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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.06.2023

Wichtige und schockierende Einblicke

Ich, ein Sachse
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"Ich, ein Sachse" erzählt, wie Samuel Meffire der erste Schwarze Polizist in Ostdeutschland wurde. Eingestiegen wird in der frühen Kindheit, wie sich seine Eltern kennengelernt haben, welches Mindset die ...

"Ich, ein Sachse" erzählt, wie Samuel Meffire der erste Schwarze Polizist in Ostdeutschland wurde. Eingestiegen wird in der frühen Kindheit, wie sich seine Eltern kennengelernt haben, welches Mindset die Gesellschaft in der DDR geprägt hat und welchen Widrigkeiten sich die Familie entgegenstellen musste. Samuel, Afrodeutscher, Sohn einer weißen Mutter und eines Schwarzen Vaters, der jedoch am Tag von Samuels Geburt umgebracht wurde und den er nie kennengelernt hat, erlebt schon während seiner Kindheit Gewalt und Härte. Während Rassismus in der DDR zwar unterschwellig vorhanden war, aber hinter dem Mantel des Sozialismus recht gut verdeckt wurde, änderte sich die Situation für Samuel mit der Wende.
Plötzlich gab es Hetzjagden durch Nazis, Überforderung und fehlende Eingriffe der Polizei und verdammt viel Gewalt.
Samuel Meffire kommt selbst zur Polizei, rutscht dann ab in die Kriminalität und durchlebt insgesamt einen Alltag, der von Rassismus und Gewalt geprägt ist.

Erzählt wird ausschließlich in Form von Rückblicken, die nicht unbedingt chronologisch sind und mich tatsächlich des Öfteren total rausgebracht haben, weil ich die Zeit und das Setting nicht direkt einordnen konnte. Da hätte mir eine Chronologie den Lesefluss erleichtert. Andererseits erzählt Samuel Meffire von den verschiedensten Stationen seines Lebens, den entsprechenden Herausforderungen und die gesellschaftliche und politische Situation. Die Perspektive eines Schwarzen - aufgewachsen in Ostdeutschland, mit direktem Bezug zur DDR und dem erlebten Wandel im Zuge der Wiedervereinigung - auf die deutsch-deutsche Geschichte hat Samuel Meffire hier exemplarisch sehr eindrücklich und teilweise sehr schockierend dargestellt. Das sind Aspekte, die mehr Aufmerksamkeit und vor allem Aufarbeitung benötigen - und vor allem als Bestandteil der deutsch-deutschen Geschichte vermittelt werden sollte, gerade im Blick auf die aktuelle politisch-gesellschaftliche Lage.

Veröffentlicht am 21.06.2023

Kleinstadtdrama

Dunkelzeit
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In der Kleinstadt Gunthrum in Nebraska verschwindet das junge Mädchen Peggy im Jahr 1985 spurlos am ersten Wochenende der Jagdsaison. Hal, ein geistig behinderter Landarbeiter, der bei dem Ehepaar Alma ...

In der Kleinstadt Gunthrum in Nebraska verschwindet das junge Mädchen Peggy im Jahr 1985 spurlos am ersten Wochenende der Jagdsaison. Hal, ein geistig behinderter Landarbeiter, der bei dem Ehepaar Alma und Clyle arbeitet und den Status eines Pflegekindes innehat, war an diesem Wochenende mit Männern aus der Stadt jagen und benimmt sich danach merkwürdig. Außerdem weist sein Auto Unfallspuren und Blutspuren auf der Ladefläche auf. Dass er eine Hirschkuh geschossen hat, glaubt in Gunthrum niemand. Stattdessen wird er verdächtigt, für das Verschwinden von Peggy verantwortlich zu sein. Auch Alma und Clyle müssen sich die Frage stellen, wie gut sie Hal tatsächlich kennen und ob er tatsächlich unschuldig ist.

Wie ich es bei einem Kriminalroman, der in einer beschaulichen Kleinstadt spielt, erwartet habe, plätschert die Handlung eher dahin als dass actionreich und mit schnellen Wendungen und Überraschungen erzählt wird. Erin Flanagan beschreibt die einzelnen Figuren anschaulich und die oftmals beklemmende Kleinstadt-Atmosphäre sehr gut. Der Drang der Bewohner*innen, einen Schuldigen zu finden und die vermeintlich naheliegende Erklärung, dass nur Hal der Täter sein kann, wurde sehr deutlich.

Die Entwicklungen sind nachvollziehbar, die wichtigen Ermittlungsschritte werden größtenteils durch Milo, Peggys kleinen Bruder, erreicht und die Auflösung erscheint mir schlüssig - gerade für die Zeit.

Ein solider Kriminalroman mit sehr ländlichem Kleinstadt-Flair.

Veröffentlicht am 21.06.2023

Die erste große Liebe

Wo der Seewind flüstert. Die St.-Peter-Ording-Saga
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"Wo der Seewind flüstert" spielt im Jahr 1959: Sabine hat gerade die Frauenfachschule beendet und wird nach dem Sommer ihre Ausbildung beginnen. Nach all der Anstrengung möchte sie mit Freundin Rita, ihrem ...

"Wo der Seewind flüstert" spielt im Jahr 1959: Sabine hat gerade die Frauenfachschule beendet und wird nach dem Sommer ihre Ausbildung beginnen. Nach all der Anstrengung möchte sie mit Freundin Rita, ihrem Bruder und dessen besten Freund an den Gardasee fahren. Doch ihre Tante in Nordfriesland braucht Hilfe in St. Peter-Ording, weshalb Sabine ihren Sommer bei ihr statt in Italien verbringen und ihr dort aushelfen muss. Bereits nach den ersten Tagen genießt Sabine die Arbeit bei ihrer Tante und hilft zusätzlich noch im Strandcafé aus, was ihr große Freude bereitet. In St. Peter gefällt es ihr so gut, dass sie gar nicht in den Ruhrpott zurückmöchte. Zu gewissen Teilen liegt das auch an Tom, der sich um die Strandkörbe kümmert und ein Auge auf Sabine geworfen hat.

Tanja Janz hat mich vor allem mit ihrem sprachlichen Ausdruck und dem transportierten Zeitgeist überrascht, da ich sowohl die Atmosphäre im Buch, die beschriebenen Zustände als auch die Sprache sehr passend und authentisch für die späten 50er Jahre empfinde. Ich brauchte die ersten Kapitel, um mich einzufinden, um Sabine kennenzulernen und mir die Denkweisen und Werte aus der Zeit vor Augen zu führen, ab dann konnte ich abtauchen und an Sabines Seite den Sommer in St. Peter-Ording, die zarten Gefühle der ersten großen Liebe und die Rückkehr ins graue Duisburg erleben.
Ein schöner auftakt der Saga, ich bin gespannt auf den nächsten Teil und freue mich, dann mehr aus St. Peter-Ording zu lesen!

Veröffentlicht am 14.06.2023

Düstere Abgeschiedenheit

Wolfskinder
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Die abgelegene Siedlung Jakobsleiter befindet sich hoch in den Bergen und fernab der Zivilisation. Für die einen wäre das die absolute Freiheit, für andere die vollständig Isolation. Jesse und Rebekka ...

Die abgelegene Siedlung Jakobsleiter befindet sich hoch in den Bergen und fernab der Zivilisation. Für die einen wäre das die absolute Freiheit, für andere die vollständig Isolation. Jesse und Rebekka steigen täglich hinab, um die Schule zu besuchen - bis Rebekka verschwindet. Obwohl Jesse Jakobsleiter und die Regeln dort, den Umgang mit der Natur und den anderen Bewohner*innen kennt, fängt er an, all dies zu hinterfragen. Denn den Kindern in Jakobsleiter wird von kleinauf beigebracht, dass in der Stadt das Böse wohnt. Rebekka hat das nicht geglaubt und wollte die Siedlung verlassen. Und außer ihr sind im Laufe der letzten Jahre mehrere junge Frauen verschwunden - unter anderem auch Juli, die Freundin der Journalistin Smilla, die nun nach Rebekkas Verschwinden wieder auf Jakobsleter aufmerksam wird und einen Zusammenhang sieht.

Vera Buck hat es geschafft, mich mit ihrer spannenden und packenden Erzählweise von der ersten Seite an zu fesseln. Die wechselnden Erzählperspektiven, die sehr anschaulichen Schilderungen vom Leben in Jakobsleiter und vor allem Jesses Gedanken und Emotionen dazu fand ich sehr interessant. Die Auflösung war absehbar und nicht super überraschend, aber den Weg dorthin habe ich genossen und konnte mich ganz in die düstere, abgeschiedene Atmosphäre der Bergsiedlung einlassen.

Veröffentlicht am 14.06.2023

Eine Geschichte über Freundschaft

Es war einmal in Brooklyn
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"Es war einmal in Brooklyn" spielt im Sommer 1977 in Brooklyn, wo David und Juliette Tür an Tür leben. Seit ihrer Kindheit sind sie beste Freundinnen, erzählen sich alles und sehen sich für immer an der ...

"Es war einmal in Brooklyn" spielt im Sommer 1977 in Brooklyn, wo David und Juliette Tür an Tür leben. Seit ihrer Kindheit sind sie beste Freundinnen, erzählen sich alles und sehen sich für immer an der Seite desder anderen. Doch in diesem Jahr, beide sind 17 Jahre alt, wird alles anders. Während Juliette nach ihrem Schulabschluss ans College gehen wird, setzt sich David mit der Diagnose einer tödlichen Krankheit auseinander und weiß nicht, wie lange er überhaupt noch leben wird. Juliette lernt den attraktiven und charmanten Pizzaboten Rico kennen, verliebt sich Hals über Kopf und distanziert sich von David. Der hingegen stellt fest, dass er Juliette liebt - doch hat er gegen Rico überhaupt eine Chance? Ein stundenlanger Stromausfall ändert alles...

Ich mag Romane über Freund*innenschaften und Entwicklungsgeschichten sehr gern. Syd Atlas' Schreibstil hat mir gut gefallen und ich mochte die wechselnden Erzählebenen aus Gegenwart und Rückblenden, die von der Kindheit und frühen Jugend von Juliette und David erzählen und ein Bild ihrer Freundschaft zeichnen. Dennoch blieben die beiden Figuren für mich eher blass und haben mich nur selten berührt. Ich kann gar nicht sagen, weshalb es mir nicht gelungen ist, eine emotionale und berührende Verbindung zu den beiden aufzubauen, aber so habe ich einige Stellen eher halbherzig gelesen. Dennoch mochte ich den Plot in seinen Grundzügen und konnte vor allem das Ende gut nachvollziehen.

Ein gelungener Roman mit Lokalkolorit aus Brooklyn und sommerlichem Flair.