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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 03.11.2025

Warmherziger Briefroman

Die Briefeschreiberin
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„Deshalb sind Briefe so viel wert, weil sie das Unmittelbare des Daseins aufbewahren.“
(Johann Wolfgang von Goethe)

Wenn man dieses Buch gelesen hat weiß man, dass Sybil van Antwerp ganz und gar nach ...

„Deshalb sind Briefe so viel wert, weil sie das Unmittelbare des Daseins aufbewahren.“
(Johann Wolfgang von Goethe)

Wenn man dieses Buch gelesen hat weiß man, dass Sybil van Antwerp ganz und gar nach diesem Zitat des berühmten Schriftstellers lebt. Denn Sybil pflegt eine Gewohnheit, die in den letzten Jahren leider der Digitalisierung anheimgefallen ist: Das Briefeschreiben.

Sybil, 73 Jahre, streitbare Juristin im Ruhestand, harte Schale, weicher Kern, schreibt gern Briefe. Und zwar an Gott und die Welt. Freunde, Verwandte, Universitätsprofessorinnen, Journalistinnen, Service-Mitarbeiter und an jeden, dem sie etwas mitteilen möchte. Ihren persönlichsten Brief hat sie jedoch nie abgeschickt…

In diesem berührenden Briefroman begleiten wir Sybil van Antwerp neun Jahre lang durch ihre Vergangenheit und Gegenwart. Wir lernen sie dabei durch die Art, wie sie zu schreiben pflegt, besser kennen. Unter ihrer Stacheligkeit steckt ein warmes Herz. Wir nehmen teil an ihrem Leben und gewinnen einen tiefen Einblick in ihre Gedanken. Mal warmherzig, mal starrsinnig, aber immer offen und ehrlich lernen wir, wie heilsam es sein kann, sich alles von der Seele zu schreiben.

„Gute Briefe sind wie gute Freunde. Sie dürfen es heute eilig haben, aber sie müssen sich morgen Zeit nehmen.“ (Oscar Wilde)
💌
Ich mochte den Aufbau des Buches und die Briefe sehr gern. Der lieben Sybil habe ich mich die ganze Zeit sehr nah gefühlt. Als Leser*in wird man direkt mitten in ihr Leben gezogen, weil die Briefe ja etwas sehr Persönliches sind. Nach der Lektüre habe ich richtig Lust bekommen, mir ein schönes Briefpapier und einen Füller zu kaufen und selbst mal wieder einen Brief zu schreiben.

Wer gern warmherzige Lebensgeschichten liest und das einmal in einer anderen Form, ist bei diesem Buch gut aufgehoben.

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Veröffentlicht am 06.10.2025

Women support Women!

Die Frau der Stunde
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Dr. Catharina Cornelius bewegt sich in einem Haifischbecken. Sie ist Außenpolitikerin im Bonn der späten 70er Jahre und muss sich gegen die patriarchal auftretende Altherrenrunde beißen. Auch innerhalb ...

Dr. Catharina Cornelius bewegt sich in einem Haifischbecken. Sie ist Außenpolitikerin im Bonn der späten 70er Jahre und muss sich gegen die patriarchal auftretende Altherrenrunde beißen. Auch innerhalb ihrer liberalen Fraktion ist sie vor Anfeindungen nicht sicher, erst recht als sie überraschend zur Außenministerin und Vizekanzlerin ernannt wird. Keine Frage, dass die männlichen Kollegen erst einmal Schnappatmung bekommen. Selbstverständlich spart auch die Opposition nicht mit Spitzen und tut alles dafür, um die clevere Politikerin zu diskreditieren. Vor Presse und Öffentlichkeit gilt es zusätzlich, einen kühlen Kopf zu bewähren. Wird sich die kluge, selbstbewusste Dr. Cornelius gegen alle Widrigkeiten behaupten können, wo nun auch noch die außenpolitische Lage durch den kalten Krieg und die undurchsichtige Lage im Iran zu eskalieren droht?
💼
Was ich an diesem Buch besonders mag, sind die starken Frauenfiguren. Neben der charismatischen Catharina Cornelius gibt es noch eine Hand voll Politikerinnen, die zusammen eine starke Clique gegen die „alten weißen Männer“ bilden. Klasse fand ich auch die drei Vorzimmerdamen der Außenministerin, die bringen auch gehörigen Schwung in die Runde. Spannend fand ich den Blick hinter die politischen Kulissen und das Ränkespiel um politische Anerkennung, das Taktieren und Paktieren und die geheimen Absprachen. Ich gehe mal stark davon aus, dass das recht realistisch recherchiert und geschrieben ist, was eigentlich schon wieder erschreckend ist. Denn wenn nur ein Bruchteil der angedeuteten Klüngeleien korrekt dargestellt ist, dann geht es den meisten Politiker:innen lediglich um das eigene Ego. Keine neue Erkenntnis, aber so schwarz auf weiß wird es einem erst noch einmal so richtig bewusst.
💼
Schade, dass die erste deutsche Außenministerin in der Realität erst sehr viel später am Zug war als im Buch. Trotzdem konnte ich manchen Pseudonymen im Buch ein paar reale Persönlichkeiten zuordnen, so z.B. die – wie ich meine und hoffe mich nicht zu irren – erste deutsche Bundestagspräsidentin Annemarie Renger.

Der Roman ist ein hintergründiges Porträt über die „Frau der Stunde“, dass in meinen Augen sehr realistisch geschildert und interessant geschrieben ist. Wer sich für die weiblichen Perspektiven generell und in der Politik im Speziellen interessiert, ist bei diesem Buch gut aufgehoben. Und ich kann es nur immer wieder betonen: Women support women!

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Veröffentlicht am 15.09.2025

Psychologische Zwischentöne und Zwischenmenschliches

Schöne Scham
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Die befreundeten Pärchen Katha & Lenny und Christian & Amalia fahren mit ihrer Single-Freundin Ola für ein Wochenende ins Sommerhaus von Kathas Eltern. Was als entspannte Alltagsflucht beginnt, wird zunehmend ...

Die befreundeten Pärchen Katha & Lenny und Christian & Amalia fahren mit ihrer Single-Freundin Ola für ein Wochenende ins Sommerhaus von Kathas Eltern. Was als entspannte Alltagsflucht beginnt, wird zunehmend explosiver. Ola, generell sehr weltoffen und feministisch unterwegs, hinterfragt einige Dinge und rührt dabei an bislang Unausgesprochenem, was zu allererst Christian die Contenance verlieren und lässt. Als dann Ola und Amalia verschwunden sind, kochen die Emotionen hoch…
🦋
Diese Geschichte fängt langsam an mit der Schilderung des beginnenden Urlaubs und doch hinterfrage ich als Leserin relativ früh die Beziehungen der einzelnen Charaktere. Das liegt ich vor allem am Schreibstil. Bianca Nawrath lässt alle Protagonistinnen abwechselnd zu Wort kommen. Abwechselnd bekomme ich so einen Eindruck davon, was Amalia, Katha und Ola von den anderen und ihren Beziehungen denken. Anfangs war das etwas gewöhnungsbedürftig, weil ich manchmal nicht mehr so genau wusste, wer hier gerade „denkt“, hatte aber positiven Einfluss auf die Tiefe und Atmosphäre des Geschehens.

„Nichts ist für den Menschen so schwer zu ertragen wie Kontrollverlust, ,weshalb sich sogar die Opfer gern einreden, keine Opfer zu sein, um dafür im Gegenzug das Gefühl von Kontrolle zurückzuerlangen, anstatt einzusehen, dass das Leben, dass Menschen unberechenbar bleiben.“ (S. 167)

Amalia, die sich für Christian total verbiegt und möglichst nichts sagen will, was ihn vielleicht verärgern könnte, hätte ich gern geschüttelt. Christian hingegen, der es meisterhaft versteht zu manipulieren, hätte ich gern umgehend aus dem Sommerhaus geworfen. Ola ging es da vermutlich ähnlich, denn selbstverständlich hat Christian mit ihr ein großes Problem, weil sie genau die Fragen stellt, die er nicht hören will. Katha und Lenny wirken oft wie Zaungäste, die zwar wissen, dass bei Amalia und Christian irgendwas nicht rund läuft, sich aber nicht einmischen wollen.
🦋
„Schöne Scham“ ist ein Buch der feinen Zwischentöne und glänzt durch seine Spitzfindigkeiten. Die Dialoge sind teilweise messerscharf. Bianca Nawrath lenkt die Aufmerksamkeit auf das Zwischenmenschliche und stellt die richtigen Fragen.
Wie befreit man sich aus einer toxischen Beziehung?
Darf man sich als Außenstehende in eine andere Beziehung einmischen oder soll man es sogar?

Genau diese Zwischentöne machen den Reiz des Romans aus. Ein Buch über Ehrlichkeit in Freundschaften, weibliche Solidarität und (falsche?) Scham. Wer gern psychologisch tiefgehende, feministische Bücher liest, ist bei „Schöne Scham“ gut aufgehoben! Und ich verspreche, das Ihr herausfinden werdet, was es mit dem Cover auf sich hat 😉

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Veröffentlicht am 26.06.2025

Mr. Darcy und seine Hummerfrauen

Die Hummerfrauen
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In dem beschaulichen Örtchen Stone Harbour dreht sich (fast) alles um den Hummer. Generation um Generation wird das Wissen über den Hummerfang von Vater zu Sohn weitergegeben. In dieser männlich dominierten ...

In dem beschaulichen Örtchen Stone Harbour dreht sich (fast) alles um den Hummer. Generation um Generation wird das Wissen über den Hummerfang von Vater zu Sohn weitergegeben. In dieser männlich dominierten Welt der Hummerfänger fallen Ann (72) und Julie (54) natürlich sehr auf und müssen sich besonders behaupten und unter Beweis stellen, dass sie ihre Frau stehen können.

Die beiden alleinstehenden Frauen, die jede für sich ihre Erfahrungen mit der Liebe gemacht haben, tragen das Herz am richtigen Fleck und manchmal auf der Zunge. Weil das aber genauso ist, zögern sie nicht lange, als die junge Mina wortwörtlich angespült wird. Ann nimmt sie kurzerhand bei sich und ihrem Hummerfreund Mr. Darcy auf.

„Wieso heißt der Hummer eigentlich Mr. Darcy?, hatte Mina gefragt. Vielleicht weil ich an die Liebesfähigkeit dieses Wesens glaube, auch wenn es noch so stolz und hochmütig wirkt. Hummer können über hundert Jahre alt werden und wandern selbst im hohen Alter noch Hand in Hand, oder vielmehr Schere ein Schere mit ihrem Partner über den Meeresgrund, hatte Ann geantwortet.“ (S. 49)

Mina ist nach dem Tod ihres älteren Bruders vor der Trauer in ihrem Elternhaus geflüchtet, an den Ort, mit dem sie viele schöne Kindheitserinnerungen verbindet. Sie hofft auch auf ein Wiedersehen mit Sam, ihrem Freund aus Kindertagen, mit dem sie tagelang durch die Wälder und an den Küsten von Stone Harbour gewandert ist.
Doch irgendetwas aus der Vergangenheit ist noch ungeklärt und beschäftigt Mina. Kann sie das Geheimnis lösen?
🦞
Auf zwei Zeitebenen entführt Beatrix Gerstberger in ihrem Debütroman ihre Leser*innen. Im Jahr 1982 verbringt Mina – wie jedes Jahr – den Urlaub mit ihrer Familie in Stone Harbour. Die zweite Ebene ist das Jahr 2000, in dem Mina nach dem schweren Schicksalsschlag dorthin zurückkehrt. Auf Mina liegt erzählerisch das Hauptaugenmerk, und das ist auch meine kleine Kritik an der Geschichte, die mir sonst sehr gut gefallen hat und sich flüssig und angenehmen lesen ließ. Ich hätte gern viel mehr über Ann und Julie erfahren, ihre Beweggründe, nach Stone Harbour zu kommen und wie sie zu dem geworden sind, was sie sind. Das wurde meiner Meinung nach nur angerissen und das fand ich ein wenig schade.

Der Roman über die drei Frauen, die eng zusammenwachsen und sich gegenseitig Halt und Schutz geben, ist eine warmherzige und humorvolle Geschichte, die ich trotz der o.g. Kritik gern gelesen habe und die ich jedem empfehlen kann, der gern emotionale Generationengeschichten liest. Und das Cover ist ja nun wirklich der Knaller, oder? 😉

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Veröffentlicht am 13.10.2024

Spannende Beziehungsstudie zweier Brüder

Intermezzo
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Peter und Ivan sind Brüder, es trennen sie 12 Jahre. Peter ist Anwalt und in einer Beziehung mit der 12 Jahre jüngeren Naomi, die eine Hausbesetzerin ist. Ivan ist eigentlich Schauspieler, hält sich mit ...

Peter und Ivan sind Brüder, es trennen sie 12 Jahre. Peter ist Anwalt und in einer Beziehung mit der 12 Jahre jüngeren Naomi, die eine Hausbesetzerin ist. Ivan ist eigentlich Schauspieler, hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser und wird als Schachgenie gehandelt.
Dann stirbt ihr Vater und ich als Leserin begleite beide durch die unterschiedlichen Phasen der Trauer.

Während Ivan sich einigelt und das Schachspielen vernachlässigt, stürzt Peter sich in die Beziehung mit Naomi und betäubt seinen Schmerz mit Alkohol und Tabletten.

Ivan lernt eines Tages die 12 Jahre ältere Margaret kennen. Die beiden verlieben sich und es ist sehr interessant zu verfolgen, wie beide mit diesem zarten Pflänzchen Liebe, dass vorsichtig beginnt zu wachsen, umgehen.
Peter hingegen ist hin und her gerissen zwischen Naomi und seiner Exfreundin Sylvia, mit der er sehr lange zusammen war und für die er immer noch Gefühle hat.
♟️
Sally Rooney erzählt die Geschichte über die beiden ungleichen Brüder abwechselnd aus deren Perspektive. Erst zum Schluss führen die Erzählstränge zusammen. Sie verwendet auch für beide eine andere Sprache. Für Peter hat die Autorin kurze, schnelle Sätze gewählt, die manchmal nicht einmal zu Ende formuliert sind. Dieses Stilmittel hat mir bis zum Schluss leichte Schwierigkeiten bereitet und meinen Lesefluss stellenweise negativ beeinflusst. Allerdings muss ich sagen, dass diese Art zu schreiben perfekt die innere Zerrissenheit von Peter spiegelt und mir dadurch den Charakter sehr nah gebracht hat. Für Ivan hat sie dafür eine flüssige, besonnene Schreibweise gewählt, die ebenso passend ist.

Die Protagonisten waren mir durch diese Erzählweise sehr nah und ich konnte mich gut einfühlen.
♟️
„Intermezzo“ ist ein intensives Buch über zwischenmenschliche Beziehungen, Liebe und Trauer. Ich habe von ihr vor ein paar Jahren „Normale Menschen“ gelesen und kann mich ehrlicherweise an das Buch nicht mehr wirklich erinnern 😅 Deshalb kann ich auch nichts darüber sagen, ob sie sich weiterentwickelt hat… Diesen Roman fand ich im Großen und Ganzen recht gut und es war sicher nicht das letzte Buch, das ich von ihr gelesen habe.

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