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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.12.2025

eindringliche Lebensgeschichte

Lebensbande
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In ihrem Roman Lebensbande erzählt Mechtild Borrmann eine bewegende Geschichte über Freundschaft, Schuld und Überleben in einer der dunkelsten Epochen der deutschen Geschichte. Im Mittelpunkt stehen drei ...

In ihrem Roman Lebensbande erzählt Mechtild Borrmann eine bewegende Geschichte über Freundschaft, Schuld und Überleben in einer der dunkelsten Epochen der deutschen Geschichte. Im Mittelpunkt stehen drei Frauen: Lene, Lotte und Nora, deren Leben sich während der NS-Zeit und des Zweiten Weltkriegs miteinander verweben.

Parallel zu den historischen Erzählsträngen begleitet der Roman eine der Frauen in der Gegenwart. In ihren Erinnerungen an die Vergangenheit wird schnell deutlich, dass sie ein schweres, lange gehütetes Geheimnis mit sich trägt. Diese doppelte Zeitebene verleiht der Geschichte zusätzliche Spannung, da man als Leser:in unbedingt erfahren möchte, was damals geschehen ist und welche Konsequenzen es bis in die Gegenwart hat.

Besonders eindrucksvoll schildert Borrmann die tiefe Freundschaft der drei Frauen und die gegenseitige Unterstützung, die ihnen hilft, die unmenschlichen Bedingungen ihrer Zeit zu überstehen. Der Roman thematisiert dabei unter anderem das Schicksal alleinerziehender Frauen im Nationalsozialismus und die grausame Behandlung von Menschen, die als „unwertes Leben“ galten. Ein weiterer, sehr beklemmender Aspekt ist die Darstellung von Frauen im russischen Gulag – ein Teil der Geschichte, über den man vergleichsweise selten liest und der hier umso nachhaltiger wirkt.

Lebensbande ist stellenweise harte Kost, gerade wegen der schonungslosen Darstellung von Leid, Ausgrenzung und Gewalt. Gleichzeitig ist das Buch aber auch schön zu lesen, weil es Hoffnung, Menschlichkeit und Solidarität inmitten von Grausamkeit zeigt. Die Spannung bleibt bis zum Schluss erhalten, getragen von der Frage nach dem verborgenen Geheimnis und den Lebenswegen der drei Frauen.

Insgesamt ist Lebensbande ein eindringlicher, emotionaler Roman, der lange nachwirkt und eindrucksvoll zeigt, wie wichtig Freundschaft und Zusammenhalt selbst – oder gerade – in den dunkelsten Zeiten sind.

Veröffentlicht am 14.12.2025

Witzig und Lebensklug

Fabula Rasa oder Die Königin des Grand Hotels
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Vea Kaiser gelingt mit „Fabula Rasa“ ein Roman, der gleichermaßen charmant, tragisch und voller Lebensklugheit ist – ein wienerisches Sittenbild, eine Mutter-Sohn-Geschichte und ein Schelmenstück über ...

Vea Kaiser gelingt mit „Fabula Rasa“ ein Roman, der gleichermaßen charmant, tragisch und voller Lebensklugheit ist – ein wienerisches Sittenbild, eine Mutter-Sohn-Geschichte und ein Schelmenstück über Moral und Überleben in schwierigen Zeiten.

Im Zentrum steht Angelika, eine Buchhalterin im Grand Hotel in Wien, die eines Tages beginnt, über die Bücher zu tricksen. Nicht aus Gier, sondern aus Not: Geldsorgen, eine demente Mutter, ein unzuverlässiger Vater ihres Sohnes – Angelika kämpft sich durch ein Leben, das ihr kaum Pausen gönnt. Während sie immer tiefer in ihre kleine und große Betrugswelt hinabrutscht, bleibt sie doch eine Figur, mit der man mitfühlt, ja fast hofft, sie möge mit allem durchkommen.

Kaiser zeichnet Angelika als starke, eigenwillige Frau, für die Unabhängigkeit kein Luxus, sondern Überlebensstrategie ist. Man spürt in jeder Zeile, wie sehr sie versucht, alles richtig zu machen – und wie sehr das Leben ihr immer wieder dazwischenfunkt. Über die Jahrzehnte wächst sie vom Mädchen aus einfachen Verhältnissen zu einer Frau, die irgendwann selbst Teil jener besseren Wiener Gesellschaft wird, der sie einst ehrfürchtig begegnete.

Stilistisch überzeugt der Roman mit Witz, Sprachmelodie und viel Wiener Lokalkolorit. Die Mischung aus warmherzigem Humor, bissiger Gesellschaftsbeobachtung und emotionaler Tiefe ist typisch für Kaiser. Besonders die Dialoge schillern vor Wiener Schmäh, und das Zusammenspiel von liebevoller Ironie und bitterem Realismus macht die Lektüre zu einem Genuss.

Zentral bleibt jedoch die Mutter-Sohn-Beziehung: bewegend, ungeschönt, voll kleiner Dramen und großer Gefühle. Sie zeigt eindringlich, wie weit Mütter gehen, um ihre Kinder zu schützen – auch wenn sie sich dabei selbst verlieren.

Fazit: „Fabula Rasa“ ist ein lebenskluger, einfühlsamer und gleichzeitig rasant erzählter Roman, der seine Leserinnen und Leser zum Lachen, Kopfschütteln und Mitfühlen bringt. Ein Buch über Schuld, Stolz und das große kleine Glück im Wiener Alltag – tragisch, komisch und wunderbar menschlich.

Veröffentlicht am 15.09.2025

psychologisch dicht

Schattengrünes Tal
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Kristina Hauffs Roman Schattengrünes Tal entführt uns in ein abgelegenes Schwarzwaldtal, in dem die Stille trügt und hinter der malerischen Landschaft dunkle Geheimnisse lauern. Mit psychologischer Tiefe ...

Kristina Hauffs Roman Schattengrünes Tal entführt uns in ein abgelegenes Schwarzwaldtal, in dem die Stille trügt und hinter der malerischen Landschaft dunkle Geheimnisse lauern. Mit psychologischer Tiefe und atmosphärischer Dichte erzählt Hauff eine Geschichte über Nähe, Manipulation und das langsame Eindringen des Unheimlichen in den Alltag.

Im Zentrum steht Lisa, die gemeinsam mit ihrem Vater ein in die Jahre gekommenes Hotel führt. Zwischen familiären Verpflichtungen und dem Wunsch nach Eigenständigkeit steckt sie in einem Leben voller Kompromisse. Als plötzlich eine geheimnisvolle Frau namens Daniela im Hotel auftaucht und „auf unbestimmte Zeit“ bleibt, nimmt die Geschichte ihren Lauf. Daniela wirkt zunächst sympathisch, verletzlich, freundlich – und wird schnell zur Freundin Lisas.

Doch je länger sie bleibt, desto stärker nistet sich Daniela nicht nur im Hotel, sondern auch im Dorfleben und in den Beziehungen der Menschen ein. Sie ist immer da, weiß viel, wirkt präsent – zu präsent. Und während Lisa anfangs Nähe spürt, beginnt sie bald zu zweifeln: Wer ist Daniela wirklich? Was will sie? Und warum weicht sie keiner Konfrontation, aber auch keinem Gespräch aus?

Die Autorin entfaltet die Spannung langsam, aber unaufhaltsam. Die wachsende Beklemmung wird nicht durch laute Thriller-Momente erzeugt, sondern durch leise Verschiebungen im sozialen Gefüge. Der Roman lebt von seiner dichten psychologischen Atmosphäre – und von der Art, wie das scheinbar Idyllische, der Schwarzwald mit seinen dunklen Bäumen und abgelegenen Wegen, zur Projektionsfläche für Unsicherheit, Bedrohung und Einsamkeit wird.

Ein weiteres Highlight ist der realistische Einblick in den Hotelbetrieb: der Spagat zwischen Gastfreundschaft und wirtschaftlichem Druck, die familiären Spannungen, die Organisation im Hintergrund – all das wird detailliert und glaubwürdig geschildert, ohne je trocken zu wirken.

Fazit: Schattengrünes Tal ist ein spannender, psychologisch fein gezeichneter Roman über das Eindringen des Fremden in vertraute Strukturen, über Manipulation und Abhängigkeit – und über die dunklen Seiten menschlicher Beziehungen. Die dichte Atmosphäre des Schwarzwalds, kombiniert mit dem Thema Stalking und einem realistischen Setting, machen das Buch zu einer fesselnden Lektüre. Sehr lesenswert!

Veröffentlicht am 15.09.2025

psychologisch dicht

Schattengrünes Tal
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Kristina Hauffs Roman Schattengrünes Tal entführt uns in ein abgelegenes Schwarzwaldtal, in dem die Stille trügt und hinter der malerischen Landschaft dunkle Geheimnisse lauern. Mit psychologischer Tiefe ...

Kristina Hauffs Roman Schattengrünes Tal entführt uns in ein abgelegenes Schwarzwaldtal, in dem die Stille trügt und hinter der malerischen Landschaft dunkle Geheimnisse lauern. Mit psychologischer Tiefe und atmosphärischer Dichte erzählt Hauff eine Geschichte über Nähe, Manipulation und das langsame Eindringen des Unheimlichen in den Alltag.

Im Zentrum steht Lisa, die gemeinsam mit ihrem Vater ein in die Jahre gekommenes Hotel führt. Zwischen familiären Verpflichtungen und dem Wunsch nach Eigenständigkeit steckt sie in einem Leben voller Kompromisse. Als plötzlich eine geheimnisvolle Frau namens Daniela im Hotel auftaucht und „auf unbestimmte Zeit“ bleibt, nimmt die Geschichte ihren Lauf. Daniela wirkt zunächst sympathisch, verletzlich, freundlich – und wird schnell zur Freundin Lisas.

Doch je länger sie bleibt, desto stärker nistet sich Daniela nicht nur im Hotel, sondern auch im Dorfleben und in den Beziehungen der Menschen ein. Sie ist immer da, weiß viel, wirkt präsent – zu präsent. Und während Lisa anfangs Nähe spürt, beginnt sie bald zu zweifeln: Wer ist Daniela wirklich? Was will sie? Und warum weicht sie keiner Konfrontation, aber auch keinem Gespräch aus?

Die Autorin entfaltet die Spannung langsam, aber unaufhaltsam. Die wachsende Beklemmung wird nicht durch laute Thriller-Momente erzeugt, sondern durch leise Verschiebungen im sozialen Gefüge. Der Roman lebt von seiner dichten psychologischen Atmosphäre – und von der Art, wie das scheinbar Idyllische, der Schwarzwald mit seinen dunklen Bäumen und abgelegenen Wegen, zur Projektionsfläche für Unsicherheit, Bedrohung und Einsamkeit wird.

Ein weiteres Highlight ist der realistische Einblick in den Hotelbetrieb: der Spagat zwischen Gastfreundschaft und wirtschaftlichem Druck, die familiären Spannungen, die Organisation im Hintergrund – all das wird detailliert und glaubwürdig geschildert, ohne je trocken zu wirken.

Fazit: Schattengrünes Tal ist ein spannender, psychologisch fein gezeichneter Roman über das Eindringen des Fremden in vertraute Strukturen, über Manipulation und Abhängigkeit – und über die dunklen Seiten menschlicher Beziehungen. Die dichte Atmosphäre des Schwarzwalds, kombiniert mit dem Thema Stalking und einem realistischen Setting, machen das Buch zu einer fesselnden Lektüre. Sehr lesenswert!

Veröffentlicht am 15.09.2025

Vielschichtiger Familienroman

Weiße Wolken
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Yande Secks Roman Weiße Wolken ist ein eindrucksvoller moderner Familienroman, der die Geschichte der Schwestern Dieo und Zazie erzählt – Töchter einer deutschen Mutter und eines senegalesischen Vaters. ...

Yande Secks Roman Weiße Wolken ist ein eindrucksvoller moderner Familienroman, der die Geschichte der Schwestern Dieo und Zazie erzählt – Töchter einer deutschen Mutter und eines senegalesischen Vaters. Als dieser stirbt, reisen die beiden Frauen zur Beerdigung in sein Heimatland – eine Reise, die nicht nur geographisch, sondern vor allem emotional große Distanzen überbrückt.

Im Mittelpunkt stehen zwei sehr unterschiedliche Frauenfiguren, die auf je eigene Weise mit den Erwartungen der Gesellschaft, ihrer eigenen Identität und den Spuren der Vergangenheit ringen. Dieo, Mutter eines kleinen Kindes, zweifelt an sich und ihrer Rolle als Mutter. Ihre Gedanken kreisen um Selbstbestimmung, Fürsorge und das Idealbild einer „guten Mutter“, das sie ständig zu unterlaufen scheint. Zazie hingegen kämpft mit alltäglichem Rassismus und Sexismus – sowohl subtilen als auch offenen Formen – und reflektiert dabei scharf und wütend über gesellschaftliche Normen, Ungleichheiten und Zuschreibungen.

Seck gelingt es meisterhaft, komplexe Themen wie Rassismus, Mutterschaft, Sexismus und familiäre Rollenerwartungen vielschichtig und mit einer bemerkenswerten Leichtigkeit zu verhandeln. Dabei verzichtet der Roman auf platte Stereotype oder erhobene Zeigefinger. Stattdessen lässt er unterschiedliche Perspektiven zu Wort kommen, gibt Raum für Widersprüche und bringt so die Dynamik moderner Familienkonstellationen und gesellschaftlicher Diskurse authentisch zum Ausdruck.

Trotz der Schwere mancher Themen bleibt Weiße Wolken erstaunlich humorvoll. Mit scharfem Witz, pointierten Dialogen und liebevoll gezeichneten Nebenfiguren schafft Seck es, den Leser*innen immer wieder ein Schmunzeln zu entlocken – auch inmitten von Schmerz und Konflikt.

Weiße Wolken ist ein ebenso kluger wie berührender Roman über Herkunft, Verlust, Weiblichkeit und das Suchen nach dem eigenen Platz in der Welt. Ein Buch, das zum Nachdenken anregt, ohne belehrend zu sein – und dabei auch noch wunderbar unterhält. Absolut lesenswert.