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Veröffentlicht am 04.07.2018

Literarischer Krimi mit Einblicken in das Leben der Inuit

Fräulein Smillas Gespür für Schnee
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Peter Høegs "Fräulein Smillas Gespür für Schnee" ist ein melancholisches Werk. Es spiel inmitten von Winter, Eis und Schnee. Høeg erzählt in diesem Buch mit sehr philosophischer Sprache, die schön zu lesen ...

Peter Høegs "Fräulein Smillas Gespür für Schnee" ist ein melancholisches Werk. Es spiel inmitten von Winter, Eis und Schnee. Høeg erzählt in diesem Buch mit sehr philosophischer Sprache, die schön zu lesen ist, den Lesefluss allerdings etwas behindert. Man hat das Gefühl, dass er zwar wortgewaltig bleibt, aber doch abschweift, wenn er Rückblenden aus Smillas Leben einstreut. Der Roman erscheint melancholisch, eisig und detailliert genau und führt zu einem komplexen Werk, dem ich mich nicht entziehen konnte.

Die Exil-Grönländerin Fräulein Smilla Jaspersen erzählt in diesem Roman über ihre Erlebnisse um die Ermittlungen und den Tod ihres geliebten Freundes Jesaja. Ihre Nachforschungen bringen sie in ein immer dichter werdendes Dickicht aus Geheimnissen.
Smilla ist eine unabhängige starke Frau, die ihrer Heimatwurzeln entrissen ist, an Einsamkeit leidet, einen hohen Gerechtigkeitssinn hat und trotz ihrer rauhen Schale einen weichen Kern besitzt. Mir erschien sie recht unnahbar und kühl, sie ist ein interessanter ungewöhnlicher Charakter.

Ihre Erinnerungen führen durch das Buch und so bekommt der Leser einen wunderbaren Einblick in das Leben der Inuit. Man erfährt wie schlecht die Eingliederung der Grönländer in die dänische Gesellschaft funktioniert . Beeindruckend ist allerdings die genaue Beschreibung der faszinierenden Stimmung des Polareises, des einzigartigen Eismeeres und der Eis- und Schneeluft. Peter Høeg benutzt auch einige Worte aus der Inuit-Sprache, die diese eisige Atmosphäre noch authentisch unterstützen.

Der Spannungsbogen zieht sich trotz der ausführlichen Rückblenden konsequent durch das Buch. Die eisige Stimmung und die trüben Nebel verstärkten den Eindruck einer düsteren Geschichte geschickt.
Hier wird nicht an der Oberfläche gekratzt und lediglich ein Mord aufgeklärt, sondern hier wird gezeigt, wie schwierig Integration und selbstbestimmtes Leben ist.

Ein wortgewaltiger Roman mit Krimihandlung, der Arktis-Fans begeistern wird. Besonders die Beschreibung von Eis und Schnee fasziniert!

Veröffentlicht am 04.07.2018

Gute Unterhaltung über ein gesellschaftliches Problem

Kühl graut der Morgen
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Dieser in Island spielende Roman enthält Witz und er unterhält durch das charmante Erzählen einer intelligenten, etwas egozentrischen Lehrerin, die so ihre eigenen Erziehungsmethoden für ihre Schüler hat ...

Dieser in Island spielende Roman enthält Witz und er unterhält durch das charmante Erzählen einer intelligenten, etwas egozentrischen Lehrerin, die so ihre eigenen Erziehungsmethoden für ihre Schüler hat und eine sympathische Kratzbürstigkeit an den Tag legt.

Thórsteina ist nicht auf der Suche nach ihrem Traummann, sie möchte ihre Umwelt kontrollieren. Einerseits die Schüler, bei denen sie mit pädagogischer Strenge gegen mangelnde Disziplin angeht,
andererseits möchte sie ihren Kolleginnen mit opulenten französischen Menues imponieren und im Mittelpunkt stehen. Ihr perfekter Eindruck, den sie auf andere abgibt, ist ihr sehr wichtig. Dabei raucht sie Zigarillos und beobachtet ihre Nachbarn mit einem Fernglas.
Thórsteina ist in den Wechseljahren und geht in ihrer Arbeit auf. Sie liest gern Wörterbücher.
Zitat: "...ich lese nicht den Unsinn, den andere Leute verzapfen".
Wörterbücher sind die sachliche Art von Literatur, die sie liebt und zum Einschlafen braucht.

Als der 17 Jahre jüngere Lehrer Atli an ihre Schule kommt, zieht seine frische junge Art sie an. Doch auch seine Schülerinnen schwärmen für ihn. Atli versucht die "geschminkten Monster" auf Abstand zu halten und erfährt Näheres über ihr kriminelles Verhalten. Die anderen Lehrer wollen die Machenschaften der Klasse jedoch nicht wahrhaben.

Die Autorin zeigt hier Probleme der Jugend in der sich verändernden Gesellschaft auf, die nicht nur in Island bestehen. Es wird gedealt, Schule geschwänzt und Gewalt ausgeübt. Die Erwachsenen hoffen einfach auf den Erziehungsauftrag der Schule. Aber niemand reagiert mit der erforderlichen Konsequenz auf das üble Sozialverhalten.

Mich hat das nachdenklich gemacht und es hat mir gefallen, wie die Autorin mit dem Thema umgeht. Sie lässt Thórsteina als mutige Frau mit Prinzipien der Sache nachgehen. Leider mit tragischem Ausgang.
Dieser Roman ist anders als die üblichen "alleinstehende Frau sucht Mann-Romane", es geht weit über die Rolle einer Lehrerin hinaus und zeigt die gesellschaftliche Problematik mit gezielter Art und Weise.

Ein Roman, der Einblicke in das Leben einer Lehrerin zeigt und mit einer überraschenden Wendung aufwartet.
Die Handlung liest sich interessant und amüsant, hier ist keine tiefgreifende Geschichte abgebildet, aber es ist eine gute Lektüre entstanden, die wunderbar unterhält.

Veröffentlicht am 04.07.2018

Oma Renate sorgt für köstliche Unterhaltung und feiert Weihnachten mal ganz anders: mit Pute!

Über Topflappen freut sich ja jeder
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Bekanntlich ist Weihnachten ja das Fest der Liebe und der Familie und so bekommt Renate Bergmann von ihrer Tochter Kirsten eine Einladung nach Köln, um dort gemeinsam die Feiertage zu verbringen. Es kommt ...

Bekanntlich ist Weihnachten ja das Fest der Liebe und der Familie und so bekommt Renate Bergmann von ihrer Tochter Kirsten eine Einladung nach Köln, um dort gemeinsam die Feiertage zu verbringen. Es kommt jedoch ganz anders und dennoch wird dieses Weihnachtsfest zu einem der schönsten in Renates Leben.

Voller Vorfreude auf das gemeinsame Fest mit Kirsten packt Renate schon mal eine Gans und ein paar Flaschen Korn in ihrem Koffer. Denn eine Gans muss zu Weihnachten für sie einfach sein. Wer weiß was für veganes Zeug Kirsten sonst so auf den Tisch bringt.
Dieses Mal will Renate mit dem Flugzeug anreisen und lässt sich "einschiffen", nee, einschecken. Das Flugpersonal bietet ihr einen bequemen Rollstuhldienst an und Renate landet prompt fälschlicherweise "im London". Doch Renate wäre nicht Renate, wenn sie daraus nicht das Beste machen würde. Sie bekommt dank familiärer Bindungen einen schönen Aufenthalt im weihnachtlichen London und hat einige schöne und stimmungsvolle Erlebnisse sogar mit dem englischen Königshaus, die sie gewohnt humorvoll kommentiert.
So wundert sie sich über die englische "Ganspute", ach nee "Putentruthahn" und tröstet sich aber damit über den Verlust ihrer Gans im Koffer hinweg. Geschenke hat sie glücklicherweise dabei, die früh im Jahr reichlich gehäkelten Topflappen sind in ihrer Handtasche und machen ihrer Meinung nach allen viel Freude.

Aber richtig zufrieden ist Renate erst wieder im Kreise ihrer Familie und Freunde.
Zitat: "Ich wollte nirgendwo hin, nur hier sein bei meinen lieben Freunden und mit ihnen feiern, dass wir einander hatten. Mit allen Schrullen. Wissen Se, DAS ist nämlich Weihnachten!"

Wenn man die ersten Bände gelesen hat, freut man sich auch auf ein Wiedersehen mit Renates Freunden, die ja alle spezielle Charaktere sind und so ihre Altersallüren und Macken haben.

In dieser Geschichte nimmt man teil an Renates Glück im "Unglück" und wird wieder humorvoll unterhalten.

Positiv anmerken möchte ich vor allem, dass Renate in diesem Buch nicht mehr so häufig abschweift wie in den anderen Bänden.



Mit diesem Buch ist dem Autor wieder eine heitere Lektüre gelungen, die gerade zur Weihnachtszeit den Blick frei macht auf den wirklichen Sinn des Festes. Der Zusammenhalt und die Hilfe für die Nächsten wird hier gut deutlich gemacht.

Veröffentlicht am 04.07.2018

A.M. Schenkel bleibt ihrem Stil treu: spannend, lakonisch und bayrisch

Finsterau
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1944: Im kleinen Dorf Finsterau im bayrischen Wald lebt die arme Familie Zauner. Die Tochter Afra verlässt ihre Eltern, arbeitet als Bedienung und kehrt einige Zeit später unverheiratet schwanger wieder ...

1944: Im kleinen Dorf Finsterau im bayrischen Wald lebt die arme Familie Zauner. Die Tochter Afra verlässt ihre Eltern, arbeitet als Bedienung und kehrt einige Zeit später unverheiratet schwanger wieder zurück. Ihr streng katholischer Vater ist gegen diese Sünde und es gibt immer wieder Zank und Streit. Eines Tages liegt Afra erschlagen in der Stube neben ihrem blutüberströmten Sohn …

Auch in diesem Krimi über einen historisch belegten Kriminalfall bleibt Andrea Maria Schenkel sich ihrem knappen, aber treffenden Schreibstil treu. Sie führt dem Leser stückchenweise Informationen zu, die sich allmählich zu einer tragischen Geschichte entwickeln. Dabei erzählt sie lakonisch einfach, ohne ausschmückende Einzelheiten die nackten Tatsachen einer tragischen Tat und die Verurteilung eines Unschuldigen.

Sie führt dem Leser in wechselnder Erzählperspektive die Geschehnisse vor Augen, die schliesslich zu einer vorschnellen Verurteilung führten. Dabei geht die Chronologie wechselnd von statten.

Die Autorin bedient sich einer knappen Einfachheit der Sprache und bindet alte Begriffe wie Höll, Schofel, Gatschis, Gscheidhaferl u.ä. mit ein. Der Leser taucht stimmig in die damalige Zeit ein. Aber auch die spätere Neu-Untersuchung des Falles hat eindringliche Züge, die die tragischen Geschehnisse unterstreichen. Dabei steuert die Handlung allmählich auf die Ermordung und die spätere Aufklärung der Tat zu. Diese Spannungsentwicklung ist anders als bei Who done it-Krimis.

Interessant finde ich auch die Atmosphäre, die durch die verschiedenen Personen geschaffen wird.
Da gibt es arme Häusler, also Kleinstbauern mit eigenem Haus, aber mit wenig Grundbesitz. Aber auch fahrendes Volk, die Jenischen, die als Scherenschleifer ihren Unterhalt verdienten und hie und da auch kriminell wurden.
Der Vater zeigt zu dieser Zeit schon Anzeichen einer Demenz, die man damals noch nicht als solche gekannt hat. Er wurde für psychisch gestört erklärt. Ob wohl viele solcher Fälle für fremde Taten die Strafe angetreten haben?

Dieser Krimi hat mich mitgerissen und mir die Tragik der damaligen Umstände deutlich vor Augen geführt. Die lakonische Erzählweise der Autorin ist nach meinem Geschmack, das muss nicht bei jedem Leser so sein. Mir hat sie mit diesem Buch spannende Lesezeit geschenkt.

Veröffentlicht am 04.07.2018

Hier treffen Vergangenheitsbewältigung und Pubertätsgebaren vor isländischer Kulisse aufeinander! Literarisch brillant erzählt!

Sterneneis
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Gunnur ist um die 50 und Psychiaterin. Bei einem nächtlichen Einbruch werden Schmuck und technische Geräte gestohlen. Betroffen beschließt sie über das Wochenende in ihr Sommerhaus zu fahren. Doch statt ...

Gunnur ist um die 50 und Psychiaterin. Bei einem nächtlichen Einbruch werden Schmuck und technische Geräte gestohlen. Betroffen beschließt sie über das Wochenende in ihr Sommerhaus zu fahren. Doch statt sich von der bösen Überraschung zu erholen, wird ihr eine echte Herausforderung aufs Auge gedrückt: Ihre Innerarchitektin überlässt ihr unangemeldet die 14-jährige pubertäre Tochter Hugrún zur Betreuung.
Als der DVD-Spieler nicht funktioniert, langweilt sich das Mädchen schnell. Gunnur beschliesst sie zu unterhalten, kocht mit ihr, geht Schlittschuhlaufen und macht Ausflüge zu einem bekannten Geysir im winterlichen Island.


Dieser Roman zeigt zwei sich fremde Frauen, die auf engstem Raum miteinander auskommen müssen. Gunnur erkennt, dass Hugrún von ihrer Mutter vernachlässigt wird, weil sie durch lange Arbeitstage kaum Zeit miteinander verbringen können. Gunnur beginnt aus ihrer eigenen Kindheit zu erzählen und Hugrún fordert es schliesslich regelrecht ein.
Gunnur sieht in Hugrún ein Reh. Meiner Meinung nach ist sie eher wie ein Elefant, denn sie ist taktlos und frech und benutzt Kraftausdrücke ohne mit der Wimper zu zucken. Man hat nicht den Eindruck, dass sie einen guten Eindruck hinterlassen will oder sich irgendwie erkenntlich zeigt, dass sich jemand ihrer annimmt.

So machen wir mit der Ich-Erzählerin Gunnur eine Zeitreise in die Vergangenheit. Auch Gunnur hatte keine leichte Kindheit, sie musste als Kind arbeiten, wurde die vier langen Sommermonate jedes Jahr zu einer Bauernfamilie zum Arbeiten geschickt und ihr wurde stets von ihrer Mutter nur Missachtung und keine echte Nähe geboten. Eine Ausbildung war für sie nicht vorgesehen. Der spätere Werdegang bringt ebenfalls schwierige Lebensbedingungen mit sich und man leidet mit ihr. Mit Disziplin und innerer Stärke erreicht sie jedoch ihre gesteckten Ziele. Richtig sympathisch wird sie mir jedoch nicht. Zu distanziert und teilweise hilflos steht sie der pubertären Hugrún gegenüber und lässt sich von ihr einwickeln. Dabei ist sie psychologisch ausgebildet, vermag aber nicht, ihr Grenzen zu setzen.


Baldursdóttir geht es aber gar nicht um Sympathie für ihre Figuren, sondern sie möchte ein Gesellschaftsbild Islands aufzeigen.
Sie lässt hier ein Stimmungsbild entstehen und zeigt die sich verändernden Generationen, den Wandel in der weiblichen Sozialisation in Island. Diese unterschwellig eingebrachte Sozialkritik ist ihr gut gelungen. Aber auch die landschaftlichen Schönheiten Islands werden im Roman deutlich.


Dieses Aufeinandertreffen und die erzwungene Annäherung zweier Charaktere hat mich gut unterhalten und bot einige Denkanstösse. Der Autorin ist es literarisch wunderbar gelungen, isländisches Leben früher und heute anschaulich zu machen.