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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.05.2019

Nicht nur eine leichte Urlaubslektüre

Marina, Marina
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Anders als das Buchcover es vermuten ließe, ist der Roman keineswegs nur eine klischeehafte Urlaubslektüre über Bella Italia und die berühmte italienische Amore. Sicherlich, es ist eine Geschichte über ...

Anders als das Buchcover es vermuten ließe, ist der Roman keineswegs nur eine klischeehafte Urlaubslektüre über Bella Italia und die berühmte italienische Amore. Sicherlich, es ist eine Geschichte über die Bewohner des fiktiven Ortes Sant’Amato an der Riviera sowie deren Verflechtungen untereinander und ist im Wesentlichen in den 1960er Jahren angesiedelt. An Tiefgang erhält die Geschichte, weil das zu dem Zeitpunkt solange noch nicht zurückliegende Geschehen in Italien im Zweiten Weltkrieg , vor allem die Partisanenkämpfe, worüber ich bislang nicht viel wusste, und die Rolle der Deutschen nicht nur oberflächlich thematisiert werden. In formaler Hinsicht weist das Buch einige schöne Besonderheiten auf. Im vorderen Klappendekel befinden sich schöne Fotos von der Riviera; jedes Kapitel beginnt mit einer Zusammenfassung zu einem bekannten italienischen Schlager, der einen als Ohrwurm geradezu verfolgt; am Ende sind drei Rezepte besonderer Gerichte abgedruckt. Sehr hilfreich sind das Personenregister am Anfang und das Glossar am Schluss. Ohne beides lässt sich nicht so einfach durch die vielen Romanfiguren und klangvollen eingestreuten italienischen Vokabeln navigieren.

Veröffentlicht am 26.04.2019

Spanische Einwanderinnen schlagen sich in New York durch

Eine eigene Zukunft
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Dieser Roman hat mir gut gefallen, dreht er sich doch um ein Thema, über das ich bislang nicht viel wusste – wie sich aus Spanien nach Amerika Mitte der 1930er Jahre eingewanderte Frauen in ihrer neuen ...

Dieser Roman hat mir gut gefallen, dreht er sich doch um ein Thema, über das ich bislang nicht viel wusste – wie sich aus Spanien nach Amerika Mitte der 1930er Jahre eingewanderte Frauen in ihrer neuen Heimat durchschlugen.

Nachdem ihr stets in der Weltgeschichte herumvagabundierender Vater endlich in New York sesshaft geworden ist und einen Gaststättenbetrieb aufgenommen hat, holt er 1936 seine in ärmlichen Verhältnissen lebenden drei Töchter und seine Ehefrau gegen deren Willen aus Spanien nach. Schon bald verunglückt er tödlich und seine Angehörigen würden am liebsten umgehend nach Spanien zurückkehren. Allerdings hält sie zunächst noch das Versprechen einer sich um sie kümmernden Anwältin, aus dem Unglücksfall ihres Vaters eine Entschädigung für sie herauszuholen. Um in der Zwischenzeit ihren Lebensunterhalt zu verdienen, verwandeln sie die unrentable Gaststätte in einen Nachtclub, mit dem sich vor allem die Schwestern einen Lebenstraum verwirklichen. Dabei können sie auf so manche helfende Hand neuer Bekannter zurückgreifen, sehen sich aber auch vielen Hindernissen ausgesetzt.

Wie spanische Einwanderer in das gelobte Amerika kommen und dann doch wieder nur ein ärmliches Leben führen müssen, ist gelungen dargestellt. Auch der Zusammenhalt der verschiedenen Einwanderergemeinschaften ist beispielhaft. Die vier Protagonistinnen sind sehr individuell. Während die Mutter ihre Töchter rasch unter die Haube bringen will und nur am Lamentieren ist, nutzen die Mädchen ihre neue Chance, um Träume zu verwirklichen und Eigenständigkeit zu erlangen. Vor allem für die Jüngste bieten sich Möglichkeiten, als Tänzerin erfolgreich zu werden. Auch die Liebe kommt nicht zu kurz. So verschieden alle Frauen auch sind und sich oftmals untereinander bekriegen, so halten sie doch in Krisensituationen zusammen. Den Hauptfiguren wurden eine Menge weiterer helfender und opponierender Personen an die Seite gestellt, ohne dass die Geschichte dadurch an Übersichtlichkeit verliert. Mein einziger Kritikpunkt ist, dass die Handlung nur in einigen Monaten im Jahr 1936 angesiedelt ist und es unrealistisch ist, was die Familie in diesem kurzen Zeitraum alles erlebt.


Veröffentlicht am 19.04.2019

Abschied von St. Petersburg

Lubotschka
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Ein vom Ansatz her interessanter Streifzug durch St. Petersburg, von den Einheimischen liebevoll „Piter“ genannt.
Die junge Lubotschka steht mit ihrer Mutter im Jahr 2000 kurz vor der Auswanderung nach ...

Ein vom Ansatz her interessanter Streifzug durch St. Petersburg, von den Einheimischen liebevoll „Piter“ genannt.
Die junge Lubotschka steht mit ihrer Mutter im Jahr 2000 kurz vor der Auswanderung nach Deutschland. In den verbleibenden Monaten nimmt sie auf ihre Art von ihrer Heimatstadt Abschied. Sie sucht ihr wichtige Orte auf und macht ihr wichtige Dinge. Fragmentarisch erinnert sie sich auch an Episoden ihrer Kindheit.
Das mir fremde Petersburg kann ich mir jetzt bildlich gut vorstellen. Auch von russischen Besonderheiten zu lesen fand ich interessant. Besonders gelungen ist die Darstellung, wie die Russen nach der Perestroika neue Freiheiten genießen durften, wenngleich die fortbestehende Armut unter der sozial schwachen Bevölkerung unverkennbar war. Das Ganze wird aus der Sicht einer fast noch Jugendlichen geschildert, so dass es nicht verwundert, wenn vieles oberflächlich bleibt, weil Lubotschka ihr Hauptaugenmerk auf Mode, Frisuren, Musik, Zeitschriften legt. Im Verlauf der Geschichte wird alles, was sie tut, zusehends wilder, was mir persönlich nicht mehr so gefallen hat.
Ansprechen dürfte das Buch eher jünger Leser.

Veröffentlicht am 11.04.2019

Was ist Wahrheit und was ist Fantasie?

Vater unser
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Der äußeren Aufmachung nach erinnert das in grellem Rot und Pink gestaltete Cover an die sog. Pop-Art. Und auch inhaltlich ist der Roman der damit einhergehenden Popliteratur zuzuordnen. Typisch für diese ...

Der äußeren Aufmachung nach erinnert das in grellem Rot und Pink gestaltete Cover an die sog. Pop-Art. Und auch inhaltlich ist der Roman der damit einhergehenden Popliteratur zuzuordnen. Typisch für diese ist ja, dass sie in realistischer Erzählweise häufig aus dem Leben von Heranwachsenden oder von gesellschaftlichen Außenseitern berichten, so wie hier von der „geistesgestörten“ Eva. Diese wird in eine Wiener psychiatrische Anstalt eingeliefert und erzählt in den Therapiesitzungen mit dem Psychiater aus ihrem bisherigen Leben. Sie zeichnet sich durch Schlagfertigkeit, besserwisserische Art, Intrigantentum aus. Das eigentlich Faszinierende aber ist, dass sich schon bald deutlich manche Widersprüche auftun und am Ende der Leser ratlos dasteht mit seinen Fragen, was an Evas Geschichte wahr ist und was ihrer Fantasie entsprungen ist. So völlig im Gegensatz dazu stehen religiöse Bezüge der Geschichte und eingeflossene österreichische Begriffe. Mein einziger Kritikpunkt ist, dass ich die Protagonistin keineswegs als hochkomisch ansehe, wie sie auf dem Buchrückentext charakterisiert wird, so dass evtl. Erwartungen, einen humorvollen Roman zu lesen zu bekommen, nicht erfüllt werden.

Veröffentlicht am 27.03.2019

Über Schicksal und Zufälle

Der Postbote von Girifalco oder Eine kurze Geschichte über den Zufall
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Der titelgebende Protagonist, der bis zur letzten Seite, wo erst sein Name preisgegeben wird, anonym bleibt, lebt Ende der 60er Jahre als Einzelgänger in dem kalabresischen Dorf Girifalco. Er verfügt schon ...

Der titelgebende Protagonist, der bis zur letzten Seite, wo erst sein Name preisgegeben wird, anonym bleibt, lebt Ende der 60er Jahre als Einzelgänger in dem kalabresischen Dorf Girifalco. Er verfügt schon von Kindheit an über eine außergewöhnliche Fähigkeit, kann nämlich jede Handschrift perfekt nachahmen. Und so öffnet er die von ihm zu verteilenden Briefe, liest sie, kopiert sie und speichert sie akribisch ab, bevor er die Post dann abliefert. Sein Können nutzt er, um bei den Einwohnern der Stadt Schicksal zu spielen. Er zögert etwa schmerzhafte Nachrichten hinaus oder führt Liebende zusammen. Von den Dorfbewohnern werden einige nur kurz umrissen, von anderen dagegen wird intensiv erzählt. Ihre Geschichten kommen nach und nach zu Tage; alles schreitet relativ langsam voran, ohne aber jemals langweilig zu werden. Der Protagonist, der ja eigentlich großes Unrecht tut, macht einen liebenswürdigen Eindruck. Für ihn ist seine Fähigkeit ein Weg, der Einsamkeit zu entgehen. Beeindruckend ist sein Hang zur Philosophie.
Das Buch ist sehr anspruchsvoll. Es liest sich für uns Deutsche angesichts der vielen italienischen Namen und Personen nicht einfach. Hilfreich ist da das ausführliche Personenregister am Ende.