Patriarchat, zieh dich warm an: Das Pen!smuseum ist eröffnet
Das Pen!smuseum - Mit Texten von Jovana Reisinger, Sophia Süßmilch und Illustrationen von Andrea Z. ScharfEin literarisches Manifest über weibliche Wut, Lust, Ohnmacht und Macht, pointiert, bitterböse und verdammt befreiend. Hinter dem provokanten Titel stehen zwei der wichtigsten feministischen Stimmen der ...
Ein literarisches Manifest über weibliche Wut, Lust, Ohnmacht und Macht, pointiert, bitterböse und verdammt befreiend. Hinter dem provokanten Titel stehen zwei der wichtigsten feministischen Stimmen der Gegenwart: Mareike Fallwickl, Autorin von "Die Wut, die bleibt" und "Und alle so still", sowie Eva Reisinger, Journalistin und Autorin von u.a. "Männer töten". Beide sind bekannt dafür, patriarchale Strukturen messerscharf zu sezieren. Ergänzt wird das Buch von den Gastautorinnen Jovana Reisinger und Sophia Süßmilch. Die Illustrationen von Andrea Z. Scharf fangen den Witz, die Körperlichkeit und das Groteske der Texte zusätzlich perfekt ein.
Worum geht’s genau?
„Das Pen!smuseum“ ist kein klassischer Roman, sondern ein Kaleidoskop aus miteinander verwobenen Kurzgeschichten, in denen Frauen sich nehmen, was ihnen zusteht – Körper, Raum, Sprache, Macht. Es geht um Frauen, die nicht länger „funktionieren“ wollen: von Anna, die hochschwanger fremdgeht, über Simone, die den Penis ihres Mannes fotografiert, bis hin zu Gabi, die One-Night-Stands morgens Salz in den Kaffee rührt. Es geht um Sex, Mutterschaft, Gewalt, Selbstermächtigung und um das ungezähmte, ehrliche Leben jenseits der gesellschaftlichen Erwartungen. Die Geschichten sind mal schmerzhaft, mal komisch, oft beides zugleich, und sie fügen sich zu einem vielstimmigen feministischen Chor.
Meine Meinung
Ich war ehrlich gesagt skeptisch, weil Kurzgeschichten selten mein Ding sind. Aber wow, dieses Buch hat mich einfach umgehauen. Schon nach den ersten Seiten war mir klar: Hier reiht sich nicht Story an Story, sondern jede Geschichte, bzw. die Protagonist:innen der Geschichte sind mit mind. einer anderen verknüpft und manche Geschichten bestehen aus mehreren Teilen. Dadurch entsteht ein erzählerisches Ganzes, das trotz vieler Perspektiven unglaublich stimmig ist.
Meine Lieblingsgeschichten? Davon gibt es einige. Ganz weit vorne mit dabei sind „Girls will be Girls“, „Was machst du schon wieder für ein Theater“, „Dein Gesicht, Gisèle“ und „Die Zeit ist reif“. Jede davon ist ein Schlag ins Gesicht patriarchaler Doppelmoral und gleichzeitig ein Lächeln in Richtung weiblicher Solidarität. Und ich habe das Buch (passenderweise) in einer Männerdomäne gelesen: der Fitnessstudio-Sauna. Zwischen (möchtegern) Bodybuildern und Motorzeitschriften, auf deren Covern Frauen als Dekoobjekte posieren (natürlich ohne Bezug zum Inhalt) war für mich das Lesen dieses Buch ein feministischer Minirebellionsakt, der definitiv nicht zuletzt wegen meines lauten Lachens zwischendurch & des auffallenden Covers, Blicke & hoffentlich auch Gedanken beim ein oder anderen testosterongeladenen Muskelpaket provoziert hat.
Was mich besonders beeindruckt hat, war, wie wenig man die unterschiedlichen Autorinnenschaften merkt. Alles greift so organisch ineinander, dass man fast vergisst, dass hier mehrere Autorinnen schreiben. Der Ton ist rau, ehrlich, sarkastisch und zugleich tief bewegend. Die Autorinnen schreiben über Frauen, die nicht mehr nett sind. Die sich nehmen, was ihnen zusteht. Die ihre Wut, ihre Lust, ihre Müdigkeit aussprechen. „Je stärker in Frauenrechte eingegriffen wird, desto stärker müssen wir uns organisieren. Uns umeinander kümmern. Uns formieren. Uns selbst helfen.“ (S. 26) Dieser Aufruf zu Zusammenhalt und Widerstand zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch.
Manche Passagen sind derart ehrlich, dass sie wehtun. Etwa, wenn eine Figur sagt: „Ich will einfach nur schlafen, meine Ruhe und some basic human rights. Kann nicht die ganze Zeit für Veränderungen kämpfen.“ (S. 86) Oder wenn über Gewalt, Vergewaltigung, Depression und gesellschaftliche Erwartungshaltungen gesprochen wird. Und zwischendurch: Witz, Ironie, Selbstermächtigung. Eine Frau, die in der U-Bahn aufsteht, um einem glotzenden Mann den Blick zu versperren. Eine andere, die überlegt, ob sie den Mann, der sie vergewaltigt hat, „legal umbringen“ könnte und das mit einer so schwarzen Komik, dass einem das Lachen im Hals stecken bleibt.
Fazit
Ein literarisches Feuerwerk aus Wut, Witz und weiblicher Selbstermächtigung. Für alle, die feministische Literatur lieben, die aneckt, provoziert und solidarisch ist. Nichts für Zartbesaitete, aber Pflichtlektüre für alle, die wissen wollen, was Gegenwartsliteratur leisten kann. Danke an netgalley.de und den leykam-Verlag für das digitale Rezensionsexemplar.