Ein Sinn lässt sich suchen
Der Hase im Mond"Anders als in der Fernsehserie gab es weder eine Pointe noch eine Moral noch das obligatorische Happy End." (S. 214)
Dieses Zitat aus Milena Michiko Flasars Erzählband "Der Hase im Mond" fasst vortrefflich ...
"Anders als in der Fernsehserie gab es weder eine Pointe noch eine Moral noch das obligatorische Happy End." (S. 214)
Dieses Zitat aus Milena Michiko Flasars Erzählband "Der Hase im Mond" fasst vortrefflich zusammen, wie ich ihre neun Kurzgeschichten wahrgenommen habe. Ich konnte oft weder eine Moral, noch eine Pointe, geschweige denn ein Happy End finden. Das ist grundsätzlich auch nicht nötig. Der Schreibstil der Autorin ist sehr besonders, er hat mich eingenommen, auch wenn der Ablauf der Geschichten ab und an zäh und nervig daherkam. Es erfordert einiges an Geduld, eine Geschichte so hinzunehmen, ohne dass sie augenscheinlich Sinn ergibt. Das Zitat, was zum Ende des Buches aufgeworfen wird, scheint mir auch sehr bewusst dorthin gesetzt worden zu sein.
Sie setzt die Realität oft in einem schwebenden Zustand, der ab und an ins Fantastische gleitet, an. "Was ist tatsächlich geschehen?" ist eine zentrale Frage, die ich mir beim Lesen ständig gestellt habe. Die verhandelten Themen sind vielfältig und wiederkehrend: Mann-Frau- & Eltern-Kind-Beziehungen, Rollenverteilung, Verwahrlosung, Aufgabe des Alltags, Äußerlichkeiten (v.a. weiße Zähne), Gefühlsstörungen & Wahnhaftigkeiten, ein intensives sich-Hineinsteigern in unterschiedliche Beobachtungen, die Suche nach dem Selbst, das eigene Scheitern und andere Abhängigkeiten. Auch Tiere spielen immer wieder eine Rolle.
Es wäre schön, das Buch mit einer japanischen Brille lesen zu können: die Autorin hat einen japanischen Elternteil, die Geschichten spielen in Asien und wären vermutlich greifbarer, hätte man einen entsprechenden kulturellen Background. Meine Gefühlslagen zu den Erzählungen schwankte zwischen Bezauberung, Mitgerissen-sein, Abstoßung, Langeweile, Entnervung, Verwirrtheit und Begeisterung. Solche Schwankungen zu verursachen, zeugt von großem Talent, vor allem unter dem Aspekt, dass sich eine Sinnhaftigkeit der Geschichten nur selten einstellt. So alltäglich sie sein mögen, so sehr versetzen sie einen in eine andere, beinahe schon alienesque Welt. Begleitet werden die unterschiedlichen Protagonist*innen stets von philosophischen Gedankengängen. Eines steht fest: hinterher ist man keineswegs schlauer.
Mein Fazit: "Der Hase im Mond" ist eine sehr spezielle Kurzgeschichtensammlung, die mehr Fragen aufwirft, als sie beantwortet. Sie glänzt durch eine magische literarische Sprache, die einen in eine andere Welt zu versetzen mag. Eine Leseempfehlung spreche ich aus für alle, die es nicht stört, nach dem Lesen keinen Sinn entdecken zu müssen.