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Veröffentlicht am 20.10.2023

Sprachlos hadern

Diamantnächte
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"Und dann hob ich ab und trieb sanft im Zimmer umher, ganz von allein." (S. 237)

Genauso wie eben angeführtes Zitat treibt die Geschichte der Protagonistin - einmal heißt sie Agnete, einmal Marianne - ...

"Und dann hob ich ab und trieb sanft im Zimmer umher, ganz von allein." (S. 237)

Genauso wie eben angeführtes Zitat treibt die Geschichte der Protagonistin - einmal heißt sie Agnete, einmal Marianne - umher, zwar nicht immer sanft, aber ganz von allein. Wobei, ich bin mir unschlüssig ob es tatsächlich eine Geschichte ist. Vielmehr sind es Gedanken, die wir in "Diamantnächte" mitverfolgen können. Zwar gibt es eine Rahmengeschichte, diese erscheint aber zweitranging. Dabei hadert die Erzählerin ständig - mit sich, mit dem Gesehen Werden, mit einer angeblichen Inkompetenz mit Menschen umzugehen, mit Beziehungen, mit Träumen und Selbstverletzungen. Den roten Faden bildet dabei eine Beziehung zu einem wesentlich älteren Mann - der Vater einer Freundin - die sie Jahrzehnte aufrecht erhält, auch wenn sie immer nur eine flüchtige Begegnung darstellt. Es ist nicht klar: geht es um Sex, um Nähe, sieht sie der Mann, wie sie ist, weil er glaubt, dass er es kann? Was zieht sie immer und immer wieder zu ihm? Was ist so speziell an dieser Beziehung, dass sie deren Geschichte niederschreiben muss? Was ist es, das Agnete, oder Marianne, antreibt und wo will sie überhaupt hin? Mühelos könnte ich noch zahlreiche Fragen formulieren, eine Antwort bekomme ich in diesem Buch aber nicht.

Interessant ist der Aufbau des Buches: es umfasst drei Abschnitte. Im ersten versucht sie sich einer Geschichte anzunähern, wird aber immer wieder von ihren Gedanken unterbrochen. Sie erkennt, dass sie so nicht zum Ziel kommt (welchem???). Bis hierhin ist aus der Ich-Perspektive erzählt. Im nächsten Kapitel plötzlich wechselt die Erzählweise auf eine Erzählung in der Dritten Person. Nun heißen die Protagonist*innen anders, aus Agnete wird plötzlich Marianne und es wird geschildert, wie sie den Mann - hier heißt er nun Alexander und nicht mehr Christoph - kennenlernt. Er ist der Vater ihrer Freundin Jenny, die hier nun aber Sarah heißt. Nachdem sie und Alexander die ersten Intimitäten ausgetauscht haben, endet scheinbar völlig natürlich die Freundschaft zwischen Agnete und Jenny. Im dritten Abschnitt kehrt die Ich-Erzählform wieder zurück, der Mann wird nun schlicht C benamt. Hier tauchen wir mehr und mehr in die Gegenwart der Protagonistin ein - vermutlich versucht sie zu schildern, warum alles so geworden ist, wie es ist. Angenehm ist im Buch, dass die Unterkapitel nur sehr kurz sind, teilweise nur zwei Zeilen und ein neues beginnt immer in der Mitte der Seite - das Buch kann also schnell hinter sich gebracht werden.

"Diamantnächte" macht mich sprachlos und ich hadere. Sprachlos, weil mir nicht eingeht, was das Buch eigentlich erzählen will. Ich verstehe es schlicht nicht. Nichts scheint von Bedeutung zu sein, aber alles ist pathetisch wichtig. Ich hadere, weil der Erzählstrang, die Geschichte wirklich gut sein könnte, würde sie auserzählt werden, würde sie tiefer gehen, würden wenigstens Ansätze von Erklärungen vorhanden sein. Trotzdem ich daran wirklich kaum etwas verstehe, ich mich zwischendurch ob der fehlenden Tiefe und Nachvollziehbarkeit geärgert habe, habe ich das Buch nichtsdestotrotz irgendwie doch gern gelesen.

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Veröffentlicht am 27.10.2025

Hirnlos

Heimat
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Jana und Noah leben seit kurzen in einer Neubausiedlung im Dorf. Sie beschließt plötzlich, ihre Arbeit zu kündigen, was bei ihrem Mann so gar nicht auf Verständnis stößt. Dieses findet Jana dann bei einigen ...

Jana und Noah leben seit kurzen in einer Neubausiedlung im Dorf. Sie beschließt plötzlich, ihre Arbeit zu kündigen, was bei ihrem Mann so gar nicht auf Verständnis stößt. Dieses findet Jana dann bei einigen Frauen im Ort, allen voran Karolin. Die Insta-Influencerin zieht Jana schnell in ihrem Bann, auch wenn deren konservative Haltung sie - zumindest am Anfang - irritiert.

Ich hatte mich wirklich schon sehr auf diesen Roman gefreut, da er so viele positive Kritiken bekommen hat. Allerdings bin ich im Nachgang irgendwie enttäuscht. Die Protagonistin Jana ist völlig naiv und unreflektiert. Mir kommt vor, dass sie zu gar nichts eine eigene Meinung hat. Warum sie ihren Job gekündigt hat, ist nicht wirklich nachvollziehbar. Dass ihre neue Freundinnen erzkonservativ sind und sich ihren Männern unterstellen, um ganz für die Kinder da zu sein, lässt sie zwar anfänglich etwas wundern. Doch im Laufe der Zeit entwickelt sie eine beinahe krankhafte Obsession mit Karolin, man fragt sich, ob sie sich nicht in sie verliebt hat. Deren Mann, der offensichtlich nicht vor Gewalt seiner Frau gegenüber zurückschreckt, findet sie ebenfalls ziemlich anziehend. Dass Noah über ihre unnachvollziehbare Wandlung nicht glücklich ist und Jana kaum mehr erkennt, scheint sie überhaupt nicht zu stören.

Ab und an lesen wir über die Aktivitäten der AfD im Dorf, über die Ablehnung von fremder Kinderbetreuung und Impfungen. Über die augenscheinliche Differenz zwischen Insta-Wahrheit und Wirklichkeit, über Gewalt gegen Frauen und Lästereien sogenannter Freundinnen. Das hätte grundsätzlich das Potential für eine packende, gesellschaftskritische Story, doch die Protagonistin bleibt m.E. so farb- und hirnlos und unrealistisch, dass ich mich nur drüber ärgern kann. Außerdem werden absichtlich etliche Lücken eingebaut, die Leser*innen wissen über vieles nicht Bescheid und das Ende bleibt absolut offen. Das wäre ja an und für sich kein Problem, Spekulationen besonders bei einem offenen Ende sind reizvoll. Aber hier bleibt bereits im Fortgang der Geschichte so viel unerzählt, dass ich mich frage, warum es überhaupt thematisiert wurde. Die rechtsextremen und tradwifeigen Tendenzen werden auch eher nur eingestreut, ohne eine stimmiges Gesamtbild geschweige denn eine entsprechende Dorfatmosphäre zu ergeben. So frage ich mich am Schluss: was sollte hier eigentlich erzählt werden?

Mein Fazit: Heimat ist ein gut zu lesender Roman mit einem aktuellen Thema, aus dem man eine gute, gesellschaftskritische Geschichte bauen hätte können. Leider ist für mich die Story und vor allem die Protagonistin weder stringent noch nachvollziehbar, auch wenn das offene Ende seinen Reiz hat.

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Veröffentlicht am 16.09.2025

Tal des Vorhersehens und der Stereotypen

Schattengrünes Tal
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Lisas Leben ist ganz ok, zwar hat die Ehe mit Simon die besten Jahre schon hinter sich und ihr sturer, alter Vater Carl will einfach nichts an dem immer maroder werdenden Hotel, das seinen Glanz längst ...

Lisas Leben ist ganz ok, zwar hat die Ehe mit Simon die besten Jahre schon hinter sich und ihr sturer, alter Vater Carl will einfach nichts an dem immer maroder werdenden Hotel, das seinen Glanz längst verloren hat, ändern, aber sie gibt sich mit wenig zufrieden. Dann jedoch betritt Daniela die Bühne. Die eigenartige Frau ist Lisa nicht so recht geheuer, doch als diese es schafft, Lisas Umfeld immer mehr für sich einzunehmen, lässt sie sich mehr und mehr auf sie ein. Hätte sie sich doch lieber auf ihre Bauchgefühl verlassen...

Die erste Hälfte des Buches macht echt Spaß zu lesen - der Schreibstil ist sehr kurzweilig, es wird ein gewisser Spannungsbogen aufgebaut, die Autorin baut atmosphärische Bilder auf, man kann Lisas Zweifel und ihr schlechtes Bauchgefühl was Daniela betrifft gut nachvollziehen, genauso wie die nicht mehr so frische Beziehung zu ihrem Mann und den Ärger über ihren Vater, der einfach nicht sieht, dass die gute alte Zeit im Hotel längst vorüber ist und vollkommen unwillig ist, sich auf Neues einzulassen. Schnell lesen lässt sich die Geschichte auch, weil sie in kurzen Kapiteln immer verschiedenen Figuren folgt. Und man verfällt rasch in Spekulationen, was es mit dieser ominösen Daniela wohl auf sich hat und wie sich das Erzählte wohl weiterentwickeln wird. Soweit so gut.

Als dann aber im zweiten Teil des Buches fast jede Vermutung dann tatsächlich eintritt und dann auch noch ein Geschlechterstereotyp nach dem anderen bedient wird, hat sich der Spaß für mich aufgehört und ich musste mich einigermaßen ärgern. Schwanzgesteuerte Männer, rachsüchtige, manipulative und als Gegentyp naive Frauen, Frauen, die alles mit sich machen lassen und zur Krönung noch ein Happy End auf allen Ebenen. Alles bleibt oberflächlich, die Figuren haben keinerlei Tiefe, leider stelle ich mir persönlich so eine gute Geschichte nicht vor. Schade, es hatte vielversprechend begonnen.

Mein Fazit: Schattengrünes Tal beginnt vielversprechend mit einem kurzweiligen Schreibstil und einem schnell einsetzenden Spannungsboden, bedient aber rasch sämtliche Geschlechterstereotypen und ist sehr vorhersehbar. Wem das nicht stört, könnte das Buch gefallen.
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Veröffentlicht am 21.06.2025

Schräg mit Fisch

Fischtage
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Ella ist sechzehn und lebt mit ihrer Bobofamilie in Dortmund. Ihre Eltern kümmern sich hauptsächlich um sich selbst und so denken sie sich auch nichts dabei, als ihr vierzehnjährige Luis plötzlich nicht ...

Ella ist sechzehn und lebt mit ihrer Bobofamilie in Dortmund. Ihre Eltern kümmern sich hauptsächlich um sich selbst und so denken sie sich auch nichts dabei, als ihr vierzehnjährige Luis plötzlich nicht mehr da ist. Ella jedoch macht sich Sorgen, auch wenn sie ihren Bruder - genau wie den Rest der Welt - eigentlich gar nicht ausstehen kann. Angepisst von ihren gleichgültigen Eltern zieht sie kurzerhand in den Schrebergarten ihres dementen Kumpels Eckard und begibt sich auf die Suche nach dem kleinen Bruder. Tatkräftige Unterstützung erhält sie von der Werkkursleiterin Oksana und einem sprechenden Fisch...

Charlotte Brandi zeichnet in "Fischtage" ein Portrait einer Teenagerin, die an beängstigenden Wutattacken leidet, umgeben von einer Familie der alles gleichgültig ist. So kümmert sie es nicht groß, dass ihr Junge verschwunden ist, genauso wenig, dass Ella in die Gartenhütte zieht und die Mutter fremdgeht. Ellas Wesen ist geprägt von Gewalt, nicht augenscheinlich aus ihrem Elternhaus - außer natürlich die Ego-Zentriertheit der Eltern, sondern von der Stadt, den Begegnungen, die sie hat und denen sie nur Wut entgegenbringen kann. So wird sie ein ums andere Mal verprügelt und schließlich auch vergewaltigt. Auszumachen scheint es der derben Sechzehnjährigen nur wenig. Nur wenn es um ihren vermissten Bruder geht, zeigt sie verletzliche Gefühle, die sie mitnehmen, die Sorge um ihn lässt sie zittern. Ellas neue Freundin Oksana ist ihr sehr wichtig und sie wird von ihr magisch angezogen. Als Leserin ist diese Figur aber sehr uneinsichtig und nervig und irgendwie wird angedeutet, dass auch eine sexuelle (oder romantische?) Anziehungskraft die beiden verbindet - das wird einem aber irgendwie nur vor die Füße geworfen, ohne dass man es spüren kann.

Vorwiegend zeichnet sich "Fischtage" durch eine derbe, vulgäre Sprache der Protagonistin und die bereits erwähnte Gleichgültigkeit und Gewalt aus. Was die Story eigentlich aussagen will, bleibt offen und wenn man dazu Lust hat, kann man darüber spekulieren. Das Positive ist, dass die Kapitel meist sehr kurz gehalten sind und man so recht schnell die notwendigen Pausen einlegen kann. Die Geschichte mit dem sprechenden Fisch, der gerne großspurige Ratschläge erteilt, ist mitunter erheiternd, auch wenn ihr es gut getan hätte, wenn er eine größere Rolle eingenommen hätte. Dieses fantastische Element und einige anderen schräge Ideen hätten das Buch zu einem modernen, wortgewaltigen Teenager-Werk werden lassen können. Die Lieblosigkeit, das Fallenlassen von Figuren (z.B. Eckard) und Handlungssträngen und das Martialische lassen einen aber nur mit vielen Fragezeichen im Kopf zurück. Kann man lesen, muss man aber nicht.

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Veröffentlicht am 16.03.2025

Kunst und Mord

Die blaue Stunde
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Vanessa Chapman war Künstlerin, die auf einer einsamen Insel lebte. Ihr Verhältnis zu Männern war problematisch, dafür wurden ihre Kunstwerke in der Szene umso mehr gefeiert. Jahre nach ihrem Tod stellt ...

Vanessa Chapman war Künstlerin, die auf einer einsamen Insel lebte. Ihr Verhältnis zu Männern war problematisch, dafür wurden ihre Kunstwerke in der Szene umso mehr gefeiert. Jahre nach ihrem Tod stellt sich heraus, dass eines ihrer Werke einen menschlichen Knochen enthält. Der Kunstkurator James Becker begibt sich deshalb regelmäßig auf die Insel, um bei Vanessas Vertrauten Grace mehr über den Hintergrund des Kunstwerks und der Künstlerin herauszufinden. Dabei ist er einem dunklen Geheimnis auf der Spur...

Paula Hawkins legt uns in "Die blauen Stunde" einen Roman mit Krimielementen vor, der einen außergewöhnlichen Erzählaufbau vorweist: unterschiedliche Erzählweisen wechseln sich ab. Tagebucheinträge der Künstlerin, Zeitungsberichte über sie und normale Erzählvorgänge aus der fiktiven Gegenwart und Vergangenheit wechseln sich ab. Das macht das Buch grundsätzlich recht gut und kurzweilig lesbar, den zusammenhängenden Sinn dahinter konnte ich aber nach Beendigung des Buches nicht so wirklich nachvollziehen.

Ich habe selten ein Buch gelesen, in dem mir beinahe alle Figuren so unsympathisch waren, wie in diesem Buch. Nur Becker und Grace sind stellenweise zugänglich, aber im Grunde haben die beiden auch nicht sonderlich viel einnehmende Charaktereigenschaften. Die Figur der Grace ist ziemlich widersprüchlich, scheinbar wurde sie nie in ihrem Leben geliebt und ihr wird unterstellt, mit Menschen nicht umgehen zu können, andererseits ist sie aber eine gut angenommene Landärztin. Generell waren die geschilderten Personen für mich allesamt unzugänglich. Die Kunstszene wird für meinen Geschmack viel zu umfänglich beschrieben, hier habe ich oft die Aufmerksamkeit verloren, weil mir die langen Passagen, in denen die (in der Realität fiktive) Künstlerin Vanessa beschrieben wird, einfach zu kunstdetailliert und ausschweifend beschrieben sind. In einigen Nebenschauplätzen erfahren wir auch einiges über Lug und Trug und allerlei Intrigen, die aber für die Geschichte nicht wirklich relevant sind. Zudem bleiben einige Themen, die aufgerissen wurden, unnötigerweise unerklärt.

In der zweiten Hälfte des Buches wird viel mehr auf Grace und Becker eingegangen und kurze Zeit dachte ich mir, dass ich endlich einen Zugang zu ihnen finden würde. Aber dann gibt es eine Entwicklung, die meines Erachtens ziemlich absurd ist. (die aus Spoilergründen hier nicht näher erläutert wird) Ich finde es sehr schade, dass mich das Buch so überhaupt nicht ansprechen konnte, denn die Beschreibung wirkt äußerst spannend. Ich kann es aber leider nicht weiterempfehlen.

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