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Veröffentlicht am 15.08.2025

Unpassender Titel

Himmlischer Frieden
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In ihrem Debüt „Himmlischer Frieden“ nimmt uns Lai Wen mit nach China, das Land, das sie im Juni 1989 verlassen musste. Damals gingen in Peking die Menschen auf die Straße. Anfangs war es eine kleine Gruppe ...

In ihrem Debüt „Himmlischer Frieden“ nimmt uns Lai Wen mit nach China, das Land, das sie im Juni 1989 verlassen musste. Damals gingen in Peking die Menschen auf die Straße. Anfangs war es eine kleine Gruppe von Studenten, aber bald schlossen sich ihnen immer mehr Unzufriedene aus allen Bevölkerungsschichten an und demonstrierten für Freiheit und Demokratie. In kurzer Zeit entstand eine Protestbewegung, die die Regierung nicht tolerieren konnte und wollte, weshalb sie mit aller Härte dagegen vorging. Das Ende ist uns bekannt und ging als das Massaker von Tian’anmen in die Geschichte ein.

Wer nun aber einen politischen Roman erwartet, wird enttäuscht sein, denn in erster Linie beschreibt dieses Buch das Aufwachsen eines Mädchens in einer Gesellschaft, das gelernt hat, sich an die Erwartungen des Systems anzupassen. Lediglich ein Viertel der knapp 560 Seiten beschreiben die zögerliche Politisierung der Protagonistin, die vermutlich mit der Autorin identisch und damals als Studentin auch unter den Demonstranten ist. Allerdings nicht an vordester Front.

Lai Wen beschreibt ihre Kindheit und Jugend mit leisen Tönen, aber deshalb nicht minder eindringlich. Sie verknüpft dabei weitestgehend gelungen kulturelle Besonderheiten und private Erfahrungen mit gesellschaftspolitischen Themen und gewährt und so einen Blick auf ihr Aufwachsen, das bestimmt wird von einem durch Selbstkontrolle geprägten Verhalten, welches ihr hilft, Bestrafungen zu vermeiden. Ihre Stimme findet sie erst inmitten ihrer Freunde an der Pekinger Universität, an der sie als Stipendiatin eingeschrieben ist.

Nur schade, dass die Autorin die Themenkomplexe so ungleich gewichtet und ihrer Kindheit und Jugend einen wesentlich breiteren Raum eingeräumt hat als den Studienjahren und ihrer Politisierung, was ich nach Titel und Inhaltsangabe eigentlich erwartet hatte. Über die Gründe kann man spekulieren, aber wahrscheinlich wurde mit dieser Light-Version eine größere Reichweite erwartet. Schade.

Veröffentlicht am 06.08.2025

Reihenauftakt mit Schwächen

Dunkle Sühne
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Eine Kleinstadt, in der immer wieder verteilt über einen langen Zeitraum Mädchen im Teenageralter verschwinden. Eine Familie, die seit Generationen die Gesetzeshüter stellt, aber bei genauerem Hinsehen ...

Eine Kleinstadt, in der immer wieder verteilt über einen langen Zeitraum Mädchen im Teenageralter verschwinden. Eine Familie, die seit Generationen die Gesetzeshüter stellt, aber bei genauerem Hinsehen auch jede Menge der sprichwörtlichen Leichen im Keller hat. Willkommen in North Falls.

Slaughters Grant County-Krimis mit Coroner Linton und Polizeichef Tolliver habe ich sehr gerne gelesen. Kleinstadt-Vibes und spannende Fälle, die Mischung hat gestimmt. Ausgestiegen bin ich nach Tollivers Tod und Lintons Wechsel nach Atlanta, denn mit Will Trenton und dem großstädtischen Hintergrund konnte ich absolut nichts anfangen.

Jetzt also mit „Dunkle Sühne“ wieder eine Kleinstadt und mit Deputy Emmy Clifton (und ihrem Clan) eine über die Maßen vernetzte Protagonistin, womit wir schon beim Problem wären, das ich mit diesem Thriller habe. Okay, es ist der Auftakt der neuen Reihe und 550 Seiten wollen gefüllt werden, aber muss man deshalb sämtliche Familienmitglieder, Arbeitskollegen und gefühlt jeden Einwohner von North Falls im Detail vorstellen und in Beziehung zu der Protagonistin setzen?

Und auch die Krimihandlung, gesplittet in zwei Fälle im Abstand von elf Jahren, krankt an den kleinteiligen Beschreibungen der Autorin, insbesondere bei der Ermittlungsarbeit des ersten Falls, dessen zeitlicher Verlauf sich über knapp 200 Seiten (von Verschwinden bis zum Leichenfund) hinzieht. Interessanter und auch spannender ist Teil 2, was im Wesentlichen dem Auftritt von Jude, einer Verhaltenspsychologin vom FBI, zu verdanken war, die für die willkommene Dynamik zwischen den Personen, frischem Wind in den Ermittlungen und die eine oder andere Überraschung sorgt. Wäre sie nicht gewesen, hätte ich das Buch wahrscheinlich abgebrochen.

Für die Fortsetzung der North Falls-Reihe wünsche ich mir, dass Frau Slaughter sich aufs Wesentliche konzentriert und auf ausufernden Beschreibungen verzichtet. Sonst wird das nichts mit uns beiden.

Veröffentlicht am 08.04.2025

Wer sucht, der findet

Sonnenhang
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Ungewollte Kinderlosigkeit, ein Thema, das für viele Frauen sehr schmerzhaft sein kann, speziell dann, wenn die biologische Uhr langsam an zu ticken beginnt und im Freundeskreis eine Freundin nach der ...

Ungewollte Kinderlosigkeit, ein Thema, das für viele Frauen sehr schmerzhaft sein kann, speziell dann, wenn die biologische Uhr langsam an zu ticken beginnt und im Freundeskreis eine Freundin nach der anderen Mutter wird. So geht es Katharina in Kathrin Weßligs Roman „Sonnenhang“.

Der Single-Frau ist zwar der passende Mann noch nicht begegnet, aber was nicht ist, kann ja noch werden. Doch dann die heftigen Schmerzen im Bauchraum, die Diagnose und die Hysterektomie. Und dann die Gewissheit, nie mehr ein Kind gebären zu können. Eine Situation, die ihre Zukunftsplanung komplett auf den Kopf stellt, sie in eine Krise stürzt. Torschlusspanik in allen Bereichen. Anfangs wechseln sich Trauer, Scham und Galgenhumor ab, aber jeder persönliche Tiefpunkt birgt in sich auf die Möglichkeit, den Status Quo zu verändern und damit dem Leben Sinn zu verleihen.

Wie es der Zufall so will, bekommt sie vom Wirt ihrer Stammkneipe einen Tipp. Ein Altenheim für Gutbetuchte sucht eine ehrenamtliche Hilfskraft, die das Freizeitprogramm der Bewohner an den Wochenenden managt. So kommt sie in die Seniorenresidenz „Sonnenhang“. Die anfängliche Befangen- und Distanziertheit legt sich dank Würfelspiel, Prosecco und Eierlikör ziemlich schnell. Es sind die „verbotenen“ Aktionen, die zusammenschweißen. Gespräche, in denen die Senioren ihre Lebenserfahrung, aber auch ihren Humor in die Waagschale werfen. Die gegenseitige Akzeptanz, die ohne Wertung auskommt. All das sorgt dafür, dass Katharina ihrer Stärke und ihren Lebensmut wieder findet und diese Phase der Perspektivlosigkeit hinter sich lassen, sich neu sortieren und die richtige Entscheidung treffen kann.

Anders als in ihren bisherigen Romanen schreibt Weßling diesmal aus einer auktorialen Perspektive, wechselt anfangs zwischen Trauer und Verzweiflung der Protagonistin, aufgelockert von Passagen, in denen der Galgenhumor Katharinas durchscheint, kappt damit die Spitzen, die die Schwere des Themas mit sich bringt. Fast komplett ändert sich dann der Tonfall an den Samstagen, die die Protagonistin in der Residenz verbringt. Zwar schrammen diese von Wärme und Verständnis getragenen Beschreibungen manchmal nur haarscharf am Klischee vorbei, wirken aber durch die vielen kleinen Schritte hin zu Freundschaft und Vertrautheit (trotz der einen oder anderen verzichtbaren Albernheit) überwiegend stimmig, aber dennoch vorhersehbar.

Veröffentlicht am 28.03.2025

Die mysteriöse Abtei

Tödliches Gebet
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Diesmal also Gordes im schönen Luberon, ca. 2,5 Stunden von Grasse, der Home Base des Team Obscure, entfernt. Und genau dorthin begleiten wir Commissaire Campanard, Pierre und Linda, die sich mit ungewöhnlichen ...

Diesmal also Gordes im schönen Luberon, ca. 2,5 Stunden von Grasse, der Home Base des Team Obscure, entfernt. Und genau dorthin begleiten wir Commissaire Campanard, Pierre und Linda, die sich mit ungewöhnlichen Vorfällen in der Abbaye Notre-Dame de Sénanque auseinandersetzen müssen. Auf der einen Seite üppige Lavendelfelder, deren betörender Duft die Luft erfüllt, auf der anderen Seite Weihrauchschwaden und bedrohliche Prophezeiungen innerhalb der Klostermauern, Größer könnte der Gegensatz nicht sein.

Campanard zögert nicht, diesen Fall zu übernehmen, ist dort doch ein Mönch verschwunden, der ihm in seiner dunkelsten Stunde zur Seite stand, ihn wieder zurück ins Leben geholt hat. Und so macht er sich gemeinsam mit Pierre und Linda auf den Weg nach Gordes.

Vor Ort ist die unsympathische Capitaine Dubac für diesen Fall zuständig. Sie schätzt es keinesfalls, dass externe Kollegen helfen wollen, interpretiert es als unwillkommene Einmischung. Also kein Empfang mit offenen Armen, sondern Kompetenzgerangel und offene Feindseligkeit gegenüber den Neuankömmlingen, insbesondere Linda hat unter ihrer Feindseligkeit zu leiden. Aber davon lassen sich die „Obscures“ nicht ausbremsen, und so macht sich Campanard mittels falscher Identität als Mönch mitten ins Zentrum auf, um den geheimen Vorgängen im Kloster auf die Spur zu kommen. Die Nachforschungen außerhalb führen Linda und Pierre durch, beide auf sich allein gestellt, was fast verheerende Folgen hat.

„Tödliches Gebet“ ist ein Urlaubskrimi, und für diese gilt zum einen, dass sie von atmosphärischen Beschreibungen des Handlungsortes samt Umgebung geprägt sind, zum anderen, dass der Krimiaspekt einen Bezug zur Region haben sollte.

Vergleicht man nun diesen zweiten Band mit dem Vorgänger, so schneidet „Tödlicher Duft“ wesentlich besser ab, was allerdings nicht weiter verwundert. Grasse ist mit seinen verwinkelten Gassen nun mal wesentlich attraktiver als die Innenräume eines düsteren Klosters, zumal die Schönheit von Gordes im vorliegenden Fall, insbesondere dann, wenn man die Gegend kennt, nur unzureichend vermittelt wird. Und auch die Auflösung des Kriminalfalls war ziemlich dünn, wirkte wie aus dem Hut gezaubert und hat sich für mich leider nicht stimmig angefühlt.

Dennoch werde ich dieser Reihe treu bleiben, was den sympathischen Protagonisten und ihren Eigenarten geschuldet ist. Und natürlich möchte ich nach den diversen Andeutungen auch in Erfahrung bringen, welche Geheimnisse in ihren persönlichen Vergangenheiten verborgen sind.

Veröffentlicht am 02.03.2025

Unterwegs mit Hirsch

Desolation Hill
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3,5 (aufgerundet)

In „Desolation Hill“, dem vierten Band der Hirschhausen Reihe, sitzen wir einmal mehr auf dem Beifahrersitz des klapprigen Hilux und begleiten „Hirsch“ auf den Patrouillenfahrten durch ...

3,5 (aufgerundet)

In „Desolation Hill“, dem vierten Band der Hirschhausen Reihe, sitzen wir einmal mehr auf dem Beifahrersitz des klapprigen Hilux und begleiten „Hirsch“ auf den Patrouillenfahrten durch seinen dünnbesiedelten Zuständigkeitsbereich im australischen Weizen- und Wollland. Die Fälle, um die sich der in Ungnade gefallene Senior Constable kümmern muss, sind üblicherweise auf den ersten Blick unspektakulär. Ein erschossener Schafbock, Online Mobbing, gefakte Sperrmüllsammlungen, das in den Boden gefräste Symbol der Ureinwohner, die schießwütige Frau eines Großgrundbesitzers und freilaufende Hunde. Doch dann ist da noch das verschwundene Backpackerpärchen und die Leiche mit ungeklärter Identität im Koffer. Wie wir es von Disher kennen, werden sich im Lauf der Story Zusammenhänge ergeben, Verbindungen sichtbar werden.

So weit, so gut und so erwartet. Zwei Dinge haben mich diesmal allerdings massiv gestört. Da ist der erhobene Zeigefinger, der immer wieder zwischen den Zeilen zum 1.) Thema Corona aufgetaucht ist. Desolation Hill (= Originaltitel Day’s End) ist 2023 erschienen, also zu einem Zeitpunkt, in dem das Thema Corona in aller Munde war. Und dass die Australier besonders rigide mit Lockdowns sowie Masken- und Impfpflicht waren, drang auch bis zu uns durch. Disher war wohl von den Maßnahmen überzeugt, lässt Hirsch zum Sprachrohr der offiziellen Linie werden und bezeichnet diejenigen, die den offiziellen Verlautbarungen misstrauen, als Covidioten. Zur Handlung tragen diese Bemerkung allerdings überhaupt nichts bei. 2.) Ähnlich ist es mit diesem Adlersymbol. Natürlich gilt es die Kultur der Ureinwohner zu respektieren, in diesem Punkt sind wir uns alle einig, aber muss die Thematik der kulturellen Aneignung hier auch untergebracht werden? Und 3.) war es wirklich notwendig, die Story mit diesem Showdown abzuschließen, der eher an eine amerikanische Actionserie erinnert und so überhaupt nicht zur Stimmung des Buches passt?

Der zweite Punkt ist die Übersetzung, die stark von dem abweicht, was man von Peter Torberg üblicherweise gewohnt ist. Beispiele gefällig? Was ist „ein besiegt wirkendes schmiedeisernes Tor“? Was sind „Schrumpffolienschenkel“? Und wie „installiert“ man sich auf den Rücksitz? Tut mir leid, aber das klingt noch nicht einmal wörtlich übersetzt, sondern wirkt einfach nur unpassend und schludrig.

Es kann nur besser werden, denn auch wenn das Buch mit Sicherheit auf den vorderen Plätzen der Krimibestenliste auftauchen wird, fällt es meiner Meinung nach im Vergleich mit den Vorgängern deutlich ab, wirkt zumindest im letzten Drittel lieblos zusammengeschustert, eher so, als hätte sich der Autor mangels eigenen Ideen an Schlagzeilen entlang gehangelt. Schade.