ein Thriller, der packt, verwirrt und trotzdem einen kleinen Haken lässt
Der Nachbar
Der Nachbar ist einer dieser Thriller, die einen sofort in den Bann ziehen, ohne sich lange warmzulaufen. Fitzek wirft einen direkt in Sarahs beklemmende Welt, und genau dieses unmittelbare Gefühl von ...
Der Nachbar ist einer dieser Thriller, die einen sofort in den Bann ziehen, ohne sich lange warmzulaufen. Fitzek wirft einen direkt in Sarahs beklemmende Welt, und genau dieses unmittelbare Gefühl von Bedrohung war für mich der stärkste Einstieg, den er seit Längerem geschrieben hat. Diese leisen Verschiebungen im Alltag – eine Sache fehlt, eine andere ist plötzlich erledigt – wirken banal, und gerade deshalb so unheimlich. Man spürt sofort: Hier stimmt etwas nicht, und Sarah vielleicht noch weniger.
Sarah selbst ist eine Figur, zu der man eine unerwartet starke Nähe entwickelt. Ihre Angst, ihre Vergangenheit, ihre verletzbare Stärke – das alles ist so glaubwürdig gezeichnet, dass man jedes Zögern, jede überstürzte Reaktion, jede Panik nachvollziehen kann. Gerade wenn man bedenkt, was sie bereits hinter sich hat: Eine Kindheit, die Narben hinterlässt, und einen Ehemann, der sich als skrupelloser Killer entpuppt. Fitzek zeigt hier eine Frau, die eigentlich längst genug erlebt hat – und trotzdem mitten in den nächsten Albtraum rutscht.
Was mir besonders gefallen hat, ist die Art, wie Fitzek mit Verdächtigungen spielt. Kaum glaubt man, einer Figur vertrauen zu können, stellt sich die Situation im nächsten Moment vollkommen anders dar. Das ist ein klassischer Fitzek-Move, aber hier wirkt er besonders raffiniert. Ich bin mehrmals fest davon ausgegangen, jetzt wüsste ich endlich, in welche Richtung alles läuft – nur um im nächsten Kapitel wieder komplett umdenken zu müssen. Dieses ständige Infragestellen hält die Spannung konsequent hoch.
Und ja: Simon Jäger hat einen tollen Job geleistet. Seine Stimme trägt die Geschichte, ohne sich in den Vordergrund zu spielen. Eine dieser seltenen Hörbuchleistungen, bei denen man denkt: Bitte sprich weiter, ich bin noch nicht fertig mit Zittern.
Trotz all der Stärken gibt es auch einen Punkt, an dem das Buch mich nicht ganz bekommen hat. Gegen Ende verliert die Geschichte etwas an Kraft. Mir fehlte dieser eine große Moment, der sonst so typisch für Fitzek ist – der Wendepunkt, der einem den Atem nimmt und noch einmal alles kippt. Das Finale ist solide, aber für mich nicht ganz auf dem Niveau des packenden ersten Teils.
Fazit:
Ein absolut fesselnder Thriller, atmosphärisch dicht, emotional nah und voller falscher Fährten. Nicht der heftigste Fitzek, aber definitiv einer, der einen bis zum Schluss beschäftigt. Für mich klare 4 Sterne – und eine uneingeschränkte Empfehlung für alle, die Nervenkitzel ohne unnötige Effekthascherei schätzen.