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Veröffentlicht am 27.10.2025

Patriarchat, zieh dich warm an: Das Pen!smuseum ist eröffnet

Das Pen!smuseum - Mit Texten von Jovana Reisinger, Sophia Süßmilch und Illustrationen von Andrea Z. Scharf
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Ein literarisches Manifest über weibliche Wut, Lust, Ohnmacht und Macht, pointiert, bitterböse und verdammt befreiend. Hinter dem provokanten Titel stehen zwei der wichtigsten feministischen Stimmen der ...

Ein literarisches Manifest über weibliche Wut, Lust, Ohnmacht und Macht, pointiert, bitterböse und verdammt befreiend. Hinter dem provokanten Titel stehen zwei der wichtigsten feministischen Stimmen der Gegenwart: Mareike Fallwickl, Autorin von "Die Wut, die bleibt" und "Und alle so still", sowie Eva Reisinger, Journalistin und Autorin von u.a. "Männer töten". Beide sind bekannt dafür, patriarchale Strukturen messerscharf zu sezieren. Ergänzt wird das Buch von den Gastautorinnen Jovana Reisinger und Sophia Süßmilch. Die Illustrationen von Andrea Z. Scharf fangen den Witz, die Körperlichkeit und das Groteske der Texte zusätzlich perfekt ein.

Worum geht’s genau?

„Das Pen!smuseum“ ist kein klassischer Roman, sondern ein Kaleidoskop aus miteinander verwobenen Kurzgeschichten, in denen Frauen sich nehmen, was ihnen zusteht – Körper, Raum, Sprache, Macht. Es geht um Frauen, die nicht länger „funktionieren“ wollen: von Anna, die hochschwanger fremdgeht, über Simone, die den Penis ihres Mannes fotografiert, bis hin zu Gabi, die One-Night-Stands morgens Salz in den Kaffee rührt. Es geht um Sex, Mutterschaft, Gewalt, Selbstermächtigung und um das ungezähmte, ehrliche Leben jenseits der gesellschaftlichen Erwartungen. Die Geschichten sind mal schmerzhaft, mal komisch, oft beides zugleich, und sie fügen sich zu einem vielstimmigen feministischen Chor.

Meine Meinung

Ich war ehrlich gesagt skeptisch, weil Kurzgeschichten selten mein Ding sind. Aber wow, dieses Buch hat mich einfach umgehauen. Schon nach den ersten Seiten war mir klar: Hier reiht sich nicht Story an Story, sondern jede Geschichte, bzw. die Protagonist:innen der Geschichte sind mit mind. einer anderen verknüpft und manche Geschichten bestehen aus mehreren Teilen. Dadurch entsteht ein erzählerisches Ganzes, das trotz vieler Perspektiven unglaublich stimmig ist.

Meine Lieblingsgeschichten? Davon gibt es einige. Ganz weit vorne mit dabei sind „Girls will be Girls“, „Was machst du schon wieder für ein Theater“, „Dein Gesicht, Gisèle“ und „Die Zeit ist reif“. Jede davon ist ein Schlag ins Gesicht patriarchaler Doppelmoral und gleichzeitig ein Lächeln in Richtung weiblicher Solidarität. Und ich habe das Buch (passenderweise) in einer Männerdomäne gelesen: der Fitnessstudio-Sauna. Zwischen (möchtegern) Bodybuildern und Motorzeitschriften, auf deren Covern Frauen als Dekoobjekte posieren (natürlich ohne Bezug zum Inhalt) war für mich das Lesen dieses Buch ein feministischer Minirebellionsakt, der definitiv nicht zuletzt wegen meines lauten Lachens zwischendurch & des auffallenden Covers, Blicke & hoffentlich auch Gedanken beim ein oder anderen testosterongeladenen Muskelpaket provoziert hat.

Was mich besonders beeindruckt hat, war, wie wenig man die unterschiedlichen Autorinnenschaften merkt. Alles greift so organisch ineinander, dass man fast vergisst, dass hier mehrere Autorinnen schreiben. Der Ton ist rau, ehrlich, sarkastisch und zugleich tief bewegend. Die Autorinnen schreiben über Frauen, die nicht mehr nett sind. Die sich nehmen, was ihnen zusteht. Die ihre Wut, ihre Lust, ihre Müdigkeit aussprechen. „Je stärker in Frauenrechte eingegriffen wird, desto stärker müssen wir uns organisieren. Uns umeinander kümmern. Uns formieren. Uns selbst helfen.“ (S. 26) Dieser Aufruf zu Zusammenhalt und Widerstand zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch.

Manche Passagen sind derart ehrlich, dass sie wehtun. Etwa, wenn eine Figur sagt: „Ich will einfach nur schlafen, meine Ruhe und some basic human rights. Kann nicht die ganze Zeit für Veränderungen kämpfen.“ (S. 86) Oder wenn über Gewalt, Vergewaltigung, Depression und gesellschaftliche Erwartungshaltungen gesprochen wird. Und zwischendurch: Witz, Ironie, Selbstermächtigung. Eine Frau, die in der U-Bahn aufsteht, um einem glotzenden Mann den Blick zu versperren. Eine andere, die überlegt, ob sie den Mann, der sie vergewaltigt hat, „legal umbringen“ könnte und das mit einer so schwarzen Komik, dass einem das Lachen im Hals stecken bleibt.

Fazit

Ein literarisches Feuerwerk aus Wut, Witz und weiblicher Selbstermächtigung. Für alle, die feministische Literatur lieben, die aneckt, provoziert und solidarisch ist. Nichts für Zartbesaitete, aber Pflichtlektüre für alle, die wissen wollen, was Gegenwartsliteratur leisten kann. Danke an netgalley.de und den leykam-Verlag für das digitale Rezensionsexemplar.

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Veröffentlicht am 20.09.2025

Armut hat viele Gesichter

Working Class Girl
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„Working Class Girl“ erzählt die bewegende Lebensgeschichte von Katriona O’Sullivan – vom Aufwachsen in Armut, geprägt von Gewalt und Missbrauch, hin zu einer promovierten Psychologin. Katriona O’Sullivan, ...

„Working Class Girl“ erzählt die bewegende Lebensgeschichte von Katriona O’Sullivan – vom Aufwachsen in Armut, geprägt von Gewalt und Missbrauch, hin zu einer promovierten Psychologin. Katriona O’Sullivan, 1977 als Tochter irischer Eltern in England geboren, studierte später am Trinity College Dublin und arbeitet heute an der Maynooth University. Mit Vorträgen u.a. für die UN setzt sie sich für Chancengleichheit ein. Dieses Buch ist ihr Debüt.

Worum geht’s genau?
Katriona wächst in einer Familie auf, die von Sucht, Armut und Vernachlässigung geprägt ist. Schon früh erlebt sie Gewalt und Missbrauch, wird von Mitschüler:innen gehänselt und kämpft mit existenzieller Unsicherheit. Mit fünfzehn wird sie schwanger und obdachlos – und doch gelingt ihr dank einzelner Menschen, die an sie glauben, der Weg zurück in ein selbstbestimmtes Leben. Heute ist sie u.a. Mutter, Wissenschaftlerin und lebt in einer glücklichen Ehe. „Working Class Girl“ ist damit ein Zeugnis über die Kraft von Bildung, dem Gesehen-Werden und persönlicher Widerstandskraft.

Meine Meinung
Dieses Buch! Es hat mich wütend und traurig gemacht und ich musste auch ein paar Tränchen verdrücken. Beim Lesen wollte ich Katriona und ihre Geschwister oft einfach nur in den Arm nehmen. Die Schilderungen von Missbrauch und Vernachlässigung sind einfach nur sehr schwer zu ertragen. Denn O’Sullivan macht deutlich, wie Armut das ganze Leben bestimmt: „Armut prägt alles, was man tut, und alles, was man ist.“ (S.197). Dabei zeigt sie auf, dass Armut/Klassismus viele Gesichter hat: materielle, emotionale, sprachliche und gesellschaftliche. Hängen geblieben sind mir vor allem die Stellen, in denen einzelne Erwachsene zum rettenden Anker werden: Eine Lehrerin, die ihr frische Kleidung gibt, verändert ihr Selbstbild nachhaltig: „Dieser kleine praktische Akt der Selbstfürsorge ließ mich begreifen, dass ich die Fürsorge wert bin.“ (S.27). Momente wie diese machen klar, wie viel Macht Fürsorge im Alltag haben kann und wie entscheidend einzelne Menschen für das Leben anderer sind (im Positiven wie im Negativen).
Der Schreibstil ist direkt, schonungslos und gleichzeitig aber auch voller Wärme. Mich hat besonders beeindruckt, wie reflektiert O’Sullivan über ihre Eltern schreibt: wütend, aber auch voller Liebe und auch ein Stück weit Verständnis da sie ja selbst Opfer der Verhältnisse waren. Dieser Zwiespalt zieht sich durch das Buch und macht es besonders authentisch. O’Sullivan verschweigt nicht, wie schwer der Weg war: Teenagerschwangerschaft, Alkohol- und Drogenerfahrungen, die Suche nach Anerkennung in toxischen Beziehungen. Gleichzeitig macht sie deutlich, dass hinter jeder sogenannten „Erfolgsstory“ nicht nur Mut und Fleiß, sondern vor allem auch Glück und ein Unterstützer:innen-Netzwerk stehen: „Mut und Entschlossenheit reichen nie aus. Bei mir jedenfalls nicht.“ (S.193). Diese Ehrlichkeit hebt das Buch von vielen Aufstiegserzählungen ab.

Fazit
„Working Class Girl“ ist ein schmerzhaftes, ehrliches und zugleich auch hoffnungsvolles Buch. Weil es zeigt, wie kleine Fürsorgeakte ein entscheidender Unterschied im Leben von armutsbetroffenen Menschen machen können. Herzlichen Dank an den kjona Verlag & NetGalley für das Rezensionsexemplar.

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Veröffentlicht am 17.08.2025

Vom Fisch bis zum Mond & wieder zurück

Im Herzen der Katze
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Jina Khayyer, in Deutschland geboren, mit iranischen Wurzeln, lebt in Paris und der Provence. Sie ist Schriftstellerin, Dichterin, Malerin und Journalistin – und legt mit "Im Herzen der Katze" nun ihr ...

Jina Khayyer, in Deutschland geboren, mit iranischen Wurzeln, lebt in Paris und der Provence. Sie ist Schriftstellerin, Dichterin, Malerin und Journalistin – und legt mit "Im Herzen der Katze" nun ihr eindringliches Romandebüt vor.

Worum geht’s?
Ausgangspunkt ist der Tod von Jina Mahsa Amini im September 2022. Als die Erzählerin die Nachricht liest, ist es, als würde ihr eigener Name in die Schlagzeilen gerissen. In dieser Erschütterung öffnet sich ein Geflecht aus Erinnerung und Gegenwart: Begegnungen im Iran, Familiengeschichten, politische Proteste, Liebe, Verlust – und das immer wiederkehrende Ringen um Freiheit. Die Erzählerin spannt den Bogen von der Grünen Bewegung 2009 bis zur „Frau, Leben, Freiheit“-Revolution und verwebt intime Erlebnisse mit kollektiver Geschichte.

Meine Meinung

Dieses Buch hat mich von der ersten Seite an ins Herz getroffen – und am Ende war ich einfach überwältigt. Khayyer schreibt nicht, sie lässt einen fühlen. Fühlen, wie schwer es ist, Nachrichten aus der Heimat zu lesen, die einen selbst betreffen könnten. Fühlen, wie Erinnerungen an Essen, an Sprache, an kleine Gesten ganze Welten lebendig machen. Fühlen, wie mutig Frauen im Iran sind, wenn sie für Freiheit auf die Straße gehen – trotz der Angst, trotz der Gewalt.

Ich musste mehrfach schlucken, manchmal sogar weinen. Besonders die Stellen, in denen Zärtlichkeit und Brutalität so dicht beieinanderliegen: wenn eine Mutter sagt „Mögen deine Hände nicht schmerzen“ – und wenige Seiten später das Schicksal von Frauen geschildert wird, die im Gefängnis gefoltert werden. Dieses Nebeneinander hat mich richtig zerrissen.

Was mich am meisten beeindruckt hat, war, wie Khayyer Sprache nutzt: Redewendungen wie „Vom Fisch bis zum Mond“ oder „Unsere Herzen sind eins“ tragen eine ganze Kultur in sich. Gleichzeitig ist ihre Sprache voller Bilder – Iran als Katze, mit Wüste im Herzen und Flüssen als Lebensadern – eine Metapher, die ich nie wieder vergessen werde.

Natürlich ist Im Herzen der Katze kein Wohlfühlbuch. Es ist schmerzhaft, brutal ehrlich, manchmal schwer zu ertragen. Aber genau deshalb so wichtig. Ich hatte das Gefühl, mit jeder Seite mehr zu verstehen – und gleichzeitig noch deutlicher zu spüren, wie viel wir hier in Europa oft übersehen oder vergessen.

Am Ende blieb in mir ein Gefühl aus Trauer, Bewunderung und Hoffnung. Trauer über die vielen gebrochenen Leben. Bewunderung für die unerschütterliche Kraft der Frauen. Hoffnung, dass diese Stimmen gehört werden – auch durch Bücher wie dieses.

Fazit
"Im Herzen der Katze" ist ein vielschichtiges, schmerzhaft schönes Debüt über Mut, Erinnerung und Solidarität. Ein Roman, der die Geschichten der Frauen im Iran hörbar macht und gleichzeitig universelle Fragen nach Zugehörigkeit, Körper und Freiheit stellt. Für mich ist es kein Buch, das man „einfach liest“ – es ist ein Buch, das einen begleitet, lange nachdem man die letzte Seite geschlossen hat.

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Veröffentlicht am 17.08.2025

Wie wollen wir (zusammen-)leben?

Animal
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„Animal“ ist ein True-Science-Thriller, der mich von Anfang an gepackt hat – spannend, erschreckend realistisch und voller Fragen, die weit über das Buch hinausgehen. Tibor Rode, geboren in Hamburg, ist ...

„Animal“ ist ein True-Science-Thriller, der mich von Anfang an gepackt hat – spannend, erschreckend realistisch und voller Fragen, die weit über das Buch hinausgehen. Tibor Rode, geboren in Hamburg, ist bekannt für wissenschaftlich fundierte Thriller mit ethischem Tiefgang; nach "Der Wald" und "Lupus" legt er hier seinen dritten großen Thriller vor. Gesprochen wird das ungekürzte Hörbuch (15 Stunden) von Tim Gössler, dessen kraftvolle und facettenreiche Stimme die Figuren lebendig macht.

Worum geht’s?
Der junge Anwalt Ben Lorenz darf endlich seinen ersten Fall verhandeln – doch es ist ein absurder: Rosa, ein deutsches Edelschwein, klagt auf Freilassung. Eigentlich ein PR-Coup, da Tiere juristisch als Sachen gelten und der Agrarkonzern, den Ben vertritt, gar nicht verlieren kann. Doch währenddessen arbeitet ein Forscher:innenteam mit Hochdruck an einer KI, die die Sprache der Tiere entschlüsseln könnte. Was wie Science-Fiction klingt, wird brandaktuell, als Rosas Stimme plötzlich hörbar wird. Ein Wettlauf gegen Zeit, Politik und mächtige Gegner beginnt – und Ben merkt, dass er vielleicht auf der falschen Seite steht.

Meine Meinung
Schon "Lupus" hatte mich begeistert, aber Animal hat noch eins draufgesetzt. Rode schafft es, verschiedenste Handlungsstränge zu verweben: die privaten Probleme des ehrgeizigen Anwalts Ben, mafiöse Strukturen in Mastbetrieben, Geldeintreiber, die ihn bedrängen – und all das vor dem Hintergrund einer globalen Debatte über Ethik, Recht und Gerechtigkeit in Bezug auf Tiere. Besonders eindringlich fand ich die Passagen aus Rosas Perspektive. Als (quasi) Veganerin war das manchmal schwer auszuhalten, aber gerade das macht die Wucht dieses Thrillers aus: er zwingt hinzusehen.

Die Themen sind breit gefächert und hochaktuell: künstliche Intelligenz, Tierrechte, Mastbetriebe, Politik und Moral, die Frage nach Gleichberechtigung zwischen Mensch und Tier. Rode hat hervorragend recherchiert – sowohl juristisch als auch wissenschaftlich – und zeigt, was in naher Zukunft wirklich möglich sein könnte. Die Vorstellung, dass KI eines Tages Tierkommunikation entschlüsselt, wirkt nicht mehr wie Fiktion, sondern wie ein realistisches „What if“. Spannend fand ich auch die Parallelen zu Umwelt- und Klimafragen: Wie gehen wir mit Natur, Technik und Macht um?

Das Hörbuch selbst ist eine absolute Empfehlung: Tim Gössler differenziert die Figuren so gut, dass man sofort weiß, wer spricht, und erträgt die Spannung mit einer Intensität, die kaum Pausen zulässt. Ich habe jede Minute bis zum Schluss mitgefiebert. Dass Rodes Thriller nicht nur ein Justizdrama ist, sondern auch ein Polit- und Wissenschaftsthriller, macht ihn so besonders. Er erinnert an Autoren wie Frank Schätzing oder Marc Elsberg, bleibt aber klar in seiner eigenen Stimme.

Ein kleiner Kritikpunkt bleibt: Trotz 15 Stunden Hörzeit war es irgendwann vorbei – und ich hätte gut und gerne noch weiter zuhören können.

Fazit
"Animal" ist ein packender, kluger und hochaktueller Thriller, der Unterhaltung mit Nachdenklichkeit verbindet. Er konfrontiert mit Fragen, die uns in den nächsten Jahren real beschäftigen könnten – und macht das auf eine Weise, die fesselnd und schmerzhaft zugleich ist. Wer spannende Pageturner mit Tiefgang liebt, sollte hier unbedingt zugreifen. Danke an netgalley.de & den Argon Hörbuchverlag für das kostenlose Rezensionsexemplar.

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Veröffentlicht am 17.08.2025

Elefantenparabel über unsere Gegenwart

Das Geschenk
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Elefanten in Berlin – klingt absurd, ist aber die Ausgangssituation von "Das Geschenk", einem brillanten Politthriller von Gaea Schoeters. Die flämische Autorin, bekannt durch "Trophäe", schreibt als Journalistin, ...

Elefanten in Berlin – klingt absurd, ist aber die Ausgangssituation von "Das Geschenk", einem brillanten Politthriller von Gaea Schoeters. Die flämische Autorin, bekannt durch "Trophäe", schreibt als Journalistin, Librettistin und Drehbuchautorin, wurde mit dem Jan-Wauters-Preis für Sprachkunst ausgezeichnet und überzeugt mit einem Blick für das Globale im Kleinen.

Worum geht’s?
Deutschland verbietet die Einfuhr von Jagdtrophäen – und prompt „schenkt“ der Präsident Botswanas dem Land 20.000 Elefanten. Ein scharfes „Was wäre wenn“-Szenario entfaltet sich: Politiker:innen, Medien und Bürger:innen müssen plötzlich mit einer Krise umgehen, die alles infrage stellt – von Tier- und Klimaschutz über Migration bis hin zu nationaler Identität.

Meine Meinung
Schon "Trophäe" hatte mir gefallen, aber dieses Buch hat mich noch mehr gepackt. Schoeters verknüpft Natur und Politik, Humor und Bitterkeit, Satire und Tragik zu einer Parabel über Macht, Postkolonialismus und die Absurditäten unserer Zeit. Der Bundeskanzler taumelt zwischen Witzen, Elefantendung und Gesetzesdebatten, während Botswanas Präsident trocken feststellt: „Ihr Europäer wollt uns vorschreiben, wie wir zu leben haben. Vielleicht solltet ihr einfach mal selbst versuchen, mit Megafauna zurechtzukommen.“ (S. 35).

Besonders beeindruckt hat mich, wie viele Ebenen Schoeters einbaut: Die Elefanten werden Symbol für Geflüchtete („Elefanten sind keine Flüchtlinge.“ S. 64), für Klimakrise, für koloniale Ungleichgewichte. Gleichzeitig bleibt es absurd komisch, wenn über „Gratis-Biomüll-Verwertung“ (S. 38) oder eine Elefanten-Liebesgeschichte im TV debattiert wird. Auch bei ernsten Themen wie „Glass-Cliff“-Mechanismen für Politikerinnen (S. 68) oder rechten Parolen („Afrikanisierung Europas!“ S. 97) zeigt sie messerscharf, wie eng Rassismus, Sexismus und Machtspiele verflochten sind.

Die Szenen sind oft grotesk, aber immer nah an unserer Realität: Bürger:innen, die „Scheiße schaufeln“ (S. 53), ein Elefantenbaby, das zur nationalen Ikone wird, nur um wenig später Opfer eines Unfalls zu werden (S. 84). Fragen wie „Welches Leben ist mehr wert?“ (S. 84) oder die Erkenntnis, dass „ein Bundeskanzler kein Recht auf Träume“ hat (S. 131), hallen nach. Klimakrise, Migration, Populismus – alles spiegelt sich in dieser „Geschenk“-Parabel. Und immer wieder blitzt Humor auf, der das Ganze erträglich, manchmal sogar leichtfüßig macht.

Fazit
"Das Geschenk" ist politisch, packend und tief satirisch – ein Roman, der uns zwingt, über Verantwortung, Gerechtigkeit und Zukunft nachzudenken. Schoeters gelingt die seltene Mischung aus bitterem Ernst und scharfem Witz. Wer sich auf diesen literarischen Spiegel einlässt, wird lachen, schlucken – und nicht mehr wegsehen können.

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