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Veröffentlicht am 08.06.2017

Intensiv, exzessiv, anders - aber auch mit einigen Längen

Sweetbitter
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"Wir nannten sie die "Geregelten". Sie arbeiteten täglich von neun bis siebzehn Uhr. Geregelte Arbeitszeiten. Sie lebten mit dem Einklang der Natur, wachten und schliefen mit der Sonne...Sie dinierten, ...

"Wir nannten sie die "Geregelten". Sie arbeiteten täglich von neun bis siebzehn Uhr. Geregelte Arbeitszeiten. Sie lebten mit dem Einklang der Natur, wachten und schliefen mit der Sonne...Sie dinierten, sie gingen einkaufen, sie konsumierten und entspannten sich. Sie breiteten sich aus, während wir arbeiteten, verblassten und Teil der Kulisse wurden, in der sie sich bewegten. Deshalb waren wir - die Gastro-Leute, so gierig, wenn die "Geregelten" ins Bett gingen". (Zitat S. 194/195)

Tess ist Mitte zwanzig, als sie vom ländlichen Heimatort nach New York entflieht um ihr Glück zu suchen. Sie kann einen Job als Hilfskellnerin in einem gehobenen und angesagtem altem Restaurant ergattern. Es geht um die Anfänge, ihre Lehrstunden über Essen, Wein und Gäste. Gerade am Anfang geht es darum, die Geschmackssinne zu schärfen. Aber es geht auch und gerade um das Leben der Angestellten, während und nach der Arbeitszeit. Ihre Beziehungen unter einander, das Arbeiten zu der Zeit, wenn andere Feierabend haben und ausgehen - der Zusammenhalt, aber auch die Intrigen, die Drogen, der schnelle Sex und die interne Hierarchie, die nach der Arbeit teilweise aufgelöst wird. Ein Beziehungsgeflecht. Vier Jahreszeiten lang berichtet die Protagonisten von ihren Anfängen, ihren Einstieg und Aufstieg, vom Ende. Von dem was sie lernt, was sie falsch versteht, was sie hofft, von ihren Enttäuschungen, von dem was hinter den Kulissen für die Gäste abläuft, von teilweise erschreckenden Zuständen und vor allem von den Exzessen nach der Arbeit.

Es ist für mich eine andere Welt. Eine, die mich teilweise abgestoßen hat, die für mich völlig fremd war. Dazu kommt, dass ich lange gebraucht habe um einigermaßen in diese Geschichte hinein zu kommen, erst nach gut einem Drittel kamen für mich auch fesselndere Abschnitte. In vier Abschnitten erzählt uns die Protagonistin von ihren Erfahrungen und Erlebnissen in New York. Anfangs sind es kurze Sequenzen, teilweise werden Geschmackssinne beschrieben, kurze Erlebnisse, es sind Gedankensplitter - nahtlos, willkürlich scheint es, aneinander gereiht. Es gibt anfangs keinen - wie mir scheint- richtigen Erzählstrang. Und das hat mir das Lesen sehr erschwert, weil ich keine Spannung, keinen Faden gefunden hatte.

Im mittleren Teil wird es besser - es kommt eine Art Handlung, eine kleine, intensive, kuriose Liebesgeschichte/Dreiecksgeschichte dazu. Interessant ist der Blickwinkel hinter die Kulissen eines Restaurants, die Empfindlichkeiten, die Welt der Nacht mit all seinen Schattenseiten.
Es ist auf die eine spezielle Art eine ganz andere Art der Erzählung, ich muss zugeben, die Autorin schafft es eine ganze Bandbreite an Gefühlen und Sinneserlebnissen in Worte zu fassen. Nicht alle gefallen, viele schrecken ab. Vielleicht ist das auch die Intension gewesen, wie das von mir anfangs angestellte Zitat beschreibt - die andere Seite, die dunkle Seite, die der "Gastro-Leute" darzustellen.


"Sweet" - manchmal - "bitter" - zu viel.

Von mir leider nur 2,5 Sterne - die ich leider nicht aufrunden kann auf 3.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Krisen - auf der Straße und in der Beziehung

Die Trotzigen
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1991, Augustputsch in Russland. Sascha sieht die Panzer in Moskau, er ist Dolmetscher und mit Anna, einer Deutschen, die in Moskau lebt, zusammen. Die Beziehung der beiden ist kompliziert, sie wurde immer ...

1991, Augustputsch in Russland. Sascha sieht die Panzer in Moskau, er ist Dolmetscher und mit Anna, einer Deutschen, die in Moskau lebt, zusammen. Die Beziehung der beiden ist kompliziert, sie wurde immer wieder unterbrochen, irgendwie schaffen es die beiden nicht, sich ganz auf den anderen einzulassen.

Boris Schumatsky erzählt von Sascha und Anna, von Max und Wolfgang, zwei weiteren Deutschen, von Vika und Denis, die auch in Moskau leben. Die Geschichte wechselt immer wieder die Perspektive, die Zeit, es sind manchmal kürzere Sequenzen, aber auch längere Passagen, die gerade beim "Augustputsch" vom 19. - 21. August, den Montagsdemonstrationen in der DDR und während der "russischen Verfassungskrise" Anfang Oktober 1993 spielen.

Mir fehlen die Worte, seit langen mal wieder, um diese Geschichte, die Protagonisten zu beschreiben.
Sascha und Denis versuchen Anfang der 90er nach Deutschland zu kommen, doch sie kehren wieder zurück. Die Freunde helfen einander, durch sie erlebt der Leser Sequenzen auf der Straße während der Auftstände im Zentrum Moskaus. Doch ihre Art bleibt mir fremd, die Geschichte manchmal zu verwirrend, wenn man sich mit dem Grundgerüst der damaligen Situationen zu wenig auskennt. Einiges habe ich mir danach anderweitig angelesen, das hat mein Verständnis für einige Passagen danach erhöht - vielleicht hätte ich mich vorher informieren sollen.

Vielleicht hätte ich auch vorher mehr Wert auf den Untertitel legen sollen:
" Die Geschichte der Revolutionen der Anna Iwanowna und des Sascha Potjemkin zu Zeiten des Augustputsches und wie sie in Kohlenkellern und auf Barrikaden tanzen, vor Ämtern und auf die Liebe warten, miteinander Reden und Schlafen, von Moskau nach Berlin und wieder zurück".

Das umfasst so ziemlich gut die Geschichte. Doch Sex, Drogen und die komplizierte (Liebes-?)Geschichte um Sascha und Anna waren für mich zu viel des Guten, sie haben mir die Protagonisten unsymphatisch wirken lassen, sie haben mich nicht erreicht. Die ganze Geschichte hat mich leider nicht überzeugen können, hat mich weder gefesselt noch berührt.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Ich musste mich durchkämpfen

Ich und Earl und das Mädchen
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Ich kann nicht genau beschreiben, was ich von diesem Buch erwartet hatte, nachdem ich den Klappentext gelesen hatte, aber auf alle Fälle etwas ganz anderes.

Die Geschichte ist eine Art Niederschrift von ...

Ich kann nicht genau beschreiben, was ich von diesem Buch erwartet hatte, nachdem ich den Klappentext gelesen hatte, aber auf alle Fälle etwas ganz anderes.

Die Geschichte ist eine Art Niederschrift von Greg Gaines, dem 17jährigen Highschool-Schüler. Er beschreibt sein Leben, seinen Alltag, seine Schulumgebung. Seine Pläne, sich aus allem herauszuhalten. Seine Freundschaft zu Earl, dem Jungen mit einer (nie auftauchenden) alkohlkranken Mutter und um es vorsichtig auszudrücken zwielichtigen Brüdern aufwächst, nimmt viel Raum in dem Buch ein, genau wie die Filme, die die beiden nachdrehen oder es einfach nur versuchen. Dann wird ihre Klassenkameradin Rachel krank und Gregs Mutter zwingt ihn, sie zu besuchen.

Die Stilmittel in dem Buch verändern sich laufend. Da gibt es eine Art Tagebucheintrag, wie eine Nachzählung, da gibt es Filmsequenzen, da gibt es pure Unterhaltungen, die zitiert werden, das lockert das alles etwas auf. Dennoch ist gerade der erste Teil mir dermaßen schwer gefallen zu lesen, vielleicht einfach deshalb, weil ich weder mit der Sprache und auch mit den Gedanken des Protagonisten so gar nicht zurecht kam. Vielleicht weil ich einfach nicht das passende Alter habe ? Ich weiß es nicht. Das ganze hat mich jedenfalls eher abgeschreckt.
Ich habe aber durchgehalten und habe das ganze Buch gelesen. Im zweiten Teil, als Rachel immer kränker geworden ist, hat sich auch die Sprache und die Gedanken von Greg verändert, genauso, wie man als Leser durchaus zugeben muss, dass ein (leichter, aber spürbarer) Wandel beim Protagonisten stattgefunden hat. Dennoch hat das für mich nicht ausgereicht, um das Buch positiv bewerten zu können.

Fazit:
Wer hier ein Buch der Art "Das Schicksal ist ein mieser Verräter" erwartet, der liegt daneben. Dennoch war es eine origenelle Version, die mich aber in seiner Gesamtheit nicht überzeugen konnte.
1,5 Sterne - großzügig aufgerundet