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Veröffentlicht am 18.09.2018

Verbundenheit

Ich komme mit
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„Ich komme mit“ ist die Geschichte von Lazy und Vita, ein ungleiches Paar, die sich jedoch gegenseitig Freundschaft und Unterstützung bieten. Das ist wichtig, da der junge Lazy an Leukämie erkrankt ist ...

„Ich komme mit“ ist die Geschichte von Lazy und Vita, ein ungleiches Paar, die sich jedoch gegenseitig Freundschaft und Unterstützung bieten. Das ist wichtig, da der junge Lazy an Leukämie erkrankt ist und die 72jährige verwitwete Vita sehr einsam ist. Vita nimmt den kranken jungen Mann bei sich auf.
Mal wird aus Lazys, mal aus Vitas Perspektive erzählt. Das ist stilistisch sehr geschickt gemacht und die Autorin Angelika Waldis geht beim schildern des Verlaufs von Lazys Krankheit und der Vertiefung der Freundschaft sensibel und behutsam vor.
Sie erzählt auch die Vorgeschichte, als Lazy in der Liebe zu seiner Freundin aufging, die Krankheit beendete das.
Sie setzt auch Motive ein, wie zum Beispiel das eines Fuchses, der in einer Stele eingraviert ist. Diese Stele befindet sich in der Türkei nahe der syrischen Grenze, wo Lazy und Vita hinreisen.

Zu erwähnen sind auch die gut gemachten Dialoge. Eine Stärke der Autorin. Neben dem ernsten Ansatz gibt es auch eine leise Ironie zwischen den Hauptfiguren. Ein Mittel, um überhaupt irgendwie weiterzumachen.

Auch wenn der Roman relativ kurz ist, hat man nach der Lektüre das Gefühl 2 besondere Menschen gut kennen gelernt zu haben. Man erfährt von Krankheit und Einsamkeit, aber auch von Verbundenheit.

Veröffentlicht am 09.09.2018

Wiedersehen in Wales

Die Sonnenschwestern
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Tracy Rees beschreibt auf sensible Art den Zustand in dem sich die Protagonistin von Die Sonnenschwestern befindet. Nora ist in einer Lebenskrise. Mit fast 40 trennt sie sich von ihrem Freund, kündigt ...

Tracy Rees beschreibt auf sensible Art den Zustand in dem sich die Protagonistin von Die Sonnenschwestern befindet. Nora ist in einer Lebenskrise. Mit fast 40 trennt sie sich von ihrem Freund, kündigt ihren Job und ist von Albträumen geplagt. Gründe dafür mögen in der Vergangenheit zu finden sein. Deswegen reist Nora nach Wales, der ehemaligen Heimat ihrer Mutter Jasmine.

Ein zweiter Handlungstrang ist in den fünfziger Jahren angelegt.
Hier ist die junge Chloe Hauptfigur. Sie ist eine lebhafte Persönlichkeit, die sich entwickelt im Laufe der Jahre. Ich mag sie mehr als die etwas langweilige Nora.
Die Verbindung zwischen den beiden Handlungssträngen wird erst allmählich klar. Verraten möchte ich aber nichts.

Geschickt gemacht sind die Zeitabläufe. Während in der heutigen Zeit nur Monate vergehen, wird Chloes Leben in Jahren dargestellt.

Wales wird voller Atmosphäre, oft regnerisch, dargestellt. Manchmal hätten die Beschreibungen der Umgebung detaillierter sein dürfen.

Der Roman ist gut lesbar, nicht zu flach, nicht zu komplex. Auch nicht sehr spannend! Ein entspanntes Lesen ist möglich. Man kann von einem Frauenroman sprechen, denn es spielen fast nur Frauen die tragenden Rollen.

Veröffentlicht am 07.09.2018

eigenwillig

Der Südelefant
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Der Südelefant ist ein ausgestorbenes Exemplar, dem Mammuth verwandt. Ein ungewöhnlicher, origineller Titel, der deswegen zu Archil Kikodze Text passt, der das Leben in der georgischen Stadt Tbilissi auf ...

Der Südelefant ist ein ausgestorbenes Exemplar, dem Mammuth verwandt. Ein ungewöhnlicher, origineller Titel, der deswegen zu Archil Kikodze Text passt, der das Leben in der georgischen Stadt Tbilissi auf eigenwillige Weise zeigt.
Wild, intellektuell, unangepasst ist der Protagnonist auf der Suche nach dem Lebensgefühl der Stadt. Dabei schwingt mit den Erinnerungen auch die Geschichte des Landes mit. Überwiegend sind es die Gedanken und Reflektionen der Hauptfigur, die den Roman bestimmen.
Die Hauptfigur ist Filmemacher. Einflüsse von Außen sind daher häufig Filme, über die gesprochen oder an die gedacht werden: Akira Kurosowa, Tarkowski, Ingmar Bergmann, oder auch Bogart. Ich kann damit viel anfange, aber es wird auch Leser geben, denen das nichts sagt. Den ganzen Text kann man lesen wie man einen Arthouse-Film sehen würde.
Man folgt dem Protagonisten, der ziellos durch die Stadt wandert, kommt zum Beispiel zum Marjanischwilli-Platz, überquert die Galaktioni-Brücke oder erreicht Sololaki, einem Stadtviertel im historischen Zentrum. Erwähnenswert auch der Woronzow-Platz, die Art nouveau, den Jugendstilhäuser und das Ufer des Flusses Mtkvari, dieverse Parks und Gärten etc.
Archil Kikodze schreibt teilweise sehr detailreiche Ortsbeschreibungen. Das erzeugt eine eigenwillige Atmosphäre.

Der Südelefant ist ein Buch, dass es dem deutschen Leser erlaubt, einen etwas anderen Blick auf Georgien zu werfen.

Veröffentlicht am 02.09.2018

In Zeiten der Wirtschaftskrise

Alligatoren
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Schon der Anfang beschwört ein mächtiges Bild hervor, der Zweikampf einer Frau und einem Alligator ist sinnbildlich für den Kampf ums überleben.
Auch die nachfolgenden Kapitel verfügen über große Bildsprache.
Im ...

Schon der Anfang beschwört ein mächtiges Bild hervor, der Zweikampf einer Frau und einem Alligator ist sinnbildlich für den Kampf ums überleben.
Auch die nachfolgenden Kapitel verfügen über große Bildsprache.
Im Mittelpunkt stehen Frauen und ihre notleidenden Familien. Ab und zu wechseln die Erzähler, man muss als Leser auf die Kapitelangaben dazu achten.

Es ist die zweifelhafte Atmosphäre des amerikanischen Südens Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts. Beim Lesen spürt man die Hitze und Schwüle, die Armut und Not wird drastisch vermittelt, z.B. durch den schlechten körperlichen Zustand der ausgehungerten Kinder.
Das ist bedrückend und hier muss ich eine Warnung aussprechen: Der Roman kann den Leser schon etwas herunterziehen.
Aber in diesem Buch ist es ein Kampf der Frauen in einer wirtschaftlich schweren Zeit und es sind starke Persönlichkeiten. Ein Buch, dass mir als Leser nahe geht!

Veröffentlicht am 30.08.2018

schwebender Ton

Ein schönes Paar
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Ein schönes Paar von Gert Loschütz ist ein ruhig, eigentlich unspektakulär geschriebener Roman über die Spurensuche eines Mannes über seine Eltern bzw. über ihre Trennung. Leitmotiv dabei ist eine alte ...

Ein schönes Paar von Gert Loschütz ist ein ruhig, eigentlich unspektakulär geschriebener Roman über die Spurensuche eines Mannes über seine Eltern bzw. über ihre Trennung. Leitmotiv dabei ist eine alte Kamera des Paares und Fotos von ihnen. Herta und Georg treffen sich vor dem Krieg in Ostdeutschland und heirateten 1942. Später flüchteten sie nacheinander in den Westen. Sie waren ein schönes Paar, aber warum sie sich plötzlich trennten, erschloß sich dem Sohn Philipp nicht.
Ich mag Gert Loschütz Stil, nicht direkt spröde, aber mit einem schwebenden Ton. Zugang zu den Figuren findet man nicht so leicht, da nie aus der Sicht von Herta oder Georg erzählt wird, konsequent ist es die Erzählstimme des Sohnes. Das Cover deutet die Form an, indem ein Lichtstrahl über ein Paar ins dunkle dringt. Durch viele Leerstellen bleibt mir ein Teil des Romans verschlossen, doch ich habe viel übrig für eine Literaturform, die sich dem verborgenen und rätselhaften stellt. Patrick Modiano ist ein großer Autor dieser Form und Gert Loschütz folgt ihm mit vielen detailreichen und sorgfältigen Beschreibungen der Umgebung. In dieser Form mit Sprache zu arbeiten ergibt ein lesenswertes Stück Literatur.