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Veröffentlicht am 06.04.2022

Währt Schuld ewig?

Es ist schon fast halb zwölf
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Zdenka Becker ist eine niederöstereichische Autorin, geboren in der Slowakei, die nicht weit entfernt von mir wohnt. Ich bin sehr froh, dass ich sie vor einigen Jahren entdeckt habe und verfolge seitdem ...

Zdenka Becker ist eine niederöstereichische Autorin, geboren in der Slowakei, die nicht weit entfernt von mir wohnt. Ich bin sehr froh, dass ich sie vor einigen Jahren entdeckt habe und verfolge seitdem ihre Autorenkarriere. Ihr neuer Roman erzählt die Geschichte eines älteren Paares mit Rückblicken in Briefform.

Hilde und ihr dementer Mann Karl leben in ihrem Haus im fiktiven Fischbach in der Nähe der niederösterreichischen Landeshauptstadt. Der Großteil ihres Lebens ist vorüber und Hilde steht vor der Entscheidung, ob sie und ihr Mann ins Seniorenheim ziehen sollen, so wie es ihre Kinder vorgeschlagen haben. Noch hat sie einen netten Zivildiener, der ihr im Garten hilft und eine Nachbarin, die ihr im Haushalt zur Hand geht. Doch Hilde spürt ihre alten Knochen und Karl lebt bereits größtenteils in der Vergangenheit. Doch bevor sie ihr Haus verlassen, muss Hilde noch die Kiste mit den Briefen, die ein Geheimnis enthalten, finden. Die Schuld, die auf ihr lastet, darf nicht an die Öffentlichkeit dringen...
Bevor das Haus verkauft wird, möchte Hilde die Briefe nochmals lesen, die ihr Karl geschrieben hat, als sie frisch verlobt waren und er in den Krieg ziehen musste....

Die Idee zu diesem Roman hatte Zdenka Becker, als sie beim Umbau ihres Hauses auf dem Dachboden alte Briefe gefunden hat. Einige davon hat sie als Vorlage genommen und darumherum eine fiktive Geschichte gewebt. Wir begleiten Hilde, die mit ihrer Schwester und deren Tochter auf dem heimatlichen Hof schwer schuften mussten, während Hilde Verlobter Karl in den Krieg zieht. Wie viele andere Frauen sind sie auf sich selbst gestellt und müssen "ihren Mann stehen".
Zu Beginn steht Karl noch hinter dem Gedanken des NS-Regimes, während Hilde eher skeptisch ist. Als er in Berlin eingesetzt wird, versuchen sie durch den Briefwechsel ein kleines Stück Nähe und Verbundenheit zu erleben. Doch Karl arbeitet als Ingenieur im Flugzeugbetrieb und darf nichts über seinen genauen Aufenthalt oder seine Arbeit schreiben. So bleiben die Briefe oft emotionslos und wirken einseitig. Zu dieser Zeit wurde auch nicht wirklich viel über Gefühle gesprochen und der Krieg hat den Menschen zusätzlich einiges abverlangt. Die Briefe sind in einfachen Worten gehalten, passend zum schulischen Abschluss von Hedi. Trotzdem konnte ich nicht wirklich die Liebe zwischen den Beiden spüren....

Zdenka Becker erzählt in ihrem neuen Roman eine Geschichte, wie sie wohl viele Menschen während des Zweiten Weltkrieges erlebt haben: Trennung, Schmerz und Verlust. Dazu kommt noch die Darstellung der Rolle der Frau zu dieser Zeit, die sich nach dem Krieg wieder wandelte. Erschreckend waren für mich so einige Parallelen zum Beginn des Zweiten Weltkrieges mit dem Krieg in der Gegegenwart.

Der Roman ist leise und eine Form von Briefroman - aber nicht nur. Gefallen hat mir der Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Dem Geheimnis in der Vergangenheit kam ich ein kleines bisschen auf die Spur, allerdings nur einem Teil davon. Die Figuren sind authentisch, blieben mit allerdings in den Briefen zu emotionslos. In der Gegenwart konnte ich Hilde viel besser greifen. Hier wird auch sehr deutlich, wie es älteren Menschen geht, denen es schwer fällt loszulassen.
Die Zeit während des Krieges wurde sehr bildhaft dargestellt. Der Unterschied zwischen Stadt und Land war eklatant. Die Gefühle von Hilde, die kurze Zeit in Berlin bei ihrem Mann lebte und sich dort nicht heimisch fühlte, war für mich spürbar. Zerrissen zwischen ihrer Schwester, die ihre Hilfe auf dem Hof benötigte und dem Wunsch endlich ihren Verlobten zu heiraten und mit ihm gemeinsam in Berlin zu leben, reiste Hilde zwischen Fischbach und Berlin hin und her und war doch nicht glücklich. Mich erinnert einiges an die Situation einer Mutter in der Gegenwart, die sich oft zwischem ihrem Job und ihren Kindern aufreibt und immer das Gefühl hat, nicht genug gegeben zu haben.
Das Ende war berührend und hat mir gut gefallen.

Fazit:
Ein leiser Roman, der einen Einblick in eine ganz normale Familie gibt, die während des Zweiten Weltkrieges zu überleben versuchte. Dass es dabei auch ein kleines kriminelles Geheimnis gibt, erweckt die Neugier des Lesers. Ein Buch, das auf leise Art nachdenklich macht.

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Veröffentlicht am 31.03.2022

Story of my Life

It’s My Life
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Bon Jovi sind seit meinen Zwanzigern aus meiner alten CD Sammlung und aus meiner Playlist nicht mehr wegzudenken. In ewiger Erinnerung wird mir der Morgen meines Hochzeitstages bleiben, an dem ich "Livin* ...

Bon Jovi sind seit meinen Zwanzigern aus meiner alten CD Sammlung und aus meiner Playlist nicht mehr wegzudenken. In ewiger Erinnerung wird mir der Morgen meines Hochzeitstages bleiben, an dem ich "Livin* on a Prayer" in Dauerschleife zur Beruhigung gespielt habe. Manche werden nun etwas irritiert schauen, aber für mich war es einfach genau das perfekte Lied. So richtig entdeckt habe ich die Gruppe nämlich nicht in den Achzigern, sondern 1993, als sie mit "Keep the Faith" auf Tour gingen und ich in Wien live dabei war. Zwei weitere Konzerte später und nun gemeinsam mit meiner Tochter, die ich mit der Musik angesteckt hatte, sind wir dann 2013 - zwanzig Jahre nach meinem ersten Livekonzert - zusammen als Fanclub Mitglieder in der Krieau in Wien dabei gewesen. Danach wurde der Sound ein etwas anderer und konnte mich nicht mehr so packen.... Fan bin ich trotzdem geblieben. Und genau deshalb habe ich mich wahnsinnig gefreut, dass ich diese Biografie lesen durfte.

Pünktlich zu Jon's 60. Geburtstag am 2. März bringt uns Musikjournalist und Autor Jürgen Seibold das Leben des US-Rockstars in dieser Biografie näher. Der Autor hat bereits 1991 die erste Biografie über Jon Bon Jovi geschrieben, was mich sehr überrascht hat.
"It's my life" beginnt mit den Kinder- und Teenagerjahren und Jon's erst langsam aufkeimender Liebe zur Musik. Sein Ehrgeiz und sein Wunsch ein Rockstar zu werden, hat der Autor sehr gut dargestellt und mit einigen lustigen Anekdoten versehen. Die Musikszene in New Jersey war äußerst lebendig. Bruce Springsteen trat in der Nachbarschaft auf und war für Jon ein absolutes Vorbild.
Fasziniert habe ich über den Aufstieg der Band gelesen. Vorallem die erste Hälfte der Biografie hat mich sofort gepackt und ich bin nur so durch die Seiten geflogen. In der Mitte findet man zusätzlich einige ausgewählte Farbfotos, die die Bandgeschichte, sowie Jon's Ausflüge zum Filmset dokumentieren.
Die zweite Hälte fand ich dann etwas schwächer. Vielleicht ist es aber auch der Tatache geschuldet, dass ich die meisten Fakten bereits kenne. Verglichen zur musikalischen Biografie "Mercury in München", die explizit über die Jahre von Freddie Mercury und Queen in der bayrischen Metropole erzählen, verliert Jon's Biografie etwas an Spirit. Nicola Bardola erzählt sehr viel genauer und gibt vorallem mehr Hintergrundwissen bekannt als Jürgen Seibold in dieser Biografie. Die Fakten über Jon in den 2000er Jahren finde ich auch größtenteils auf Wikipedia. Hier hätte ich mir mehr Einblicke hinter die Kulissen gewünscht. Trotzdem hat es der Autor geschafft, mir den Menschen Jon Bongiovi noch näher zu bringen. Sein Einsatz für Bedürftige, wie auch sein Ehrgeiz, seine Liebe zur Familie und die Musik als sein Lebensmittelpunkt machen den Rockstar zu einem außergewöhnlichen Menschen.

Im Anhang befindet sich eine Diskografie der Band, sowie der Solokarriere von Jon und der Filmografie mit allen Auftritten in Film und Fernsehen von Jon Bon Jovi.
Und nun werde ich mir mal meine CD holen und Musik von Bon Jovi aufdrehen

Fazit:
Für jeden Bon Jovi Fan ist diese Biografie ein MUSS, auch wenn ich keine 5 Sterne dafür vergeben kann. Vorallem die erste Hälfte fand ich großartig, danach sackte die Biografie (für mich) etwas ab. Trotzdem gehört dieses Buch in jedes Bücherregal eines Bon Jovi Fans.

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Veröffentlicht am 30.03.2022

Biografisches Sachbuch, das unter die Haut geht

Versteckt vor aller Augen
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Bei diesem Buch von Pieter van Os handelt es sich nicht um einen Roman, sondern um ein Sachbuch bzw. eine Biografie, die der Autor mit vielen weiteren Informationen und Quellen verbunden hat. Der Einstieg ...

Bei diesem Buch von Pieter van Os handelt es sich nicht um einen Roman, sondern um ein Sachbuch bzw. eine Biografie, die der Autor mit vielen weiteren Informationen und Quellen verbunden hat. Der Einstieg fiel mir etwas schwer, da ich doch eher eine Romanbiografie erwartet hatte. Die Lektüre benötigt höchste Konzentration und Aufmerksamkeit.

Die im Klappentext beschriebene Lebensgeschichte von Mala Rivka Kizel, deren Erinnerungen Pieter van Os akribisch recherchiert hat, bildet die Kerngeschichte.
Mala wurde in einer streng jüdisch-orthodoxen Familie in Warschau geboren. Sie erinnert sich zurück an ihre Familie, das Warschauer Ghetto, ihre Flucht und weitere Lebenstationen. Diese versuchte der Autor aufzufinden, was nicht immer einfach war. Die Erinneurngen von Mala decken sich nicht immer mit den von ihr angegeben Orten und Beschreibungen. Einige schwer zu findende Dörfer befinden sich an der polnisch- ukrainischen Grenze, wie auch in der Ukraine. Ihr weiterer Lebensweg führte Mala nach Magdeburg und zur erwähnten Familie, die Hitler und seiner Ideologie nahe stand. Wie es Mala gelang dort zu landen, müsst ihr selbst lesen.
Was man aber auf jeden Fall sagen kann ist, dass Mala wirklich großes Glück hatte. Dabei half ihr sicher auch ihr äußeres Erscheinungsbild (blond und blauäugig), wie auch ihr Charme und ihre Sprachkenntnisse.

Das Buch ist vollgepackt mit Fakten und politischen Zusammenhängen rund um die Zeit des Zweiten Weltkrieges. Entsetzt hat mich die Haltung der Polen gegenüber den Juden. Diese spielt eine ganz besonders große Rolle. Gleich zu Beginn wird auch Mala vermittelt, dass es Polen und Juden gibt, aber keine polnische Juden. Der Hass und die Verleumdungen der polnischen Bevölkerung gegenüber den Juden hat mich entsetzt, vorallem weil normaler Weise nur Deutsche und Österreicher als Judenhasser bekannt sind und dies noch immer in der dritten und vierten Generation zu spüren bekommen. Die Polen werden dabei nicht erwähnt.
Diesen Hass findet man aber in Polen auch noch in der Nachkriegszeit. Überlebende aus den KZs wurden von der polnischen Bevölkerung wieder vertrieben.

Der Schreibstil ist sachlich und detailliert. Der Autor schweift immer wieder ab, um genannte Figuren oder Orte zu analysieren und näher zu beschreiben. Oftmals schließt sich wieder der Kreis zu Mala oder ihrer Familie. Der Autor vermittelt neben der Geschichte um Mala viel Fachwissen rund um den jüdischen Glauben, den Widerstandskämpfern oder verschiedene Lebensweisen, wie auch ein Blick auf Israel und die Entstehung des Staates. Dies fand ich besonders interessant, weil es mir, den bis heute andauernden Kampf zwischen Israel und Plästina, näher gebracht hat.
Am Anfang des Buches befindet sich eine Karte und ein Stammbaum

Erschreckend fand ich so einige Parallelen zum momentanen Ukraine-Krieg. Hitlers Strategien und seine ungerechtfertigte Kriegserklärung an Polen ähnelt auf schrecklicher Weise der von Putin. Auch die Ziele und Aussagen haben ein vergleichbares Muster und bereiten mir Angst.


Fazit:
Dieses biografische Sachbuch ist ein Stück Zeitgeschichte, das hervorragend recherchiert wurde und mir viele neue Einblicke geboten hat, obwohl ich schon sehr viel Lektüre zum Zweuien Weltkrieg und #gegendasvergessen gelesen habe. Ich hätte mir allerdings "etwas mehr Mala" gewünscht. Trotzdem empfehle ich dieses Buch auf jeden Fall an alle Interessierten zum Thema weiter.

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Veröffentlicht am 27.03.2022

Die Apfelmänner

Steirerwahn
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Nachdem mich der letzte Band der Reihe nicht ganz abholen konnte, hat Claudia Rossbacher diesmal wieder mehr Spannung und auch neue Themen in ihren zwölften Band rund um Sascha Bergmann und Sandra Mohr ...

Nachdem mich der letzte Band der Reihe nicht ganz abholen konnte, hat Claudia Rossbacher diesmal wieder mehr Spannung und auch neue Themen in ihren zwölften Band rund um Sascha Bergmann und Sandra Mohr eingebaut. Natürlich sind wir wieder in der Steiermark angesiedelt und zwar entlang der Steirischen Apfelstraße. Wir Österreicher wissen, dass "frisch, saftig, steirisch" für steirische Äpfel steht.

Sascha ist diesmal alles ander als "amused", als er nicht den erwünschten Chefposten im LKA Graz bekommt. Noch schlimmer wird es für ihn allerdings, als seine Ex-Verlobte Nicole Herbst den Job antritt. Doch Zeit zum Schmollen bleibt ihm nicht wirklich, denn er wird noch auf der Einstandsfeier zu einem Mord in die idyllische Apfelstraße nach Puch bei Weiz gerufen. Ein Obstbauer liegt, mit einem Strick erdrosselt und einer ominösen Kugel im Mund, vor seinem Haus. Schnell stellt sich heraus, dass der Tote zu den sogeannten "Apfelmännern" gehört. Die Gruppe besteht aus eingefleischten und lange ansäßigen Obstbauern. Jedes Jahr ziehen sie sich für ein paar Tage zurück in Klausur um ihren geheimnisvollen Apfelschnaps, den "Abakus", zu brennen. Dazu gehören strenge Regeln, eine Kutte als Bekleidung und völlige Geheimhaltung der Rezeptur. Nun liegt am ersten Tag ihrer geheimen Zusammenkunft einer von ihnen tot vor seinem eigenen Haus. Doch es soll nicht der letzte tote Apfelmann sein....

Claudia Rossbachers zwölfter Steirerkrimi beginnt nach Auffindung des Toten gemächtlich. Doch es dauert gar nicht lange, bis der nächste tote Apfelmann aufgefunden wird und die Story an Fahrt gewinnt. Dabei greift die Autorin, neben der Aufklärung des Kriminalfalles, Themen wie Nachhaltigkeit und Biologische Landwirtschaft auf.
Sascha schlägt sich neben den Ermittlungen zum Fall zusätzlich noch mit anderen Problemen herum. Erstens die Zurückweisung des Chefpostens für den er sich beworben hat und zweitens seine neue Chefin, die für ihn keine Unbekannte ist. Nicole Herbst war vor Jahrzehnten mit ihm verlobt.
Aber nicht nur Sascha erlebt ein Auf und Ab im Privatleben. Sandra lernt Hubert Müllner kennen, der in die Wohnung ihrer ehemaligen Nachbarin einzieht. Der attraktive Mann lässt ihr Herz höher schlagen, jedoch hat er einige sehr seltsame Angewohnheiten und im Internet ist ebenfalls nichts über ihn zu finden. Obwohl Sandra kein gutes Bauchgefühl hat, trifft sie sich immer wieder mit ihm....
Mit Hubert Müllner hat Claudia Rossbacher einen sehr interessanten Charakter erschaffen, der bei mir Gänsehaut erzeugt. Ich bin schon sehr gespannt, was sich daraus entwickeln wird....

Die Mischung aus Kriminalfall und Privatleben der beiden Ermittler ist wieder sehr gut gelungen. Die kleinen Sticheleien zwischen Sascha und Sandra sind diesmal ein bisschen zurückhaltender geworden. Trotzdem sind die kleinen Kabbeleien wieder das Salz in der Suppe. Natürlich spielt bei dieser Reihe das Lokalkolorit eine große Rolle.
Das Cover mit dem Herz passt wieder hervorragend zum Erkennungsmerkmal der Reihe. Diesmal ist es aus einer Sisalschnur gelegt und von Blutstropfen umgeben.

Fazit:
Wieder ein interessanter Fall aus der Steiermark, der mich gut unterhalten hat und mit zwei neuen Figuren frischen Wind in die Reihe bringt. Durch die geheimnisvollen Apfelmänner bekommt der Krimi einen ganz besonderen Touch.

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Veröffentlicht am 19.03.2022

Kllimakatastrophe im 18. Jahrhundert

Eisflut 1784
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Marco Hasenkopf erzählt in seinem historischen Roman die Geschichte der großen Eisflut im Jahre 1784. In Mülheim am Rhein und der verfeindeten Stadt Cöln herrschen Eiseskälte, Hunger und Not. Durch einen ...

Marco Hasenkopf erzählt in seinem historischen Roman die Geschichte der großen Eisflut im Jahre 1784. In Mülheim am Rhein und der verfeindeten Stadt Cöln herrschen Eiseskälte, Hunger und Not. Durch einen Vulkanausbruch in Island bricht dieses seltene Wetterphänomen über die Menschen herein und bringt eine gigantische Naturkatastrophe ins Rollen.
Das streng katholische Cöln ist deswegen voll von Wanderheilern und fanatischen Frömmlern, die das Ende der Welt voraussagen. Statt die Deiche am Rhein zu erhöhen, um die Hochwassergefahr für die Stadt zu bannen, ruft man die Menschen auf Buße zu tun. Gleichzeitig feiern die Adeligen ausgelassen Feste rund um die Zeit des Karnevals, als gäbe es kein Morgen. Karnevalistische Exzesse stehen den bigotten Prozessionen gegenüber...was für ein Bild!
Während die Menschen jeden neuen Tag hoffen, dass die Temperaturen endlich ins Plus steigen, damit die Zeit der Aussaat bald beginnen kann und die Aussicht auf eine reiche Ernte steigt, bleibt die Kälte und der Schnee bestehen.
Im etwas gemäßigteren Mülheim werden zwar Andersgläubige nicht verfolgt, trotzdem ziehen auch hier plünderne Räuberbanden durch die Gegend. Kaum jemand hat mehr Vorräte oder genug zu essen. Deswegen wird Henrik Freiherr van Venray, Amtmann für policeyliche Wohlfahrterei im Dienst des bergischen Herzogs, nach Mülheim gerufen. Er soll für Recht und Ordnung sorgen und überprüfen, ob der Deich rechtzeitig und hoch genug gegen die drohende Flut gebaut wurde. Auf seinem Weg findet er die Leiche eines Mönchs, der erfroren zu sein scheint. Doch die Apothekerswitwe Anna-Maria Scheidt stellt schnell fest, dass der Mann ermordet wurde.
Sowohl Venray, als auch Anna-Maria Scheidt, werden von den Einwohnern, alles andere als wohlwollend behandelt. Die selbstbewusste Apothekerin ist einigen Mülheimern schon länger ein Dorn im Auge. Das liegt nicht nur daran, dass sie eine Frau ist, sondern auch, dass sie sich für die Armen und Kinder einsetzt.

Neben den Mordermittlungen, die Venray nach Cöln zieht und die ihn in Lebensgefahr bringen, findet er außerdem heraus, dass der vom Fürsten geforderte Deich nicht rechtzeitig fertiggestellt wurde. Nun droht eine riesige Eisflut, die Cöln und Mülheim unter sich begraben wird.....

Marco Hasenkopf hat in seinem Roman historische Begebenheiten mit der fiktiven Geschichte rund um Venray und Anna-Maria geschickt verwoben. Die Beschreibungen der damaligen Zeit, wie den Menschen, der Kleidung und den Behausungen, sind sehr bildhaft und detailliert. Religiöse und politische Konflikte beherrschen die Menschen, Machtmissbrauch und Aberglaube sind weit verbreitet. Ein Sittengemälde des späten 18. Jahrhunderts....

Die Sprache ist historisch und der Zeit angepasst. Zu Beginn benötigt man einige Zeit, um sich darin zurechtzufinden. Ich fand es jedoch hervorragend authentisch, auch wenn man natürlich die Originalsprache aus dem 18. Jahrhundert nicht verwenden kann. Trotzdem gibt es einige Begriffe, die selbst ich noch nachschlagen muss, obwohl ich sehr viele historische Romane lese.

Die Grundstimmung ist düster und man spürt die Kälte in jeder Zeile, die man liest. Besonders im letzten Drittel ist die Spannung sehr hoch und ich musste den Roman in einem Rutsch fertig lesen, denn man spürt förmlich die Katastrophe auf sich zukommen.....

Am Ende des historischen Krimis gibt es ein informatives Nachwort.

Fazit:
Wer Spannung, Mord und Totschlag in einem richtigen historischen Roman mag, dem empfehle ich diesen historischen Krimi gerne weiter.

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