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Veröffentlicht am 31.10.2020

Eine schöne Gedichtsammlung

Weihnachtsgedichte
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„Weihnachtsgedichte“ ist eine Anthologie von 59 Gedichten, die von Stephan Koranyi zusammengestellt worden ist. Inhaltlich drehen sich die Gedichte – wie der Titel schon sagt - um die Advents- und Weihnachtszeit ...

„Weihnachtsgedichte“ ist eine Anthologie von 59 Gedichten, die von Stephan Koranyi zusammengestellt worden ist. Inhaltlich drehen sich die Gedichte – wie der Titel schon sagt - um die Advents- und Weihnachtszeit (Christi Geburt, das (Be-)Schenken, Weihnachtsmänner, Weihnachtsbäume etc.). Die Zusammenstellung der Gedichte ist dabei bunt: Neben Klassikern wie J. v. Eichendorffs „Weihnachten“ (für mich das ultimative Weihnachtsgedicht), J. W. Goethes „Epiphaniasfest“, in dem er die Heiligen Drei Könige aufs Korn nimmt und T. Storm („Knecht Ruprecht“) finden sich z.B. mit Kurt Martis puristischem Gedicht „weihnacht“ oder Rose Ausländer („New Yorker Weihnachten“) auch moderne Autoren und Gedichte. Einige der Gedichte sind dementsprechend altbekannt; andere eher Geheimtipps. Die Bandbreite der Gefühle, die die Gedichte hervorrufen und ansprechen, ist daher groß: Neben besinnlich-christlichen Gedichten (E. Mörike: „Die heilige Nacht“) und bürgerlich-heimeligen Texten (Eichendorff; Storm) finden sich tragische (G. Keller: „Weihnachtsmarkt“), humorvolle (T. Schirmer: „Tag der Gans“, in dem der obligatorische Weihnachtsbesuch bei Verwandten ironisiert wird; Hägni: „Brief ans Christkind“, in dem die Schreiberin schräg begründet, warum sie sich bestimmte Dinge vom Christkind wünscht) und experimentelle Gedichte (K. Marti). Insgesamt ist „Weihnachtsgedichte“ eine abwechslungsreiche und vielfältige Gedichtsammlung, die sich sehr gut dafür eignet, Weihnachten einzuläuten.

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Veröffentlicht am 23.10.2020

Der Mann auf dem Speicher

Der Speichermann
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Inhalt: Ein kleiner Junge flüchtet sich auf den Speicher des Landsitzes seiner Eltern. Seine Mutter, die an Krebs erkrankt war, wird gerade vom Bestatter abgeholt. Der Speicher ist staubig, voll mit Statuen, ...

Inhalt: Ein kleiner Junge flüchtet sich auf den Speicher des Landsitzes seiner Eltern. Seine Mutter, die an Krebs erkrankt war, wird gerade vom Bestatter abgeholt. Der Speicher ist staubig, voll mit Statuen, Möbeln und Gemälden, die über Generationen angesammelt worden sind. Doch der Junge ist nicht allein. Hinter einer Gemäldewand versteckt sich ein Mann, der den Jungen mit Zimtschokolade lockt.

Persönliche Meinung: „Der Speichermann“ ist ein Graphic Novel, der auf Kai Meyers Kurzgeschichte „Der Speichermann“ basiert und von Jana Heidersdorf adaptiert und gezeichnet worden ist. Es handelt sich um eine Schauergeschichte im winterlichen Setting. Passend dazu sind die Zeichnungen von Heidersdorf in kühlen Farben gehalten (kaltbläulich, weiß, helles ockergelb und lila). Der Zeichenstil erweckt einen schummrigen Eindruck, der die Grundstimmung der Kurzgeschichte einfängt und an das Zwielicht, das auf Dachböden herrscht, erinnert. Außerdem erweckt er Assoziationen zum Malstil von Gemälden. Man kann gewissermaßen die Pinselstriche sehen, was wiederum auf die Gemäldewand verweist, hinter der sich der Speichermann versteckt. Insgesamt fangen die Zeichnungen sehr gut den surrealen Zug der Kurzgeschichte ein und spiegeln ihn wider. Am Ende des Graphic Novels ist die Kurzgeschichte von Kai Meyer abgedruckt, die lange (als Printversion) vergriffen war. Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive des namenlosen kleinen Jungen, den wir über mehrere Jahre (und Besuche auf dem Speicher) begleiten. Der Erzählstil ist dabei detailliert und melancholisch und eignet sich daher – wie auch die Adaption – für die kältere Jahreszeit, in der der Winter in Düsternis und Zwielicht erscheint und noch nicht fröhlich und heimelig in Weihnachtsbeleuchtung erstrahlt. Der Speicher als Handlungsort ist schön plastisch gestaltet: verstaubt, vollgestellt, geheimnisvoll und gruselig. Die Handlung ist rund und folgt einem literarischen Schema, das ich zwecks Spoilergefahr nicht näher benennen möchte. Das Ende ist besonders durch die Traurigkeit, die es erzeugt grandios. Kai Meyers Kurzgeschichte ist bereits erdrückend melancholisch; Jana Heidersdorf erweckt in ihrer Adaption den Speicher, den Mann und den Jungen zum Leben, sodass sich Meyer und Heidersdorf kongenial ergänzen und „Der Speichermann“ noch intensiver wird.

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Veröffentlicht am 22.10.2020

Das Geheimnis der Schokoladenfabrik

Spukalarm in der Schokofabrik
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Inhalt: Da ihre Mutter eine neue Arbeitsstelle angenommen hat, muss Klara umziehen. Ihr neuer Wohnort ist die Schokoladensiedlung, eine umgebaute Schokoladenfabrik, die jetzt eine kleine Siedlung für sich ...

Inhalt: Da ihre Mutter eine neue Arbeitsstelle angenommen hat, muss Klara umziehen. Ihr neuer Wohnort ist die Schokoladensiedlung, eine umgebaute Schokoladenfabrik, die jetzt eine kleine Siedlung für sich bildet. Nach anfänglichen Schwierigkeiten freundet sie sich mit den Nachbarsjungen Matti und Theo an, die einen besonderen Plan haben: Ein Einbruch in das alte Fabrikgebäude, in dem es spuken soll.

Persönliche Meinung: „Spukalarm in der Schokofabrik“ wird aus der Perspektive von Klara erzählt, die mit ihrer Unzufriedenheit über den Umzug authentisch gezeichnet ist. Von den Figuren hat mir besonders der schräge Theo gefallen, der durch seine ulkige Art unfreiwillig für Komik sorgt (z.B. wenn er bei sengender Hitze in einem Ganzkörperkarnevalsköstum als Bär durch die Siedlung läuft, um sich vor Gammastrahlen der potentiellen Geister zu schützen). Der Handlungsort, die Schokosiedlung, ist schön gestaltet: Er hat eine besondere Vergangenheit, ist noch geprägt von seiner ehemaligen Nutzung und hat spezielle Bewohner. Ohne zu viel verraten zu wollen: Die phantastischen Wesen, die in der Schokofabrik wohnen, sind originell und drollig. Die Handlung dreht sich thematisch um Freundschaft, Abenteuer, Geheimnisse und (wie schon der Titel verrät :D) natürlich Schokolade. Sie ist stimmig und rund. Der Schreibstil lässt sich durch seinen eher leichten, umgangssprachlichen Ton sehr flüssig lesen. Abgerundet wird „Spukalarm in der Schokofabrik“ von zahlreichen schön bunten, cartoonähnlichen Zeichnungen aus der Feder von Monika Parciak, die im Stil des Covers gehalten sind. Insgesamt ist „Spukalarm in der Schokofabrik“ ein schönes Kinderbuch mit einem tollen Setting – nicht nur für kleine Leser*innen.

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Veröffentlicht am 18.10.2020

Die Zug-Odyssee

Was dir bleibt
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Inhalt: Kanada. Die 76-jährige Gladys wohnt schon fast ihr ganzes Leben lang in einer kleinen Siedlung an einer Bahnlinie, mitten im Nirgendwo. Eines Tages setzt sie sich in den Northlander-Zug und fährt ...

Inhalt: Kanada. Die 76-jährige Gladys wohnt schon fast ihr ganzes Leben lang in einer kleinen Siedlung an einer Bahnlinie, mitten im Nirgendwo. Eines Tages setzt sie sich in den Northlander-Zug und fährt weg. Ihre Nachbarn und Freunde, die sie nicht darüber informiert hat, obwohl sie sich sonst alles erzählen, rätseln über Grund und Ziel der Fahrt – zumal sie ihre suizidale Tochter allein zurücklässt. Was treibt Gladys an?

Persönliche Meinung: Bei „Was dir bleibt“ handelt es sich um ein Stück Gegenwartsliteratur, das sich näheren Genrezuordnungen entzieht. Erzählt wird der Roman nicht, wie das Cover nahelegt, von Gladys selbst, sondern von einem namenlosen männlichen Ich-Erzähler, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, dem Verschwinden Gladys‘ nachzuspüren. Dabei versucht er, die Reise und die Motive von Gladys zu rekonstruieren, wird zum Spurensucher, der die Fühler in alle möglichen Richtungen ausstreckt. Der Erzähler tritt (bewusst) zurück; man erfährt kaum etwas persönliches über ihn. Er tritt eher als Chronist und Vermittler der Geschichte von Gladys auf, geht dabei aber gar nicht chronologisch vor, sondern verfolgt Spuren, die auch mal ins Leere führen. Besonders interessant dabei ist das assoziative Vorgehen der Erzählung: Der Bericht ist quasi eine (mal mehr, mal weniger) assoziative Addition der Spuren. Insofern ergeben sich viele kleine Nebengeschichten, in denen man sich – ähnlich wie der Erzähler – verirrt. Auch bemüht sich der Erzähler bewusst nicht um einen roten Faden, sondern bleibt unstrukturiert: Er gibt den Leserinnen letztlich Einblicke in den Schreib- und Nachforschungsprozess und bildet diesen ab. Dabei kommt es zu Sackgassen, Schleifen, kleinen Vorausdeutungen und Rücksprüngen. Die Erzählweise ist somit eher experimentell. Die Handlung ist aber – vom Ende her betrachtet – dennoch stimmig; Gladys‘ Reisegrund in einer bestimmten, ihr eigenen Logik nachvollziehbar. Der Erzählton ist eher gesetzt: nicht aufmerksamkeitsheischend, eher deskriptiv, vergleichsweise anspruchsvoll, zwischendurch auch melancholisch und nostalgisch, immer mal wieder abschweifend, insgesamt ruhig. Die Handlungsorte sind häufig die Züge und die kleinen Ortschaften längs der Eisenbahnlinie. In diesem Kontext wird ein besonderes Kapitel der kanadischen (Bildungs-)Geschichte angesprochen: die school trains. Waggons, die bis in die 1960er Jahre für einige Tage auf Nebenschienen in der Nähe von Ortschaften abgestellt wurden, damit auch die Schülerinnen in abgelegenen Orten eine zumindest rudimentäre Schulbildung erhalten. Dieser emotionale Bezug zum Komplex „Eisenbahn/Gleis“, der ja ungleich höher ist, wenn der Waggon nicht nur Transportmittel, sondern Ort des Lernens, der Freundschaften und des Heranwachsens ist, ist sehr plastisch gezeichnet. „Was dir bleibt“ besitzt eine gewisse experimentelle Andersartigkeit, ist eher ruhig erzählt und thematisch/bzgl. des Erfahrungshorizontes vielleicht etwas weit von uns entfernt, aber das zeichnet letztlich die Besonderheit des Romans aus.

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Veröffentlicht am 01.10.2020

Ein packender Psychothriller

Blutroter Schleier
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Inhalt: Alljährlich verlost der Weltkonzern Global Companion einen Luxusurlaub auf einer Yacht an sechs Mitarbeiter. Doch dort werden sie nie ankommen: Ihr Hubschrauber gerät in ein Unwetter, muss notlanden ...

Inhalt: Alljährlich verlost der Weltkonzern Global Companion einen Luxusurlaub auf einer Yacht an sechs Mitarbeiter. Doch dort werden sie nie ankommen: Ihr Hubschrauber gerät in ein Unwetter, muss notlanden und die sechs finden sich auf einer Bohrinsel wieder, auf der nichts so ist, wie es scheint.

Persönliche Meinung: Der Thriller ist sehr gut durchdacht und aufgebaut. Cliffhanger folgt auf Cliffhanger und immer wieder findet man kleine Hinweise, die zum Miträtseln einladen. Die Handlung bleibt dadurch durchweg spannend und bis zum Schluß muss man mit überraschenden Wendungen rechnen. Hier ist tatsächlich nichts so, wie es auf den ersten Blick erscheint. Auch die Gestaltung der Figuren trägt zur Steigerung der Spannung bei: Jede Figur hat ihre eigene Geschichte und Geheimnisse, die es zu erkunden gilt. Interessant ist auch der Handlungsort: Die Bohrinsel nimmt zum Teil alptraumhafte, zum Teil surreale Züge an. Insgesamt handelt es sich bei "Blutroter Schleier" um einen stimmigen und spannenden Thriller.

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