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Veröffentlicht am 25.04.2023

Ein vielschichtiger, schön geschriebener Roman, der sich durch lebendige Figuren auszeichnet

Wir Verratenen
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Vorab: „Wir Verratenen“ ist der finale Band der „Wir Verlorenen“-Trilogie. Es finden sich in der Rezension daher leichte Spoiler zu den Vorgängerbänden. Weiterlesen erfolgt auf eigene Gefahr 🙃

Inhalt: ...

Vorab: „Wir Verratenen“ ist der finale Band der „Wir Verlorenen“-Trilogie. Es finden sich in der Rezension daher leichte Spoiler zu den Vorgängerbänden. Weiterlesen erfolgt auf eigene Gefahr 🙃

Inhalt: Die Gefahr scheint gebannt: Nach Jahren des blanken Überlebenskampfes hat Smilla den sicheren Hafen Brüssel gefunden. Dort versuchen die Überlebenden der Plage eine neue, friedliche sowie gerechte Gesellschaft aufzubauen. Doch: So sehr Smilla es auch wünscht, das Leben ist nicht mehr so unbeschwert wie noch vor der Plage. Die Traumata, die die letzten Jahre ausgelöst haben, zeigen sich, jetzt, wo die existenzielle Gefahr bewältigt ist, mit voller Wucht. Zugleich wird in jüngster Zeit auch die fragile Sicherheit, die in Brüssel herrscht, bedroht. Einerseits übt die Untergrundorganisation Magnolia Anschläge auf das Gemeinwesen aus, andererseits häufen sich mysteriöse Todesfälle in der Stadt…

Persönliche Meinung: „Wir Verratenen“ ist ein dystopischer Roman von Jana Taysen. Die Handlung des Romans ist in sich abgeschlossen und zu Beginn wird man kurz up to date gebracht, was in den vorherigen Bänden passiert ist, sodass man „Wir Verratenen“ auch ohne Kenntnis der Vorgänger lesen kann. Für ein tieferes Verständnis der Figurenbeziehungen ist es aber natürlich sinnvoll, die Bände chronologisch zu lesen (kennt man die Geschichten der Figuren, ist außerdem das Mitfiebern größer und bestimmte Situationen/Ereignisse treffen eine*n während des Lesens tiefer). Erzählt wird die Handlung – wie schon die Vorgänger – aus der personalen Perspektive von Smilla, die sich nun, gemeinsam mit Jera, Julius, Giorgio und Nadja, in Brüssel in (relativer) Sicherheit befindet. Allerdings hat der Überlebenskampf der vergangenen Jahre seine Spuren hinterlassen: Alte, schlecht verheilte (mentale) Wunden reißen unvermittelt auf und die Protagonisten müssen sich nun verstärkt mit psychischen Verletzungen auseinandersetzen. Die daraus resultierenden Konflikte (innerlich und zwischen den Figuren) werden anschaulich, authentisch und mit einer sehr großen Intensität nachgezeichnet. Ebenfalls sehr schön in Bezug auf die Figurenzeichnung ist, dass die Figuren nicht nach einem einfachen Schwarz-weiß-Schema funktionieren: Sie weisen insgesamt in ihren Gedanken und Handlungen Schattierungen auf, sodass sie sich nicht zwangsläufig nach „Gut“ und „Böse“ differenzieren lassen. So vielschichtig die auftretenden Figuren sind, so vielfältig ist auch die Handlung von „Wir Verratenen“: Der Roman vereint unterschiedliche Genres in sich. Es finden sich – neben der Dystopie – eine Liebesgeschichte, Elemente von Abenteuer- und Spannungsromanen, ein Hauch Coming of Age und Anleihen eines Gesellschaftsromans (das hört sich jetzt vielleicht alles nach „viel“ an, aber keine Sorge: Die unterschiedlichen Gattungselemente sind wohldosiert; die Handlung ist stimmig und nicht überfrachtet). Eine weitere Stärke des Romans ist seine diskursive Offenheit: Innerhalb von „Wir Verratenen“ werden einzelne Themenfelder (bspw. die Frage nach der „richtigen“ Gesellschaftsordnung) diskutiert, ohne – und das ist das Besondere – dass den Lesenden eine Meinung aufgedrängt wird; was ersie über die Meinungen der Figuren denkt, wird letztlich ihmihr überlassen (der wirklich gelungene Epilog setzt hier quasi auf einer Metaebene nochmal eins drauf). Für Spannung innerhalb des Romans sorgen besonders die großen Fragen, wer hinter Magnolia steckt und was es mit den mysteriösen Todesfällen auf sich hat. Auf dem Weg zur Beantwortung dieser Fragen finden sich immer wieder unerwartete Wendungen, auf die ich hier aber nicht näher eingehen möchte 🙃 Der Schreibstil von Jana Taysen ist anschaulich, bildhaft und lässt sich sehr angenehm lesen. Insgesamt ist „Wir Verratenen“ ein vielschichtiger Roman, der eine spannende sowie emotionale Handlung besitzt und mit lebendig ausgestalteten Figuren auftrumpft – ein wirklich schöner Abschluss der „Wir Verlorenen“-Trilogie.

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Veröffentlicht am 24.04.2023

Ein spannendes und fantasievolles Jugendbuch

Flüsterwald - Der Schattenmeister erwacht: Das spannende Staffelfinale! (Flüsterwald, Staffel I, Bd. 4)
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Vorab: „Flüsterwald – Der Schattenmeister erwacht“ ist der finale Teil der ersten Flüsterwald-Staffel. Daher finden sich in der Rezension Spoiler zu den ersten drei „Flüsterwald“-Bänden.

Inhalt: Das, ...

Vorab: „Flüsterwald – Der Schattenmeister erwacht“ ist der finale Teil der ersten Flüsterwald-Staffel. Daher finden sich in der Rezension Spoiler zu den ersten drei „Flüsterwald“-Bänden.

Inhalt: Das, was Lukas und seine Freunde versuchten zu verhindern, ist eingetreten: Der Schattenmeister ist erwacht – und er will vollenden, woran er vor Jahren gehindert worden ist: die Zerstörung des Flüsterwaldes. Lukas und seine Freunde müssen über sich hinauswachsen und alles in die Waagschale werfen, um den Schattenmeister zu stoppen…

Persönliche Meinung: „Flüsterwald – Der Schattenmeister erwacht“ ist ein Fantasy-Jugendroman von Andreas Suchanek. Da es sich um das Finale der ersten Flüsterwald-Staffel handelt, ist es sinnvoll, die Reihe chronologisch zu lesen. Erzählt wird die Handlung von einem allwissenden Erzähler, der meist in die personale Perspektive von Lukas schlüpft; es gibt zudem auch wieder ein witziges Kapitel aus „Ranis heldenhaften Abenteuern“ (nur, dass diesmal Rani von einer Gastautorin verdrängt worden ist 🙃). Zur Spoilervermeidung möchte ich gar nicht so viel zur Handlung sagen. Nur: Sie ist wirklich spannend, schön durchdacht und wendungsreich (besonders die wahre Identität des Schattenmeisters ist überraschend). Was mir ebenfalls sehr gut gefallen hat, ist, dass der Flüsterwald und seine Bewohner – wie schon in den vorherigen Bänden – auch im vierten Band immer weiter an Tiefe gewinnen und ausgebaut werden: So lernen wir bspw. Ranis Familie kennen, neue Flüsterwald-Figuren treten auf und unbekannte Regionen des Waldes werden erkundet (die Idee der Jahreszeitenschlucht ist wirklich super!). Der Epilog des Romans gibt außerdem einen kleinen Sneak Peek auf die zweite Flüsterwald-Staffel, der ungemein neugierig macht. (Schön ist auch das kleine Extra der Erstauflage: Witzige Notizen Ranis, in denen er die Menschenwelt beschreibt – oder zumindest wie er die Menschenwelt verstanden hat). Der Schreibstil von Andreas Suchanek ist bildreich und lässt sich sehr flüssig lesen. Insgesamt ist „Flüsterwald – Der Schattenmeister“ ein spannendes wie fantasiereiches Jungendbuch, dass die erste „Flüsterwald“-Staffel zu einem stimmigen Ende führt.

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Veröffentlicht am 03.04.2023

Ein spannender Regionalkrimi mit viel Lokalkolorit und tollen Figuren

Hinter Liebfrauen
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Inhalt: Eigentlich sollte sich Kommissar Wim Schneider nach überstandener OP auf Kur in Bad Harzburg erholen. Doch als eine Angestellte der Klinik auf ungeklärte Weise verunglückt, kann Wim die Füße nicht ...

Inhalt: Eigentlich sollte sich Kommissar Wim Schneider nach überstandener OP auf Kur in Bad Harzburg erholen. Doch als eine Angestellte der Klinik auf ungeklärte Weise verunglückt, kann Wim die Füße nicht mehr stillhalten und beginnt im Geheimen seine Ermittlungen. Ein paar Dutzend Kilometer weiter nördlich ermittelt auch die braunschweigische Kommissarin Rosalie Helmer in einem neuen Fall: Ein Mann ist von einem Hochhaus gestürzt – und auch hier ist zweifelhaft, ob es sich tatsächlich um einen Unfall handelt…

Persönliche Meinung: „Hinter Liebfrauen“ ist ein Regionalkrimi von Mario Bekeschus. Nach „Gaußberg“ ist es der zweite Niedersachsen-Krimi um den Kommissar Wim Schneider. Da der Fall von „Hinter Liebfrauen“ in sich abgeschlossen ist, kann der Krimi auch ohne Kenntnis des ersten Bandes gelesen werden; für ein tiefergehendes Verständnis der Figurenbeziehungen ist es aber natürlich sinnvoll, die Bände chronologisch zu lesen. Grob gesagt, lässt sich der Krimi in zwei Handlungsstränge einteilen: Während Wim in Bad Harzburg den Tod der Angestellten der Kurklinik untersucht, versucht Rosalie in Braunschweig das Schicksal des gestürzten Mannes zu klären. Dabei gibt es zwischen den beiden Handlungssträngen immer mal wieder Berührungspunkte. Erzählt wird „Hinter Liebfrauen“ aus einer Vielzahl unterschiedlicher Perspektiven. So werden, um nur ein paar zu nennen, die personalen Sichtweisen von Wim, Rosalie und Mads, einem neuen Kollegen von Rosalie, eingenommen (daneben spielen auch die Perspektiven von verschiedenen Figuren eine Rolle, die in unterschiedlicher Weise in den jeweiligen Fall involviert sind. Um wen genau es sich handelt, möchte ich hier nicht spoilern 🙃). Generell ist für mich eine große Stärke des Krimis, dass – neben dem eigentlichen Kriminalfall – auch das (Privat-)Leben der Hauptfiguren eine wichtige Rolle spielt. Dieses ist authentisch dargestellt und nicht immer konfliktfrei, was einerseits dazu führt, dass die Figuren eine größere Tiefe, Individualität und Lebendigkeit erhalten. Andererseits sorgt dies dafür, dass auf einer weiteren Ebene – zusätzlich zur eigentlichen Krimihandlung – Spannung(en) und ein Mitfiebern während des Lesens entstehen. Durch die unterschiedlichen Perspektiven ist die Handlung zudem abwechslungsreich und besitzt ein schönes Tempo. Zu dem Fall (oder den Fällen?) von „Hinter Liebfrauen“ möchte ich gar nicht so viel vorwegnehmen. Nur: Er ist spannend, wendungsreich und besitzt einen schönen Komplexitätsgrad. Gleichzeitig berührt er ein Thema, das eine große gesellschaftliche Relevanz besitzt (zwecks Spoilervermeidung möchte ich hier nicht näher ins Detail gehen). Zudem trumpft „Hinter Liebfrauen“ mit einer gehörigen Portion Lokalkolorit auf: Beide Handlungsorte – Braunschweig und Bad Harzburg – werden in ihren Besonderheiten anschaulich beschrieben (kleine persönliche side note: Am coolsten fand ich, dass Wim im Harz eine Route wandert, die ich auch schon gewandert bin 😀). Der Schreibstil von Mario Bekeschus lässt sich angenehm und flüssig lesen, sodass man durch die Seiten von „Hinter Liebfrauen“ fliegt. Insgesamt ist „Hinter Liebfrauen“ ein spannender sowie komplexer Regionalkrimi, der mit schön ausgestalteten Figuren und Lokalkolorit auftrumpft.

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Veröffentlicht am 28.03.2023

Ein fesselnder und atmosphärischer Thriller

Wolfskinder
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Inhalt: Jesse und Rebekka sind in Jakobsleiter, einer versteckt in den Bergen liegenden Siedlung, großgeworden. Das Leben dort scheint aus der Zeit gefallen: Die Dorfbewohner sind Selbstversorger, tiefreligiös, ...

Inhalt: Jesse und Rebekka sind in Jakobsleiter, einer versteckt in den Bergen liegenden Siedlung, großgeworden. Das Leben dort scheint aus der Zeit gefallen: Die Dorfbewohner sind Selbstversorger, tiefreligiös, lehnen jedweden technischen Fortschritt ab und leben mit den Widrigkeiten der Natur. Den beiden Jugendlichen ist während ihrer gesamten Kindheit eingebläut worden, dass in der Stadt das „Böse“ lauere. Doch anders als für Jesse ist Jakobsleiter für Rebekka zu eng geworden; trotz aller Warnungen will sie in die Stadt. Aber: Ehe Jesse und Rebekka ausführlich über Rebekkas Plan reden können, ist sie plötzlich spurlos verschwunden. Und damit ist sie nicht die Einzige. Immer wieder verschwinden in den Bergen rund um Jakobsleiter Frauen, wie die Journalistin Smilla recherchiert hat. Allerdings schenkt ihr niemand glauben; ihre Rechercheergebnisse werden als Phantastereien abgetan – bis sie auf Beweise stößt, die ein wohlgehütetes Geheimnis offenbaren...

Persönliche Meinung: Puh, ich habe jetzt lange darüber gebrütet, wie ich die Rezension am besten schreiben kann, ohne zu viel zur Handlung zu verraten. Mein Inhaltsteaser zu „Wolfskinder“ greift nämlich eigentlich zu kurz. Die Handlung ist viel komplexer und vielschichtiger, als es zunächst den Anschein hat. Denn: „Wolfskinder“ wird in mehreren, sich abwechselnden Handlungssträngen aus fünf verschiedenen Ich-Perspektiven erzählt. Eigentlich würde ich gerne zu jedem Handlungsstrang etwas schreiben, weil jeder Strang seinen ganz eigenen Reiz und eine besondere Spannungskurve besitzt; das würde allerdings zu sehr spoilern. Seht mir daher nach, wenn ich im Folgenden inhaltlich etwas vage bleibe. Ist nur zu eurem besten 🙃 Also dann, los geht’s. „Wolfskinder“ ist ein Thriller von Vera Buck, der durch seine unterschiedlichen Handlungsstränge eine fesselnde wie abwechslungsreiche Lektüre ist. Die zwei Haupthandlungsstränge drehen sich jeweils um die Suche nach einer vermissten Person: Während Jesse sich auf der Suche nach Rebekka befindet, treibt Smilla ein „Cold Case“ um: Vor 10 Jahren ist ihre beste Freundin Juli verschwunden, als die beiden in den Wäldern um Jakobsleiter campten. Die Handlung ist – über die einzelnen Handlungsstränge hinweg – sehr spannungsreich: Viele der auftretenden Figuren sind undurchsichtig, scheinen irgendein Geheimnis zu verbergen, sodass die Zahl der potentiellen Verdächtigen in Bezug auf die Vermisstenfälle hoch ist. Auch Jakobsleiter und die die Siedlung umgebenden Wälder sind geheimnisumwittert: Irgendwas scheint mit dieser Siedlung nicht ganz richtig zu sein, ohne dass man es (zu Beginn) wirklich greifen könnte. Zudem durchzieht die gesamte Handlung ein Hauch Mystery. Das Erzähltiming in „Wolfskinder“ ist wirklich perfekt: In bester slow burn-Manier erfährt man nach und nach immer mehr über Jakobsleiter, die Figuren und die Vermisstenfälle, ohne dass auf einen Schlag zu viel preisgegeben wird. Dementsprechend überraschend ist auch die Auflösung der Handlung, die mit einem (zweifachen) Twist besticht. Der Schreibstil von Vera Buck ist anschaulich und bildreich, sodass während der Lektüre eine dichte Atmosphäre der Düsternis und Bedrohlichkeit entsteht. Insgesamt ist „Wolfskinder“ ist ein fesselnder Thriller, der mit undurchsichtigen Figuren, einer düsteren Atmosphäre und einem tollen Erzähltiming auftrumpft.

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Veröffentlicht am 24.03.2023

Ein Thriller mit Sogwirkung, den man kaum beiseitelegen kann

Haus der Stimmen
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Inhalt: Eigentlich ist Pietro Gerber Kinderpsychologe; mit erwachsenen Patient*innen hat er noch nie gearbeitet. Umso verwundeter ist er, als er plötzlich einen Anruf von einer Kollegin aus Australien ...

Inhalt: Eigentlich ist Pietro Gerber Kinderpsychologe; mit erwachsenen Patient*innen hat er noch nie gearbeitet. Umso verwundeter ist er, als er plötzlich einen Anruf von einer Kollegin aus Australien erhält, die ihn bittet, eine ihrer Patientinnen zu übernehmen: die 30-jährige Hanna Hall. Hanna ist davon überzeugt, als Kind einen Mord begangen zu haben, doch ihre gesamte Kindheit hat sie nur verwaschen in Erinnerung. Nach anfänglichem Zögern nimmt Pietro Hanna als Patientin an. Gemeinsam reisen die beiden per Hypnose in Hannas Kindheit – doch schnell wird deutlich: Die Therapie wird nicht nur das Leben von Hanna verändern…

Persönliche Meinung: „Haus der Stimmen“ ist ein Thriller von Donato Carrisi. Es handelt sich um den Auftakt einer neuen Reihe, die sich um den Psychologen Pietro Gerber dreht. Erzählt wird die Handlung aus zwei Perspektiven: der personalen Perspektive Pietros und der Ich-Perspektive Hannas. Pietros Perspektive spielt dabei (hauptsächlich) in der Gegenwart. Hier wird einerseits thematisiert, welchen Einfluss die Therapiesitzungen mit Hanna auf ihn haben (die Grenzen zwischen Patient und Psychologe verwischen immer mehr), andererseits spielt in diesem Erzählstrang noch ein weiterer kleiner Fall von Pietro eine Rolle (zu dem ich hier nichts spoilern möchte). Hannas Perspektive ist in der Vergangenheit angesiedelt: Es handelt sich um ihre unter Hypnose getätigte Erzählung ihrer Kindheitserlebnisse. Die Spannungskurve von „Haus der Stimmen“ ist sehr hoch. Dies hängt einerseits mit der Figur Hanna zusammen. Denn: Sie weist Züge einer unzuverlässigen Erzählerin auf, sodass man sie bis zuletzt nicht wirklich einschätzen kann. Sind ihre Abweichungen von der Wahrheit in einem schweren Trauma begründet? Oder verfolgt sie mit ihren Abweichungen eine eigene Agenda, deren Ziel nur sie weiß? Von Hanna scheint permanent eine gewisse Bedrohung für Pietro auszugehen, ohne – und das ist atmosphärisch klasse umgesetzt – dass man die Bedrohung hundertprozentig greifen könnte. Außerdem werden innerhalb der Handlung verschiedene Spannungselemente perfekt gesetzt: Immer wieder finden sich kleinere und größere „Irritationsmomente“, durch die man das zuvor Gelesene neu beurteilt; kaum eine Figur scheint das zu sein, was sie vorgibt (dies gilt neben Hanna besonders für Pietro selbst). Zudem zeichnet sich „Haus der Stimmen“ mit einer Vielzahl unerwarteter Wendungen aus, die in einem großen Twist am Ende der Handlung kulminieren. Der Schreibstil von Donato Carrisi ist sehr flüssig und lässt sich angenehm lesen. Insgesamt ist „Haus der Stimmen“ ein Thriller, der mit einer fesselnden, wendungsreichen und ausgeklügelten Handlung auftrumpft – ein Thriller mit Sogwirkung, den man kaum beiseitelegen kann.

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