Familiendrama mit historischem Hintergrund
Töchter der verlorenen HeimatDer Roman hat mich fasziniert und nicht mehr losgelassen. Er erzählt in zwei Zeitebenen die Geschichte von Johanna in den 1920ern in Südtirol und ihrer Tochter Paula in den 1960er Jahren. Paula ist eine ...
Der Roman hat mich fasziniert und nicht mehr losgelassen. Er erzählt in zwei Zeitebenen die Geschichte von Johanna in den 1920ern in Südtirol und ihrer Tochter Paula in den 1960er Jahren. Paula ist eine für die damalige Zeit moderne und unabhängige Frau. Sie ist Ärztin in einer Münchner Klinik und hofft auf die Stelle als Oberärztin. Ein Kollege wird ihr vorgezogen, man ist leider noch nicht soweit einer Frau diese Funktion zuzutrauen. Das Verhältnis zu ihrer Mutter ist schon immer nicht besonders liebevoll und es gibt viel Ungesagtes über ihre Familie und Heimat. Als ihr Großvater in Südtirol stirbt, fährt sie mit ihrer Mutter in das Heimatdorf, auch um endlich ihre unbekannte Familie kennenzulernen. Dort stößt sie nicht bei allen Familienmitgliedern auf offene Arme und beginnt nach ihrer Herkunft, ihrer Familie und Südtirols Geschichte zu forschen. Sie stößt mit Fragen nach ihrem Vater auf eine Mauer des Schweigens. Sie muss erkennen, dass der Mann den sie für ihren Vater gehalten hat das nicht ist. Die große heimliche Liebe ihrer Mutter war ein Italiener aus dem Süden, der in Bozen als Polizist stationiert war. Natürlich werden die beiden entdeckt und die schwangere Johanna in die Ehe mit einem Südtiroler Bauern gedrängt. Die Ehe funktioniert nicht und Johanna zieht mit ihrer Tochter nach München. Nun könnte man meinen, dass das Rätsel um Johannas Herkunft gelöst ist...das ist aber nicht so. Die Lösung des Rätsels ist unerwartet und lässt mich schockiert zurück.
Der Roman ist flüssig geschrieben und mischt gekonnt eine dramatische Familiengeschichte mit sehr viel historischem Wissen. Die Geschichte Südtirols war mir nicht so detailliert bekannt und ich habe viel gelernt. Die Schilderung des Lebens in den Südtiroler Bergen ist teilweise sehr düster und frustrierend. Im sonnigen Kontrast dazu steht die Reise von Paula und Toni zum vermeintlichen Vater in den Süden. Das ist ein schöner Rückblick auf die 60er Jahre in Italien. Man bekommt direkt Lust auf eine Sommerurlaub. Die Beschreibung des Lebens der Frauen in den 20ern und 60ern führt einem nochmal eindrücklich vor Augen wie sich seitdem die Gesellschaft gewandelt hat. Schulbildung, freie Berufswahl, Partnerwahl...wir haben Glück erst jetzt zu leben.
Ich empfehle den Roman allen, die einen spannenden Familienroman lesen möchten und an der jüngeren Geschichte interessiert sind.