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Veröffentlicht am 05.05.2019

Gesellschaft im Umbruch

Der Horizont der Freiheit
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Eines Vorweg, der Klappentext ist bei diesem Buch ziemlich irreführend. Ich hätte hier eine Krimigeschichte vor dem Hintergrund der Nationalversammlung in der Paulskirche erwartet. Bekommen habe ich eine ...

Eines Vorweg, der Klappentext ist bei diesem Buch ziemlich irreführend. Ich hätte hier eine Krimigeschichte vor dem Hintergrund der Nationalversammlung in der Paulskirche erwartet. Bekommen habe ich eine sehr gut recherchierte Geschichte über das Leben und die Gesellschaft in den vierziger Jahren des 19 Jahrhunderts in Frankfurt.

Begonnen wird diese 1844. Wilhelmine Pfaff und ihr Mann erkranken an den Blattern, er stirbt, sie überlebt die Krankheit. Da die beiden keine Kinder haben, ist es an ihr die Druckerei zu übernehmen und sich so ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Die Alternative wäre, schnellst möglich wieder zu heiraten und die Druckerei als Mitgift zu sehen. Da Wilhelmine ihren Walter aber sehr geliebt hat, fällt ihr allein der Gedanke daran sehr schwer. Allerdings steht sie als Frau vor dem Problem, dass ihr keine Geschäftstüchtigkeit zugestanden wird und sie sich schwer tut überhaupt Aufträge zu bekommen. Glücklicherweise hat ihr Nachbar Joseph Rütten ein Auge auf sie geworfen und da er Besitzer einer Literarischen Gesellschaft ist, bietet er ihr an, seine Bücher zu drucken. So bekommt Wilhelmine die Chance auf ein selbst bestimmtes Leben.

4 Jahre später tagt die Nationalversammlung in der Paulskirche und das Leben in der Stadt ist durch die Versammlung politisch aufgeheizt. Wilhelmines Freunde Joseph Rütten und Zacharias Löwenthal verkehren in den politischen Salons der Stadt und auch Wilhelmines Freundin Henriette Zobel kämpft für Freiheit, Demokratie und Frauenrechte. Wilhelmine kommt sich dabei etwas dumm vor, weil sie sich so gar nicht für Politik interessiert und einfach versucht ihr Leben zu leben. Aber als die Lage dann eskaliert ist es an Wilhelmine ihrer Freundin zu helfen.

Ines Thorn zeichnet mit diesem Buch ein genaues Bild der Frankfurter Gesellschaft in diesen revolutionären Jahren. Die Auswirkungen des Hambacher Festes prägen das politische Bild und die Versammlung in der Paulskirche gibt Hoffnung darauf, dass sich grundlegende Änderungen im politischen System durchsetzen lassen. Und trotzdem wird das Alltagsleben von den alten Traditionen und Vorurteilen geprägt. Ziemlich deutlich zeigt sich, dass Veränderungen in der Gesellschaft einfach ihre Zeit brauchen.

Das Buch ließ sich sehr flüssig lesen, ich war ab der ersten Zeile voll mit dabei und wollte das Buch nicht mehr zur Seite legen. Die Hauptfiguren sind toll beschrieben und man kann nachvollziehen warum jeder genau so handelt, wie er es eben tut.

Interessant fand ich da besonders auch die Geschichte um die literarische Gesellschaft Rütten und Löwenthal, später der Verlag Rütten und Loening. Hier ist es Ines Thron gelungen auch eine kleine Biographie des Verlages zu schreiben, in dem dieses Buch dann auch veröffentlicht wurde.

Von mir eine volle Leseempfehlung für dieses tolle Buch!

Veröffentlicht am 02.05.2019

Wohlfühlroman

Honigduft und Meeresbrise (Neuauflage)
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Anna ist zu Besuch bei ihrer Oma Martha, als diese überraschend einen Brief bekommt, der fast achtzig Jahre zuvor an ihre Mutter geschickt wurde. Daraus erschließt sich, dass die Familiengeschichte wohl ...

Anna ist zu Besuch bei ihrer Oma Martha, als diese überraschend einen Brief bekommt, der fast achtzig Jahre zuvor an ihre Mutter geschickt wurde. Daraus erschließt sich, dass die Familiengeschichte wohl neu geschrieben werden muss. Gemeinsam machen sich Anne und ihre Oma auf den Weg nach Ahrenshoop um herauszufinden, was vor achtzig Jahren dort passiert ist.

Anna kämpft zudem auch mit ihrem Leben und muss sich neu orientieren. Der Ausflug an die Ostsee bringt Klarheit und den Abstand, den sie braucht um einen Neustart zu machen.


Wie auch schon in den Vorgängerbüchern gelingt es Anne Barns einen wahren Wohlfühlroman zu schreiben. Alle Figuren kämpfen mit den Widrigkeiten des Lebens, jeder auf seine Art. Doch dabei vergessen sie nicht ihre Lieben mit zu unterstützen und für sie da zu sein, wenn es nötig ist. So bekommt jeder den Halt, den er braucht.


Die Schreibweise ist toll, das Kopfkino läuft vom ersten Moment an und die wunderbaren Kleinigkeiten, die immer wieder kredenzt werden, kann man fast schmecken. Am Ende gibt es auch wieder die Rezepte der im Buch vorkommenden Leckereien, so dass man auch die Möglichkeit z.B. in den Genuss der Honig-Seufzer zu kommen.


Anne Barns gelingt es immer wieder eine Auszeit im Kopf zu kreieren. Ich freue mich schon auf weitere Bücher von ihr!

Von mir daher eine volle Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 16.04.2019

Tolle Science Fiction!

Die Reise
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Marina Lostetter nimmt uns mit auf die Reise. Im wahrsten Sinne des Wortes. Wir begleiten den Konvoi sieben, der sich auf den Weg macht um einen Stern namens LQ Pyx zu erforschen. Nachdem diese Reise in ...

Marina Lostetter nimmt uns mit auf die Reise. Im wahrsten Sinne des Wortes. Wir begleiten den Konvoi sieben, der sich auf den Weg macht um einen Stern namens LQ Pyx zu erforschen. Nachdem diese Reise in Erdenjahren aber mehr als zwei Jahrtausende dauern wird, wird die Mannschaft sehr sorgfältig ausgesucht und regelmässig geklont. Allerdings entwickeln sich auch Klone anhand ihrer selbst erlebten Erfahrungen und sind daher nicht einer wie der andere. Die einzige Konstante im Konvoi für all diese Zeit ist K.I.C., eine künstliche Intelligenz, die dem Konvoi auf Wunsch des Entdeckers von LQ Pyx mitgegeben wird.

Wir begleiten die Crew nun also über die gesamte Zeit ihrer Mission und noch ein wenig darüber hinaus.
Dabei gelingt es der Autorin anschaulich darzustellen, wie sich eine solche Gesellschaft über die Jahrhunderte weiterentwickelt. Von der ersten Euphorie des Aufbruchs, über die Zweifel am Ziel, die einige unterwegs überfällt bis zur Ankunft am eigentlichen Ziel, wo es dann in einer vorgegebenen Zeit viel zu erforschen gibt. Die Konflikte die auf der Rückreise entstehen, auch weil größere Unglücke den Zeitplan zurückwerfen. Und immer mittendrin K.I.C., der versucht die Menschlichkeit in der Crew aufrecht zu erhalten, auch als es so aussieht, als wäre genau diese nicht mehr zu retten.

Ich war das ganze Buch über sehr fasziniert von dieser Idee einer Gesellschaft. Der Autorin gelingt es mit ihrem Schreibstil immer wieder schnell einen Draht zu den jeweiligen Hauptprotagonisten der jeweiligen Geschichte aufzubauen, was nicht so einfach ist, da doch immer wieder gleich mehrere Jahrhunderte zwischen den einzelnen Kapitel liegen. Trotzdem habe ich immer wieder schnell in das Geschehen eintauchen können. An manchen Stellen hat es mich vor der Entwicklung regelrecht gegruselt. Selbst die beste Gen-Auswahl verhindert nicht, das gelegentlich das Tier im Menschen überhand nimmt.

Ich habe das Buch am Ende mit Bedauern zugeklappt. Ich hätte den Konvoi gerne noch weiter begleitet.
Von daher gibt es von mir eine volle Leseempfehlung für alle, die auf gut geschriebene Science Fiction stehen.

Veröffentlicht am 11.04.2019

Hyggelig

Mühle mit Meerblick
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Line kommt nach Strynø um dort nach ihrer Mutter zu suchen. Das Bild ihrer Mutter vor der dortigen Mühle ist der einzige Anhaltspunkt, den Line hat, um ihre Familie zu finden. Als sie dort ankommt, findet ...

Line kommt nach Strynø um dort nach ihrer Mutter zu suchen. Das Bild ihrer Mutter vor der dortigen Mühle ist der einzige Anhaltspunkt, den Line hat, um ihre Familie zu finden. Als sie dort ankommt, findet sie zwar nicht ihre Mutter, aber ihre Großmutter, die sie mit offenen Armen bei sich aufnimmt. Auch der Rest der Inselbewohner nimmt sie in ihre Gemeinschaft auf.
Auf der Insel lebt auch Adam, zurückgezogen und misstrauisch beäugt von den restlichen Bewohnern, hat er sich doch nie in das Leben dort integriert. Doch Line schafft es zu ihm vorzudringen und ihn hinter seinem Schutzwall hervorzuholen.

Mühle mit Meerblick ist ein wirklich wundervolles Buch. Line ist total unglücklich und auf Krawall gebürstet, als sie auf Strynø ankommt und verwandelt sich durch die Liebe ihrer Großmutter und der Unterstützung von Adam und den Inselbewohnern in eine selbstbewusste junge Frau. Was wie ein kitschiger Liebesroman klingt ist aber so toll geschrieben, dass man das breite Lächeln während des Lesens gar nicht aus dem Gesicht kriegt. Zwischendrin gibt es immer wieder Rückschläge, aber Line meistert die Aufgaben, die ihr das Leben stellt nicht ohen Selbstzweifel aber am Ende doch mit großem Selbstbewusstsein. Sie auf ihrem Weg zu begleiten hat wirklich Spaß gemacht. Und auch Adam entwickelt sich ganz toll von einem eigenbrötlerischen Griesgram zu jemanden, der Wissen weitergibt und andere dazu ermutigt, sie selbst zu sein, egal was andere dazu sagen.

Das Buch war das zweite Buch der Autorin, das ich gelesen habe und es hat mir um Welten besser gefallen als das erste, das ich auch gerne gelesen habe.
Daher von mir eine volle Leseempfehlung für dieses hyggelige Buch!

Veröffentlicht am 04.04.2019

eine wunderbare Familiengeschichte!

Die Fliedertochter
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In "Die Fliedertochter" begleiten wir zwei Frauen auf ihrer Reise von Berlin nach Wien. 1936 beschließt die Halbjüdin Luzie Berlin zu verlassen und in Wien ein neues Leben als Künstlerin zu beginnen. Sie ...

In "Die Fliedertochter" begleiten wir zwei Frauen auf ihrer Reise von Berlin nach Wien. 1936 beschließt die Halbjüdin Luzie Berlin zu verlassen und in Wien ein neues Leben als Künstlerin zu beginnen. Sie findet dort Freunde, Familie und die Liebe, aber auch unendliches Leid.
2018 macht sich Paulina dann auf den Weg nach Wien um dort für ihre großmütterliche Freundin Antonia ein Tagebuch in Empfang zu nehmen und auf den Spuren Luzies Wien zu erkunden. Auch für sie ändert sich durch diese Reise vieles im Leben.
Teresa Simon nimmt uns mit, und das im doppelten Sinn. Einmal begleiten wir Paulina und Luzie durch das Wien ihrer Zeit und zusätzlich leiden wir mit Luzie unter den Umständen und Grausamkeiten, die Wien während der Nazizeit beherrscht haben.

Cover und Klappentext versprechen einen Familienroman, in dem diverse Geheimnisse aufgedeckt werden. Das Buch ist jedoch viel mehr. Es ist ein Zeichen gegen das Vergessen. Es zeigt wie schlimm die Judenverfolgung in Wien losbrach, als Österreich "heim ins Reich" geholt wurde. Und wie es trotzdem möglich ist, in dieser Zeit seine Menschlichkeit zu behalten. Luzie trifft auf Menschen, die sie hassen und quälen, aber sie hat auch Menschen an ihrer Seite, die unbedingt für sie da sind und ihr helfen.
Paulinas Geschichte bringt Licht ins Dunkel von Luzies Geschichte. Mit ihr erleben wir das moderne Wien, das mit kulinarischen Köstlichkeiten, einer wunderbaren Stadt und tollen Plätzen zum Verweilen einlädt. Paulina orientiert sich hier neu, findet die Liebe und auch ihre Familie neu.

Mir hat das Buch ausgesprochen gut gefallen. Der Wechsel zwischen hell und dunkel, fröhlichem hier und jetzt und der bedrohlichen Vergangenheit ist der Autorin ganz hervorragend gelungen. Durch die Zeitsprünge hat man immer wieder die Möglichkeit, das Gelesene sacken zu lassen.
Der Schreibstil ist einfach toll, ich hatte Wien und auch Berlin sofort vor Augen. Die handelnden Personen waren gut ausgearbeitet und auch die Nebenfiguren hatten ein Gesicht und eine Geschichte.
Für mich ist dieses Buch auf jeden Fall eines meiner Jahreshighlights. Da ich von der Autorin sonst noch nichts gelesen habe, wandern ihre weiteren Bücher auf meine to-read-Liste.

Von mir eine absolute Leseempfehlung für dieses berührende Buch!