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Veröffentlicht am 09.03.2018

Ein mitreißender historischer Roman und rundum gelungener Schmöker

Das Geheimnis der Muse
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INHALT
In den 1960er Jahren verlässt die junge Odelle Bastien ihre Heimat Trinidad, um in England ein besseres Leben zu finden und vor allem ihren Traum vom Schreiben verwirklichen zu können. In London ...

INHALT
In den 1960er Jahren verlässt die junge Odelle Bastien ihre Heimat Trinidad, um in England ein besseres Leben zu finden und vor allem ihren Traum vom Schreiben verwirklichen zu können. In London findet sie schließlich eine gut bezahlte Anstellung als Schreibraft bei der angesehenen Kunstgalerie Skelton. Ihre neue Chefin Marjorie Quick erkennt rasch Odelles wahre Leidenschaft und fördert ihre schriftstellerischen Ambitionen. Odelle lernt den jungen Engländer Lawrie kennen, der von seiner kürzlich verstorbenen Mutter ein Gemälde geerbt hat und mehr über den Künstler in Erfahrung bringen möchte. Schon bald steht fest, dass es sich bei dem sensationellen Fund um ein verschollenes Werk des im Spanischen Bürgerkrieg verschwundenen Künstlers und Revolutionärs Isaac Robles handelt. Bei ihren Nachforschungen stößt Odelle auf eine mysteriöse Geschichte, die ihren Ursprung in den späten 1930er Jahren auf einem Landgut in Andalusien hat, und auf ein unergründliches Geheimnis, das sich um die junge Malerin Olive Schloss und das Geschwisterpaar Robles rankt.
MEINE MEINUNG
Nach ihrem weltweit erfolgreichen Debütroman „Die Magie der kleinen Dinge“ ist Jessie Burton mit „Das Geheimnis der Muse“ erneut ein fesselnder historischer Roman gelungen, der mich mit seiner vielschichtigen Handlung und seinen interessanten, lebendigen Charakteren überzeugen konnte. Hierin erzählt Burton sehr abwechslungsreich die faszinierenden Lebensgeschichten dreier junger Frauen zu zwei unterschiedlichen Zeitepochen.
Mit ihrem wundervoll einfühlsamen, mitreißenden Schreibstil und geschickt gesetzten Perspektivwechseln ist es der Autorin mühelos gelungen, mich immer tiefer in die mysteriösen Geschehnisse und aufregenden Verwicklungen rund um das Gemälde und das damit verknüpfte Geheimnis hineinzuziehen, so dass ich schon bald das Buch nicht mehr aus der Hand legen konnte. Zugleich entführt sie uns mit ihren anschaulichen, atmosphärisch dichten Beschreibungen zu zwei faszinierenden Schauplätzen: zum einen in die schillernde Metropole London der Swinging Sixties mit Odelle als Protagonistin und zum anderen in ein kleines Dorf in Andalusien in den späten 1930ger Jahren kurz vor Ausbrechen des Spanischen Bürgerkriegs, in der Olive und das spanische Geschwisterpaar Teresa und Isaac Robles im Mittelpunkt stehen.
Sehr gelungen sind vor allem die im heißen, ländlichen Andalusien angesiedelten Ereignisse, die eine spannungsgeladene Zeit des Umbruchs beschreiben, in der das Leben aller von den Vorboten des Spanischen Bürgerkriegs überschattet wird.
Jessie Burton verwebt in ihrem Roman äußerst geschickt die zwei auf unterschiedlichen Zeitebenen angesiedelten Handlungsstränge zu einer fesselnden Hintergrundgeschichte, bei der zunächst nur das für verschollene gehaltene Gemälde der gemeinsame Verknüpfungspunkt zu sein scheint. Gebannt verfolgt man die rätselhaften Geheimnisse rund um die Hauptfiguren und versucht die tragischen Verwicklungen zu ergründen, die ihr Leben unausweichlich beeinflussen und auf einschneidende Weise verändern werden. Hier kommen große Emotionen ins Spiel - Liebe, Leidenschaften, Eifersucht, Freundschaft, Loyalität und Verrat lassen die Lektüre oft zu einer spanungsgeladenen Achterbahnfahrt von großem Glück, tiefen Enttäuschungen und persönlichen Tragödien werden.
Fasziniert haben mich vor allem die hervorragend ausgearbeiteten weiblichen Hauptfiguren Odelle und Olive, die im Laufe der Handlung viele charakterliche Gemeinsamkeiten erkennen lassen. Beide Frauen haben Träume und Wünsche für ihr Leben, die nicht in die gesellschaftlichen Vorstellungen und das vorrangig patriarchalisch geprägtes Denken ihrer Zeitepoche passen. So werden insbesondere ihre „nicht frauentypischen“, künstlerischen Talente vom ignoranten Umfeld eher belächelt als akzeptiert und gefördert. Aus Angst vor Enttäuschung und offener Ablehnung trauen sie sich nicht zu ihrer Kunst zu stehen. Dennoch sind es zwei Frauen, die ihre Leidenschaft für die Kunst auf ganz unterschiedliche Weise unterstützen und sie in die Öffentlichkeit bringen. Die Geschichte der beiden beschreibt Burton sehr mitreißend, einfühlsam und nachvollziehbar.
Auch die übrigen Charaktere sind vielschichtige, interessante Persönlichkeiten, deren Gedankenwelt und Verhalten gut nachvollziehbar ist.
Der Autorin gelingt es hervorragend, die Spannung bis zum Schluss aufrecht zu erhalten und uns mit der Auflösung des folgenschweren Geheimnisses um das Gemälde und einigen fesselnden Hintergründen zu überraschen. Sehr gelungen finde ich dabei den als Nachtrag betitelten Ausklang des Romans.
FAZIT
Ein sehr mitreißender, historischer Roman und ein rundum gelungener Schmöker, den ich kaum aus der Hand legen konnte. Allen in allem ein tolles Buch, welches ich gerne weiter empfehlen kann!

Veröffentlicht am 06.03.2018

Ein gelungenes Debüt

Wenn Martha tanzt
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INHALT
New York, 2001: Der junge Deutsche Thomas reist in die USA, um bei der Versteigerung des Tagebuchs seiner Urgroßmutter Martha bei Sotheby's dabei sein zu können. Nach dem Tod seiner Großmutter hat ...

INHALT
New York, 2001: Der junge Deutsche Thomas reist in die USA, um bei der Versteigerung des Tagebuchs seiner Urgroßmutter Martha bei Sotheby's dabei sein zu können. Nach dem Tod seiner Großmutter hat er es in einem alten Rucksack entdeckt. In der Fachwelt gilt das Notizbuch als eine Sensation, denn es enthält neben den Tagebucheinträgen unbekannte Skizzen und Zeichnungen von später berühmt gewordenen Bauhaus-Künstlern wie Feininger, Klee und Kandinsky. Geboren wurde Martha als Tochter eines Kapellmeisters im Jahr 1900 in einem kleinen Dorf in Pommern, wo sie eine glückliche Kindheit verbrachte. Als junges vielseitig talentiertes Mädchen beschließt sie, an das von Walter Gropius geleitete Bauhaus nach Weimar zu gehen. Dort lernt sie viele Künstler kennen und taucht in eine völlige neue Welt ein. Auf der Suche nach ihrer wahren Begabung entdeckt sie schließlich das Tanzen als neue Ausdrucksform. Bis die und Marthas Zeit am Bauhaus kommt jedoch zu einem abrupten Ende, da die Nazis die Kunstschule schließen. Mit einem Baby kehrt sie in ihre Heimat zurück, eröffnet ein Tanzstudio, doch das Schicksal meint es nicht gut mit ihr. Auf der Flucht in den Wirren des Zweiten Weltkriegs enden Marthas Tagebucheinträge abrupt und ihre Spur verliert sich ...

MEINE MEINUNG
Mit seinem Debüt „Wenn Martha tanzt“ ist Tom Saller ein sehr bewegender und mitreißender Roman gelungen, der zugleich ein geschichtlich sehr lehrreicher „Jahrhundertroman“ ist. Der Autor erzählt in seiner großartigen, fiktiven Geschichte die bewegte Biographie einer außergewöhnlichen jungen Frau. Einfühlsam und dennoch mit einer angenehmen Leichtigkeit zeichnet er verschiedene Lebensstationen im letzten Jahrhundert nach – ihre Suche nach künstlerischer Selbstverwirklichung, ihr Leben geprägt durch die Zwänge der damaligen gesellschaftlichen Realität und ein tragisches Schicksal bestimmt durch die historischen Umstände im Zweiten Weltkrieg.
Die zwei sich abwechselnden, auf unterschiedlichen Zeitebenen angesiedelten Erzählstränge haben mich rasch in ihren Bann gezogen. In der fesselnden Rahmenhandlung lernen wir den sympathischen Ich-Erzähler Thomas in der Gegenwart kennen und erfahren mehr über die genaueren Hintergründe zum Fund des Tagebuchs seiner Urgroßmutter und seine Erlebnisse anlässlich der Versteigerung dieses Sensationsfundes bei Sotheby’s. In der Haupterzählebene erfahren wir aus Marthas Sicht verschiedene wichtige Episoden aus ihrem einzigartigen Leben, beginnend mit ihrer glücklichen Kindheit und Jugend, ihre Studienzeit am Bauhaus in Weimar bis hin zu ihrer überhasteten Flucht aus Pommern im Jahr 1945. Geschickt lässt der Autor seine beiden Erzählstränge zu einer fesselnden Familiengeschichte zusammenlaufen, die mit vielen unvorhersehbaren Wendungen und überraschenden Enthüllungen gespickt ist.
Mit den Tagebuchaufzeichnungen nimmt uns der Autor mit auf eine faszinierende Zeitreise. Nach Marthas sehr persönlichen Erinnerungen an ihre unbeschwerte Kindheit und Jugend im ländlichen Pommern, im Land am Meer, bricht sie auf ins turbulente Weimar der 1920ger Jahre, einem Ort in Aufbruchstimmung, voller Kreativität und neuen Lebenskonzepten. Zwei Schauplätze im Wandel der Zeiten, wie sie nicht unterschiedlicher und kontrastreicher sein könnten – von Saller atmosphärisch dicht eingefangen und anschaulich beschrieben, so dass man mühelos in die vergangenen Zeiten eintauchen kann. Für mich persönlich war vor allem Marthas Zeit am Bauhaus Weimar mit den vielen sorgsam recherchierten Informationen ein besonderes Highlight. Die interessanten Ausführungen des Autors haben mich parallel zur Lektüre des Romans dazu angeregt, weitere Hintergründe und Details über das Bauhaus, seine Konzeption und die damaligen Künstler herauszufinden. Saller ist es hervorragend gelungen, uns seine vielschichtige und lebensnah wirkende Protagonistin Martha mit ihrer schillernden Persönlichkeit, ihrer außergewöhnlichen synästhetischen Veranlagung und ihrer charakterlichen Entwicklung im Laufe der Zeitgeschichte näher zu bringen. Sehr fesselnd und aufschlussreich ist ihre Suche nach ihrer künstlerischen Bestimmung gestaltet, ihre Auseinandersetzung mit dem Kunstverständnis am Bauhaus und ihren Begegnungen mit teilweise sehr ungewöhnlichen Menschen unter den Lehrern und Studenten, aber auch ihre ganz persönlichen Enttäuschungen.
Die sprachliche Umsetzung von Marthas Geschichte, die oft ohne große Worte auskommt, vieles nur szenisch anreißt und der eigenen Fantasie freien Lauf lässt, hat mich schnell gefangen genommen. Sehr passend zum Bauhaus-Stil hat der Autor für Marthas innere Stimme eine prägnante, eher nüchterne und schnörkellose Sprache verwendet. Auch der Erzählstrang mit Thomas in der Gegenwart ist sehr ansprechend ausgearbeitet und gibt uns einen nachvollziehbaren Einblick in das Gefühlsleben des jungen Ich-Erzählers, seinen Intentionen und seinem Bezug zur Vergangenheit seiner Familie. Die unvorhersehbare Wendung in seiner Erzählung zum Ende hin gab der Geschichte noch einmal eine besondere Note. Interessant und sehr schlüssig, wie er schließlich mit seinem ganz eigenen Geheimnis umgeht.
FAZIT
Ein wunderbarer, gelungener Debütroman! Eine beeindruckende, berührende und mitreißende Geschichte über eine außergewöhnliche Frauenfigur im vorigen Jahrhundert!

Veröffentlicht am 13.02.2018

Überzeugendes Krimidebüt

Der weiße Affe
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INHALT
Berlin in den Goldenen Zwanzigern. Der junge Kommissar Ariel Spiro frisch aus dem Provinznest Wittenberge zur Kriminalpolizei nach Berlin gewechselt. Gleich sein erster Fall gibt viele Rätsel auf. ...

INHALT
Berlin in den Goldenen Zwanzigern. Der junge Kommissar Ariel Spiro frisch aus dem Provinznest Wittenberge zur Kriminalpolizei nach Berlin gewechselt. Gleich sein erster Fall gibt viele Rätsel auf. In einem ziemlich runtergekommenen Wohnviertel wurde der jüdische Bankier Eduard Fromm mit eingeschlagenem Schädel vor der Wohnung seiner blonden Geliebten aufgefunden. Verdächtige gibt es einige, so der Verlobte mit seinem zwielichtigen Kumpel, der Stellvertreter im Bankhaus bis hin zu den etwas exzentrischen Mitgliedern der gutsituierten Familie des Mordopfers, der Ehefrau Charlotte und den erwachsenen Kindern Nike und Ambros. Auch ein politisches Motiv ist zunächst nicht auszuschließen. Während der junge Spiro schon bald Bekanntschaft mit dem wilden, zügellosen Berliner Nachtleben macht, scheinen seine Ermittlungen immer mehr auf der Stelle zu treten. Wird ihm der Fall nach einer großen Blamage endgültig entgleiten?
MEINE MEINUNG
Der fesselnde, historische Kriminalroman »Der weiße Affe« ist das äußerst gelungene Debüt der deutschen Autorin Kerstin Ehmer.
Hierin entführt sie uns ins Berlin der Goldenen 1920er Jahre, eine pulsierende Metropole im Wandel der Zeiten und voller Kontraste zwischen Luxus, Reichtum, Existenzkampf, Kriminalität und Armut. Gekonnt und atmosphärisch dicht portraitiert Ehmer das facettenreiche Alltagsleben in der damaligen Hauptstadt der Weimarer Republik. Sie lässt uns am Schicksal der Menschen teilhaben, vermittelt ein sehr stimmiges, authentisches Bild der damaligen Zeit und gibt uns sogar Einblick in die kriminalistische Ermittlungsarbeit.
Der Krimi lebt neben den unglaublich lebendig geschilderten Schauplätzen vor allem von seinen interessanten, vielschichtig angelegten Figuren. Hervorragend gefallen hat mir der sympathische „Neuling“ Spiro als Protagonist, der sehr gebildet und eloquent ist, manchmal gerne mit verdeckten Karten spielt, aber in einigen Situationen auch sehr unbedarft wirkt. Gemeinsam mit dem aus der Provinz ganz frisch nach Berlin gekommenen Kommissar Ariel Spiro tauchen wir ein in diese faszinierende Welt und begleiten ihn bei seiner rastlosen Ermittlungsarbeit zu seinem komplizierten Mordfall, bei dem sich trotz zahlreicher Verdächtiger keine heiße Spur auftun will. Mit ihm lernen wir das schillernde, dekadente Nachtleben kennen, in dem die Reichen sich amüsieren und nach Alkohol- und Drogenkonsum ungehemmt ihre sexuellen Neigungen ausleben. Doch Spiros Ermittlungen führen uns auch zu den vielen dunklen Seiten der Gesellschaft, dorthin wo Elend, Armut, Alkoholismus und Verbrechen allgegenwärtig sind, lassen uns bei Gesprächen den aufkommenden Antisemitismus spüren und konfrontieren uns schließlich bei der Aufklärung des Falls mit den Abgründen der menschlichen Existenz.
Zunächst verwirrend, aber sehr spannend sind die eingeschobenen, kursiv gedruckten Passagen, die uns einen zweiten Handlungsstrang aus einer völlig anderen, eindringlichen und recht bizarren Perspektive erleben lassen. Erst allmählich wird die Bedeutung dieser verstörenden Passagen immer klarer, wodurch die Geschichte eine besonders fesselnde Note und überraschende Wendung erhält.
Sehr gelungen ist auch Ehmers außergewöhnlicher und zugleich anspruchsvoller Erzählstil, der eine ganz eigenwillige, pointiert eingesetzte Sprache verwendet, wodurch man sich auch sprachlich in die damalige Zeit zurückversetzt fühlt.
Ich würde mich sehr freuen, wenn es bald einen neuen Fall für Kommissar Spiro gäbe.
FAZIT
Ein fesselnder, atmosphärisch dichter historischer Kriminalroman mit interessanten Charakteren, der uns gekonnt ins quirlige Berlin der 20er Jahre abtauchen lässt. Sehr lesenswert!

Veröffentlicht am 05.02.2018

Gelungenes Krimidebut

Stumme Wut
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INHALT
Für DCI Matilda Darke, die Leiterin der Mordkommission in Sheffield, ist vor 9 Monaten eine Welt zusammengebrochen: Nach dem Tod ihres geliebten Mannes und einer gescheiterten Lösegeldübergabe fiel ...

INHALT
Für DCI Matilda Darke, die Leiterin der Mordkommission in Sheffield, ist vor 9 Monaten eine Welt zusammengebrochen: Nach dem Tod ihres geliebten Mannes und einer gescheiterten Lösegeldübergabe fiel sie in eine tiefes Loch und musste sie eine Zwangsbeurlaubung hinnehmen. Ihre Rückkehr in den Dienst hatte sie sich jedoch anders vorgestellt, denn sie soll einen 20 Jahre alten, unaufgeklärten Doppelmord, das legendäre Harkness-Massaker, erneut untersuchen. Bei der Bluttat damals wurde das Ehepaar Harkness im eigenen Haus brutal erstochen, verwertbare Spuren fehlten und der einzige Zeuge, ihr elfjähriger Sohn Jonathan, war derart traumatisiert, dass er nicht mehr sprach. Für Matilda also eher ein Abstellgleis als eine wirkliche Chance sich bei ihrer skeptischen Vorgesetzten und ihren Kollegen beweisen zu können. Als eine übel zugerichtete Leiche aufgefunden wird, kommt es zu einer plötzlichen Wende, denn die Ermittlungen weisen auf Verbindungen zu Matildas Fall hin. Könnte es sein, dass der Täter von damals zurückgekehrt ist?
MEINE MEINUNG
Mit dem Krimi „Stumme Wut“ ist dem englischen Autor Michael Wood ein tiefgründiger, unglaublich packender Page Turner gelungen, den ich nach einigen Kapiteln einfach nicht mehr aus der Hand legen konnte. Zugleich ist es der Auftakt einer sehr interessanten neuen Krimi-Reihe rund um die sympathische DCI Matilda Darke, eine faszinierende und sehr authentisch ausgearbeitete Protagonistin mit Ecken und Kanten. Durch seinen mitreißenden Schreibstil und die sehr differenzierte Charakterisierung seiner Hauptfigur gelingt es dem Autor den Leser von Beginn an zu fesseln.
Die Mordkommission in Sheffield empfängt die psychisch angeschlagene Matilda nach ihrer längeren Zwangspause wirklich nicht mit offenen Armen. Auch ihre Vorgesetzte, ihre ehemaligen Kollegen und allen voran ihr Stellvertreter Ben Hales, der ihr Büro in Beschlag genommen hat, scheinen nicht so recht daran zu glauben, dass sie je wieder fit genug für den taffen Job als Leiterin der Mordkommission ist und begegnen ihr mit Ignoranz, offener Feindseligkeit oder Skepsis. Sehr einfühlsam und glaubwürdig beschreibt der Autor die psychische Verfassung seiner Hauptfigur. Hervorragend kann man sich in ihr Innenleben herein versetzen und verfolgt gefesselt ihre charakterliche Entwicklung – unglücklich und labil kämpft sie sich trotz einiger Rückschläge beharrlich aus ihrer Depression, Alkoholabstürzen und Panikattacken wieder ins Arbeitsleben zurück. So gewinnt sie schließlich wieder ihr Selbstbewusstsein und ihre alte Stärke als umsichtige, verantwortungsvolle Leiterin des Ermittlerteams zurück. Der Krimi lebt zudem auch von seinen zahlreichen interessanten Nebenfiguren, die ebenfalls sehr vielschichtig und lebendig gezeichnet sind und mit ihren Entwicklungen im Laufe der Handlung für so manche Überraschung sorgen.
Am Beispiel von Jonathan, Zeuge der Harkness-Morde, und seinem älteren Bruder Mathew gibt der Autor spannende Einblicke in die Abgründe der menschlichen Psyche. Zugleich verdeutlicht er sehr eindringlich und mit viel psychologischem Hintergrundwissen, welche Qualen, Zerrissenheit und Traumata Opfer auch noch als Erwachsene durchleben müssen und wie ihr Verhalten durch die Umwelt geprägt wurde.
Wood versteht es hervorragend den Spannungsbogen mit einigen überraschenden Wendungen bis zum fesselnden Ende immer weiter zu spannen. Auch wenn er uns einige Male während der Ermittlungen sehr geschickt auf falsche Fährten lockt, lädt dieser Krimi zum Miträtseln ein. Mehrfach muss man seine Verdachtsmomente, wer denn nun der Täter ist, revidieren. Die Auflösung des komplexen Falls ist aber in sich schlüssig und weitgehend nachvollziehbar.
Ich bin schon sehr gespannt auf den Folgeband mit einem neuen Fall für Mathilda.
FAZIT
Ein fesselnder Auftakt einer viel versprechenden neuen Krimi-Reihe in Sheffield rund um die labile, aber sehr sympathische DCI Matilda Darke. Empfehlenswert!

Veröffentlicht am 12.01.2018

Fesselnder Krimi, der zum Nachdenken anregt

Oberland
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„Oberland“ ist der zweite Kriminalroman der Autorin Tanja Weber, in dem der Postbote Johannes Stifter eine tragende Rolle hat.


Stifter hat sich nach seiner Versetzung gut in der oberbayerischen Kleinstadt ...

„Oberland“ ist der zweite Kriminalroman der Autorin Tanja Weber, in dem der Postbote Johannes Stifter eine tragende Rolle hat.


Stifter hat sich nach seiner Versetzung gut in der oberbayerischen Kleinstadt Lohdorf eingelebt und genießt das beschauliche Leben. Tag für Tag trägt er die Post aus in der alten wohlhabenden Villengegend des Orts, in der sich viele Rentner und Pensionäre zur Ruhe gesetzt haben. Nach und nach fallen ihm er Dinge auf, die ihn eigentlich nichts angehen, und die ihn doch nicht mehr zur Ruhe kommen lassen. Denn auch hier in der vermeintlichen Idylle lauern hinter den bröckelnden Villenfassaden das Böse und ungeahnte menschliche Abgründe – Neid, Hass, Verfall, Existenznöte, ja sogar Geldgier prägen den Alltag einiger Bewohner. In dieser unheilvollen Stimmung lässt auch ein skurriles Verbrechen nicht lange auf sich warten, das bald außer Kontrolle gerät, und unabsehbare Verwicklungen und Folgen für alle Beteiligten hat!
Die alte Adlige Gudrun von Rechlin und das bedrückende Schicksal ihrer alkoholkranken, tablettensüchtigen Tochter Annette erregen Stifters Aufmerksamkeit. Rund um das Anwesen der Rechlin häufen sich merkwürdige Ereignisse, die von den Anwohnern zunächst unbemerkt bleiben. Allmählich beschäftigen die Geschehnisse Postbote Stifter jedoch immer mehr und er weiht seinen alten Freund, den pensionierten Kommissar Thalmeier in seine Beobachtungen ein.

Bei dem vorliegenden Kriminalroman handelt es sich weniger um einen witzigen, unterhaltsamen Regionalkrimi zum Miträseln. In seinem Mittelpunkt stehen eher eine psychologisch geschickt angelegte Studie eines Verbrechens und die Analyse der unterschiedlichen Beweggründe, der am Verbrechen beteiligten Personen.
Sehr gelungen ist die eindringliche Schilderung der Ausgangssituation aus den verschiedenen Perspektiven. Es wird eine spannende Atmosphäre heraufbeschworen, die uns Leser immer mehr in den Fall hineinzieht und erst langsam die ganzen Ausmaße der Katastrophe für die einzelnen Figuren erahnen lässt.
Die kaltherzige, skrupellose Gudrun von Rechlin als egozentrische, geldgierige Adlige kurz vor dem finanziellen Ruin, die einen grenzenlosen Hass auf ihre unfähige Tochter und auf das ungerechte Leben im allgemeinen entwickelt hat. Ein Hass, der sie dazu angetrieben hat, einen betrügerischen Finanzberater mit Hilfe eines ebenfalls Geschädigten zu entführen und im Keller unter unwürdigen Bedingungen festzuhalten, um das verlorene Vermögen zurückzubekommen.
Sehr fesselnd werden die unheilvollen, teilweise überraschenden Entwicklungen des Falles erzählt bis hin zur seiner Auflösung am Ende, bei dem auch einige Fragen offen bleiben.
Sehr überzeugend ist die detailreiche und einfühlsame Charakterisierung der verschiedenen Figuren. Erschütternd authentisch ist das gezeichnete Bild der vereinsamten, alkoholkranken Tochter Annette gezeichnet. Auch Stifter als rundum sympathischer Protagonist ist ein ansprechender vielschichtiger Charakter – ein gescheiterter Akademiker, der als Postbote seinen Lebensunterhalt bestreitet und zufrieden ist mit seinem neuen Leben. Als einfühlsamer Menschenfreund und aufmerksamer Beobachter ist er an der Auflösung des Falls eher passiv beteiligt, was ihn umso liebenswerter macht.
Ich freue mich schon auf einen neuen Fall mit ihm!

FAZIT
Oberland ist ein toll geschriebener, fesselnder Kriminalroman, der zum Nachdenken anregt! Sehr lesenswert!