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Veröffentlicht am 18.02.2018

Nicht immer leicht zu lesen, aber empfehlenswert

Der weiße Affe
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Der historische Krimi "Der weiße Affe" hat mein Interesse geweckt, als ich auf einigen Blogs sehr positive Bewertungen gesehen habe. Als es vor kurzem eine Leserunde bei Lovelybooks dazu gab, habe ich ...

Der historische Krimi "Der weiße Affe" hat mein Interesse geweckt, als ich auf einigen Blogs sehr positive Bewertungen gesehen habe. Als es vor kurzem eine Leserunde bei Lovelybooks dazu gab, habe ich mich beworben und hatte Glück.

Berlin in den Goldenen Zwanzigern. Als der junge Kommissar Ariel Spiro von Wittenberg in die Metropole Berlin kommt, wird er sofort zu seinem ersten Mordfall gerufen. Der jüdische Bankier Eduard Fromm wird erstochen im Hausflur eines Wohnhaues entdeckt. In einer der Wohnungen lebt seine Geliebte, eine deutsche Walküre, namens Hildegard Müller. Fromm hat sich bei ihr ein typisches deutsches Biedermayerleben eingerichtet. Hat das Doppelleben, das er führte, ihm den Tod gebracht?

Gemeinsam mit seinem Kollegen Ewald Bohlke versucht Spiro seinen guten Ruf gerecht zu werden und den Fall so schnell wiemöglich zu lösen. War der Mord politisch angesiedelt? Oder geschah er aus Eifersucht? Schließlich hat das Fräulein Hilde auch noch einen Verlobten....
Aber auch die wohlhabende Familie des Toten gibt einige Rätsel auf. Fürchtete der Sohn Ambros, der nicht das beste Verhältnis zum Vater hatte, um sein Erbe? Oder hat die schöne Tochter Nike, die auch Spiro den Kopf verdreht, ein Geheimnis? Aber auch zwichen Fromm und seinen Stellvetreter in der Bank, Moses Silberstein, kam es erst vor kurzem zu Unstimmigkeiten...

An Verdächtigen mangelt es also nicht wirklich. Kommissar Ariel Spiro, der vom Land in die Metropole Berlin kommt, stürzt sich bei seinen Ermittlungen eher unbewusst in das wilde Berliner Nachtleben. Von seinen neuen Kollegen wird er deshalb skeptisch beäugt. Hat Spiro etwas zu verbergen? Ist er Jude oder keiner? Ist er homosexuell, weil er in der "Zauberflöte", einem Bund für Männer, gesehen wurde? Spiro ist ein sympathischer junger Mann, der sich bei seinen Ermittlungen durch nichts aufhalten lässt. Er ist intelligent, aber auch chaotisch. Das Stadtleben ist ihm noch fremd und so tritt er auch des Öfteren von einem Fettnäpfchen ins nächste. Als ein weiterer Mord passiert, ahnen Spiro und Bohle nicht, dass die beiden Mordfälle zusammenhängen...

Neben dem Kriminalfall steht das lebenslustige Berlin der 20iger Jahre im Mittelpunkt. Die aufgekratzte Stimmung nach dem Ende des ersten Weltkrieges wird von Kerstin Ehmer wunderbar eingefangen. Auf der einen Seite haben die Menschen das Gefühl ihr Leben nach dem großen Krieg einfach genießen zu wollen. Das Vergnügen und das Ausleben der Sexualität steht bei den gehoben Schichten an erster Stelle. Hier scheint es kaum Grenzen zu geben. Auf der anderen Seite steht die Armut der Kriegsverlierer und Invaliden, der Waisen und Witwen. Kerstin Ehmer gelingt es ein äußerst authentisches Bild dieser Zeit zu vermitteln.
Auch der Berliner Dialekt, den die Autorin immer wieder einstreut, bringt noch mehr Lokalkolorit in die Geschichte und macht sie identisch.

Dazwischen gibt es immer wieder verwirrende Passagen, die in kursiver Schrift geschrieben sind. Diese Abschnitte erzählen von einem Jungen und einer grauen Königin, wilden Geistern und Affen, jungen Kriegern auf einer Südseeinsel... Immer wieder fragt man sich als Leser, was diese Passagen mit dem Rest des Krimis zu haben soll. Erst nach und nach erkennt man wohin diese Abschnitte führen und wie sie sich langsam, Puzzlestück um Puzzlestück, zueinanderfügen.

Im Allgemeinen dauerte es ebenfalls eine Weile bis ich in die Geschichte fand. Danach empfand ich aber das Konstrukt, das die Autorin hier aufgebaut hat, wirklich beeindruckend.

Schreibstil:
Der Schreibstil von Kerstin Ehmers ist poetisch und der Zeit angepasst. Trotzdem hatte ich anfangs ein bisschen Probleme damit. Das typische Berlinerische war für mich als Österreicherin manchmal schwer zu verstehen. Das lag aber weniger an die im Dialekt geschrieben Dialoge, sondern eher an den Gesamtbild, dem Lokalkolorit.

Fazit:
Ein etwas anderer historischer Krimi, der durch seine Sprache und das hervorragend dargestellte Sittengemälde der damaligen Zeit in Berlin, glänzt. Nicht immer leicht zu lesen, aber empfehlenswert.

Veröffentlicht am 17.02.2018

Die Harkness Morde

Stumme Wut
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Der Prolog des Krimidebüts von Michael Wood beginnt mit einem brutalen Massaker an der Familie Harkness. Die Eltern, Stefan und Miranda, werden brutalst niedergemetzelt, der ältere Sohn Matthew bleibt ...

Der Prolog des Krimidebüts von Michael Wood beginnt mit einem brutalen Massaker an der Familie Harkness. Die Eltern, Stefan und Miranda, werden brutalst niedergemetzelt, der ältere Sohn Matthew bleibt zuerst verschwunden, während der 11-jährige Jonathan total verstört und blutbesudelt auf der Treppe sitzt und fortan nicht mehr spricht.
Zwanzig Jahre später ist der Fall der Harkness-Morde noch immer ungelöst und kommt auf den Tisch von DCI Matilda Darke. Sie hat neun schwere Monate mit psychologischer Betreuung hinter sich. Der Grund: ein ungelöster Entführungsfall eines kleinen Jungen und der Tod ihres Mannes. Der stellvertretende DC Ben Hales ist über die Rückkehr alles andere als erfreut. Er sah sich bereits als neuer Chef der Abteilung und hat nur Verachtung für Matilda übrig. Als ein Mord in der Innenstadt von Sheffield geschieht, der im Zusammenhang zum alten Harkness-Fall stehen könnte, gibt Hales seine Informationan nicht an Matilda weiter....

Matilda scheint ein Abzugbild der typischen männlichen Ermittler zu sein. Sie hat ihr Trauma noch immer nicht überwunden und versucht ihren Kummer im Alkohol zu ertränken. Der alte Fall und die Degradierung in eine kleine Kammer im Untergeschoß hebt Matildas Selbstvertrauen nicht wirklich. Ihr zur Seite stehen ihr neuer Kollege, der junge DC Rory Fleming, als auch Pathologin Adele, ihre beste Freundin. Trotz ihrer noch vorhandenen Probleme hängt sich Matilda in den alten Fall hinein, der plötzlich wieder an Aktualität gewinnt, als die Harkness Villa abgerissen wird. Sie sucht den nun erwachsenen Jonathan auf und erkennt in ihm einen sehr verstörten Mann, der nie über das damalige Geschehen hinweg gekommen ist und der sich in seiner eigenen Welt vergräbt. In Vielem scheint er ihr ähnlich zu sein...
Der rätselhafte Journalist Charlie Johnson, der ein Buch über die Harkness Morde geschrieben hat, weiß anscheinend mehr, als Matilda in den alten Unterlagen im Polizeiarchiv finden kann. Der ganze Fall wirft viel zu viele offene Fragen auf. Das Motiv für die Morde fehlt gänzlich...

Die Figuren sind sehr authentisch und facettenreich. Es gibt keine stereotypischen Charaktere, die nur gut oder böse sind. Sie sind bis in die kleinsten Nebenfiguren sehr anschaulich und lebendig dargestellt. Der Spannungsbogen steigt stetig und durch raffinierte und überraschende Wendungen ist man stets am zweifeln und rätseln.

Das Privatleben der Ermittler spielt in diesem Krimi eine große Rolle. Doch auch die Nachforschungen kommen nicht zu kurz und laden zum Miträtseln ein. Im letzten Drittel hat man als versierter Krimileser allerdings schon eine Ahnung, wer der Täter sein könnte. Einige Unstimmigkeiten haben mich etwas stutzen lassen, aber im Großen und Ganzen ist "Stumme Wut" sehr spannend erzählt und es fällt einem schwer das Buch zur Seite zu legen. Die Auflösung ist nicht ganz überzeugend und das Tatmotiv fand ich etwas unbefriedigend. Trotzdem eine Reihe, die ich gerne weiter verfolgen würde.

"Stumme Wut" ist der Auftakt einer neuen Krimreihe um DCI Matilda Darke von der Mordkommission Sheffield.

Schreibstil:
Michael Woods erster Krimi lässt sich sehr gut und flüssig lesen. Der Schreibstil ist intensiv, das Erzähltempo rasant. Die Spannung wird gekonnt aufgebaut. Mit falschen Fährten und überraschenden Wendungen vermag der Autor zu erstaunen. Die Charaktere sind sehr facettenreich dargestellt. Die 54 Kapitel sind eher kurz gehalten.

Fazit:
Ein spannendes Debüt, das zum Miträtseln einlädt. Überraschende Wendungen und falsche Fährten geben dem Krimi noch mehr Tempo. Facettenreiche Charaktere runden die Geschichte perfekt ab. Die Auflösung war mir dann aber nicht ganz überzeugend. Ich gebe schwache 4 Sterne für den rasanten englischen Krimi und bin schon gespannt auf die Nachfolgebände dieser neuen Reihe.

Veröffentlicht am 22.01.2018

Weißes Gold - Die Salzpiratin

Die Salzpiratin
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Beate Maly hat für ihren neuen historischen Roman diesmal nicht ihren üblichen Schauplatz Wien, sondern als Setting den Traunsee gewählt. Es geht zurück ins Jahr 952. Auf der kleinen Halbinsel unterhalb ...

Beate Maly hat für ihren neuen historischen Roman diesmal nicht ihren üblichen Schauplatz Wien, sondern als Setting den Traunsee gewählt. Es geht zurück ins Jahr 952. Auf der kleinen Halbinsel unterhalb des Traunsteins lebt die 16jährige Ursel mit ihren Eltern und drei Brüdern: Rainer, Hans und Nikolaus. Am liebsten hält sich das Mädchen in der freien Natur auf, geht mit ihren Brüdern auf die Jagd und besitzt die Fertigkeit professionelle Bögen zu schnitzen. Ihre behütete Kindheit hat ein jähes Ende als Graf Wilhelm von Chiemgau nach einer "göttlichen Erscheinung" veranlasst den Gutshof niederzubrennen und niemand am Leben zu lassen. An dieser Stelle soll ein Kloster gebaut werden. Am längsten Tag des Jahres, als die Menschen die Sonnenwende feiern, wird sein Befehl ausgeführt. Nur Ursel und ihr behindertet Bruder Nikolaus überleben den brutalen Überfall. Während Nikolaus für den Grafen keine Gefahr darstellt, muss Ursel fliehen. Sie verkleidet sich als junger Bursche und flüchtet sich zu den Salzpiraten. Der Gedanke, sich irgendwann am Grafen zu rächen, hält sie am Leben. Der Aufenthalt bei den Salzpiraten unter Gerold, dem Anführer der Truppe, gestaltet sich für Ursel, wegen ihrer Kenntnisse des Bogenschnitzens und ihrer hervorragenden Trefferquote bei der Jagd, ganz annehmbar. Doch die Gefahr, entdeckt zu werden ist groß.....

Die kurzweilige Geschichte ist von Anfang an spannend und man verfolgt Ursels Schicksal mit großem Interesse. Sie ist eine starke junge Frau, die keinen Gedanken ans Heiraten verschwendet und am liebsten mit ihren Brüdern im Wald unterwegs ist. Ursel ist selbstständig und mutig. Durch ihre knabenhafte Figur hat sie den Vorteil, sich als ihr Bruder Hans bei den Salzpiraten auszugeben.
Auch Peter und Steffen sind sehr gut ausgearbeitete Figuren, die sich beide um Ursel mehr oder weniger bemühen bzw. mit ihr konkurrieren. Gerold, der Anführer der Salzpiraten, ist ein Mann, den man schwer einordnen kann und der seine Launen rasend schnell wechselt. Graf Wilhelm und seine Kusine Ata, die die Äbtissin im Kloster wird, sind beide kaltherzige Menschen, die nur auf Reichtum und Macht aus sind.
Die Charaktere sind sehr gut ausgearbeitet und entwickeln sich im Laufe der Geschichte weiter. Der Roman ist bis zum Ende hin sehr abenteuerlich und ist besonders für Einsteiger ins historische Genre bestens geeignet. Das Finale war mir dann allerdings etwas übereilt.

Salz war zu dieser Zeit ein sehr wertvolles Handelsgut. Die ansäßigen Herren von Orth, zu denen auch Ursels Vater gehörte, kontrollierten den Salzhandel. Sie haben ein Abkommen mit den Salzpiraten geschlossen, damit ihre Warenlieferungen verschont blieben. Der religiöse Fanatismus und der Aberglaube sind im frühen Mittelalter sehr ausgeprägt. So konnte die Kirche oder diverse hohe Herren immer wieder ihre Machtspielchen demonstrieren.
Beate Maly hat rund um die realen Personen dieser Zeit, wie Graf Wilhelm vom Chiemgau, seinen Onkel Ottokar und die Äbtissin Ata, mit fiktiven Figuren zu einer abenteuerlichen Geschichte verwoben. Dies ist ihr vorzüglich gelungen.

Schreibstil:
Beate Maly schreibt kurzweilig und fesselnd. Man fliegt durch ihre Romane und hat das Gefühl mitten im Geschehen zu sein. Dabei lässt sie Bilder vor den Augen entstehen, die mein Kopfkino fleißig zum Rattern brachte. Es gelingt ihr dabei nicht nur die wunderschöne Landschaft rund um den Traunsee zu beschreiben, sondern auch die Charaktere sehr bildhaft entstehen zu lassen.

Fazit:
Ein spannender und abenteuerlicher historischer Roman, der sich super weg liest und auch für Anfänger des historischen Genres gut geeignet ist. Die sympathische und mutige Protagonistin schleicht sich schnell in die Herzen der Leser, der Schreibstil ist lebendig und fesselnd.

Veröffentlicht am 19.01.2018

Band 12 rund um Rizzoli & Isles

Blutzeuge
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Seit Jahren bin ich ein großer Tess Gerritsen Fan. Deswegen ist es für mich auch selbstverständlich jeden ihrer neuen Thriller zu lesen. "Blutzeuge" ist bereits der 12. Band der Reihe rund um Jane Rizzoli ...

Seit Jahren bin ich ein großer Tess Gerritsen Fan. Deswegen ist es für mich auch selbstverständlich jeden ihrer neuen Thriller zu lesen. "Blutzeuge" ist bereits der 12. Band der Reihe rund um Jane Rizzoli und Dr. Maura Isles.

In Boston wird die verstümmelte Leiche einer jungen Frau gefunden. Sie ist Produzentin für Horrorfilme und ihr Tod könnte direkt aus einem ihrer Filme stammen. Ihr wurden beide Augäpfel entnommen, die sie in ihrer Hand hält. Kurze Zeit später findet man die Leiche eines jungen Mannes, der von Pfeilen durchbohrt wurde. Sowohl bei der Frau, als auch beim Mann wurden diese Verstümmelungen post mortem zugefügt. Pathologin Dr. Maura Isles wird diesmal auf eine besondere Probe gestellt, denn sie findet bei beiden Opfern keine Todesursache. Als es weitere Tote gibt und Jane noch immer im Dunkeln tappt, stößt Maura zufällig auf einen ersten Hinweis, der mit den drappierten Leichen im Zusammenhang stehen könnte. Und auch Jane findet endlich eine Gemeinsamkeit der Opfer...

Gleich zu Beginn begleitet man eine junge Frau zu einer Beerdigung. Sie erzählt aus der Ich-Perspektive und scheint mit den Opfern etwas gemeinsam zu haben. Danach wechselt die Handlung wieder zu unserem bekannten Ermittlerpärchen. Sehr schnell ist man, wie bei Tess Gerritsen eigentlich immer, wieder mitten Geschehen. Die Ereignisse aus der Vergangenheit, das Privatleben der Ermittler und die aktuellen Mordfälle ergeben eine bunte Mischung, die spannend aufbereitet wurde. Auch das Tempo ist angenehm und man flitzt nur so durch die Seiten. Die Zusammenhänge sind lange Zeit nicht zu erkennen und so rätselt man mit Jane und Maura, welches Motiv hinter den Morden wohl dahinterstecken könnte. Dabei wechseln sich die Handlungsstränge und die Erzählperspektiven ab. Leider hatte ich ziemlich früh einen vagen Verdacht, der mir am Ende bestätigt wurde. Allerdings war diese Auflösung nur ein Teil des ganzen Falles, der noch einige überraschende Wendungen zu bieten hat.
Obwohl mir die beiden Frauen sehr ans Herz gewachsen sind, ist "Blutzeuge" meiner Meinung nach nicht der beste Thriller aus der Rizzoli/Isles-Reihe.

Schreibstil:
Die Bücher von Tess Gerritsen lassen sich alle ganz wunderbar lesen. Der Schreibstil ist fesselnd und ihre medizinschen Kenntnisse blitzen immer wieder durch. Man merkt sofort, dass hier eine Fachfrau schreibt.
Durch das Wechseln der Erzähl- und Handlungsperspektiven hat man als Leser den Vorteil, dass man die verschiedenen Sichtweisen der Figuren hautnah miterlebt.

Fazit:
Tess Gerritsen ist eine Meisterin ihres Genres und ich verpasse keines ihrer Bücher. "Blutzeuge" reiht sich nahtlos in die großartige Reihe ihrer Thriller rund um Jane Rizzoli und Maura Isles ein. Spannend geschrieben, mit überraschenden Wendungen - ich hatte kribbelige Lesestunden. Trotzdem ist der zwölfte Band nicht der beste Teil ihrer Thrillerreihe.

Veröffentlicht am 19.01.2018

Das Versprechen an Karolina

Karolinas Töchter
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Die bereits 89jährige Lena Woodward, eine Holocaustüberlebende, kommt eines Tages zu Detektiv Liam Taggert, mit der Bitte Nachforschungen über ihre Freundin Karolina und deren Zwillingstöchter anzustellen. ...

Die bereits 89jährige Lena Woodward, eine Holocaustüberlebende, kommt eines Tages zu Detektiv Liam Taggert, mit der Bitte Nachforschungen über ihre Freundin Karolina und deren Zwillingstöchter anzustellen. Sie möchte ihr Versprechen einlösen die Mädchen ausfindig zu machen, die Karolina Rachel und Leah benannt hat. Allerdings gestaltet sich die Sachlage alles andere als einfach, denn die Kinder wurden während des Zweiten Weltkrieges geboren. Lena weiß weder, ob sie überlebt haben, noch wie sie möglicherweise heute heißen und wo sie sein könnten. Keine gute Ausgangslage für Liam und seine Frau Catherine, eine Anwältin, die er um Hilfe bittet. Außerdem stellt sich die Frage, warum Lena erst jetzt nach Karolina und ihren Töchter sucht und dies nicht schon bei Kriegsende getan hat.
Noch bevor die beiden den Auftrag annehmen, erhalten sie vom Anwalt des Sohnes eine Klage. Das weckt die Neugierde von Liam und Catherine, denn Arthur möchte seine Mutter entmündigen und sie als demenzkrank erklären lassen. Er hält ihre Idee als krankhaft und die Suche als eine Wahnvorstellung.

Die Rahmenhandlung spielt in der Gegenwart, während der Hauptanteil des Buches sich um die Lebensgeschichte von Lena dreht. Die historischen Hintergründe werden mit Lenas Schicksal sehr gut zusammengeführt. In einem Handlungsstrang erfährt der Leser nun, wie sich Liam auf die Suche macht und Arthur alles versucht die Nachforschungen zu stoppen. Währendessen erzählt Lena Catherine von ihrem Leben während des Zweiten Weltkrieges.
In diesem zweiten Handlungsstrang erfahren wir von der jungen Jüdin Lena Scheinemann, geboren in Chrzanów in Polen. Ihre Eltern und ihr kleiner Bruder Milosz, der mit vier Jahren an Kinderlähmung erkrankte und seitdem im Rollstuhl sitzt, wurden 1939 deportiert und ermordet. Sie ist die einzige Überlebende in ihrer Familie. Bei ihrem Versuch zu überleben, findet sie Arbeit in der nahen Fabrik, die Kleidung für die Deutschen herstellt. Dort trifft sie ihre Freundin Karolina wieder. Gemeinsam erleben sie die Verfolgung der Juden, die im Warschauer Ghetto zusammengetrieben werden, bis hin zur Deportation nach Ausschwitz. Lena und Karolina sind zwei sehr starke und mutige Frauen. Lena begibt sich sogar für kurze Zeit in den Untergrund. In Ausschwitz angekommen, liegt das Hauptaugenmerk nur mehr darauf zu überleben. Nach und nach erfährt der Leser das Geheimnis um Karolina und ihre Töchter...

Der Autor schafft es, seine Figuren nicht einseitig darzustellen, wie ich es schon des öfteren in Geschichten rund um den Holocaust gelesen habe. Es gibt sowohl bei den Deutschen, den Polen, als auch bei den Juden gute und böse Menschen, die Lenas Weg kreuzen. Die wirklich interessanten und berührenden Erzählungen aus dem Warschauer Ghetto und anschließend aus Ausschwitz haben mich aufgewühlt und erschüttert. Den Mut und die Kraft von Lena habe ich wirklich bewundert.
Interessant fand ich auch die Ausführung des Autors, warum die Alliierten Ausschwitz und die anderen Konzentrationslager nicht bombardiert haben, obwohl sie bereits von der Endlösung wussten.

Den vielen 5 Sterne Rezensionen kann ich mich leider trotzdem nicht anschließen. Dazu habe ich einige Kritikpunkte!
Besonders im Vergangenheitsstrang fielen mir einige Recherchefehler und Ungereimtheiten auf. Das beginnt damit, dass 1943, als die Menschen nicht nur in Polen hungerten, wohl kaum jemand Bananen zur Verfügung hat und diese austeilt - nicht einmal auf dem Schwarzmarkt. Ebenso gibt es im Winter im Ghetto keine Kohle zum Heizen. Lena und Karolina erhalten von einem deutschen Soldaten eine kleine Ration davon. Ich finde es allerdings unvorstellbar, dass niemand bemerkt, dass plötzlich in einem einzigen Haus im Ghetto Rauch aufsteigt!
Das KZ Mauthausen lässt der Autor zwar in Österreich angesiedelt, allerdings liegt es plötzlich nördlich von Chrzanów....hm...
Liam sucht nach einem Mann namens Müller in Deutschland - und wird fündig! Ist ja ein sehr seltener Name Sarkasmus aus
Ein weiterer Kritikpunkt war für mich die plötzliche Wandlung einer Figur zum Ende hin, die ich nicht nachvollziehen konnte. Diese ändert sich auf wenigen Seiten wirklich um 180 Grad - für mich absolut unvorstellbar!
Ihr seht, die Kritikpunkte häufen sich leider. Trotzdem kann ich sagen, dass der Roman mich trotzdem nicht kalt gelassen hat und so einige Überraschungen bereit hält.

Die Lebensgeschichte von Lena Scheinemann/Woodward hat der Autor in Anlehnung an das Leben von Fay Scharf Waldman geschrieben - in Gedenken an die unzähligen Opfer des Holocaust.

Schreibstil:
Der Schreibstil von Ronald H. Balson hat mir anfangs ein bisschen Mühe bereitet. Die kurzen und eher einfachen emotionslosen Sätze haben mich nach dem Lesen eines Buches, das mich zuvor total vereinnahmt hat, anfangs eher unzufrieden zurückgelassen. Erst mit der Zeit fand ich in die Geschichte hinein, die mich dann allerdings - bis auf die Recherchefehler - doch noch abholen konnte.

Fazit:
Eine interessante und berührende Geschichte über das Schicksal einer polnischen Holocaustüberlebenden, die allerdings wegen einiger Recherchefehler (obwohl der Autor bereits mehrere Romane zu diesem Thema geschrieben hat) keine fünf Sterne mehr von mir erhält. Für alle, die kleine Recherchefehler nicht so ernst nehmen wie ich, kann ich den Roman auf alle Fälle empfehlen!