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Veröffentlicht am 07.10.2021

Herkunft, Wurzeln ´, Heimat

HERKUNFT
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Ein Buch, das zu meinen (Herbst-)Highlights und auch zu meinen Jahreshighlights des vergangenen Jahres gehört hat, ist Saša Stanišićs „Herkunft“. Ich glaube, dass Worte nicht ausreichen, um zu beschreiben, ...

Ein Buch, das zu meinen (Herbst-)Highlights und auch zu meinen Jahreshighlights des vergangenen Jahres gehört hat, ist Saša Stanišićs „Herkunft“. Ich glaube, dass Worte nicht ausreichen, um zu beschreiben, wie viel dieses Buch bei mir ausgelöst hat. Der Stil, der Sprung zwischen Erlebnissen in der Vergangenheit, die Reflexion des Erzählers und immer wieder die Frage nach der Herkunft. Was ist Herkunft? Was bedeutet Herkunft? Was sind Wurzeln? Letzten Endes hat dieses Buch bei mir vor allem Gefühle ausgelöst, die ich schlecht benennen kann. Es gibt so viele Dinge, die man thematisieren könnte. Die demente Großmutter des Erzählers, das spieltheoretische Kapitel „Drachenhort“, die Reflexion der deutschen Sprache, die der Erzähler zu lernen versucht und sie so anders schildert als wir sie wahrnehmen. Und die Geschehnisse rund um den Zerfall von Jugoslawien, zu dem man viel zu wenig in der Schule lernt. Und das Gefühl der Ablehnung nach dem Ankommen in Deutschland. Die Mutter, die „tausend heiße Tode in der Wäscherei“ stirbt, die Ablehnung, die Erlebnisse an der Edeka-Kasse. Ich habe Wut verspürt. Wut, Verzweiflung und in manchen Momenten habe ich mich gefragt, wie ich dieses Konstrukt beschreiben würde. Herkunft, Heimat. In Zeiten, in denen der Heimatbegriff immer wieder diskutiert und thematisiert wird, stellt sich die Frage, was Herkunft ist. Und nach dem Lesen von Stanišićs „Herkunft“ glaube ich, dass ich selten bessere Worte zu der Thematik gelesen habe. Ich bin mir auch sicher, dass ich keine besseren Worte finden kann als das Buch selbst: „Herkunft ist ein Buch über den ersten Zufall unserer Biografie: irgendwo geboren werden. Und was danach kommt. Herkunft ist ein Buch über ein Dorf, in dem nur noch dreizehn Menschen leben, ein Land, das es heute nicht mehr gibt, eine zersplitterte Familie, die meine ist. Es ist ein Buch über die Frage, was zu mir gehört, ein Selbstporträt mit Ahnen. Und ein Scheitern des Selbstporträts. Herkunft ist ein Abschied von meiner dementen Großmutter. Während ich Erinnerungen sammle, verliert sie ihre. Herkunft ist ein Buch über meine Heimaten, in der Erinnerung und der Erfindung. Ein Buch über Sprache und Scham, Ankommen und Zurechtkommen, Glück und Tod“. Dieses Buch hat mir Perspektiven gezeigt, die ich selten in einem Roman gelesen habe und ich kann JEDEM nur ans Herz legen dieses Buch zu lesen und sich auf einen Strom an Gedanken und Emotionen einzulassen.

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Veröffentlicht am 09.09.2021

Flügel, Wurzeln, Identität und Familie

Where the Roots Grow Stronger
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Gib denen, die du liebst, Flügel, um wegzufliegen. Wurzeln, um zurückzukommen und Gründe, um zu bleiben.
Dieses Zitat, das vom Dalai Lama stammen soll, passt so unglaublich gut zu diesem atemberaubenden ...


Gib denen, die du liebst, Flügel, um wegzufliegen. Wurzeln, um zurückzukommen und Gründe, um zu bleiben.
Dieses Zitat, das vom Dalai Lama stammen soll, passt so unglaublich gut zu diesem atemberaubenden Buch. Ein Buch, das ich in wenigen Stunden verschlungen habe. Ein Buch, das mich nach dem Lesen mit Gedanken über Identität, Wurzeln und die Familie zurückgelassen hat. Das ganze Buch war wie das Eintauchen in eine andere Welt. Denn Kathinka Engel hat ein magisches Buch geschaffen, das mich auf die Shetlandinseln entführt hat. Die ersten Kapitel haben für ein Druckgefühl in meiner Brust gesorgt und mir die Kehle zugeschnürt. Erdrückend und emotional – eine wahre Gefühlsachterbahn. Und ich habe mich verliebt. Verliebt in das traumhafte Setting, die Shetlandinseln, die ich am liebsten besuchen würde. Verliebt in Connal, der mich mit seinen Gedichten tief berührt hat. Verliebt in diese wunderbare, verschrobene Gemeinschaft von Lerwick und all die wunderbaren Bewohner der Stadt, die dieses Buch besonders machen. Fionas „Flucht“ hat tiefe Narben hinterlassen und das nicht nur bei ihren zwei Schwestern auf deren Geschichten ich schon sehr gespannt bin. Der Grund für Fionas Flucht nach Bristol habe ich schon recht früh im Gefühl gehabt, aber es hat nichts an dieser Gefühlsreise geändert. Ich konnte Fionas Gedanken verstehen, nachvollziehen und bin mir sicher, dass jeder Mensch anders in einer solchen Situation reagiert. Fiona war einfach nur echt. Das Buch lebt nicht von dramatischen Momenten oder drastischen Entwicklungen. Es überzeugt durch die Figuren. Man möchte selbst im Drawing Room sitzen und beobachten, man möchte selbst an der rauen Küste stehen und den Wind im Gesicht spüren, man möchte selbst Lämmchen in den Händen halten und ihnen liebevolle Namen geben… oder einen Connal dabei beobachten. Die Figuren und das Setting machen diese Geschichte besonders. Die Gedichte Connals haben berührt und die Einblicke in die Gefühlswelt der einzelnen Figuren war wirklich greifbar. Vor allem Marigold und Effie habe ich ins Herz geschlossen. Eigentlich kann man die gesamte Gemeinschaft von Lerwick nur mögen, selbst Red-Leg Greaves. Zwischen den Gedichten und Elvis Can’t Help Falling In Love taucht man einfach nur ein und lässt sich von der Geschichte treiben. Und am Ende taucht man auf. Und es bleiben Gedanken. Gedanken über Liebe. Gedanken über Familie. Gedanken über Wurzeln. Wurzeln und Familie. Eine klare Leseempfehlung an alle, die in eine wunderschöne Geschichte über die Liebe und das Leben eintauchen wollten.

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Veröffentlicht am 28.08.2021

Ein Roadtrip, der das Leben verändert

Fly high with Me
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Wenn ich dieses wunderbare Buch in einem Wort zusammenfassen soll, fällt mir nur ein Wort ein: schön. Fly High with me hat mich wachgehalten und mir wirklich unfassbar schöne Lesestunden beschert. Phils ...

Wenn ich dieses wunderbare Buch in einem Wort zusammenfassen soll, fällt mir nur ein Wort ein: schön. Fly High with me hat mich wachgehalten und mir wirklich unfassbar schöne Lesestunden beschert. Phils und Belles Geschichte war ein wirklicher Rundflug für mein Herz. Schon der Klappentext hatte mich total gereizt, aber die Geschichte von Belle, die die Asche ihres Opas Otto verstreuen möchte, um seinen letzten Wunsch zu erfüllen, war wirklich berührend. Ich musste in weiten Teilen des Buches an meine Großväter und ihre Ratschläge denken und konnte das Gefühl von Belle so unglaublich gut nachvollziehen. In der Hinsicht hat Phil Recht, Großväter haben die besten Ratschläge. Und der Ratschlag/Wunsch von Opa Otto ist, dass Belle eine Reise nach Nizza macht, um seine Asche am selben Ort zu verstreuen, wie die Asche ihrer Oma. Das Buch war letzten Endes selbst wie ein emotionaler Roadtrip bei dem ich Lachen, Schmunzeln und auch kurz ein paar Tränen trocknen musste. Diese Reise, die für Belle sowohl Eskapismus als auch Selbstfindung darstellt, beschreibt das Buch eigentlich ganz gut. „Fly high with me“, nimmt einen mit auf eine Reise, einen Roadtrip nach Nizza, der einen alles andere vergessen lässt. Auch wenn manche Situationen vielleicht etwas verrückt erscheinen und ich niemals so mutig wie Belle gewesen wäre, so war es schön diesen imaginären Roadtrip mit den beiden zu machen. Ich habe die Atmosphäre geliebt, die Spontanität, die Belle plötzlich an den Tag gelegt hat und die liebevolle, beschützerische Seite Phils. Phil war ohnehin ein Traum, Vollblutmusiker und Saxophonspieler mit Herz. Letzten Endes hat dieser Roadtrip nicht nur Belle zum Nachdenken angeregt, sondern auch mich. Ich wäre der letzte Mensch, der plötzlich Trampen geht und eine Rundreise macht und die eigenen Pläne über den Haufen wirft, aber der gesamte Roman hat für ein Roadtrio feeling gesorgt und ich habe es wirklich gerne gelesen. Ich habe die Entwicklung Belles gerne mitbeobachtet und auch die vielen tollen Stationen im kleinen Käfer von Phil haben dieses Buch einfach besonders gemacht. Vor allem Opa Otto, der irgendwie doch mit auf dieser Reise dabei war, nicht nur in Form der Urne, sondern auch in Form von Erinnerungen. Der Käfer, die Kassetten, die Zwischenstopps… all diese Dinge machen das Buch besonders. Auch wenn es manchen vielleicht zu schnell zwischen Belle und Phil ging und es ein klein wenig kitschig war, so war es für mich ein wunderschönes Leseerlebnis mit einer schönen Beziehung zwischen den beiden Protagonisten. Ein Wohlfühlbuch, das ich wirklich empfehlen kann.

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Veröffentlicht am 28.08.2021

Wie die Vergangenheit die Zukunft besimmt

Free like the Wind
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Tausend Splitter anstelle eines Herzens
Nachdem ich „Wild like a River” gelesen habe, war ich froh auch bereits den zweiten Teil zuhause zu haben. Im zweiten Teil geht es um Rae und Cayden, die man bereits ...

Tausend Splitter anstelle eines Herzens
Nachdem ich „Wild like a River” gelesen habe, war ich froh auch bereits den zweiten Teil zuhause zu haben. Im zweiten Teil geht es um Rae und Cayden, die man bereits im ersten Teil kennengelernt hat. Ich muss zugeben, dass Cayden mir in „Wild like a River“ etwas unsympathisch war, aber im zweiten Teil ist er mir wirklich ans Herz gewachsen. Im ersten Teil ist er der arrogante, etwas eingebildete beste Freund/Mitbewohner von Jackson, der Haven gegenüber zunächst sehr gemein ist. Aber nach „Free like the Wind“ konnte ich seine Handlungen viel besser nachvollziehen. Er ist nicht plötzlich positiver eingestellt, sein Zynismus ist noch immer Bestandteil seines Charakterzugs, aber er ist viel sympathischer. Rae mochte ich im Gegensatz dazu schon im ersten Teil des Romans sehr, auch wenn ich wirklich mit ihr mitgelitten habe. Was Rae erlitten hat ist wirklich schrecklich und auch wenn dieser Handlungsstrang nicht neu ist, so wurde es im Werk toll beschrieben. Und Cayden… im ersten Teil werden immer wieder Andeutungen über seine Familie gemacht und ich hatte mir schon einiges ausgemalt, aber an einer Stelle des gesamten Romans habe ich wirklich innehalten müssen und vielleicht sogar einige Tränen vergossen, weil mich die Szene so mitgenommen hat. Aber das spricht auch wieder für den tollen Schreibstil von Kira Mohn. „Free like the Wind“ hat außerdem wieder tolle Szenen, die die Natur in Kanada beschreiben, was ich am ersten Teil schon sehr geschätzt habe. Dieses Mal hat sich Cayden auch besser angestellt als im letzten Teil. Ich fand es auch schön zu lesen, wie sich die Beziehung zwischen Jackson und Haven weiterentwickelt hat und dass Jackson mit seinen Entscheidungen glücklich geworden ist. Außerdem ist es Havens Idee, dass Rae diese Reise macht und ich liebe Haven wieder einmal mehr dafür, dass sie so eine toller Mensch ist. Auch hier war wieder ein Plus für mich, dass sich die Beziehung von Rae und Cayden langsam entwickelt hat. Auch wenn das viele als Kritikpunkt aufgefasst haben, so hat das mehr zu Cayden und Rae gepasst. Es hat mir weiter auch gefallen, wie die Thematik Schuld behandelt worden ist und wie sowohl Rae als auch Cayden ihre eigenen Dämonen überwinden. Das Ende war etwas abrupt, aber es war dennoch ein schöner Abschluss der Reihe.
Der zweite Teil der Reihe war anders. Emotionaler, tiefgründiger, etwas weniger Kanada-Wildnis als erwartet, aber trotzdem wirklich schön.

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Veröffentlicht am 21.08.2021

Ein wunderschönes Wohlfühlbuch mit atemberaubenden Setting

Wild like a River
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In der Stille des Waldes hörst du dein Herz
Ein Buch, das ich vor kurzem gelesen habe, ist Kira Mohns „Wild like a River“ und es war wirklich toll. Ein NA-Roman, der einfach anders ist und mich voll und ...

In der Stille des Waldes hörst du dein Herz
Ein Buch, das ich vor kurzem gelesen habe, ist Kira Mohns „Wild like a River“ und es war wirklich toll. Ein NA-Roman, der einfach anders ist und mich voll und ganz überzeugt hat. Ich habe die Geschichte rund um die Selbstfindung Havens sehr schnell ins Herz geschlossen: die wunderbare Natur, Haven und ihre Vergangenheit, Jackson … ein schönes Buch, das mich in eine andere Welt entführen konnte. Ich glaube, dass das Setting in der Wildnis Kanadas mir am meisten gefallen hat. Leider würde ich mich in der Natur vermutlich so unfähig anstellen, wie Cayden es getan hat, aber ich mochte die Schilderungen der Natur, der Tiere, der umwerfenden Szenerie. Es war schön zu beobachten, wie Haven sich in ihrem eigenen kleinen Reich bewegt, dann aber auch ganz andere, neue Dinge kennenlernt. Auch wenn Haven abwertend als „Waldmädchen“ bezeichnet wird, ist dieser Wald genauso ein Teil von ihr, wie das Leben, das sie später in Edmonton führt. Sowohl Jackson als auch Haven sind wunderbare Charaktere und auch wenn Jackson ab und an sehr … überfürsorglich agiert und einen ausgeprägten Beschützerinstinkt hat, mochte ich ihn sehr. Vielleicht passt er gerade auch deshalb gut zu Haven, die aufgrund ihrer Lebensgeschichte sehr naiv und gutgläubig ist. Ich habe beide Figuren schnell ins Herz geschlossen, gerade nach der Auseinandersetzung mit Havens Vergangenheit konnte ich das Buch kaum noch aus der Hand legen. Erst die Begegnung mit Jackson führt dazu, dass Haven nach langer innerer Sehnsucht selbst versucht das andere Leben kennenzulernen, die Dinge außerhalb der Wildnis Kanadas zu entdecken. Haven kennt das Leben außerhalb der Natur kaum, aber es ist nicht so, dass sie die Wildnis nur wegen Jackson verlässt. Die Beziehung der beiden entwickelt sich eher langsam, dafür ist sie aber intensiv und wirklich schön beschrieben. Ich kann verstehen, wenn Haven für manche zu unerfahren und naiv gewirkt hat, aber ich denke, dass es verständlich beschrieben war. Ich mochte die Geschichte und auch die Gefühle haben mich überzeugt. Ich mochte es, dass man die Geschichte aus beiden Perspektiven verfolgen konnte und dass diese Entwicklung Havens gut erkennbar war. Sie wächst über sich hinaus und lernt an den Herausforderungen zu wachsen.
Ich mochte den Schreibstil, die bildgewaltige Sprache und die Schilderung der Gedankenwelt von Jackson und Haven. Die Handlung des Romans ist ruhig, fließend, doch die Handlung hat mich trotzdem keinen Moment irgendwie gelangweilt. Eine schöne Liebesgeschichte für angenehme Lesestunden.

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