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Veröffentlicht am 19.04.2019

Abschied von St. Petersburg

Lubotschka
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Ein vom Ansatz her interessanter Streifzug durch St. Petersburg, von den Einheimischen liebevoll „Piter“ genannt.
Die junge Lubotschka steht mit ihrer Mutter im Jahr 2000 kurz vor der Auswanderung nach ...

Ein vom Ansatz her interessanter Streifzug durch St. Petersburg, von den Einheimischen liebevoll „Piter“ genannt.
Die junge Lubotschka steht mit ihrer Mutter im Jahr 2000 kurz vor der Auswanderung nach Deutschland. In den verbleibenden Monaten nimmt sie auf ihre Art von ihrer Heimatstadt Abschied. Sie sucht ihr wichtige Orte auf und macht ihr wichtige Dinge. Fragmentarisch erinnert sie sich auch an Episoden ihrer Kindheit.
Das mir fremde Petersburg kann ich mir jetzt bildlich gut vorstellen. Auch von russischen Besonderheiten zu lesen fand ich interessant. Besonders gelungen ist die Darstellung, wie die Russen nach der Perestroika neue Freiheiten genießen durften, wenngleich die fortbestehende Armut unter der sozial schwachen Bevölkerung unverkennbar war. Das Ganze wird aus der Sicht einer fast noch Jugendlichen geschildert, so dass es nicht verwundert, wenn vieles oberflächlich bleibt, weil Lubotschka ihr Hauptaugenmerk auf Mode, Frisuren, Musik, Zeitschriften legt. Im Verlauf der Geschichte wird alles, was sie tut, zusehends wilder, was mir persönlich nicht mehr so gefallen hat.
Ansprechen dürfte das Buch eher jünger Leser.

Veröffentlicht am 11.04.2019

Was ist Wahrheit und was ist Fantasie?

Vater unser
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Der äußeren Aufmachung nach erinnert das in grellem Rot und Pink gestaltete Cover an die sog. Pop-Art. Und auch inhaltlich ist der Roman der damit einhergehenden Popliteratur zuzuordnen. Typisch für diese ...

Der äußeren Aufmachung nach erinnert das in grellem Rot und Pink gestaltete Cover an die sog. Pop-Art. Und auch inhaltlich ist der Roman der damit einhergehenden Popliteratur zuzuordnen. Typisch für diese ist ja, dass sie in realistischer Erzählweise häufig aus dem Leben von Heranwachsenden oder von gesellschaftlichen Außenseitern berichten, so wie hier von der „geistesgestörten“ Eva. Diese wird in eine Wiener psychiatrische Anstalt eingeliefert und erzählt in den Therapiesitzungen mit dem Psychiater aus ihrem bisherigen Leben. Sie zeichnet sich durch Schlagfertigkeit, besserwisserische Art, Intrigantentum aus. Das eigentlich Faszinierende aber ist, dass sich schon bald deutlich manche Widersprüche auftun und am Ende der Leser ratlos dasteht mit seinen Fragen, was an Evas Geschichte wahr ist und was ihrer Fantasie entsprungen ist. So völlig im Gegensatz dazu stehen religiöse Bezüge der Geschichte und eingeflossene österreichische Begriffe. Mein einziger Kritikpunkt ist, dass ich die Protagonistin keineswegs als hochkomisch ansehe, wie sie auf dem Buchrückentext charakterisiert wird, so dass evtl. Erwartungen, einen humorvollen Roman zu lesen zu bekommen, nicht erfüllt werden.

Veröffentlicht am 27.03.2019

Über Schicksal und Zufälle

Der Postbote von Girifalco oder Eine kurze Geschichte über den Zufall
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Der titelgebende Protagonist, der bis zur letzten Seite, wo erst sein Name preisgegeben wird, anonym bleibt, lebt Ende der 60er Jahre als Einzelgänger in dem kalabresischen Dorf Girifalco. Er verfügt schon ...

Der titelgebende Protagonist, der bis zur letzten Seite, wo erst sein Name preisgegeben wird, anonym bleibt, lebt Ende der 60er Jahre als Einzelgänger in dem kalabresischen Dorf Girifalco. Er verfügt schon von Kindheit an über eine außergewöhnliche Fähigkeit, kann nämlich jede Handschrift perfekt nachahmen. Und so öffnet er die von ihm zu verteilenden Briefe, liest sie, kopiert sie und speichert sie akribisch ab, bevor er die Post dann abliefert. Sein Können nutzt er, um bei den Einwohnern der Stadt Schicksal zu spielen. Er zögert etwa schmerzhafte Nachrichten hinaus oder führt Liebende zusammen. Von den Dorfbewohnern werden einige nur kurz umrissen, von anderen dagegen wird intensiv erzählt. Ihre Geschichten kommen nach und nach zu Tage; alles schreitet relativ langsam voran, ohne aber jemals langweilig zu werden. Der Protagonist, der ja eigentlich großes Unrecht tut, macht einen liebenswürdigen Eindruck. Für ihn ist seine Fähigkeit ein Weg, der Einsamkeit zu entgehen. Beeindruckend ist sein Hang zur Philosophie.
Das Buch ist sehr anspruchsvoll. Es liest sich für uns Deutsche angesichts der vielen italienischen Namen und Personen nicht einfach. Hilfreich ist da das ausführliche Personenregister am Ende.

Veröffentlicht am 06.03.2019

Die Lebensgeschichten mehrerer Frauen

Die Liebe im Ernstfall
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Ein Roman, wie es auf dem Buchcover heißt, ist das vorliegende Buch nicht. Denn es fehlt die fortlaufende Geschichte. Vielmehr werden fünf in sich abgeschlossene Erzählungen über fünf Frauen gebündelt. ...

Ein Roman, wie es auf dem Buchcover heißt, ist das vorliegende Buch nicht. Denn es fehlt die fortlaufende Geschichte. Vielmehr werden fünf in sich abgeschlossene Erzählungen über fünf Frauen gebündelt. Verbunden sind sie über den gemeinsamen Wohnort in Leipzig (auch der der Autorin), aus dem Kennern einige Örtlichkeiten bekannt vorkommen dürften, und über Freunde, Verwandte und Männer. Gemeinsam ist ihnen auch, dass sie in Liebesangelegenheiten gescheitert sind und auf der Suche nach dem Mann fürs Leben sind. In der einen oder anderen Lebensgeschichte wird sich die eine oder andere Leserin wiederfinden. Der Text liest sich flüssig, die Sprache ist klar. Alle fünf Erzählungen gefallen mir aber nicht gleichermaßen. Während ich bei den ersten drei das Buch noch kaum aus der Hand legen wollte, mochte ich die beiden letzten nicht mehr so recht. Unklar ist für mich geblieben, welcher Zusammenhang zum Fall der Mauer besteht, von dem auf dem Buchrücken die Rede ist. Denn mit einer typischen DDR-Geschichte haben wir es nicht zu tun.

Veröffentlicht am 03.03.2019

Familiengeschichte in der DDR

Machandel
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Es empfiehlt sich, zuallererst die zusammenfassenden Angaben zu den Romanfiguren am Ende des Buches zu lesen. Denn sonst lässt sich doch leicht der Überblick über die Personen verlieren. Immerhin werden ...

Es empfiehlt sich, zuallererst die zusammenfassenden Angaben zu den Romanfiguren am Ende des Buches zu lesen. Denn sonst lässt sich doch leicht der Überblick über die Personen verlieren. Immerhin werden die Schicksale vieler Personen über mehrere Jahrzehnte hinweg verwoben, und das auf mehreren Zeitebenen (die Gegenwart um 2000, die 80er Jahre, Zweiter Weltkrieg). Verbindendes Element ist der Schauplatz Machandel, das buchtitelgebende, fiktive Dorf in Mecklenburg. Dort kauft die Erzählerin Clara aus Berlin 1985 ein altes Sommerhaus. Dieser Ort ist für ihre eigene Familie von erheblicher Bedeutung und für Clara selbst wird er zu einem Zufluchtsort, nicht zuletzt deshalb, weil sie eine Dissertation über das Grimmsche Märchen vom Machandelboom schreibt, dem in der Geschichte übrigens eine dominante Rolle zukommt. Alle Romanfiguren erzählen nach und nach ihre beeindruckenden Lebensgeschichten, die sich vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte seit den 30er Jahren bis zur Wiedervereinigung zugetragen haben. Das ist fast schon Geschichtsunterricht pur. Allerdings habe ich mich als Westdeutsche doch etwas überfordert gefühlt, die personellen und politischen Strukturen des DDR-Systems zu verstehen. Ein netter Ausgleich waren dazu die Eindrücke von Mecklenburg.