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Veröffentlicht am 19.07.2022

Folge dem Wolle

Morduntersuchungskommission: Der Fall Daniela Nitschke
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Otto Castorp ist in die Hauptstadt der DDR versetzt worden, zur zweiten Morduntersuchungskommission. Im Jahr 1987 sind die jungen Leute nicht mehr so leicht zu bändigen. Deshalb müssen die vom Mord auch ...

Otto Castorp ist in die Hauptstadt der DDR versetzt worden, zur zweiten Morduntersuchungskommission. Im Jahr 1987 sind die jungen Leute nicht mehr so leicht zu bändigen. Deshalb müssen die vom Mord auch mal auf der Straße aushelfen. Und dann werden kurz nacheinander zwei Tote gefunden, eine junge Frau aus dem Osten und ein Musiker aus dem Westen. Den Westbürger übernehmen sofort die Politischen, doch die Unbekannte wird ein Fall für die Zweite. Gleichzeitig wird die Sekretärin Erika Fichte gebeten, die Unterlagen ihres Chefs zu sichten und sich Gedanken zu machen. Über den Verbleib von Wolle ist nichts bekannt.

Es ist der dritte Fall für Otto Castorp. Nachdem der letzte große Fall so dramatisch endete, ist Castorp froh, woanders eingesetzt worden zu sein. Der Mord an der jungen DDR-Bürgerin ist rätselhaft. Die junge Frau wirkt zu unscheinbar, um einen Killer anzulocken. Erika Fichte hingegen fragt sich, wieso sie Fragen zum Verschwinden ihres Chefs klären soll. Gibt es da nicht Profis? Wolle war verantwortlich für die Unterstützung des ANC im Kampf gegen das Apartheidregime in Südafrika. Als Sekretärin hat Erika einen anderen Blickwinkel als die professionellen Ermittler. Sie kennt die Arbeitsweise ihres Chefs.

Schon zwei Jahre vor der Wende sind die Veränderungen, die die Zeit damals brachte, zu spüren. Die Einflussnahme des Systems im Osten auf befreundete Organisationen scheint nicht mehr hundertprozentiger Überzeugung durchgeführt zu werden. Und doch sind sie rührig. Auf spannende Art und Weise schildert der Autor die Zusammenhänge, die schließlich dazu führen, dass sich die Wege unterschiedlichster Personen zu einem packenden Finale kreuzen. Aus der Perspektive verschiedener Personen wird die Erzählung vorangebracht. Und so setzt sich das Puzzle langsam zusammen. Dabei wird die politische Lage informativ und fesselnd mit eingebaut. Die Einflussnahme eines vermeintlich stärkeren befreundeten Staates ist interessant beschrieben und wirkt unerwartet als eine Erklärung, wieso sich manche Staaten heutzutage so und nicht anders positionieren. Dieser spannende zeitgeschichtliche Kriminalroman macht neugierig, ob zu erfahren sein wird, wie Otto Castorp die Wendezeit erleben wird.

Veröffentlicht am 18.07.2022

Imperial Grand Hotel

Was geschieht in der Nacht
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Mit dem Zug fährt ein amerikanisches Ehepaar in einen abgelegenen Ort im Norden Europas. Schon der Bahnhof, an dem sie aussteigen, macht einen verlassenen Eindruck. Mit Mühe finden sie einen Transport ...

Mit dem Zug fährt ein amerikanisches Ehepaar in einen abgelegenen Ort im Norden Europas. Schon der Bahnhof, an dem sie aussteigen, macht einen verlassenen Eindruck. Mit Mühe finden sie einen Transport mit dem sie zum Hotel gelangen. Dort herrscht eine seltsame Stimmung. Doch die Ehegatten lassen sich nicht beirren. Sie haben sich auf den langen Weg gemacht, um ein kleines Kind zu adoptieren. Die Frau ist schwer erkrankt und es scheint mehr als ungewiss, ob sie im Endeffekt überhaupt überleben kann. Ein Kind würde bleiben.

Es ist Winter und die Dunkelheit überwiegt. Skurrile Persönlichkeiten bevölkern das Hotel, welches sie als nicht so leer erweist, wie zunächst vermutet. Die Bar hat die ganze Nacht geöffnet, der Kellner stets zu Diensten. Eine alternde Schauspielerin klimpert am Klavier und verdient sich ihr Zimmer im Hotel. Ein Geschäftsmann spricht dem Schnaps zu und behauptet, den Mann schon einmal getroffen zu haben. Der Mann und seine Frau sind erschöpft von der Reise. Während sie lieber ruhen möchte, zieht es ihn doch an die Bar für einen Drink und einen Snack. Am nächsten Morgen auf dem Weg zum ersten Besuch im Waisenhaus, landet das Paar zufällig oder absichtlich bei dem Heiler Bruder Emanuel.

Auch wenn Vieles in diesem Roman im Ungewissen bleibt, sogar die Namen seiner Hauptpersonen, während die meisten anderen Namen bekommen, so nimmt einen das skurrile Ambiente doch sofort gefangen. Fast filmhaft kommen einem die Beschreibungen vor, beinahe meint man die Bilder zuordnen zu können, nur um festzustellen, dass man doch in die Irre gegangen ist. Geht es ums Finden oder ums Verlieren, ums Loslassen oder Hinzugewinnen? Sind die vermeintlichen Statisten in Wahrheit Helfer bei der schweren Aufgabe des Zurechtkommens mit einer möglicherweise tödlichen Krankheit? Man kann Erklärungsversuche starten oder sich einfach der schrägen aber doch anrührenden Stimmung hingeben. Ein echtes Leseerlebnis. Ein Roman, den man gerne verfilmt sehen würde.

Veröffentlicht am 15.07.2022

Entschleunigung

Achtsam morden
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Mit einem guten Examen wird man Anwalt und irgendwann Partner. Das jedenfalls war der Karriereplan von Björn Diemel. Jetzt ist er nach zehn Jahren immer noch angestellter Anwalt mit einem Mandanten, den ...


Mit einem guten Examen wird man Anwalt und irgendwann Partner. Das jedenfalls war der Karriereplan von Björn Diemel. Jetzt ist er nach zehn Jahren immer noch angestellter Anwalt mit einem Mandanten, den eigentlich keiner will. Zu allem Überfluss stellt ihm seine Frau auch noch ein Ultimatum. Wenn er nicht an diesem Achtsamkeitskurs teilnimmt, wird er seine Tochter nicht mehr sehen. Der Mafiaboss Dragan steckt mal wieder in der Klemme, er wurde gefilmt, wie er ein Mitglied einer anderen mafiösen Vereinigung tötet. Björn muss ihm helfen. Dass er gerade ein Wochenende mit seiner Tochter begonnen hat, ist kein Hinderungsgrund.

Mit seinem Debütroman stellt der Autor eine besondere Art von Mörder vor. Denn Anwalt Björn Diemel soll und will eigentlich seine Ehe retten, will ein entspanntes Wochenende mit seiner Tochter verbringen und unversehens hat er einen Mandanten an der Backe, der sich selbst des Mordes überführt hat. Doch Diemel hat ja den Weg der Achtsamkeit gelernt und so setzt er Prioritäten. Seine Tochter ist einfach wichtiger als ein windiger Gangster, der sowohl Anwalt als auch dessen Kind bedroht. Das Ergebnis dieser Achtsamkeitsübung besteht in einem toten Verbrecher, der von der Bildfläche verschwinden muss.

Wenn man sich erstmal in die ungewöhnliche Kombination aus Achtsamkeit und Verbrechen hineingelesen hat, ist die Lektüre dieses Thrillers sehr amüsant. Der Anwalt Björn Diemel gibt dabei eine sympathische Vaterfigur, wenn man auch manchmal denkt, ein integer hätte auch was. Doch wie er sich mit seiner neuen Rolle als Mörder zurechtfindet und findig Lösungen für jedes Problem präsentiert, ist sehr erfrischend zu lesen. Einfach mal etwas anderes genießen, einen Roman, der mit den hergebrachten Vorstellungen spielt und einen anderen Ansatz aufzeigt. Nebenbei kann man noch ein paar Übungen der Achtsamkeit durchführen. Vielleicht kehrt man auch gerne zu einem normalen Krimi zurück, aber missen möchte man die Erfahrung dieses etwas anderen Thrillers auf keinen Fall.

Veröffentlicht am 14.07.2022

Grundatz

Richter morden besser
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Einen idealistischen Richter, der Karriere macht, gibt es nicht. Davon kann Siggi Buckmann ein Lied singen. Er ist ist mit über fünfzig noch einfacher Richter am Amtsgericht. Neben den Urteilen, die er ...

Einen idealistischen Richter, der Karriere macht, gibt es nicht. Davon kann Siggi Buckmann ein Lied singen. Er ist ist mit über fünfzig noch einfacher Richter am Amtsgericht. Neben den Urteilen, die er spricht und die oftmals vorm Landgericht abgeschwächt werden, stellt er Listen über die Kollegen auf, welche so vorhersehbar handeln wie nur was. Doch dann stirbt der Junkie Fredi an einer falschen Dosierung. Buckmann ist wirklich betroffen. Er kannte Fredi, der nach einem Schicksalsschlag abgestürzt ist, schon ewig. Und Fredi hat Buckmanns Tochter mal aus einer üblen Klemme geholfen. So etwas vergisst der Richter Siggi Buckmann nicht.

Es würde nicht wundern, wenn aus diesem Romandebüt eine Reihe würde. Das Leben des Amtsrichters Siggi Buckmann verläuft eigentlich in ruhigen Bahnen. Er spricht seine Urteile, er weiß, wie es läuft, und er hat sich damit arrangiert. Seine Ehe ist im Guten auseinander gegangen und er hat zwei tolle Töchter, die studieren. Über das System macht er sich manchmal lustig, aber er lebt damit. Bis Fredi einfach so zu Tode kommt, der dritte Junkie in kurzer Zeit. Ein guter Mensch. Buckmann veranlasst, dass in dem Fall ermittelt wird. Doch irgendwie scheint nicht gewollt zu sein, dass die Verantwortlichen an Fredis Versterben zur Rechenschaft gezogen werden.

Wenn man auch nur irgendetwas mit rechtlichen Dingen zu tun hat, weiß man, dass der Grundsatz immer auch eine Ausnahme beinhaltet. Und so fragt man sich nach dem Lesen des Klappentextes, warum und wie der Amtsrichter Buckmann dazu kommt, den Grundsatz zu überdenken. Ist es wirklich nur der plötzliche und unnötige Tod von Fredi, den der Richter über die Jahre gehegt und gepflegt hat, wenn er ihn schon nicht von der Sucht befreien konnte. Oder hat da vielleicht ein Tropfen das Fass zum Überlaufen gebracht? Man mag ja im System zurecht kommen, aber man muss es nicht mögen. Und mit über Fünfzig neigt sich das Arbeitsleben dem Ende zu, da kann man schon mal etwas unleidlich werden. Dann sucht man sich eine ganz andere Tätigkeit, ein Hobby oder man beginnt, die Grundsätze zu überdenken. Es ist nicht ganz klar, ob man die Verwaltungsstrukturen kennen muss, um den Reiz des Buches genießen zu können. Ist dies jedoch der Fall, wird man so manches mal zustimmend schmunzeln. Und wenn es ans Eingemachte geht, wird einem das Lachen auch mal im Halse stecken bleiben. So oder so wird man mit diesem etwas ironisch sarkastischen Kriminalroman sehr gut unterhalten.

Veröffentlicht am 10.07.2022

Auf der Alm

Gefährliche Treue. Lorenz Lovis ermittelt
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sollte es eigentlich keine Sünde geben. Privatdetektiv, Bauer und ehemaliger Polizist Lorenz Lovis nimmt sich eine kleine Auszeit auf der Alm seines verstorbenen Onkels. Mit dabei sind seine drei jugendlichen ...

sollte es eigentlich keine Sünde geben. Privatdetektiv, Bauer und ehemaliger Polizist Lorenz Lovis nimmt sich eine kleine Auszeit auf der Alm seines verstorbenen Onkels. Mit dabei sind seine drei jugendlichen Hilfssheriffs. Gemeinsam mit ihnen soll er den Pilzdieb finden, der den Einheimischen das kostbare Gut vor der Nase wegschnappt. Verdächtig ist ein Italiener, der sich in der kurzen Zeit seiner Anwesenheit schon mit etlichen der Südtiroler Dorfbewohner angelegt hat. Doch dann wird die Frau seines alten Schulfreunds, des Wieser Michl, tot aufgefunden. Zwischen den Eheleuten herrschte keine Zwietracht und doch wird Michl als Mordverdächtiger verhaftet.

Die Brixen Krimis um Lorenz Lovis gehen hiermit in die dritte Runde. Lorenz Lovis, den nur seine Freundin Angelika Lollo nennen darf, ist noch nicht ganz angekommen in seinem Leben als Bauer und Hoferbe. Seinen ehemaligen Chef vermisst er allerdings kein bisschen. Nur seinen Freund und Kollegen Scatolin würde er gerne häufiger sehen. Schwierig wird es beim Ermitteln, denn eigentlich darf Scatolin ihm keine Informationen geben, aber so manches sickert doch durch. Nur wenn Lovis mal wieder unter die Verdächtigen gerät, kann Scatolin ihm nicht helfen. Ihr damaliger gemeinsamer Vorgesetzter möchte Lovis nur allzu gerne was ans Zeug flicken. Und was, wenn es ihm gelingt?

Auch bei ihrem dritten Auftritt nutzen sich die Erlebnisse von Lorenz Lovis und seinem Team nicht ab. Die Jungs sind pfiffig und angemessen abenteuerlustig. Lorenz ist froh, dass seine Mitarbeiter bei der Bewirtschaftung des Hofes helfen. So hat er Zeit die Muße auf der Alm zu genießen, was ihm jedoch nicht lange vergönnt ist. Das Gerede um den Dieb nimmt kein Ende und die Dörfler möchten endlich wissen, wer der Übeltäter ist. Sollte der Pilzdieb etwa auch den Mord begangen haben? Nach einigen Momenten des Tappens im Dunklen wird es nach und nach richtig spannend. Wenn alle Verdächtigen nicht richtig verdächtig sind, nicht einmal Lorenz, frag man sich, wer noch übrig bleibt. Doch selbst wenn man eine Ahnung hat, ist das Treiben des liebenswerten Detektivteams so sympathisch beschrieben, dass man dennoch gefesselt weiterliest. Hinzu kommen noch die sehr anschaulichen Landschaftsbilder, die neugierig auf einen echten Besuch im schönen Südtirol machen.