Emma und Alice geht damit weiter, die so lange von einander getrennt waren.

"Kinder des Aufbruchs" ist eine fiktive Geschichte, die eng in die historischen Ereignisse zur Zeit des Kalten Krieges, der Hochzeit der Spionage und der Studentenunruhen eingebettet ist. Sie ist durch die gelungene Mischung mit realen und historisch belegten Geschehnissen sowie die Involvierung bekannter historischer Persönlichkeiten authentisch und vielschichtig, aber weniger emotional als "Kinder ihrer Zeit".
Durch die vier Hauptfiguren und ihre Geheimnisse handelt der Roman von vielen unterschiedlichen Themen - von Kinderwunsch, über Familienzusammenführung und Vergangenheitsbewältigung bis hin zu politischem Protest, Widerstand und Spionage - und wirkt deshalb ein wenig überladen. Für meinen Geschmack wäre ein stärkerer Fokus auf weniger Themen einträglicher gewesen, um ihnen die nötige Tiefe zu verleihen. Der Aufbau der Geschichte, die aus wechselnden Perspektiven geschildert ist und wie die einzelnen Handlungsstränge am Ende zusammengeführt werden, ist interessant - für meinen Geschmack aber auch ein wenig zu konstruiert. Viele Zufälle spielen eine Rolle, zu sehr scheinen Emma und Alice in den Fokus der Geheimdienste zu rücken.

Nichtsdestotrotz ist der Schreibstil bildgewaltig und flüssig. Es fällt leicht, sich in die Lebenssituation der Charaktere hineinzuversetzen und aktiv an den politischen Geschehnissen der späten 1960er-Jahre teilzuhaben.
Claire Winter schafft es, Geschichte lebendig werden zu lassen, indem sie nicht nur historische Ereignisse nacherzählt, sondern sie mit einer fiktiven Geschichte um vier sympathische Charaktere verknüpft. Mir waren es in diesem Roman aber fast schon zu viele reale Ereignisse, die Einfluss hatten, so dass mir die persönlichen Umstände von Emma und Alice zu kurz kamen.

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Veröffentlicht am 04.10.2022

Beklemmendes Buch über Rassismus, Ungerechtigkeit, Willkür und Angst. Bewegende Themen, aber durch die überwiegende Nacherzählung von Ereignissen wenig fesselnd und ergreifend.

Unsre verschwundenen Herzen
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Bird ist ein zwölfjähriger Junge, der zusammen mit seinem Vater auf dem Campus der Universität Harvard lebt. Seine Mutter, eine Dichterin, ist asiatischer Herkunft und seit drei Jahren verschwunden. Bird ...

Bird ist ein zwölfjähriger Junge, der zusammen mit seinem Vater auf dem Campus der Universität Harvard lebt. Seine Mutter, eine Dichterin, ist asiatischer Herkunft und seit drei Jahren verschwunden. Bird selbst wird aufgrund seines Aussehens argwöhnisch betrachtet und begreift erst nach und nach, was der Hintergrund dafür ist.
Vor zehn Jahren wurde das Land von einer nationalen Krise erschüttert, weshalb ein neues Gesetz - PACT = Preserving American Culture and Traditions - ein Gesetz zur Wahrung der amerikanischen Kultur erlassen wurde. Dies sollte vor allem den negativen Einfluss aus China zurückdrängen. Personen asiatischer Herkunft haben deshalb mit enormen Vorurteilen und Diskriminierung zu kämpfen, werden als unamerikanisch und illoyal betrachtet. Als Mittel der Bestrafung, um die Menschen mundtot zu machen, wird ihnen das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen. Die Kinder werden meilenweit entfernt in Pflegefamilien untergebracht.
Bird hat gelernt, dass er nicht auffallen darf und dass er seine Mutter und ihre Lyrik verleugnen muss, um keinen Ärger zu provozieren. Dennoch macht er sich auf die Suche nach ihr, denn sie hat ihm eine Botschaft hinterlassen, wo er sie finden kann.

Der Roman ist zunächst aus der Sichtweise des 12-jährigen Jungen Bird geschrieben, bevor die Perspektive auf seine Mutter Margaret Mui wechselt. Bird ist ein Außenseiter, der seine Mutter vermisst und sie wiederfinden möchte. Auf seiner Suche nach ihr gelangt er an eine Bibliothekarin und lernt ein raffiniertes Netzwerk für Botschaften kennen, wodurch er zu seiner Mutter gelangt. Auf seine Nachfragen erzählt sie ihm von der Zeit der Krise und was sie bewogen hat, die Familie zu verlassen. Auslöser ist eine ihrer Gedichtzeilen "Unsre verschwunden Herzen", die viral ging.

Es ist eine traurige Familiengeschichte, die in dem dystopischen Amerika beispielhaft für viele Familien asiatischer Wurzeln steht, die auseinandergerissen werden. Es ist eine Zeit der Angst, in der ein übersteigerter Patriotismus und Nationalismus herrscht und in der Menschen asiatischer Herkunft stigmatisiert und diskriminiert werden. Die Menschen stehen unter Beobachtung, werden indoktriniert und für angeblich unpatriotisches Verhalten und antiamerikanisches Gedankengut bestraft. Zensur und die Unterdrückung selbst friedlicher Proteste sind an der Tagesordnung.

Es ist ein erschreckendes Szenario, das skizziert wird, und an den Holocaust und die Verfolgung jüdischer Menschen erinnert, die als Sündenbock herhalten mussten. Beängstigend ist zudem, dass diese Herabwürdigung und Verfolgung anderer Menschen aus einer Krise heraus entstanden ist, was die Geschichte aktuell und real macht und deshalb als Warnung verstanden werden kann.

Da die Krise und ihre Folgen überwiegend in Rückblenden erzählt werden, ist der Roman im Vergleich zu einer lebendigen Erzählweise nicht so fesselnd und emotional und schöpft nicht das volle Potenzial der Geschichte aus.
Das Buch ist stark von Themen wie Unterdrückung, Ungerechtigkeit, Rassismus, Willkür und Angst und weniger von einer aktiven Handlung und Charakterentwicklung bestimmt. Auch wenn am Ende ein spannender Abschnitt gesetzt wird und sich der Kreis zwischen Mutter und Kind schließt, fehlt trotz Heldenmuts ein Funken Hoffnung und Aussicht auf Veränderung.

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Veröffentlicht am 03.09.2022

Aufgrund der großen Zeitsprünge nicht so gut wie Band 1. Dennoch eine schöne Geschichte über Freundschaft und Zusammenhalt in widrigen Zeiten mit der Botschaft, Hoffnungen und Träume nie aufzugeben.

Die Freundinnen vom Strandbad (Die Müggelsee-Saga 2)
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"Wogen der Freiheit" ist der zweite Band der Dilogie "Die Freundinnen vom Strandbad" und knüpft nahtlos an den ersten Teil "Wellen des Schicksals" unmittelbar nach dem Mauerbau 1961 an. Der Roman handelt ...

"Wogen der Freiheit" ist der zweite Band der Dilogie "Die Freundinnen vom Strandbad" und knüpft nahtlos an den ersten Teil "Wellen des Schicksals" unmittelbar nach dem Mauerbau 1961 an. Der Roman handelt bis zum Fall der Mauer im Jahr 1989 und deckt damit auf knapp 600 Seiten einen großen und politisch sowie gesellschaftlich ereignisreichen Zeitraum ab. Schwerpunkt der Handlung liegt auf den Jahren 1961-1964, während die 1970er- und 1980er-Jahre nur durch einzelne Episoden skizziert sind.

Während Clara erfolgreich über den Teltowkanal nach Westberlin flüchten konnte, um dort ihre Träume zu verwirklichen, sind Martha und Betty in Ostberlin geblieben und müssen sich mit dem DDR-Regime arrangieren.

Der Roman ist wieder abwechselnd aus den Perspektiven der drei jungen Frauen geschrieben, die von Schwierigkeiten geprägt, schnell erwachsen werden mussten. Die Freundschaft ist dabei nur hintergründig, die Leben der drei ganz unterschiedlichen Charaktere verlaufen parallel. Zu Clara besteht zunächst kein Kontakt, nur die Hoffnung, dass sie es unerkannt in den Westen geschafft hat. Sie hatte tatsächlich das Glück, eine Mentorin und Freundin zu finden, die sie bei ihrem Neuanfang unterstützt.
Betty hadert mit ihrem Eheleben an der Seite von Konrad, der ihr untreu ist und sie in ein Leben als Heimchen am Herd zwingen möchte, während sie weiterhin Schauspielerin werden möchte.
Martha arbeitet für die progressive Zeitschrift Evelyn, hat sich von ihren Adoptiveltern distanziert und kommt stattdessen ihrer leiblichen Mutter näher.

Die Beschreibung der Lebensgeschichten der drei liebenswerten Frauen ist abwechslungsreich und lebendig und vor allem von Problemen und Schicksalsschlägen und dem Kampf um Unabhängigkeit, Freiheit, Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung geprägt. Jede hat mit eigenen Sorgen und Problemen und mit den Einschränkungen in dem sozialistischen Staat zu kämpfen, der seine Bürger bespitzelt und unterdrückt. Die Unterschiede zwischen Ost und West sind anschaulich beschrieben und fließen ganz selbstverständlich in die Geschichte und den Alltag der drei Frauen ein.

Der Roman ist ab dem Mittelteil von großen Zeitsprüngen geprägt, was etwas gehetzt wirkt und die Geschichte in Teilen sehr oberflächlich macht. Im Fokus ist bei allen drei Freundinnen die Liebe mit all ihren Schwierigkeiten - Liebe getrennt durch die Mauer - Liebe zwischen Bindung und Emanzipation, zwischen Abhängigkeit und Selbstverwirklichung - Entscheidung zwischen romantischer und pragmatischer Liebe. Das drängt die Politik und historische Ereignisse, die die jungen Frauen und ihre Leben prägen, arg in den Hintergrund.

Das Ende ist wiederum ergreifend geschildert und setzt einen runden Schlusspunkt. Für meinen Geschmack haben der Geschichte die Zeitsprünge nicht gutgetan. Ein ausführlicher Epilog oder ein dritter Band mit einer Vertiefung der erwachsenen Jahre von Martha, Betty und Carla wären Alternativen gewesen, die die Geschichte nicht so gedrängt hätten erscheinen lassen.
Dennoch stehen Freundschaft und Zusammenhalt und das andauernde Band zwischen den drei unterschiedlichen Frauen im Mittelpunkt, was vor dem Hintergrund der politischen Ereignisse und aller Widrigkeiten eine Mut machende Botschaft ist, Hoffnungen und Träume nicht aufzugeben.

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Veröffentlicht am 19.08.2022

Roman über eine unglückliche Ehe, beobachtet aus Kindessicht ohne Einblicke in die Gefühle der Erwachsenen. Die Geschichte dreht sich etwas im Kreis wie Mutters ewiger Kreislauf aus zu- und abnehmen.

Lügen über meine Mutter
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Ela wächst in den 1980er-Jahren in einem Dorf im Hunsrück auf. Es ist ein augenscheinlich idyllisches Leben. Der Vater arbeitet, die Mutter kümmert sich als Hausfrau um die Familie, sie hat ihre Großeltern ...

Ela wächst in den 1980er-Jahren in einem Dorf im Hunsrück auf. Es ist ein augenscheinlich idyllisches Leben. Der Vater arbeitet, die Mutter kümmert sich als Hausfrau um die Familie, sie hat ihre Großeltern um sich und die beste Freundin Jessy wohnt nebenan. Tatsächlich ist das Familienleben von Spannungen und Streitigkeiten geprägt, die insbesondere vom Vater ausgehen. Er ist unzufrieden mit seine Frau, schämt sich für ihr Übergewicht und drängt sie immer vehementer dazu abzunehmen. Erpresst beugt sich die Mutter ihrem Ehemann und probiert verschiedene Diäten aus. Der Jojo-Effekt bleibt dabei nicht aus, statt abzunehmen wird die Mutter immer dicker und hat bald mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen.
Erzählt werden die Jahre zwischen 1983 und 1987, in denen Ela die Beziehung ihrer Eltern beobachtet und in ständiger Sorge vor der Trennung der Eltern, vor Armut aufgrund des ausschweifenden Lebensstils des Vaters, um die Gesundheit der Mutter und Gefahren für die jüngere Schwester.
Trotz der nur eingeschränkten Kindessicht einer Sieben- bis Elfjährigen ist die Geschichte, die autobiografische Züge enthält, authentisch dargestellt. Es sind Erinnerungen von Ela aus ihrer Kindheit, ergänzt durch kurze Kapitel aus der Perspektive der Erwachsenen, mitunter im Zwiegespräch mit ihrer Mutter.
Es ist erschütternd zu lesen, wie der Vater mit seiner Ehefrau umgeht, wie er permanent ihr Gewicht kritisiert und sie versucht, kleinzuhalten. Gleichzeitig macht die Passivität der Mutter wütend, die sich dem Willen ihres Mannes immer wieder beugt und nur halbherzige Versuche unternimmt, zu rebellieren. Sie ist gefangen in der Rolle als Mutter und pflegende Angehörige, denn sie kümmert sich weniger um sich und ihre Gesundheit, sondern vielmehr um ihre beiden Töchter, das Nachbarskind, das wie eine Pflegetochter aufgenommen wird und die demente Mutter. Ihr streng getakteter Tagesablauf sieht keine freie Zeit vor, bis sie abends müde vor den Fernseher sinkt. Ob das Essen für sie dabei tatsächlich eine Art Lohn für ihre Arbeit ist oder auch eine Trotzreaktion auf den Druck des Ehemanns zu werten ist, bleibt offen.
Ela wird als Kind zu viel Verantwortung aufgebürdet, wenn die Eltern sie jeweils auf ihre Seite ziehen wollen. Sie sitzt zwischen den Stühlen und ist stets voller Angst, dass das System Familie kollabiert.
"Lügen über meine Mutter" ist die Geschichte einer unglücklichen Ehe, beobachtet aus Kindessicht und ein Roman über die klassische Rollenverteilung zwischen Mann und Frau, bei der der Ehefrau die unbezahlte Care-Arbeit aufgebürdet wird und die darüber hinaus noch dafür kritisiert wird, nicht dem gängigen Schönheitsideal zu entsprechen.
Die Geschichte ist dabei nüchtern ohne Einblicke in die Gefühlswelten der Erwachsenen geschildert, weshalb ihre Verhaltensweisen nicht in Gänze erklärbar sind. Die Handlung dreht sich ein wenig Kreis, wie der ewige Kreislauf aus zunehmen und abnehmen, um dann ohne Aha-Erlebnis zu enden. Am Ende offenbart sich, was zu erahnen war, dass die Ehe zum Wohl der Kinder und um den schönen Schein zu wahren, aufrecht erhalten wurde.

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