Platzhalter für Profilbild

wbetty77

Lesejury Profi
offline

wbetty77 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit wbetty77 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.11.2025

Poetisch und leise

Im Schnee
0

Der Schnee hat eine weiße Decke über das Dorf gelegt. Vor Kurzem läutete das Totenglöckchen. Schorsch ist gestorben. Max hat sein gesamtes Leben im Dorf verbracht. Jetzt hängt er den Erinnerungen an seinen ...

Der Schnee hat eine weiße Decke über das Dorf gelegt. Vor Kurzem läutete das Totenglöckchen. Schorsch ist gestorben. Max hat sein gesamtes Leben im Dorf verbracht. Jetzt hängt er den Erinnerungen an seinen guten Freund Schorsch nach. Am Abend treffen sich die Alten aus dem Dorf, um die Nacht über Totenwache zu halten. Sie erzählen sich Geschichten von früher, als die Bewohner noch unter sich waren und es kein Neubaugebiet gab. Als es noch eine Schule und einen Kaufmannsladen gab. Es gibt auch einiges, über das niemand spricht. Das Dorf bewahrt seine Geheimnisse. Max sieht am Ende seines Lebens manche Geschehnisse kritisch, dennoch bricht auch er nicht das Schweigen. Die Erinnerungen an das Gute wie an das Schlimme werden bald mit dem letzten, alten Bewohner sterben.

Im Schnee ist ein poetischer Roman, voll Melancholie. Max als Erzähler, der seit seiner Kindheit in dem Dorf lebt und es nie verlassen hat, erinnert sich an ein Dorfleben, das geprägt war von Landwirtschaft und harter Arbeit. Jeder hatte seinen festen Platz in der Gemeinschaft.
Der Tod seines Freundes lässt diese Vergangenheit zurückkehren. Heute sieht Max vieles in einem anderen Licht. Die Beschreibungen des Lebens im Dorf sind authentisch und lassen eine Welt aufleben, die es heute kaum mehr gibt. Ich bin in dieses kleine, aber feine Buch eingetaucht, habe das Dorf mit seinen Bewohnern vor mir gesehen. Es ist eine wundervolle Erzählung, ebenso ruhig und besonnen, so wie man über frisch gefallenen Schnee läuft.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 14.09.2025

Eine andere Art Krimi

Über die Toten nur Gutes
0

Eines Tages bekommt der Trauerredner Mads Madsen einen Brief, in dem sich scheinbar nur ein leeres Blatt befindet. Kurz darauf erfährt er von seinem Freund Fiete, dass ihr gemeinsamer Freund aus Kindheitstagen ...

Eines Tages bekommt der Trauerredner Mads Madsen einen Brief, in dem sich scheinbar nur ein leeres Blatt befindet. Kurz darauf erfährt er von seinem Freund Fiete, dass ihr gemeinsamer Freund aus Kindheitstagen gestorben ist. Mads erinnert sich wieder an die kurze, aber intensive Freundschaft zu Patrick, der ebenso unerwartet, wie er in Mads Leben gekommen war, auch wieder verschwand. Und Mads erinnert sich wieder an ihre Geheimschrift. Das unbeschriebene Blatt in dem Brief ist keine leere Seite, es enthält eine Botschaft von Patrick, der ihn bittet die Trauerrede für ihn zu halten.
Mads beginnt nachzuforschen, was mit seinem Freund geschehen ist und bringt damit nicht nur sich in große Gefahr.


Über die Toten nur Gutes ist ein etwas anderer Krimi. Mads ist Trauerredner, ein eher ungefährlicher Beruf. Er lebt hoch im Norden Deutschlands mit seinem leicht verschrobenen Vater zusammen. Ein ganz normales Leben. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Mads seine Nachforschungen über Patricks Tod sehr naiv angeht. Und schon gerät er in große Gefahr.
Gerade diese liebenswerte Naivität und Mads Unbedarftheit machen den Charme der Geschichte aus. Hinzu kommen noch die eigentümlichen Figuren, wie beispielsweise Mads Vater oder der geheimnisvolle Mitarbeiter von Fietes Bestattungsunternehmen. Erwartet hatte ich einen unterhaltsamen und humorvollen Krimi, aber das wird dem Roman nicht gerecht. Neben den liebenswerten Charakteren und vielen komischen Abschnitten, beeindruckt die Geschichte mit Tiefgang und Liebe zum Detail. So wie man es von den vorherigen Romanen des Autors kennt.
Der Auftakt dieser Krimireihe ist absolut gelungen und hat mich positiv überrascht. Der Roman ist spannend geschrieben und hat einige unerwartete Wendungen zu bieten.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.08.2025

Kein einfacher, aber ein bewegender Roman

Das Geburtstagsfest
0

Der 50. Geburtstag vom Kim soll groß gefeiert werden. Seine Frau Ines und die drei Kinder legen sich dafür mächtig ins Zeug. Auch wenn Kim ungern im Mittelpunkt steht, lässt er seiner Familie die Freude, ...

Der 50. Geburtstag vom Kim soll groß gefeiert werden. Seine Frau Ines und die drei Kinder legen sich dafür mächtig ins Zeug. Auch wenn Kim ungern im Mittelpunkt steht, lässt er seiner Familie die Freude, das Fest vorzubereiten. Seine Kinder haben als besondere Überraschung Tevi eingeladen, eine alte Freundin der Familie.
Kim und Tevi sind in Kambodscha aufgewachsen und vor den Gewalttaten der Roten Khmer geflüchtet. So kamen sie als Teenager nach Österreich. Der Kontakt zwischen ihnen ist seit langem abgerissen. Jeder lebt sein Leben. Die erwartete große Wiedersehensfreude bleibt jedoch aus. Kim, Ines und Tevi, früher beste Freunde, begegnen sich mit kühler Distanz.


Es ist keine leichte Lektüre. Die Geschichte wird auf mehreren Zeitebenen erzählt und wechselt zwischen den 1970er Jahren in Kambodscha, den 1980er Jahren in Österreich und der Gegenwart. Judith W. Taschler hat einen genauen Blick auf ihre Figuren. Die Beschreibung der Zeit vor den Roten Khmer und während ihrer Herrschaft führt einem vor Augen, wie unbarmherzig dieses Regime war. Die Schreibweise hierbei bleibt sachlich, dennoch kann man sich der Brutalität nicht entziehen. Nur langsam fügen sich die einzelnen Schicksale zu einem Ganzen zusammen.
Der unprätentiöse Schreibstil und das genaue Hinsehen, wie sich Erlebtes auf die Figuren auswirkt – und damit meine ich nicht nur die Geschehnisse in Kambodscha – machen den Roman zu etwas Besonderem. Es ist ein Roman, der mich sehr bewegt hat.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.08.2025

Lesenswert

Reichskanzlerplatz
0

Nach dem Ersten Weltkrieg kommt Hellmut Quandt in die Klasse von Hans Kesselbach. Die beiden Jungen freunden sich an. Hans ist vom Reichtum der Quandts eingeschüchtert und fühlt sich nie dazugehörig. Besonders ...

Nach dem Ersten Weltkrieg kommt Hellmut Quandt in die Klasse von Hans Kesselbach. Die beiden Jungen freunden sich an. Hans ist vom Reichtum der Quandts eingeschüchtert und fühlt sich nie dazugehörig. Besonders beeindruckt ist Hans von der jungen Stiefmutter Magda Quandt, die nur wenig älter ist als ihre Stiefsöhne.
Als Hellmut viel zu früh verstirbt, finden Hans und Magda in ihrer Trauer zueinander. Hans ahnt noch nicht, was die Zukunft für sie bereit hält. Denn Magda wird eines Tages die erste Frau im nationalsozialistischem Reich sein und Hans wird um sein Leben bangen müssen.


Der fiktive Charakter Hans Kesselbach ist der Erzähler dieser Geschichte, die Fakten und Fiktives gekonnt vermischt. Als sehr junge Frau heiratet Magda den Industriellen Günther Quandt, doch dieser interessiert sich mehr für seine Geschäfte als für seine junge Frau. Sie wiederum findet Trost in Affären. Nach der Scheidung lernt Magda Quandt Joseph Goebbels kennen und heiratet ihn.
Hans berichtet von der ersten Begegnung mit der jungen Frau, deren Ausstrahlung er sich trotz seiner homosexuellen Neigungen nicht entziehen kann. Zwischen ihnen gibt es eine Verbindung, die über die Jahre bestehen bleibt. Hans ist Einzelkind, sein Vater ein verdienter Soldat, er genießt eine gute Schulbildung und soll in den diplomatischen Dienst eintreten. All das erfüllt Hans, ohne jemals zu hinterfragen, ob es wirklich sein Weg ist. Er erfüllt einfach die Erwartungen, die an ihn gestellt werden. Er dient der Weimarer Republik ebenso wie dem Dritten Reich. Nur eine Erwartung erfüllt er nicht, er weigert sich zu heiraten, obwohl es ihm immer wieder Nahe gelegt wird.
Hans ist ein typischer Mitläufer, der aufgrund seiner Stellung genau weiß, was vor sich geht und doch wegschaut und darauf hofft, dass es bald ein Ende hat. Nur am Schluss kann man erahnen, dass Hans wohl doch Rückgrat bewiesen und aufbegehrt hat.
Für mich ist Hans Kesselbach die zentrale Figur des Romans, weitaus mehr als Magda Goebbels. Er ist ein Kind seiner Zeit, gehorsam, hat seine Emotionen im Griff und ist unauffällig. Die einzigen Ausbrüche aus diesem Leben sind die kurzen Liebschaften mit Männern und die Liaison mit Magda. Mich hat der Roman überzeugt, weil er anhand von seinen Charakteren sehr gut diese Zeit zwischen den Weltkriegen beschreibt. Und weil Nora Bossong einfach wunderbar intensiv erzählen kann.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.08.2025

Lesenswert

Reichskanzlerplatz
0

Nach dem Ersten Weltkrieg kommt Hellmut Quandt in die Klasse von Hans Kesselbach. Die beiden Jungen freunden sich an. Hans ist vom Reichtum der Quandts eingeschüchtert und fühlt sich nie dazugehörig. Besonders ...

Nach dem Ersten Weltkrieg kommt Hellmut Quandt in die Klasse von Hans Kesselbach. Die beiden Jungen freunden sich an. Hans ist vom Reichtum der Quandts eingeschüchtert und fühlt sich nie dazugehörig. Besonders beeindruckt ist Hans von der jungen Stiefmutter Magda Quandt, die nur wenig älter ist als ihre Stiefsöhne.
Als Hellmut viel zu früh verstirbt, finden Hans und Magda in ihrer Trauer zueinander. Hans ahnt noch nicht, was die Zukunft für sie bereit hält. Denn Magda wird eines Tages die erste Frau im nationalsozialistischem Reich sein und Hans wird um sein Leben bangen müssen.


Der fiktive Charakter Hans Kesselbach ist der Erzähler dieser Geschichte, die Fakten und Fiktives gekonnt vermischt. Als sehr junge Frau heiratet Magda den Industriellen Günther Quandt, doch dieser interessiert sich mehr für seine Geschäfte als für seine junge Frau. Sie wiederum findet Trost in Affären. Nach der Scheidung lernt Magda Quandt Joseph Goebbels kennen und heiratet ihn.
Hans berichtet von der ersten Begegnung mit der jungen Frau, deren Ausstrahlung er sich trotz seiner homosexuellen Neigungen nicht entziehen kann. Zwischen ihnen gibt es eine Verbindung, die über die Jahre bestehen bleibt. Hans ist Einzelkind, sein Vater ein verdienter Soldat, er genießt eine gute Schulbildung und soll in den diplomatischen Dienst eintreten. All das erfüllt Hans, ohne jemals zu hinterfragen, ob es wirklich sein Weg ist. Er erfüllt einfach die Erwartungen, die an ihn gestellt werden. Er dient der Weimarer Republik ebenso wie dem Dritten Reich. Nur eine Erwartung erfüllt er nicht, er weigert sich zu heiraten, obwohl es ihm immer wieder Nahe gelegt wird.
Hans ist ein typischer Mitläufer, der aufgrund seiner Stellung genau weiß, was vor sich geht und doch wegschaut und darauf hofft, dass es bald ein Ende hat. Nur am Schluss kann man erahnen, dass Hans wohl doch Rückgrat bewiesen und aufbegehrt hat.
Für mich ist Hans Kesselbach die zentrale Figur des Romans, weitaus mehr als Magda Goebbels. Er ist ein Kind seiner Zeit, gehorsam, hat seine Emotionen im Griff und ist unauffällig. Die einzigen Ausbrüche aus diesem Leben sind die kurzen Liebschaften mit Männern und die Liaison mit Magda. Mich hat der Roman überzeugt, weil er anhand von seinen Charakteren sehr gut diese Zeit zwischen den Weltkriegen beschreibt. Und weil Nora Bossong einfach wunderbar intensiv erzählen kann.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere