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Veröffentlicht am 28.08.2025

Zwischen Fürsorge und Freiheit - ein stiller Generationenkonflikt

Halbinsel
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„Der Blick auf das Kind - was davon ist Projektion der eigenen Ängste, der eigenen unerfüllten, der im eigenen Leben nicht erreichten Ziele und Ideale?“

Um eben diese - und auch andere zwischenmenschliche ...

„Der Blick auf das Kind - was davon ist Projektion der eigenen Ängste, der eigenen unerfüllten, der im eigenen Leben nicht erreichten Ziele und Ideale?“

Um eben diese - und auch andere zwischenmenschliche Konflikte - kreist Kristine Bilkaus Roman Halbinsel.

Annett, Ende 40, lebt am nordfriesischen Wattenmeer. Nach dem frühen Tod ihres Mannes hat sie ihre Tochter Linn, inzwischen Mitte 20, alleine großgezogen. Als die sonst so energetische und tatkräftige Aktivistin Linn bei einem Vortrag zusammenbricht, nimmt Annett sie voller Sorge mit zurück ins vertraute Familienheim. Die Konflikte lassen nicht lange auf sich warten…

„Manchmal habe ich den Eindruck, ich bin wie ein Projekt für dich. Ich soll deinen Ehrgeiz befriedigen, den du dir selbst aber nie eingestehen würdest. Ich soll deine Hoffnungen erfüllen.“ (S.201)

Linn fühlt sich von ihrer Mutter unverstanden und bevormundet. Sie braucht nach dem körperlichen und seelischen Zusammenbruch eine Auszeit, um Klarheit zu gewinnen und zu sich selbst zurückzufinden. Doch Annett, geprägt von den Wertvorstellungen ihrer Elterngeneration und einer leistungsorientierten Gesellschaft, kann mit der vermeintlichen Antriebslosigkeit ihrer Tochter nur schwer umgehen.
Gerade weil sie selbst auf vieles verzichtet hat - finanziell, persönlich, emotional -, um Linn eine gute Ausbildung und ein stabiles Umfeld zu ermöglichen, fällt es ihr schwer zu akzeptieren, dass deren Lebensweg nicht gradlinig verläuft.

„…- meine Fürsoge für sie hatte auch zu meiner eigenen Freiheit im Widerspruch gestanden. Fürsorge und Freiheit, das eine schränkte das andere ein, Freiheit und Fürsorge, beides hing untrennbar zusammen.“ (S.202)

Auch Annetts eigene Konflikte brechen auf: der frühe Verlust ihres Mannes, den sie nie wirklich verarbeitet hat und die Unfähigkeit, sich nun - wo die Tochter unabhängig sein könnte - ein neues Leben zuzutrauen. Wünsche, Träume, Veränderungen? Oder doch lieber das Vertraute?

„Ich zweifelte daran, ob ich mich irgendwo anders zugehörig fühlen würde. Ob das wirklich gelingen könnte. Wo würde die Einsamkeit lauern? Hinter der Veränderung oder dem Vertrauten?“ (S. 40)

Kristine Bilkau gelingt es in diesem leisen, vielschichtigen Roman, mit einer ruhigen, klaren Sprache Themen wie Trauer, Generationskonflikte, Erwartungsdruck, Selbstbestimmung und -findung sowie die Klimakrise aufzugreifen - subtil, aber eindringlich. Ihre unaufgeregte Erzählweise lädt dazu ein, innezuhalten, sich selbst zu reflektieren und sich den leisen Zwischentönen des Lebens zu öffnen.

Halbinsel ist ein Roman, der zum Nachdenken anregt - eine Empfehlung für alle, die Stille, tiefgründige Geschichten mit emotionaler Tiefe schätzen.

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Veröffentlicht am 28.11.2025

Düster, feministisch, magisch

Terror at the Gates
1

In Terror at the Gates folgt man Lilith, einer jungen Frau mit besonderen magischen Fähigkeiten. In der Stadt Eden – einer düsteren, patriarchalen Welt voller religiöser Dogmen, Machtkämpfe und verborgenem ...

In Terror at the Gates folgt man Lilith, einer jungen Frau mit besonderen magischen Fähigkeiten. In der Stadt Eden – einer düsteren, patriarchalen Welt voller religiöser Dogmen, Machtkämpfe und verborgenem Unheil – gerät sie in Ereignisse, die nicht nur ihr eigenes Schicksal, sondern das Gleichgewicht der gesamten Stadt ins Wanken bringen könnten.

Der Roman hat mich von Beginn an gefesselt. Scarlett St. Clair erschafft ein faszinierendes Setting: Eden ist in verschiedene Stadtteile gegliedert, die jeweils eine andere Gesellschaftsschicht oder Menschengruppe beherbergen und von einer einflussreichen Familie geführt werden. Über allem thront die Kirche unter der Leitung des Erzbischofs. Um ihrer herrischen Familie und den ihr auferlegten Pflichten zu entkommen, hat es Lilith in den Stadtteil der Sünde – Nineveh – verschlagen.

Lilith ist eine mutige, witzige und energiegeladene Protagonistin, deren Mischung aus Stärke und Verletzlichkeit sie sofort sympathisch macht. Gleichzeitig handelt sie gelegentlich trotzig und unbedacht – das sorgt zwar für Konflikte, hat mich an einigen Stellen jedoch irritiert und gestört, da ich anhand des Klappentextes eine reifere Protagonistin erwartet hatte.

Auch die Nebenfiguren bereichern die Geschichte mit Wärme, Loyalität und emotionalen Momenten. Der Schreibstil ist flüssig und fesselnd. Besonders gefallen hat mir die gelungene Verbindung aus düsterer Atmosphäre, gesellschaftskritischen Themen und einer prickelnden, spannungsgeladenen Dynamik zwischen den Figuren.

Lediglich das Magiesystem hätte ich mir etwas mehr Tiefe und Erklärungen gewünscht – vielleicht werden die offenen Fragen im zweiten Teil noch aufgegriffen.

Terror at the Gates ist ein packender Fantasyroman mit einer starken feministischen Note und einer Heldin, deren Entwicklung neugierig auf mehr macht – auch wenn Liliths gelegentliche Unbedachtheit und das noch wenig erläuterte Magiesystem für mich kleinere Schwachpunkte waren. Dennoch bin ich sehr gespannt auf die Fortsetzung und darauf, wie es mit Lilith und der Stadt Eden weitergeht.

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Veröffentlicht am 10.11.2025

Zwischen Magie, Liebe und Intrigen

To Carve a Fae Heart - Fair Isle 1
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To Carve a Fae Heart ist ein gelungener Auftakt einer Romantasy-Reihe, der mit einem angenehm flüssigen Schreibstil, durchdachtem Weltenbau und einer ordentlichen Portion Witz überzeugt. Tessonia Odette ...

To Carve a Fae Heart ist ein gelungener Auftakt einer Romantasy-Reihe, der mit einem angenehm flüssigen Schreibstil, durchdachtem Weltenbau und einer ordentlichen Portion Witz überzeugt. Tessonia Odette verbindet Spannung, Romantik und Humor auf ansprechende Weise und schafft damit eine unterhaltsame, leicht zu lesende Geschichte.

Evie, die Hauptfigur des Buches, ist eine starke, unabhängige und zugleich sarkastische Protagonistin, deren Schlagfertigkeit und Humor der Handlung eine frische Note verleihen. Ihre spitze Zunge und ihr Mut machen sie zu einer Figur, mit der man gerne Zeit verbringt. Besonders die Beziehung zu ihrer Schwester Amelie sorgt für emotionale Tiefe und zeigt eine schöne Mischung aus Loyalität, Liebe und Konflikt – umso bedrückender ist es, wie diese Bindung im Verlauf auf die Probe gestellt wird.

König Aspen wirkt zunächst distanziert, offenbart aber im Laufe der Handlung eine einfühlsame und verantwortungsbewusste Seite. Sein Bruder Cobalt dagegen verkörpert das genaue Gegenteil – charmant, berechnend und undurchsichtig. Diese Gegensätze bringen Dynamik und Spannung in die Geschichte.

Auch wenn einige Wendungen vorhersehbar waren und Evie gegen Ende manchmal etwas zu naiv wirkte, war die Handlung durchgehend unterhaltsam. Der Humor, die lebendigen Dialoge und der geschickt gesetzte Cliffhanger am Ende sorgen dafür, dass man die Fortsetzung unbedingt lesen möchte.

Fazit:
Ein unterhaltsamer und spannender Reihenauftakt mit einer sarkastischen, liebenswerten Heldin, charmanten Nebenfiguren und einem gelungenen Mix aus Magie, Intrigen und Romantik. To Carve a Fae Heart bietet gute Romantasy-Unterhaltung mit Witz, Gefühl und Spannung.

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Veröffentlicht am 13.10.2025

Zwischen Hochzeitswahnsinn und Lebenskrise

Wedding People (deutsche Ausgabe)
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Phoebe möchte sich vor ihrem Tod noch etwas Besonderes gönnen und ihre letzten Stunden in vollen Zügen genießen. Deshalb bucht sie ein Zimmer in einem Luxushotel – einem Ort, von dem sie seit Jahren träumt. ...

Phoebe möchte sich vor ihrem Tod noch etwas Besonderes gönnen und ihre letzten Stunden in vollen Zügen genießen. Deshalb bucht sie ein Zimmer in einem Luxushotel – einem Ort, von dem sie seit Jahren träumt. Eigentlich wollte sie dort einmal gemeinsam mit ihrem Ehemann Urlaub machen, doch dieser ist inzwischen ihr Ex-Mann. Nun erscheint ihr das Hotel als der perfekte Ort, um ihrem Leben ein Ende zu setzen.
Lila, die zukünftige Braut, die das Hotel für ihre aufwendig geplante Hochzeit gebucht hat, ist von Phoebes Vorhaben alles andere als begeistert. Ein Selbstmord mitten in ihrer Feier würde das perfekte Hochzeitswochenende ruinieren. Entschlossen versucht sie deshalb, Phoebe von ihrer Absicht abzubringen.

Phoebe war mir von Anfang an sympathisch. Sie ist authentisch gezeichnet, ihre Gedanken und Gefühle wirken nachvollziehbar und berührend. Besonders gelungen fand ich auch ihre persönliche Entwicklung im Laufe des Romans.
Lila hingegen war eine Figur, mit der ich nicht so recht warm wurde – dennoch hat gerade das Zusammenspiel dieser beiden sehr unterschiedlichen Protagonistinnen für mich gut funktioniert und zur Spannung der Geschichte beigetragen.

Was mir besonders gefallen hat, war die gelungene Mischung aus Humor und ernsten Themen. Viele Szenen und Aussagen laden zum Nachdenken ein, ohne dass das Buch dabei seine Leichtigkeit verliert.

Ich habe „Wedding People“ sehr gerne gelesen und empfehle es allen, die humorvolle, aber zugleich tiefgründige Romane mögen, in denen es um Selbstwahrnehmung, Selbstfindung und familiäre Beziehungen geht.

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Veröffentlicht am 07.10.2025

Vererbte Wunden – wie familiäre Muster Generationen prägen

Wir sitzen im Dickicht und weinen
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Valerie hatte schon immer ein schwieriges Verhältnis zu ihrer Mutter. Als diese an Krebs erkrankt, wird von Valerie erwartet, sich liebevoll um sie zu kümmern – doch ist das wirklich das, was sie selbst ...

Valerie hatte schon immer ein schwieriges Verhältnis zu ihrer Mutter. Als diese an Krebs erkrankt, wird von Valerie erwartet, sich liebevoll um sie zu kümmern – doch ist das wirklich das, was sie selbst möchte? Und tut ihr das überhaupt gut?

Gleichzeitig verkündet ihr 16-jähriger Sohn Tobi, dass er ein Schuljahr in England verbringen möchte. Valerie steht diesem Vorhaben mit gemischten Gefühlen gegenüber: Wird Tobi ohne sie zurechtkommen? Wer wird sich um ihn kümmern?

Im Verlauf des Romans spannt Felicitas Prokopetz einen Bogen über mehrere Generationen – bis zurück zu den Ururgroßeltern – und zeigt eindrücklich, wie tief Familiendynamiken und Traumata über Jahrzehnte hinweg wirken können. Liegt hier bereits der Ursprung für die schwierigen Beziehungen in der Gegenwart?

Der Roman ist kapitelweise aus der Perspektive unterschiedlicher Figuren erzählt. Dadurch erhält man tiefe Einblicke in ihre Gedanken- und Gefühlswelt. Gleichzeitig erfordert diese Erzählweise einiges an Aufmerksamkeit: Aufgrund der Vielzahl an Charakteren fiel es mir stellenweise schwer, den Überblick zu behalten und ihre verwandtschaftlichen Beziehungen zueinander sofort zu erfassen.

Die Figuren waren mir persönlich nicht besonders sympathisch. Dennoch konnte ich durch die intensiven Schilderungen ihrer Kindheits- und Lebenserfahrungen – besonders im Hinblick auf zwischenmenschliche Beziehungen – viele ihrer Verhaltensweisen nachvollziehen. Trotz - oder vielleicht gerade wegen - ihres teils verstörenden Verhaltens entwickelte ich ein gewisses Mitgefühl für sie.

Felicitas Prokopetz gelingt es eindrucksvoll, aufzuzeigen, wie tiefgreifend familiäre Traumata wirken können, wenn sie nicht verarbeitet werden. Jede Generation hat mit ihren eigenen inneren Konflikten und Verletzungen zu kämpfen – und gibt diese in anderer Form weiter.

„Wir sitzen im Dickicht und weinen“ empfehle ich allen, die sich für generationsübergreifende Konflikte und komplexe zwischenmenschliche Beziehungen interessieren – und bereit sind, sich auf eine schonungslose, aber ehrliche Auseinandersetzung mit familiären Mustern einzulassen.

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