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Veröffentlicht am 31.01.2020

Eine erschütternde Geschichte über einen wahren Kriminalfall

Falschaussage
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Die 18jährige Marie wird vergewaltigt. Sie bringt den Fall zu Anzeige. Ihre Pflegemutter und die Polizei glauben ihr nicht. Marie widerruft und wird nun selbst der Falschaussage angeklagt.
Doch der Täter ...

Die 18jährige Marie wird vergewaltigt. Sie bringt den Fall zu Anzeige. Ihre Pflegemutter und die Polizei glauben ihr nicht. Marie widerruft und wird nun selbst der Falschaussage angeklagt.
Doch der Täter macht unbehelligt weiter. Nach einigen Jahren findet eine Polizistin zufällig Parallelen zu anderen Fällen.

Die Autoren berichten von Maries Leben, ihren Erfahrungen in verschiedenen Pflegefamilien und die Reaktionen des Umfeldes auf ihre Anzeige.
Sie nennen Zahlen zu Vergewaltigungen und Falschaussagen und beschreiben die Gesetzeslage und die Recherchen der Polizei. Besonders interessant fand ich dabei die polizeiliche Arbeit und der Austausch zwischen den Bundesstaaten sowie die Erfahrungen der Polizistinnen in einer Männerdomäne.
Wir lernen weitere Frauen kennen, die Opfer geworden sind, und den Täter, seine Vorgeschichte, seine Motive, seine Gedanken.

Ich habe das Buch in einem Rutsch durchgelesen. Ich war erstaunt, zu erfahren, wie aufwändig einerseits die Polizeiarbeit war, andererseits aber nur der Zufall half, einen Täter zu schnappen.
Die Reaktionen der Opfer können ganz unterschiedlich sein. Eine Frau, die emotionslos von ihrer Vergewaltigung berichtet, muss nicht unbedingt lügen. Durch das Trauma entstehen Lücken und die Ereignisse werden nicht chronologisch erinnert.

Die Journalisten T. Christian Miller und Ken Armstrong haben für ihren Artikel “An Unbelievable Story of Rape” den Pulitzerpreis erhalten. Ihr Buch war die Grundlage für die Netflix-Miniserie “Unbelievable” mit Tony Collette.

Ein spannendes Buch, das Einblick in die Psyche der Opfer und dem Täter sowie in die Polizeiarbeit gibt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 28.01.2020

Gewalt beginnt nicht erst mit Schlägen - ein erhellendes und wichtiges Buch

Prügel
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Als er endlich zuschlug, war Antje Joel auf eine ernüchternde Art erleichtert:
»Denn nun hatte seine Gewalt endlich eine Form angenommen, die unübersehbar, die belegbar war. Nicht nur gegenüber anderen. ...

Als er endlich zuschlug, war Antje Joel auf eine ernüchternde Art erleichtert:
»Denn nun hatte seine Gewalt endlich eine Form angenommen, die unübersehbar, die belegbar war. Nicht nur gegenüber anderen. Auch gegenüber mir selbst.«

Was ist noch Disziplinierung, was noch Humor und was ist schon Gewalt?

»Oft wissen Frauen auch nicht, ob sie vergewaltigt wurden. (...) Sie sind nicht sicher, ab wann man sagen kann, dass das, was sie erlebt haben, definitiv eine Vergewaltigung war.«

Das Buch ist vollgepackt mit persönlichen Erfahrungen der Journalistin Antje Joel, mit ihren Erlebnissen im Frauenhaus, dem Jugendamt, dem Scheidungsrichter, der Polizei, den Nachbarn und den Eltern.

Doch sie erzählt nicht nur von ihrer privaten Odyssee. Sie hat auch mit Menschen gesprochen, die mit dem Thema “Gewalt” zu tun haben wie dem Forensiker Evan Stark, der bei seinen Forschungen Männer nach den Gründen für ihre Gewalt befragt hat. Oder dem Engländer Lundy Bancroft, der seit 30 Jahren mit Tätern arbeitet.

Joel schreibt über Sprache, über Definitionsmacht und die für Außenstehende oft unerklärliche Frage: “Warum bleibt eine Frau jahrelang bei einem prügelnden Partner?”.

Sie räumt mit destruktiven Mythen auf: dass die schlimme Kindheit des Mannes schuld sei an seinen Aggressionen. Dass er nicht über seine Bedürfnisse sprechen könne.

»Ein Gewalttäter will nur dann auf sein Kindheitstrauma aufmerksam machen, wenn er es als Entschuldigung nutzen kann, so zu bleiben wie er ist. Nicht, wenn es Anlass sein sollte, dass er sich ändert.«

Sie würden auch nicht die Kontrolle verlieren, sondern die Einschüchterung und Gewalt sei ein effektives und wirksames Mittel, um schnell zu bekommen, was sie wollten.

Die Frauen dagegen glaubten: “Wenn ich ihn nur ein bisschen mehr lieben würde, würde er geheilt werden!”

Häusliche Gewalt höre nie auf.
Den offiziellen Zahlen nach sei es nicht vorbei, wenn man es geschafft habe, sich zu trennen. Denn gerade die getrennt lebenden Frauen seien besonders gefährdet.

Es sei keine Gewaltprävention, Frauen dazu aufzufordern, Männer nicht unnötig zu provozieren. Den Männern selbst obliege die Verantwortung darüber, wie sie sich verhalten.

Interessant, das Gesetz “Claires Law” aus England, nach dem Frauen (und Männer), die ihren Partner als bedrohlich erleben, bei der Polizei Akteneinsicht verlangen können.

Die Autorin schreibt über Tina Turner, Trump und Hillary Clinton, über Entschuldigungen, Rechtfertigungen, Rollenbilder, Macht und Amokläufe.

Sehr konstruktiv fand ich auch die Darstellung der Unterschiede eines Gewaltpräventionskurses und einer Paar-/Therapie. Denn Therapie schade oft eher, als dass sie helfe.
Der Gewalttäter wolle sich selten ändern, eher suche er sich eine neue Frau, bei der er seine Strategien weiterhin anwenden könne.
Ursache der Gewalt sei die Einstellung, dass den Männer die Kontrolle über die Frau zustehe.

Ein mutiges, persönliches sowie informatives Buch, das die Mechanismen von Gewalt, erste Warnzeichen und Lösungen beschreibt.

Veröffentlicht am 28.01.2020

Gewalt beginnt nicht erst mit Schlägen - ein erhellendes und wichtiges Buch

Prügel
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Als er endlich zuschlug, war Antje Joel auf eine ernüchternde Art erleichtert:
»Denn nun hatte seine Gewalt endlich eine Form angenommen, die unübersehbar, die belegbar war. Nicht nur gegenüber anderen. ...

Als er endlich zuschlug, war Antje Joel auf eine ernüchternde Art erleichtert:
»Denn nun hatte seine Gewalt endlich eine Form angenommen, die unübersehbar, die belegbar war. Nicht nur gegenüber anderen. Auch gegenüber mir selbst.«

Was ist noch Disziplinierung, was noch Humor und was ist schon Gewalt?

»Oft wissen Frauen auch nicht, ob sie vergewaltigt wurden. (...) Sie sind nicht sicher, ab wann man sagen kann, dass das, was sie erlebt haben, definitiv eine Vergewaltigung war.«

Das Buch ist vollgepackt mit persönlichen Erfahrungen der Journalistin Antje Joel, mit ihren Erlebnissen im Frauenhaus, dem Jugendamt, dem Scheidungsrichter, der Polizei, den Nachbarn und den Eltern.

Doch sie erzählt nicht nur von ihrer privaten Odyssee. Sie hat auch mit Menschen gesprochen, die mit dem Thema “Gewalt” zu tun haben wie dem Forensiker Evan Stark, der bei seinen Forschungen Männer nach den Gründen für ihre Gewalt befragt hat. Oder dem Engländer Lundy Bancroft, der seit 30 Jahren mit Tätern arbeitet.

Joel schreibt über Sprache, über Definitionsmacht und die für Außenstehende oft unerklärliche Frage: “Warum bleibt eine Frau jahrelang bei einem prügelnden Partner?”.

Sie räumt mit destruktiven Mythen auf: dass die schlimme Kindheit des Mannes schuld sei an seinen Aggressionen. Dass er nicht über seine Bedürfnisse sprechen könne.

»Ein Gewalttäter will nur dann auf sein Kindheitstrauma aufmerksam machen, wenn er es als Entschuldigung nutzen kann, so zu bleiben wie er ist. Nicht, wenn es Anlass sein sollte, dass er sich ändert.«

Sie würden auch nicht die Kontrolle verlieren, sondern die Einschüchterung und Gewalt sei ein effektives und wirksames Mittel, um schnell zu bekommen, was sie wollten.

Die Frauen dagegen glaubten: “Wenn ich ihn nur ein bisschen mehr lieben würde, würde er geheilt werden!”

Häusliche Gewalt höre nie auf.
Den offiziellen Zahlen nach sei es nicht vorbei, wenn man es geschafft habe, sich zu trennen. Denn gerade die getrennt lebenden Frauen seien besonders gefährdet.

Es sei keine Gewaltprävention, Frauen dazu aufzufordern, Männer nicht unnötig zu provozieren. Den Männern selbst obliege die Verantwortung darüber, wie sie sich verhalten.

Interessant, das Gesetz “Claires Law” aus England, nach dem Frauen (und Männer), die ihren Partner als bedrohlich erleben, bei der Polizei Akteneinsicht verlangen können.

Die Autorin schreibt über Tina Turner, Trump und Hillary Clinton, über Entschuldigungen, Rechtfertigungen, Rollenbilder, Macht und Amokläufe.

Sehr konstruktiv fand ich auch die Darstellung der Unterschiede eines Gewaltpräventionskurses und einer Paar-/Therapie. Denn Therapie schade oft eher, als dass sie helfe.
Der Gewalttäter wolle sich selten ändern, eher suche er sich eine neue Frau, bei der er seine Strategien weiterhin anwenden könne.
Ursache der Gewalt sei die Einstellung, dass den Männer die Kontrolle über die Frau zustehe.

Ein mutiges, persönliches sowie informatives Buch, das die Mechanismen von Gewalt, erste Warnzeichen und Lösungen beschreibt.

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  • Charaktere
Veröffentlicht am 22.01.2020

Ein vielfältiger, unterhaltsamer Überblick über natürliche Auslese und Symbiose im Tier- und Pflanzenreich

Kumpel und Komplizen
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Dass Hierarchie kontraproduktiv sein kann, stellte man bei einem Versuch mit Kea-Papageien fest. Die gewitzten Vögel knacken fast jedes Rätsel, um an Futter zu kommen, aber sobald Kooperation gefragt ist, ...

Dass Hierarchie kontraproduktiv sein kann, stellte man bei einem Versuch mit Kea-Papageien fest. Die gewitzten Vögel knacken fast jedes Rätsel, um an Futter zu kommen, aber sobald Kooperation gefragt ist, verzichten sie lieber auf Essen, als zusammenzuarbeiten.

Dabei bietet der Gruppenzusammenhalt große Vorteile. Man kann sich gemeinsam gegen größere Feinde wehren, Essen teilen und sogar aus einem texanischen Forschungslabor ausbrechen.

Der Journalist Volker Arzt moderierte bereits in den 70er Jahren Wissenschaftssendungen und machte auch früh auf die Klimakatastrophe aufmerksam. In diesem Buch stellt er eine gute Mischung aus verständlich erklärtem Fachwissen und unterhaltsamen Geschichten vor.

Der Autor erzählt von Einsiedlerkrebsen mit Dachgarten; Minifledermäusen, die in Kannenpflanzen wohnen und diese als Dank mit ihren Fäkalien düngen und
Elfenbeinjägern, die ihr eigenes Geschäft schädigen, weil sie unbewusst dafür sorgen, dass die Elefanten mit den kürzeren Stoßzähnen einen Überlebensvorteil haben.

Er beschreibt erstaunliche, berührende und überraschende Geschichten über Insektenstaaten; Flusspferde, die ein Zebrafohlen vor einem Krokodil retten und den Zusammenhalt in einer Elefantenherde.

Besonders interessant fand ich, dass die Rosskastanie mit gelben Blüten anzeigt, dass diese noch nicht bestäubt wurden. Nach dem Besuch einer Biene färben sich die Blüten rosa. Raten Sie mal, worauf ich im Frühjahr achten werde!

Kleiner Kritikpunkt
Missverständlich fand ich Beschreibungen wie “die Tiere haben sich angepasst”, “nach 50 Jahren haben sie sich durchgesetzt”, die vermitteln, dass eine aktive Handlung der Tiere vorliegt.
Es sollte sprachlich deutlich gemacht werden, dass bestimmte Varianten auf Grund der natürliche Auslese tendenziell eher überleben. Vielleicht ändert sich dann auch das öffentliche Denken stärker in eine Richtung, die Vielfalt und Kooperation begrüßt.

Ein großartiger Überblick über Kooperation bei Tieren und Pflanzen, mit lehrreichen und amüsanten Anekdoten und vielen Farbfotos.

  • Einzelne Kategorien
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  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 22.01.2020

Ein vielfältiger, unterhaltsamer Überblick über natürliche Auslese und Symbiose im Tier- und Pflanzenreich

Kumpel und Komplizen
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Dass Hierarchie kontraproduktiv sein kann, stellte man bei einem Versuch mit Kea-Papageien fest. Die gewitzten Vögel knacken fast jedes Rätsel, um an Futter zu kommen, aber sobald Kooperation gefragt ist, ...

Dass Hierarchie kontraproduktiv sein kann, stellte man bei einem Versuch mit Kea-Papageien fest. Die gewitzten Vögel knacken fast jedes Rätsel, um an Futter zu kommen, aber sobald Kooperation gefragt ist, verzichten sie lieber auf Essen, als zusammenzuarbeiten.

Dabei bietet der Gruppenzusammenhalt große Vorteile. Man kann sich gemeinsam gegen größere Feinde wehren, Essen teilen und sogar aus einem texanischen Forschungslabor ausbrechen.

Der Journalist Volker Arzt moderierte bereits in den 70er Jahren Wissenschaftssendungen und machte auch früh auf die Klimakatastrophe aufmerksam. In diesem Buch stellt er eine gute Mischung aus verständlich erklärtem Fachwissen und unterhaltsamen Geschichten vor.

Der Autor erzählt von Einsiedlerkrebsen mit Dachgarten; Minifledermäusen, die in Kannenpflanzen wohnen und diese als Dank mit ihren Fäkalien düngen und
Elfenbeinjägern, die ihr eigenes Geschäft schädigen, weil sie unbewusst dafür sorgen, dass die Elefanten mit den kürzeren Stoßzähnen einen Überlebensvorteil haben.

Er beschreibt erstaunliche, berührende und überraschende Geschichten über Insektenstaaten; Flusspferde, die ein Zebrafohlen vor einem Krokodil retten und den Zusammenhalt in einer Elefantenherde.

Besonders interessant fand ich, dass die Rosskastanie mit gelben Blüten anzeigt, dass diese noch nicht bestäubt wurden. Nach dem Besuch einer Biene färben sich die Blüten rosa. Raten Sie mal, worauf ich im Frühjahr achten werde!

Kleiner Kritikpunkt
Missverständlich fand ich Beschreibungen wie “die Tiere haben sich angepasst”, “nach 50 Jahren haben sie sich durchgesetzt”, die vermitteln, dass eine aktive Handlung der Tiere vorliegt.
Es sollte sprachlich deutlich gemacht werden, dass bestimmte Varianten auf Grund der natürliche Auslese tendenziell eher überleben. Vielleicht ändert sich dann auch das öffentliche Denken stärker in eine Richtung, die Vielfalt und Kooperation begrüßt.

Ein großartiger Überblick über Kooperation bei Tieren und Pflanzen, mit lehrreichen und amüsanten Anekdoten und vielen Farbfotos.