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Veröffentlicht am 14.04.2019

Herzensbrief

Der Postbote von Girifalco oder Eine kurze Geschichte über den Zufall
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Ende der 1960er Jahr im Süden Italien lebt ein Postbote eigener Art. Er ist seinen Mitmenschen gegenüber eher zurückhaltend. An den Briefen, die durch seine Hände gehen, hat er doch ein gewisses Interesse. ...

Ende der 1960er Jahr im Süden Italien lebt ein Postbote eigener Art. Er ist seinen Mitmenschen gegenüber eher zurückhaltend. An den Briefen, die durch seine Hände gehen, hat er doch ein gewisses Interesse. Briefe, die besonders aussehen, die besonders riechen, die einen besonderen Adressaten haben, diese Briefe erhalten eine besondere Behandlung. Vor der Zustellung prüft der Postbote erstmal, ob sie in der geschriebenen Form übermittelt werden können. Mit außerordentlichem Geschick gelingt es dem Postboten Schriftbilder nachzuahmen, so dass er eine Entdeckung kaum zu fürchten hat, wenn er den Inhalt den allzu harten oder schmerzlichen Inhalt eines Briefes in gefälligere Worte kleidet.

Etwas eigenartig ist die Arbeitsauffassung des Postboten des kleinen Ortes Girifalco schon. Doch in dem kleinen Dorf kennt jeder jeden und so sind die Briefempfänger auch dem Briefträger nicht fremd. Wenn er dann mit ungezügelter Neugier einige Briefe öffnet und schwer erträgliche Nachrichten glättet, kann man ihn durchaus verstehen. Vielleicht wird sein Berufsstand grundsätzlich eher unterschätzt, an diesem Postboten ist jedoch ein Philosoph verloren gegangen. Über alles und jedes kann er sich Gedanken machen und jeder Zufall ist eine Betrachtung wert. Seine Einsamkeit rührt jedoch nicht von ungefähr, musste er doch auf seine große Liebe verzichten.

Den Ort Girifalco gibt es wie Google Maps verrät im Übrigen tatsächlich. Hätte man diese Feststellung vor der Lektüre getroffen, hätten sich einige Wege des Postboten möglicherweise anhand der Karte nachvollziehen lassen. Dieser echte Bezug lädt zudem dazu ein, ein paar Momente auf den möglichen Echtheitsgehalt des Romans zu verwenden. Gut vorstellbar, dass so ein Postbote trotz der eher unerlaubten Handlungen als gute Seele des Ortes seine Bahnen zieht. Doch vernachlässigt er, indem er anderen zu schönen Briefen verhilft, nicht sein eigenes Leben? Wenn es gälte zu handeln, hält er sich zurück. Schon hat er sich die Szenerie visualisiert, durchdacht und das Ergebnis vorausgeahnt. Und so sicher ist er sich, dass er die eigentlich vorausgesetzte Frage nicht erst stellt. Je länger man den Postboten beim Austragen seiner Briefe begleitet, desto mehr wünscht man sich, er würde nicht nur die fremden Leben leben, sondern sich auf sich selbst besinnen.

Ein melancholischer und doch humorvoller Roman mit einem sympathisch knorrigen Helden, der die alten Gassen eines echten Ortes durchwandert.

Veröffentlicht am 12.04.2019

Augenstern

Krokodilwächter
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Eigentlich will der alte Gregers nur den Müll runterbringen, doch am Treppenabsatz gerät er ins Straucheln und bemerkt, dass die Tür zur Nachbarwohnung nicht richtig geschlossen ist. Noch im Fallen merkt ...

Eigentlich will der alte Gregers nur den Müll runterbringen, doch am Treppenabsatz gerät er ins Straucheln und bemerkt, dass die Tür zur Nachbarwohnung nicht richtig geschlossen ist. Noch im Fallen merkt er, dass hier etwas überhaupt nicht stimmt. Er kommt auf einem weichfesten Ding zu liegen. Entsetzt sieht er, dass es sich um die Leiche seiner jungen Nachbarin Julie handelt. Gregers verliert die Besinnung. Die Hauseigentümerin Esther muss schließlich alles regeln, Gregers kommt ins Krankenhaus, Julie in die Rechtsmedizin und die Polizei hat eine Menge Fragen. Unvorstellbar, dass jemand etwas gegen die junge Frau gehabt haben könnte.

Im ersten Band um die Polizisten Jeppe Kørner und Anette Werner bekommen die Beiden es mit einem üblen Mord zu tun, den keiner so schnell entschlüsseln kann. Die junge Frau schien keiner Seele etwas zuleide getan zu haben. Wer also sollte überhaupt einen Groll gegen sie gehegt haben und dann noch einen tödlichen. Oder hat die Nachbarin Esther mit der Sache zu tun? Sie schreibt an einem Roman, in dem ein verblüffend ähnlicher Mord geschildert wird. Jeppe, der noch sehr an der Trennung von seiner Frau zu knacken hat, und Anette, die eine glückliche Ehe zu führen scheint, machen sich gemeinsam auf die Suche nach dem Täter und dem Hintergrund der Tat.

Wie einen das Leben doch prägt. Viele der Beteiligten schleppen in ihrem Rucksack mehr mit sich herum als man zunächst so meint. Sogar das Mordopfer hat ein Geheimnis. Durch ihren Tot kommen sich Menschen näher, die vorher aneinander vorbei gelebt haben. Und auch die Ermittler machen eine Entwicklung durch. Besonders Jeppe, dem allmählich klarwird, dass es Zeit wird, die Trennung hinter sich zu lassen. Detailreich beschreibt die Autorin den Weg zum Kern des Falles, dem Augenstern, als den der Mörder auch Julie bezeichnet hat. Ein Wort, das er wohlmöglich ganz anders benutzt hat als sie gedeutet hat. Sehr geschickt sind kleine Andeutungen versteckt, die schließlich eine Tat beleuchten, die einen mit Trauer erfüllt. Allerdings lässt sich für bestimmte Beteiligte kein Mitleid finden, zu sehr sind diese auf ihr eigenes Ego und ihren eigenen Vorteil bedacht.

Dieser Kriminalroman überzeugt mit seinem gut konstruierten aufrüttelnden Fall und den sympathischen Ermittlern.

Veröffentlicht am 06.04.2019

(K)ein Engel

Der Mann, der nicht mitspielt. Hollywood 1921: Hardy Engels erster Fall
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Nach Krieg und Revolution ist Hardy Engel aus dem Polizeidienst ausgeschieden und nach Los Angeles ausgewandert. Im Jahr 1921 ist die Filmbranche auf einem Höhepunkt. Gerne möchte Hardy als Schauspieler ...

Nach Krieg und Revolution ist Hardy Engel aus dem Polizeidienst ausgeschieden und nach Los Angeles ausgewandert. Im Jahr 1921 ist die Filmbranche auf einem Höhepunkt. Gerne möchte Hardy als Schauspieler sein Geld verdienen, wie so viele andere auch. Außer zu ein paar Nebenrollen, haben seine Ambitionen noch zu nichts geführt. Eher muss Hardy auf seine Fähigkeiten als Polizist zurückgreifen und er verdingt sich als Privatdetektiv. Die Anzahl seiner Fälle ist dabei eher gering. Als die aufregende Pepper Murphy ihn mit der Suche nach der angehenden Schauspielerin Virginia Rappe beauftragt, zögert Hardy nicht. Und wie es manchmal so ist, erhält er gleich einen Auftrag für einen Botengang, durch den er ein Auto zur Verfügung gestellt bekommt.

Die goldenen 20er, Filme, Stars und Starlets. Drogen fast eine Normalität, ein Absturz manchmal unausweichlich. Gefangen genommen von der irisierenden Pepper, die nicht alles preisgibt, begibt sich Hardy Engel an die Auftragserfüllung. Wo mag Virginia Rappe sein? Heißt es nicht, sie sei die neueste Flamme des Komikers Fatty Arbuckle? Dieser wird auf einer seiner ausschweifenden Partys in San Francisco vermutet. Und so ist der Aufenthaltsort von Virginia Rappe relativ schnell ermittelt und wohlmöglich schnelles Geld verdient. Allerdings ist doch einiges anders als zunächst vermutet und Hardy wird in diesem einiges abverlangt.

In Hardy Engels erstem Fall, von dem er Jahre später berichtet, lernt man einiges aus der leicht- und schnelllebigen Filmbranche des frühen 20. Jahrhunderts. Ein Film unter drei Stunden ist eher kurz, der Tonfilm noch weitestgehend unbekannt. Fast jeder versuchte sich als Schauspieler oder lebte seinen Traum auf andere Art. Vor diesem Hintergrund gerät Hardy Engel in einen brisanten Fall, in dem die Wahrheit oft im Verborgenen bleibt. Gewisse Dinge sollen einfach unter den Teppich gekehrt werden, keiner will es so genau wissen, am liebsten soll ein Sündenbock her, dem alles untergeschoben werden kann. Doch Hardy Engel spielt dieses Spiel nicht mit, er will wissen, was tatsächlich geschah. Zwar werden einige Passagen recht ausführlich geschildert, aber dennoch bleibt man beim Hören des von Uve Teschner versiert vorgetragenen Hörbuchs immer am Ball. Eine Traumwelt ist die Filmbranche der damaligen Zeit nicht, da wirkt dieser gut recherchierte und wohl auf wahren Begebenheiten beruhende Kriminalroman zwar ernüchternd aber auch sehr fesselnd.

Veröffentlicht am 02.04.2019

Der Schatz

Korsische Gezeiten
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Bereits vor Jahren wurden vor Korsikas Küste Münzen gefunden. Ein Fund, der einige Leute reich gemacht hat und anderen einen Skandal gebracht hat. Und nun sollen Taucher das zugehörige Schiffswrack gefunden ...

Bereits vor Jahren wurden vor Korsikas Küste Münzen gefunden. Ein Fund, der einige Leute reich gemacht hat und anderen einen Skandal gebracht hat. Und nun sollen Taucher das zugehörige Schiffswrack gefunden haben. Natürlich haben staatliche Stellen großes Interesse an der Bergung des Wracks und seines möglichen Inhalts, aber auch Ganoven strecken ihre Fühler aus. Der Schriftsteller Eric Marchant erfährt durch seine Freundin Laurine von der Sache. Als hervorragende Apnoetaucherin soll sie das gesunkene Schiff untersuchen, das beinahe komplett verschüttet ist. Laurine und Eric ahnen nicht wie gefährlich ein Tauchgang werden kann.

In diesem zweiten Kriminalroman um den Wahl-Korsen Eric Marchant spielen die korsische Landschaft, das Tauchrevier und auch die korsische Mentalität eine große Rolle. Eric jedoch wird sehr dierekt an seine Vergangenheit erinnert, denn völlig unerwartet steht seine Ex-Freundin Monique vor ihm. Diese war mit der Trennung nie einverstanden und sucht nun eine Gelegenheit, die Beziehung wieder aufleben zu lassen. Zwar ist Eric im ersten Moment verunsichert, doch schnell kehrt seine Überzeugung zurück, dass Laurine die wichtigste Frau in seinem Leben ist. Schwierigkeiten sind bei dieser Ausgangslage jedoch vorprogrammiert. Und auch Laurines Ex-Mann mischt im Geschehen mit. Dieser kämpft um seine Position in der ehrenwerten Familie seines Vaters.

Ob sich aus der Schatzsuche ein richtiger Kriminalfall entwickelt, ist für die Lektüre dieses unterhaltsamen Romans eher nebensächlich. Zwar endet der Roman diesbezüglich mit einem heftigen Cliffhanger, doch soweit es den Schatz anbelangt, ist dieser Band abgeschlossen. Mit Interesse liest man, wer ein mehr oder weniger berechtigtes Interesse an dem Schiffswrack und seinem Inhalt hat, lässt sich erklären, wie die Bergung vonstatten gehen soll und stellt sich gleichzeitig die geheimnisvolle Stille der Unterwasserlandschaft vor, die Laurine während ihrer Tauchgänge erkundet. Man nimmt Anteil an der Entwicklung von Laurines und Erics Freundschaft und hofft, dass es ihnen gelingen wird, alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Gleichzeitig erfreut man sich, wenn auch aus zweiter Hand, am Inselleben. Beschreibungen, die einfach die Lust auf einen Urlaub wecken. Irgendwie ist es ein Krimi ohne wirklichen Krimi, aber dennoch ein ausgesprochen lesbarer und spannender Korsika-Roman mit einer Szenerie, die hoffentlich noch nicht zu Ende erzählt ist.

Veröffentlicht am 29.03.2019

Odessa

Schatten der Toten
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Es ist noch nicht vorbei. Zwar ist die Banksache für Larcan gänzlich schief gegangen, das stachelt ihn umso mehr an, sich zu rehabilitieren. Inzwischen hat Dombrowski einen Herzinfarkt und Judith Kepler ...

Es ist noch nicht vorbei. Zwar ist die Banksache für Larcan gänzlich schief gegangen, das stachelt ihn umso mehr an, sich zu rehabilitieren. Inzwischen hat Dombrowski einen Herzinfarkt und Judith Kepler muss sich einer Aufgabe stellen, vor der sie immer zurückgeschreckt ist. Eva Kellermann stirbt und verrät ihrer Tochter Isa ihr letztes Geheimnis. Isa Kellermann ist schockiert. Noch mehr als je zuvor will sie Larcan zur Strecke bringen. Dafür ersinnt sie einen Plan. Judith, die die kleine Tabea nicht vergessen hat, möchte sich um das Mädchen kümmern, weiß aber nicht recht, wie sie sich der Pflegemutter gegenüber verhalten soll. Von ihrer Neugier gesteuert, trifft sie eher zufällig auf Tabeas Vater.

Noch immer gibt es Geheimnisse in Judiths Leben. Nach der Sache Sassnitz wurde Judith in ein Kinderheim gebracht, wo viel getan wurde, um ihr nach ihren Eltern auch noch die Erinnerung an diese zu nehmen. Als Erwachsene fühlt sich Judith immer noch nicht vollständig. Und nun legt Isa Kellermann nach dem Tod ihrer Mutter ein so eigenartiges Verhalten an den Tag, dass Judith einfach herausfinden muss, was Isas Motivation ist. Genauso wie Isa will auch Judith eine Aussprache mit Larcan, der ihr lange totgeglaubter Vater ist.

Im dritten Band der Reihe um Judith Kepler kommt es zu einem spannenden Finale. Da besonders die beiden letzten Bände aufeinander aufbauen, empfiehlt es sich die Reihe in der richtigen Reihenfolge zu lesen. Mit Freude verfolgt man, wie sich Judith in ihrer Persönlichkeit entwickelt und doch sie selber bleibt. Zunächst wird ihr die Aufgabe, die sie mit der Vertretung Dombrowskis übernommen hat recht schwer, doch bald verblasst dies neben den anderen Ereignissen, die ihre Spürnase Witterung aufnehmen lassen. Dabei kommen sie und Isa sich in die Quere und können sich doch nicht ausweichen. Wie sie schließlich beide in Odessa landen, ist in diesem packenden Krimi nachzulesen. Da geht es um Geheimdienstoperationen, Familiengeheimnisse und eine hartnäckige Judith Kepler, die sich einfach nicht abschütteln lässt. Als Tatortreinigerin ist sie einiges gewöhnt, doch hier wird ihre Resilienz auf eine echte Probe gestellt. Judith aber wächst mit ihren Aufgaben. Ihre Charakterschilderung erhält ebenso neue Facetten wie die ihres Vaters. Am Ende gewinnt Judiths Leben eine hoffungsfrohe neue Richtung, es bleibt aber genau das leichte Kribbeln, dass durchaus wünschen lässt, es gäbe noch mehr zu erzählen.