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Veröffentlicht am 04.07.2018

A.M. Schenkel bleibt ihrem Stil treu: spannend, lakonisch und bayrisch

Finsterau
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1944: Im kleinen Dorf Finsterau im bayrischen Wald lebt die arme Familie Zauner. Die Tochter Afra verlässt ihre Eltern, arbeitet als Bedienung und kehrt einige Zeit später unverheiratet schwanger wieder ...

1944: Im kleinen Dorf Finsterau im bayrischen Wald lebt die arme Familie Zauner. Die Tochter Afra verlässt ihre Eltern, arbeitet als Bedienung und kehrt einige Zeit später unverheiratet schwanger wieder zurück. Ihr streng katholischer Vater ist gegen diese Sünde und es gibt immer wieder Zank und Streit. Eines Tages liegt Afra erschlagen in der Stube neben ihrem blutüberströmten Sohn …

Auch in diesem Krimi über einen historisch belegten Kriminalfall bleibt Andrea Maria Schenkel sich ihrem knappen, aber treffenden Schreibstil treu. Sie führt dem Leser stückchenweise Informationen zu, die sich allmählich zu einer tragischen Geschichte entwickeln. Dabei erzählt sie lakonisch einfach, ohne ausschmückende Einzelheiten die nackten Tatsachen einer tragischen Tat und die Verurteilung eines Unschuldigen.

Sie führt dem Leser in wechselnder Erzählperspektive die Geschehnisse vor Augen, die schliesslich zu einer vorschnellen Verurteilung führten. Dabei geht die Chronologie wechselnd von statten.

Die Autorin bedient sich einer knappen Einfachheit der Sprache und bindet alte Begriffe wie Höll, Schofel, Gatschis, Gscheidhaferl u.ä. mit ein. Der Leser taucht stimmig in die damalige Zeit ein. Aber auch die spätere Neu-Untersuchung des Falles hat eindringliche Züge, die die tragischen Geschehnisse unterstreichen. Dabei steuert die Handlung allmählich auf die Ermordung und die spätere Aufklärung der Tat zu. Diese Spannungsentwicklung ist anders als bei Who done it-Krimis.

Interessant finde ich auch die Atmosphäre, die durch die verschiedenen Personen geschaffen wird.
Da gibt es arme Häusler, also Kleinstbauern mit eigenem Haus, aber mit wenig Grundbesitz. Aber auch fahrendes Volk, die Jenischen, die als Scherenschleifer ihren Unterhalt verdienten und hie und da auch kriminell wurden.
Der Vater zeigt zu dieser Zeit schon Anzeichen einer Demenz, die man damals noch nicht als solche gekannt hat. Er wurde für psychisch gestört erklärt. Ob wohl viele solcher Fälle für fremde Taten die Strafe angetreten haben?

Dieser Krimi hat mich mitgerissen und mir die Tragik der damaligen Umstände deutlich vor Augen geführt. Die lakonische Erzählweise der Autorin ist nach meinem Geschmack, das muss nicht bei jedem Leser so sein. Mir hat sie mit diesem Buch spannende Lesezeit geschenkt.

Veröffentlicht am 04.07.2018

Hier treffen Vergangenheitsbewältigung und Pubertätsgebaren vor isländischer Kulisse aufeinander! Literarisch brillant erzählt!

Sterneneis
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Gunnur ist um die 50 und Psychiaterin. Bei einem nächtlichen Einbruch werden Schmuck und technische Geräte gestohlen. Betroffen beschließt sie über das Wochenende in ihr Sommerhaus zu fahren. Doch statt ...

Gunnur ist um die 50 und Psychiaterin. Bei einem nächtlichen Einbruch werden Schmuck und technische Geräte gestohlen. Betroffen beschließt sie über das Wochenende in ihr Sommerhaus zu fahren. Doch statt sich von der bösen Überraschung zu erholen, wird ihr eine echte Herausforderung aufs Auge gedrückt: Ihre Innerarchitektin überlässt ihr unangemeldet die 14-jährige pubertäre Tochter Hugrún zur Betreuung.
Als der DVD-Spieler nicht funktioniert, langweilt sich das Mädchen schnell. Gunnur beschliesst sie zu unterhalten, kocht mit ihr, geht Schlittschuhlaufen und macht Ausflüge zu einem bekannten Geysir im winterlichen Island.


Dieser Roman zeigt zwei sich fremde Frauen, die auf engstem Raum miteinander auskommen müssen. Gunnur erkennt, dass Hugrún von ihrer Mutter vernachlässigt wird, weil sie durch lange Arbeitstage kaum Zeit miteinander verbringen können. Gunnur beginnt aus ihrer eigenen Kindheit zu erzählen und Hugrún fordert es schliesslich regelrecht ein.
Gunnur sieht in Hugrún ein Reh. Meiner Meinung nach ist sie eher wie ein Elefant, denn sie ist taktlos und frech und benutzt Kraftausdrücke ohne mit der Wimper zu zucken. Man hat nicht den Eindruck, dass sie einen guten Eindruck hinterlassen will oder sich irgendwie erkenntlich zeigt, dass sich jemand ihrer annimmt.

So machen wir mit der Ich-Erzählerin Gunnur eine Zeitreise in die Vergangenheit. Auch Gunnur hatte keine leichte Kindheit, sie musste als Kind arbeiten, wurde die vier langen Sommermonate jedes Jahr zu einer Bauernfamilie zum Arbeiten geschickt und ihr wurde stets von ihrer Mutter nur Missachtung und keine echte Nähe geboten. Eine Ausbildung war für sie nicht vorgesehen. Der spätere Werdegang bringt ebenfalls schwierige Lebensbedingungen mit sich und man leidet mit ihr. Mit Disziplin und innerer Stärke erreicht sie jedoch ihre gesteckten Ziele. Richtig sympathisch wird sie mir jedoch nicht. Zu distanziert und teilweise hilflos steht sie der pubertären Hugrún gegenüber und lässt sich von ihr einwickeln. Dabei ist sie psychologisch ausgebildet, vermag aber nicht, ihr Grenzen zu setzen.


Baldursdóttir geht es aber gar nicht um Sympathie für ihre Figuren, sondern sie möchte ein Gesellschaftsbild Islands aufzeigen.
Sie lässt hier ein Stimmungsbild entstehen und zeigt die sich verändernden Generationen, den Wandel in der weiblichen Sozialisation in Island. Diese unterschwellig eingebrachte Sozialkritik ist ihr gut gelungen. Aber auch die landschaftlichen Schönheiten Islands werden im Roman deutlich.


Dieses Aufeinandertreffen und die erzwungene Annäherung zweier Charaktere hat mich gut unterhalten und bot einige Denkanstösse. Der Autorin ist es literarisch wunderbar gelungen, isländisches Leben früher und heute anschaulich zu machen.

Veröffentlicht am 22.06.2018

Mit Witz und Charme geht es hier mit dem Faultier auf eine besinnungsvolle Reise.

Ich bin doch nicht faul, ich häng nur gern ab
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"Ich bin nicht faul, ich bin auf Energiesparmodus." Witzige Sprüche sorgen für Lachimpulse.

Jahrelang hat das Faultier die wenigsten Menschen interessiert, nun, im Zeitalter wo Chillen und Abhängen als ...

"Ich bin nicht faul, ich bin auf Energiesparmodus." Witzige Sprüche sorgen für Lachimpulse.

Jahrelang hat das Faultier die wenigsten Menschen interessiert, nun, im Zeitalter wo Chillen und Abhängen als Lebensart angesagt ist, mutiert es zum großen Star. Den Weg der Langsamkeit prägt dieses Tier, aber auch seine beständige Existenz über die Jahrtausende hinweg. Ein friedvolles und in sich ruhendes Wesen, dass noch gar nicht so lange wissenschaftlich erforscht ist.


Einen neuen Trend in unseren gehetzten Leben zeigt das Faultier auf. Denn sein Wesen und seine Eigenart ist es, viel zu schlafen und alles sehr langsam zu machen.


"In der Ruhe liegt die Kraft!" - mit diesem Spruch wird man dem Faultier und seiner Lebensweise wohl gerecht. Als kleine, liebenswürdige Mahnung mit humorvoller Note auch an Menschen mit einem hektischen Lebensalltag geeignet.


Mit den witzigen Illustrationen und flotten Sprüchen gibt dieses Tier eine Rückbesinnung auf Ruhe, Kraft und innere Stärke preis, die moderne Menschen teilweise völlig vergessen haben.

Deshald bietet sich das Buch wunderbar als kleine Mahnung für Stressgeplagte.

Einfach mal abhängen, viel schlafen und chillen, so stellt man sich Müßiggang und Urlaub vor, damit schöpft man gleichzeitig viel Kraft und tankt neue Energie auf. In der heutigen Zeit muss man sich diese Pausen bewusst machen, sonst überrollt uns die Schnelllebigkeit mit Macht.


Eine schöne Geschenkidee und eine Mahnung an alle Faultier-Fans, die gerne entschleunigen und chillen.

Veröffentlicht am 20.06.2018

Ein toller Krimi mit reichlich Provencestimmung

Provenzalische Schuld
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In diesem Vermisstenfall geht man mit Pierre Durand auf eine spannende Reise quer durch die Provence, bis in die einsamen Gegenden der Hochprovence.
Denn Pierre sucht nicht nur die Ehefrau des Bürgermeisters, ...

In diesem Vermisstenfall geht man mit Pierre Durand auf eine spannende Reise quer durch die Provence, bis in die einsamen Gegenden der Hochprovence.
Denn Pierre sucht nicht nur die Ehefrau des Bürgermeisters, nebenbei hat er auch noch zwei Morde an Frauen in entlegenen Bergregionen aufzuklären. Sollte auch Nanette dieses Schicksal teilen?

Pierre Durand stochert in einem Heuhaufen, der immer neue Hinweise hervorbringt, aber nicht die entscheidenden Spuren. Manche Ermittlungen führen ihn in die Irre, andere erweisen sich als hilfreich. Man folgt dem Chef de police gern, denn mit ihm erlebt man das stimmungsvolle Leben und die wunderbare Esskultur der Provence. Denn er arbeitet nicht nur gern, er lebt auch ganz nach französischer Lebensart mit guten Weinen und leckeren Mahlzeiten.

Die Ermittlungen ziehen sich ziemlich in die Länge, doch am Ende wird es noch einmal richtig spannend. Pierre gerät ebenfalls in große Gefahr, soviel kann ich verraten. Wobei die Auflösung mir etwas zu konstruiert erscheint.

Diese Reihe lebt von ihren Protagonisten und ihrer persönlichen Entwicklung. Zwischen Pierre und seiner Charlotte gibt es Differenzen, immerhin kommt es nicht zum geplanten Urlaub. Pierre selbst hat in diesem Band mit seiner eigenen Vergangenheit und einer alten Beziehung zu kämpfen. Auch hinter der bisher scheinbar glücklichen Ehe-Fassade des Bürgermeisters Arnaud Rozier und seiner Frau gibt es Probleme, von denen man bisher nichts wusste.

Sophie Bonnet versteht es stimmungsvoll und unterhaltsam, die landschaftlichen Schönheiten der Provence in ihre Geschichte einzubauen. Doch dieses Mal geht sie noch tiefer, sie zeigt finanzielle Sorgen der Bauern auf und die Problematik der sich ausbreitenden Wolfsrudel in dieser Region und damit die Verluste und die Gefahr für Schaf- und Ziegenzüchter der Gegend. Sie gibt lediglich Informationen, über die persönliche Meinung zu dieser Thematik kann man sich selbst Gedanken machen.

Es geht natürlich wieder hinein in die provenzalische Küche, schliesslich wird hier gut und üppig gegessen und Charlotte ist ebenfalls Köchin aus Leidenschaft. Für Hobbyköche gibt es im Anhang drei Rezepte zu typischen Gerichten dieser Gegend.

Gern bin ich mit dem Chef de police auf der Tätersuche durch die Provence gewandert. Auch im Herbst bietet die Region ungeahnte Ausblicke und gibt den Blick frei auf üppige Lavendelfelder, auf pastelfarbene Häuser im speziellen Licht der Provence. Ein Roman für Urlaubsstunden oder für eine Reise in diese Gegend.


Veröffentlicht am 17.06.2018

Leichter Gute-Laune-Krimi aus Möwensicht mit Spaßfaktor

Möwenalarm
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Nachdem Ahoi gerade seinen "Jungmöwenabschied" gefeiert hat und nun seiner Suzette die Treue versprochen hat, gibt es natürlich wieder einige Komplikationen, wie man es von ihm bereits aus dem ersten Band ...

Nachdem Ahoi gerade seinen "Jungmöwenabschied" gefeiert hat und nun seiner Suzette die Treue versprochen hat, gibt es natürlich wieder einige Komplikationen, wie man es von ihm bereits aus dem ersten Band gewohnt ist. Das Fest artet reichlich aus, die "Fuss-Ringe" werden auf den letzten Drücker zur Trauung eingeflogen und dann liegt da auch noch ein Säugling in Ahois Nest.

Damit ist Ahois Bande erneut gefragt, sie nehmen die Erkundigungen auf und suchen die Eltern des kleinen "Windeldings". Dabei kommen sie einer Entführung auf die Spur, die auch die Polizei auf Sylt beschäftigt. Aber erstmal muss der kleine Schreihals mit Nahrung und frischen Windeln versorgt werden. Das ist auch für die pfiffigen Möwen eine besondere Herausforderung.


Dieser Band knüpft nahtlos an den ersten Band der Reihe "Mordsmöwen" an. Wer die Figuren kennt, weiß, dass es wieder reichlich lustige Szenen und humorvollen Wortwitz aus Möwensicht zu erwarten gibt. Es gibt inzwischen einige Veränderungen bei der Truppe, so unterstützen jetzt ein Storch und "Frau Spatz" als neue Freundin von Alki die Gruppe.


Sina Beerwald merkt man ihre Vorliebe für die schöne Nordsee-Insel Sylt an, denn sie bringt einige Schauplätze und das besondere Flair der Insel gelungen in ihren Krimi mit ein. Auch ihre gefiederten Freunde zeichnet sie erneut mit einigen speziellen Merkmalen in puncto Stärken und Schwächen menschlichen Figuren in nichts nachstehen. Es geht sogar um recht menschliche Probleme wie Alkoholsucht und Pubertät. Man darf sich auf gute Unterhaltung freuen.

Auch wenn die Grundlage natürlich eher Spaßcharakter besitzt, so nimmt man den Möwen durch die menschlichen Züge alles ab. Selbst das für Möwen unübliche Windelwechseln wird hier geschickt gelöst.

Wie die Möwen dieses Baby endlich wieder zu seinen Eltern zurückführen, sorgt für reichlich Lese- und Krimispaß. Und die Auflösung hat am Ende noch eine ganz besondere Überraschung parat, mehr möchte ich hier natürlich nicht verraten.


Ein echter Gute-Laune-Krimi aus Möwensicht, der neben der humorvollen Unterhaltung auch reichlich Urlaubsflair einfließen lässt. Ein Urlaubskrimi für die freien Tage am Meer!