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Veröffentlicht am 06.11.2021

Eine Garage für Hugo

Feind des Volkes
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Hauptmann Max Heller lässt es ruhiger angehen, lange dauert es nicht mehr bis er in Rente geht. Gerne hätte er die Garage für seinen Trabi fertig, doch Material ist schwer zu bekommen, ebenso die Arbeiter. ...

Hauptmann Max Heller lässt es ruhiger angehen, lange dauert es nicht mehr bis er in Rente geht. Gerne hätte er die Garage für seinen Trabi fertig, doch Material ist schwer zu bekommen, ebenso die Arbeiter. Als in der Nähe zwei schlimm zugerichtete Leichen gefunden werden, macht er sich mit seinen Kollegen sofort auf den Weg. Bei den Toten handelt es sich um Arbeitskollegen, die auch privat bekannt waren. Die Ehefrauen reagieren wie erstarrt auf die Todesnachricht, doch ein Motiv ist erstmal nicht zu erkennen. Es dauert auch nicht lange, bis die Staatssicherheit sich für die Sache interessiert.

Max Hellers letzter Fall beginnt im Jahr 1959 und kommt im Jahr 1961 zu Abschluss. Kurz vor der Rente hat Heller schon fast mit seiner Arbeit abgeschlossen. Sein Vorgesetzter macht ihm das leicht. Allzu linientreu geht es Appelt manchmal nicht so sehr darum, einen Fall aufzuklären, eher scheint er Lösungen zu wünschen, mit denen kein Aufsehen erregt wird. Und so werden Max’ Nachfragen zu der Vergangenheit der Toten nicht sehr gern gesehen. Schwierig ist für die Hellers auf das Verhältnis zu ihrem Sohn Klaus. Als überzeugter Sozialist und treuer Mitarbeiter der Staatssicherheit sind die Auffassungen von ihm und seinen Eltern einfach zu unterschiedlich.

Auch mit Hellers letztem Fall versteht es der Autor, seine Leser zu fesseln. Auch wenn die Untersuchung etwas kompliziert erscheint und die Taten grausam, die Schilderung von Hellers Gedanken, seinem Hadern mit dem Staat, seiner Liebe zu seiner Familie, sein Streben danach, seine Arbeit ordentlich zu machen, das reißt einen bei der Lektüre mit. Diese unterschwellige Enge durch die mögliche Beobachtung durch die Stasi, Karins Sehnsucht nach ihrem zweiten Sohn, der im Westen lebt, Anni, die letztlich unter Max’ kritischer Einstellung zu leiden hat. Aber Dresden ist ihre Heimat und eigentlich haben sie auch alles, sie bekommen alles, es dauert nur etwas länger. Der Zwiespalt zwischen Kritik am Staat und Heimattreue, in dem sich Max Heller befindet, trägt diesen spannenden Roman. Die lebensnahe Zeichnung der handelnden Personen ist ausgesprochen gelungen.

Veröffentlicht am 11.09.2021

Ville Rose

Kein anderes Meer
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In Ville Rose, einem Ort auf Haiti, verschwindet die kleine Claire an ihrem siebten Geburtstag. Ihr Vater Nozias, der sich liebevoll um sie kümmert, ist in heller Aufregung. Endlich hat er die Tuchhändlerin ...

In Ville Rose, einem Ort auf Haiti, verschwindet die kleine Claire an ihrem siebten Geburtstag. Ihr Vater Nozias, der sich liebevoll um sie kümmert, ist in heller Aufregung. Endlich hat er die Tuchhändlerin Gaëlle überredet, die Kleine zu adoptieren. Er selbst schafft es kaum sein Kind, dessen Mutter bei der Geburt starb, zu versorgen. Als beinahe mittelloser Fischer möchte er, dass es sein Kind einmal besser hat. Bisher hat er sein bestes gegeben, ist liebevoll mit seiner Tochter umgegangen und mit regelmäßigen Besuchen am Grab der Mutter, hat er versucht, eine Art Erinnerung aufzubauen. Seiner Meinung nach reicht das nicht.

Die Geschichte von Ville Rose und der einiger Bewohner über etliche Jahre entfaltet sich in diesem Roman. Ausgehend vom Geburtstag und dem Verschwinden der kleinen Claire gewinnt man einen Einblick in das Beziehungsgeflecht zwischen den Einwohnern des pittoresken Örtchens am Meer. Es gibt wohlhabendere und ärmere Menschen, Glückliche und Unglückliche, Gesetzestreue und solche, die es damit nicht so genau nehmen. Und die fremden Weißen sind weit weg. Über verschlungene Pfade, auf deren Weg man sich gebannt der Erzählung hingibt, gelangt man schließlich wieder zum Tag des Verschwindens des kleinen Mädchens.

Welch ein schöner Roman, dessen Entdeckung man dem Zufall verdankt. Auf sehr vielschichtige Art und Weise sind die Schicksale der Dorfbewohner miteinander verwoben. Die teils dramatischen Geschichten von Liebe, Geburt und Tod, von Verbrechen und Leidenschaft greifen häufig überraschend ineinander. Dadurch gerät die Lektüre der berührenden Lebensgeschichten geradezu spannend. Es entfaltet sich ein Kaleidoskop von Menschlichem und allzu Menschlichem, das einen mitreißt in eine karibische Wirklichkeit, die nicht immer einfach ist, aber häufig auch von einer anrührenden Schönheit. Für diesen wunderbaren Roman, der unter dem Titel „Kein anderes Meer“ auch auf Deutsch erschienen ist, gibt eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 20.07.2021

Stunden der Entscheidung

Dreieinhalb Stunden
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Fährt der Interzonenzug von München nach Berlin am 13.August 1961 zum letzten Mal? Viele der Fahrgäste wollen in ihre ostdeutsche Heimat. Doch das Gerücht läuft durch den Zug wie ein Lauffeuer. „Sie bauen ...

Fährt der Interzonenzug von München nach Berlin am 13.August 1961 zum letzten Mal? Viele der Fahrgäste wollen in ihre ostdeutsche Heimat. Doch das Gerücht läuft durch den Zug wie ein Lauffeuer. „Sie bauen eine Mauer.“ Sollte dies der Wahrheit entsprechen, wäre es die vorerst letzte Chance im Westen zu bleiben. Wie wäre das für das Ehepaar mit zwei Kindern? Oder für die Mitglieder einer Band, die im Osten nichtmal ihren eigentlichen Namen führen dürfen? Wie würde die Ostdeutsche Lokführerin entscheiden, die den Zug hinter der Grenze im Westen übernimmt, um nach Berlin weiterzufahren?

Verschiedenste Charaktere treffen in diesem Zug aufeinander. Jung und alt, gesetzt oder im Aufbruch. Risse gehen teilweise durch die Familien und es ist fraglich, ob man trotz der Risse zusammenhalten wird. Und man kann sich auch fragen, ob in der DDR wirklich alles schlechter ist. Möglicherweise ist der Sozialismus in einigen Bereichen fortschrittlicher als der Westen, der an althergebrachte Werte anknüpfte. Kann man also die Augen verschließen und auf die Freiheit verzichten, die im Einzelnen vielleicht garnicht so groß ist? Die Reisenden stehen unerwartet vor diesem Dilemma und sie haben nur wenig Zeit, um eine Entscheidung zu treffen. In etwas über drei Stunden werden sie die Grenze erreichen und im Zug bleiben oder aussteigen.

Am 13.August jährt sich der Bau der Berliner Mauer zum sechzigsten Mal. Aus diesem Anlass wird es einen TV-Film geben, der sich mit dieser Zugfahrt beschäftigt. Der Autor dieses Romans hat gemeinsam mit Beate Fraunholz auch das Drehbuch zu dem Film verfasst. Das erklärt vermutlich die szenischen Beschreibungen in kurzen Kapiteln, die dem Roman ein schnelles Tempo verleihen. Man ist dadurch auch sehr nah an den handelnden Personen, was einem einen eindringlichen Eindruck verschafft, wie diese Zugfahrt wohl abgelaufen sein könnte. Vielleicht kann man sich nicht in jeden gleich gut hineinversetzen, doch insgesamt ist man gepackt und berührt von den Schicksalen der Reisenden. Ein mitreißendes Buch, das sich relativ schnell inhalieren lässt und neugierig auf den Film macht.

Veröffentlicht am 17.07.2021

Zwei wie Pech und Schwefel

Alte Sorten
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Liss hat sich allein auf dem Elternhof eingerichtet. Sie lebt bodenständig mit der harten Feldarbeit, wobei sie nicht jedes moderne Gerät nutzt. Sally dagegen ist jung und sie möchte nur ihre Ruhe haben. ...

Liss hat sich allein auf dem Elternhof eingerichtet. Sie lebt bodenständig mit der harten Feldarbeit, wobei sie nicht jedes moderne Gerät nutzt. Sally dagegen ist jung und sie möchte nur ihre Ruhe haben. Bei ihren Eltern findet sie kein Verständnis, sie wollen sie behandeln, damit sie normal ist. Deshalb ist Sally kurz vor dem Abitur abgehauen. Und so landet sie im Dorf von Liss. Diese hat im Weinberg ihren Anhänger festgefahren und sie bittet Sally um Hilfe. Diese will sich wehren wie immer, doch sie merkt, dass es einfach nur eine Frage war, aus der Situation heraus und weil sie gerade da war. Und Sally hilft.

So beginnt eine ungewöhnliche Freundschaft zwischen zwei sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten. Liss scheint im Dorf nur bei wenigen Leuten beliebt zu sein. So wie sie links liegen gelassen wird, lässt sie die anderen auch links liegen. Gesellschaft ist sie nicht mehr gewöhnt. Mit ihrer verschlossenen Art schließt sie nicht leicht Bekanntschaften. Sally, die so genommen werden möchte wie sie ist, findet bei Liss genau das. Liss fragt nicht viel und Sally erzählt nicht viel. Die Arbeit auf dem Hof, die Maschinen, die Früchte der Erde, das ist es was Liss erklären kann und das ist es, was Sally förmlich aufsaugt.

Die Bücher von Ewald Arenz sind alle gut bis sehr gut. Er hat einfach eine tolle Art zu schreiben. Auch wenn es am Schluss etwas sehr dramatisch wird, was nicht ganz zum Rest des Buches passt, wie der Autor die ungewöhnliche Freundschaft zwischen diesen sehr unterschiedlichen Frauen beschreibt, ist einfach klasse. Das einfache und arbeitsreiche Leben auf dem Hof kann man sich sehr gut vorstellen. Und immer wieder wird fast beiläufig eingeworfen, wie sich das Leben der Beiden bis zu diesem Punkt entwickelt hat.

Es ist eines dieser Bücher, die man in die Hand nimmt und die man nicht mehr niederlegt bis man sie ausgelesen hat. Genau richtig für einen Sommertag im Garten zwischen alten Obstbäumen.

Veröffentlicht am 11.07.2021

Rentner haben nie Zeit

Miss Merkel: Mord in der Uckermark
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Als Kanzlerin hatte Angela auch nie Zeit und sie ist mit Bedacht ins beschauliche Kleinfreudenstadt in der Uckermark gezogen, damit sie ihre neue Zeit mit ihrem Mann und ihrem neu angeschafften Mops genießen ...

Als Kanzlerin hatte Angela auch nie Zeit und sie ist mit Bedacht ins beschauliche Kleinfreudenstadt in der Uckermark gezogen, damit sie ihre neue Zeit mit ihrem Mann und ihrem neu angeschafften Mops genießen kann. Allerdings merkt Angela schnell, dass es nicht so einfach ist, Kontakt zu den Menschen zu bekommen, wenn man neu ist und keinen Kanzlerbonus mehr hat. Da denkt Angela doch mit Sehnsucht an Berlin zurück. Als sie zu einer Veranstaltung auf das Anwesen derer von Baugenwitz eingeladen wird und dann der Hausherr tot aufgefunden wird, ist es für Angela mit der Ruhe vorbei.

Endlich kann Angela ihren Kopf wieder einsetzen und sie merkt schnell, dass an diesem Tod etwas nicht stimmen kann. Ihr glaubt nur keiner, auch da ist der Kanzlerbonus weg. Aber mit ihrer zwar ruhigen und unaufgeregten Art lässt Angela nicht locker. Und sie hat Hilfe von ihrem Mann Achim und ihrem Personenschützer Mike, der manchmal denken mag, Flöhe hüten ist leichter. Und natürlich Putin, der Mops, der seine Nase gerne überall hineinsteckt und auf das eine oder andere Leckerli hofft. Man möchte fast hoffen, dass man hier irgendwann mal sagen kann, es sei Angelas erster Fall gewesen.

Das Hörbuch wird gelesen, nein, geschauspielert von Nana Spier. Ob das Buch gelesen genauso gut wirkt, muss jeder selbst herausfinden. Das Hörbuch jedoch erfreut außerordentlich. Fast würde man Frau Merkel so ein Rentnerleben wünschen und es bleibt zu hoffen, dass sie eine Ausfertigung des Buches/Hörbuchs bekommen hat und sich darüber amüsieren konnte. Vorstellbar ist es. Die gemeine Hörerin hat sich jedenfalls köstlich amüsiert. Da war es manchmal schwierig beim Einkaufen nicht laut loszulachen. Auch wenn Angela die, welche ihr nahestehen manchmal auf ihren Platz setzt, gelingt ihr das doch immer souverän. Und gerade ihre Geplänkel mit ihrem Achim sind so liebevoll geschildert, dass es einem einfach ein gutes Gefühl gibt. Dass sie dabei gewiefter ermittelt als die Polizei trägt ein Übriges zum Hörvergnügen bei. Auch wenn der Autor keine Serien schreibt, man würde Angela durchaus noch weitere Rentnerfälle wünschen.