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Veröffentlicht am 13.03.2018

Was für ein Debüt!

Blauer Hibiskus
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Die 15-Jährige Kambili lebt mit ihrer Familie in Nigeria ein gutes Leben. Der Vater nennt mehrere Fabriken sein eigen, Kambili und ihr Bruder sind in der Schule die Besten ihres Jahrgangs, die Familie ...

Die 15-Jährige Kambili lebt mit ihrer Familie in Nigeria ein gutes Leben. Der Vater nennt mehrere Fabriken sein eigen, Kambili und ihr Bruder sind in der Schule die Besten ihres Jahrgangs, die Familie gehört zu den Angesehensten in ihrer Gemeinde. Doch hinter der Fassade bröckelt es, der Vater ist von seinem Glauben völlig verblendet und lässt die eigene Wut gerne mal an der eigenen Familie aus. Auch im Land bröckelt es, die drohende Revolution macht sich zuerst an den Universitäten bemerkbar, wo Kambilis Tante sich plötzlich im Auge des Sturms wiederfindet.

Was für ein Debüt! Ich habe Adichies Erstlingswerk inzwischen mehrfach gelesen, und trotzdem nimmt es mich immer wieder mit. Die Geschichte wird aus Kambilis jugendlicher Sicht erzählt, trotzdem handelt es sich mitnichten um ein leichtes Jugendbuch. Der unglaubliche Druck durch den Vater, die ständige unterschwellige Angst vor seinem Zorn und die immer wiederkehrende Brutalität sind für den Leser nur schwer zu ertragen. Ebenso Kambilis zunächst hilflos blinder Gehorsam, ihr verquerer Glaube, den sie vom Vater eingeimpft (oder –geprügelt?) bekommen hat. Die Erzählweise ist ganz leise und sanft, was Gewalt und Brutalität noch mehr hervorstechen lässt. Nichts ist in diesem Buch nur schwarz oder weiß, nur gut oder böse. So ist der fanatische Haustyrann gleichzeitig jemand, der anderen unter die Arme greift oder eine der letzten Zeitungen des Landes herausgibt, in der überhaupt noch eine freie Meinungsäußerung stattfinden kann. Man kommt ins Grübeln beim Lesen, und das nicht nur einmal, so facettenreich ist die Geschichte, sind ihre Figuren. Kambilis Entwicklung kann einen als Leser nicht kaltlassen und so entwickelt die Handlung ihren ganz eigenen Sog, dem man sich nur schwer entziehen kann. Gekonnt lässt Adichie die tragische Familiengeschichte zudem mit den Geschehnissen im ganzen Land verschmelzen, sodass der Fokus auch immer wieder auf Putsch und Aufstand, auf staatlicher Macht und deren Auswirkung auf das gemeine Volk liegt. Durch die Verwendung vieler Begriffe auf Igbo (Glossar findet sich am Buchende) wird man noch mehr ins heiße Nigeria versetzt und hat am Ende der Geschichte nicht nur einen einfühlsamen und doch harten Roman gelesen, sondern auch noch etwas über Land und Leute gelernt. Ein toller Erstling!

Veröffentlicht am 11.03.2018

Endlich mal wieder ein toller Thriller

Zu nah
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Frankie Sheenan kämpft noch mit den Folgen ihres letzten brisanten Einsatzes, bei dem sie schwer verletzt wurde. Doch das Verbrechen in Dublin kennt keine Pause und so wird sie nach kurzer Rekonvaleszenz ...

Frankie Sheenan kämpft noch mit den Folgen ihres letzten brisanten Einsatzes, bei dem sie schwer verletzt wurde. Doch das Verbrechen in Dublin kennt keine Pause und so wird sie nach kurzer Rekonvaleszenz direkt wieder ins kalte Wasser geworfen. Was zuerst wie der Selbstmord einer erfolgreichen Wissenschaftlerin aussieht, wird schon bald zum Mordfall. Frankie rennt die Zeit davon, denn der Mörder ist noch lange nicht fertig.
Irgendwie konnte mich in letzter Zeit kein Thriller so richtig packen und fesseln. Bis mir „Zu nah“ in die Finger gekommen ist. Olivia Kiernans Geschichte ist spannend und überraschend, legt zwischenzeitlich ein hohes Tempo vor. Gleichzeitig kann sie sich aber auch Zeit lassen einzelne Aspekte herauszuarbeiten, auf Land und Leute einzugehen. Ich fand diesen Spagat sehr gelungen. Frankie als Hauptperson fand ich sehr sympathisch. Es gibt schon viele Thriller mit „angeschlagenen“ Ermittlern, die Autorin hat hier trotzdem etwas Eigenes geschaffen. Umso mehr freut es mich, dass Sheenan wohl in einem zweiten Band wieder ins Rennen geschickt werden wird.
Kiernan erzählt sehr flüssig und angenehm, zusammen mit den spannenden Entwicklungen führt das dazu, dass man förmlich an den Seiten klebt. Ich habe „Zu nah“ quasi in einem Rutsch durchgelesen und mich dabei bestens unterhalten gefühlt. Endlich mal wieder ein packender Thriller, der dieser Bezeichnung auch gerecht wird.

Veröffentlicht am 19.02.2018

Genial anders

Die erstaunliche Familie Telemachus
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Einst war die Familie Telemachus für ihre übersinnlichen Fähigkeiten bekannt, hat die Nation in Erstaunen versetzt. Bis ein fataler TV-Auftritt sie als Lügner enttarnte. Oder nicht? Als der 14-Jährige ...

Einst war die Familie Telemachus für ihre übersinnlichen Fähigkeiten bekannt, hat die Nation in Erstaunen versetzt. Bis ein fataler TV-Auftritt sie als Lügner enttarnte. Oder nicht? Als der 14-Jährige Matty, Telemachus-Spross der nächsten Generation plötzlich ebenfalls außergewöhnliche Fähigkeiten an sich entdeckt, steht die Geschichte seiner Familie auf einmal in einem ganz anderen Licht.

Familienromane gibt es viele. Coming-of-Age-Romane auch. Über magische Fähigkeiten hat gefühlt schon jeder Autor seine Geschichte gestrickt. Daryl Gregory hat all diese Richtungen in einem Roman vereint, der einfach anders ist. Positiv anders ; ) Das Buch wird nicht jedem gefallen, erst recht nicht, wenn man erwartet, dass sich der Herr Autor auf ein Genre festnageln lässt. Mir hat sein Roman sehr gut gefallen, ich wurde immer wieder überrascht und habe mich keine Sekunde gelangweilt. Die Familienmitglieder sind auf der einen Seite ganz außergewöhnlich (und nicht nur dank ihrer „Fähigkeiten“), auf der anderen Seite haben sie ganz alltägliche Sorgen (das eigene Geschäft geht Pleite, wie kriege ich als Alleinerziehende meinen Sohn groß?). Das macht sie sehr nahbar und echt. Auch in der Trauer um ihre Mutter wirken sie sehr natürlich. Selbstverständlich lassen sie sich erst nach einigen Kapiteln so richtig in die Karten schauen, durch die ständigen Perspektivwechsel geht einem als Leser erst so nach und nach ein Lichtlein auf. Die Handlung ist nicht klassisch „spannend“, bringt aber durch ihre Figurenentwicklung eine reizvolle Dramatik mit. Es gibt immer wieder Zeitsprünge, vom aktuellen Geschehen (Mitte der 90er), hin zu der Glanzzeit der Familie. Auch hier weiß der Autor wieder zu überraschen und man kann als Leser über manche Wendung nur staunen. Oder schmunzeln, denn zum Lachen gibt es auch einiges. Gregorys Humor liegt mir, auch wenn der Roman sicherlich kein klassisches Witzefeuerwerk ist. Den Stil des Autors mochte ich, wie bisher auch bei anderen Büchern aus seiner Feder. So ab und an hätte ich mir etwas mehr Zielstrebigkeit gewünscht, da tritt die Handlung dann doch etwas auf der Stelle, ohne dass man so recht weiß wohin es gehen soll. Auch den einen oder anderen Nebenschauplatz hätte ich so vielleicht nicht gebraucht. Insgesamt hat mich die Familie Telemachus zwar vielleicht nicht in atemloses Erstaunen versetzt, aber auf jeden Fall verdammt gut unterhalten.

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  • Fantasie
Veröffentlicht am 24.01.2018

Genialer Krimi mit echtem Hollywoodflair

Der Mann, der nicht mitspielt
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Hardy Engel ist Schauspieler im Hollywood der Goldenen Zwanziger. Naja, meist eher Statist; eigentlich auch eher unerfolgreich. Vor dem Weltkrieg war er Polizist in Mannheim, und so ist die Idee schnell ...

Hardy Engel ist Schauspieler im Hollywood der Goldenen Zwanziger. Naja, meist eher Statist; eigentlich auch eher unerfolgreich. Vor dem Weltkrieg war er Polizist in Mannheim, und so ist die Idee schnell geboren, sich vorerst als Privatdetektiv zu versuchen bis die Karriere als Kinostar so richtig ins Rollen kommt. Schnell findet sich Hardy jedoch in einem Fall wieder, der die Welt der Filmstudios gehörig ins Wanken bringen könnte: Jungschauspielerin Virginia stirbt nach einer rauschenden Partynacht mit dem großen Komiker Fatty. Mithilfe der jungen Pepper steckt Hardy bald viel tiefer im Sumpf der Filmstudios als er sich jemals vorstellen konnte…

Christof Weigold hat hier einen genialen Krimi abgeliefert und ich freue mich jetzt schon auf die Fortsetzung. Das Setting im „alten“ Hollywood hat mir sehr gut gefallen, Weigold lässt sehr lebendige Bilder aus den Anfangstagen des großen Kinos entstehen. Immer wieder trifft man auf bekannte Namen und Filme, sodass ich schnell das eine oder andere im Internet nachlesen wollte. Der Blick hinter die Kulissen, auch in die deutsche Kolonie vor Ort war sehr aufschlussreich und interessant. Eine sehr gelungene Atmosphäre begleitet also diesen spannenden Krimi, bei dessen Lektüre ich mich nicht ein Sekündchen gelangweilt habe. Engel ist ein sympathischer Kerl und hat eine tolle Art sich in den Fall und in die Tiefen der Filmindustrie einzuarbeiten. Sein Sidekick Pepper gibt (ihrem Namen entsprechend) noch mehr Würze zu den Ermittlungen, die sich mit allerlei Wendungen und Überraschungen sehr fesselnd lesen lassen. Ein Krimi ganz nach meinem Geschmack also, der mich wirklich überzeugt hat. Band zwei darf gerne kommen!

Veröffentlicht am 22.01.2018

Intensiv und ehrlich

Was nie geschehen ist
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„Uns würde nichts zustoßen – diese Gewissheit unserer Mutter begleitete uns auf Schritt und Tritt“ (S. 11)
Nadja Spiegelman ist die Tochter eines Pulitzerpreisträgers und der Art-Director des New Yorkers. ...

„Uns würde nichts zustoßen – diese Gewissheit unserer Mutter begleitete uns auf Schritt und Tritt“ (S. 11)
Nadja Spiegelman ist die Tochter eines Pulitzerpreisträgers und der Art-Director des New Yorkers. In ihrem unglaublich ehrlichen biografischen Roman fährt sie die Lebenslinien ihrer erfolgreichen Mutter und ihrer Großmutter nach. Die drei Frauen haben keine einfache Mutter-Tochter-Beziehung, Spiegelmans Erzählung ging mir oft unter die Haut. Ich konnte mich bis zum Schluss nicht darauf festlegen, ob ich die Beziehungen in dieser Familie eiskalt oder sehr liebevoll finden soll. Wahrscheinlich, weil die Wahrheit zwischen dem einen und anderen Extrem schwankt. Allen Frauen ist eine sehr bissige Seite zu eigen, grausame Wahrheiten werden laut ausgesprochen, manchmal wird erst recht auf einer persönlichen Schwäche herumgehackt. Es lastet großer Druck auf der Erzählerin, den sie ungefiltert an den Leser weitergibt. Aber auch die eigene Mutter hat keine einfache Kindheit gehabt und so ziehen sich die Schwierigkeiten wie ein roter Faden durch die Generationen. Andererseits steht jede Frau für ihre Kinder und Kindeskinder ein, kämpft für sie, beschützt sie; zeigt ihnen die Schönheiten dieser Welt.
In vielen sehr persönlichen und sehr offenen Gesprächen erfährt man nach und nach die Lebensgeschichte dreier sehr faszinierender Frauen, die einerseits sehr stark sind und andererseits doch ein Opfer ihrer Umgebung. Viele Situationen werden von den unterschiedlichen Personen verschieden beurteilt, sodass man auch darüber grübeln kann, welche Version der Wirklichkeit wohl am ehesten entspricht. Erinnerungen sind eben formbar. Die Autorin erzählt unglaublich intensiv, voller Emotion und dabei unglaublich fesselnd. Eine mitreißende, aber auch nachdenkliche Erzählung, quer durch die Generationen und über zwei Kontinente hinweg. Ich bin begeistert.