Platzhalter für Profilbild

buecherseipi

aktives Lesejury-Mitglied
offline

buecherseipi ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit buecherseipi über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.12.2025

Wohlfühlbuch für kalte Winterabende!

Das Jahr voller Bücher und Wunder
0

„Die wahre Magie von Büchern setzt dann ein, wenn die letzte Seite kein Ende, sondern ein Anfang ist – ein Anfang, den nur du selbst schreiben kannst. Wenn ein Buch dich an einen Ort schickt, an dem du ...

„Die wahre Magie von Büchern setzt dann ein, wenn die letzte Seite kein Ende, sondern ein Anfang ist – ein Anfang, den nur du selbst schreiben kannst. Wenn ein Buch dich an einen Ort schickt, an dem du noch nie gewesen bist, oder dich dazu anregt, etwas Neues auszuprobieren. Oder dich durch seine Figuren auf die Idee bringt, mehr Empathie oder Neugier in deinem Leben zuzulassen.“ (S. 483)

Tilly hat noch schwer mit dem Verlust ihres Mannes Joe zu kämpfen, als sie ein knappes halbes Jahr später einen Anruf von Buchhändler Alfie bekommt. Bei ihm hat Joe nämlich vor seinem Tod eine Bestellung für sie aufgegeben. Ein Jahr lang kann sich Tilly jeden Monat ein neues Buchgeschenk in der schnuckligen Buchhandlung in ihrem Viertel abholen. Anfangs noch recht skeptisch, öffnet sie sich nach und nach immer mehr den Botschaften, die in den Büchern stecken.
💝
Und so durfte ich die liebe Tilly durch die Kapitel und Monate beim Kochen, Reisen, Träumen und vielem mehr Stück für Stück in ihr Leben zurück begleiten.
Dabei sind die Charaktere so zauberhaft gezeichnet, allen voran Tilly und Alfie, die einfach nur zwei liebenswerte Nerds sind, dass ich sie nur sofort in mein Herz schließen konnte. Libby Page hat aber auch ein Händchen für tolle Nebenfiguren. Alfies Angestellte und die Trauergruppe von Tilly mochte ich auch sehr gern.

Ganz wunderbar fand ich die Buchtipps, die jedem Kapitel vorangestellt sind. Da finden sich z.B. Tipps für „Bücher für Leselust, wenn man keine Lust auf Lesen hat“. So kann man sich seine eigene Wohlfühlbücherliste zusammenstellen.
💝
Zugegebenermaßen ist die Idee nicht ganz neu und vom Klappentext hat mich der Roman doch stark an „PS: Ich liebe Dich“ erinnert. Aber was bleibt einem als Buchliebhaberin anderes übrig, als diese Geschichte zu lesen und in sein Herz zu lassen. Außerdem passt die Geschichte einfach perfekt in die Vorweihnachtszeit.

Ich könnte es nicht besser ausdrücken als der Klappentext, daher erlaube ich mir, diesen zu zitieren:
Heiße Schokolade für die Seele – ein warmherziger Feelgood-Roman, der mitten ins Herz geht!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.11.2025

Pomp, Chic und Wiener Schmäh im Grand Hotel

Fabula Rasa oder Die Königin des Grand Hotels
0

„Die Guppys schwammen heiter zwischen Seegras und Piratenschiff. Sobald einer mit dem Bauch nach oben trieb, rauschten Angestellte heran, um ihn zu entnehmen. Regelmäßig kam der Guppy-Züchter mit einem ...

„Die Guppys schwammen heiter zwischen Seegras und Piratenschiff. Sobald einer mit dem Bauch nach oben trieb, rauschten Angestellte heran, um ihn zu entnehmen. Regelmäßig kam der Guppy-Züchter mit einem Plastiksackerl vorbei, in dem frische Fische schwammen, auf das kein Gast je merkte, das auch im Grand Hotel Frohner die Welt im Wandel war: Hier wurde sie angehalten, hier herrschten Komfort, Glamour und Chic.“ (S. 17)

Denn so ist es nämlich in diesem altehrwürdigen Hotel, dem ersten und besten am Platz, mitten im belebten Wien. Vea Kaisers Hauptprotagonistin Angelika Moser arbeitet genau dort. In der Buchhaltung. Sie ist jung, attraktiv, zielstrebig und doch auch eine kleine Partymaus, die ihr Leben in vollen Zügen genießt. Wegen eines außergewöhnlichen Zwischenfalls mit dem Hoteldirektor Julius Frohner III. schafft sie es, sich ihren Weg zu bahnen.

Doch was wäre das Leben denn, wenn immer alles glatt laufen würde? Wie die Wiener landläufig auch sagen würden: Der Teufel sch… immer auf den größten Haufen! 😉 Und so sieht sich die liebe Angelika plötzlich konfrontiert mit der fortschreitenden Demenz ihrer Mutter, einem Sohn ohne verlässlichen Vater und immer höheren Ausgaben, um sich und ihrem Basti ein schönes Leben zu sichern. Als Kind musste sie unter der Armut der Mutter leiden. Das will sie für ihren Sprössling auf keinen Fall. Und so beginnt sie, sich nach und nach immer ein bisschen mehr Geld vom Hotel zu „leihen“…
🏩
Was hatte ich Spaß mit diesem Buch! Vea Kaisers Schreibstil ist so humorvoll, voller Witz und gleichzeitig Wärme. Die Figuren haben einen Schmäh, der sich perfekt in die Hotelkulisse einfügt. Ich habe beim Lesen so oft gelacht und geschmunzelt, habe mit Angelika Moser gelitten, gebangt und gehofft, dass sie nicht erwischt wird. Es ist wirklich toll, wie es die Autorin schafft, das man als Leser*in irgendwie immer auf der Seite von Angelika ist – obwohl man ja eigentlich weiß, dass das alles total illegal und unmoralisch ist… So ging es zumindest mir und ich habe mir mehr als einmal die Frage gestellt, wie ich wohl in Angelikas Lage gehandelt hätte.
🏩
Ich fand das Buch außerordentlich unterhaltsam, mochte jeden einzelnen Satz und bin nur so durch die Seiten geflogen. Ich war ja schon öfter in Wien – tolle Stadt übrigens – und musste über mich selbst schmunzeln, weil ich manche Unterhaltungen quasi im Dialekt „gehört“ habe während des Lesens (keine Ahnung, ob Ihr versteht was ich meine 😅🤔).

Eine von Herzen kommende Empfehlung für diese fantastische Alltagsflucht

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.11.2025

Ruhig aber nachhallend

Das Geschenk des Meeres
0

Dieses Buch hat mich eiskalt erwischt – im besten Sinne. Von Anfang an stellt es diese eine Frage in den Raum: Wie viel Schmerz kann ein Mensch tragen, bevor er daran zerbricht? Diese Frage hängt über ...

Dieses Buch hat mich eiskalt erwischt – im besten Sinne. Von Anfang an stellt es diese eine Frage in den Raum: Wie viel Schmerz kann ein Mensch tragen, bevor er daran zerbricht? Diese Frage hängt über der Geschichte wie der raue Wind, der durch das kleine, schottische Küstennest Skerry fegt.
🌊
Wir springen ins Jahr 1900: ein abgelegenes Dorf an der schottischen Küste, ein Ort voller Schweigen, Salzluft und ungelöster Geschichten. Mittendrin Dorothy, eine Frau, die gelernt hat, Gefühle wegzuräumen wie andere den Abwasch. Ihre Mutter hat ihr schon früh beigebracht, dass Nähe etwas Gefährliches ist. Als das Meer eines nachts ihren Sohn Moses verschluckt, verliert Dorothy nicht nur ihr Kind, sondern alles, woran sie sich festhalten konnte.

Dann wird eines Tages ein fremder Junge an den Strand gespült. Natürlich ist es nicht ihr Sohn, doch trotzdem wirbelt seine Ankunft Dorothys Welt wieder durcheinander. Im Dorf wird getuschelt, verurteilt, sich eingemischt. Dorothy war dort nie wirklich willkommen, war immer die „Zugereiste“, die Fremde, die sich in die Dorfgemeinschaft gedrängt hat.
🌊
„Das Geschenk des Meeres“ ist nicht einfach nur eine dramatische Geschichte. Es ist ein Roman über das Muttersein, Schuld und all die Rollen, in die Frauen – mehr oder weniger bewusst - gedrängt werden. Frauen sollen einfach nur funktionieren, still leiden und mit jedem noch so heftigen Schicksalsschlag klarkommen, ohne zu jammern. Doch dem verweigert Dorothy sich. Es ist unheimlich schön zu lesen, wie sie langsam immer mehr Selbstbewusstsein gewinnt und mit den Verlusten versucht, klarzukommen.

„Was vergessen war, kehrt zurück, wenn das Meer bereit ist.“ (S. 59)

Julia R. Kelly erzählt mit einer zurückhaltenden, aber unglaublich eindringlichen Sprache. Man spürt die salzige Kälte des Meeres, die Schwere der Vergangenheit, aber auch diese zarte Hoffnung, die sich immer wieder durch die Dunkelheit schiebt.
🌊
„Das Geschenk des Meeres“ ist kein leichter Wohlfühlroman. Es ist ein Buch, das wehtut, nachhallt und sich in die Gedanken einbrennt. Und genau das macht es zu etwas Besonderem.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 02.11.2025

Ein Buch jenseits der Sprachlosigkeit

ë
0

„Ich lernte früh, das ich schweigen musste, sobald wir die serbische Grenze erreichten. Deine Muttersprache konnte dich in Gefahr bringen, wenn du sie am falschen Ort sprachst.“ (S. 10)

Die Erzählerin ...

„Ich lernte früh, das ich schweigen musste, sobald wir die serbische Grenze erreichten. Deine Muttersprache konnte dich in Gefahr bringen, wenn du sie am falschen Ort sprachst.“ (S. 10)

Die Erzählerin lernt als Kind von Kosovo Geflüchteten recht früh, Ihre Sprache und damit auch ihre Identität zu verstecken. Sinnbildlich dafür steht der Buchstabe „ë“, ein Buchstabe der in der albanischen Sprache eine wichtige Rolle spielt, obwohl er meistens gar nicht ausgesprochen wird.
Die Erzählerin wächst in Deutschland auf und versucht, von Kindergarten über Schule bis zur Universität, verstanden zu werden. Dabei wird sie immer wieder konfrontiert mit Vorurteilen, Unwissen und Gleichgültigkeit.

Den Kosovokrieg, der Ende der 1990er Jahre ausbricht, erlebt sie zwar nur aus der Ferne mit, jedoch sind Krieg und Tod fortwährend präsent in ihrer Umgebung. Ihr Großvater ist im Kosovokrieg gestorben, man hat ihn jedoch nie gefunden. Nur die Umstände, unter denen er gestorben ist, sind bekannt.
„Aber wie soll ein Grab aussehen, das kein Grab ist? Ein Grab als ein Symbol. Es soll die Leerstelle verdecken und hebt sie noch stärker hervor.“ (S. 43)
💬
Der Roman widmet sich einem Kapitel europäischer Geschichte, das in Deutschland kaum Beachtung fand. Er erinnert an das Leid unzähliger Familien, die ihre Heimat verloren haben und die noch immer auf der Suche nach verschwundenen Angehörigen sind.

„Das Wort „verschwunden“ umschreibt nur, das die Leiche bisher noch nicht gefunden wurde. Erst später lernte ich: Die Hoffnung besteht nicht darin, dass sie wiederkehren, sondern darin, eine Nachricht über ihr Schicksal zu bekommen.“ (S. 44)
💬
Auf gerade einmal 176 Seiten trifft Jehona Kicaj immer den richtigen Ton und hat eine Erzählung geschaffen, die mir im Gedächtnis bleiben wird. Am meisten beeindruckt hat mich dabei ihre Wortwahl. Dieses Buch ist alles andere als sprachlos, dafür hat es mich ein Stück weit sprachlos gemacht. Als der Kosovokrieg anfing, war ich selbst erst zehn Jahre alt und ich wusste bisher absolut nichts darüber. Daher danke ich Jehona Kicaj dafür, das sie ihre Geschichte mit mir geteilt hat.

Ein Buch, das meiner Meinung nach zurecht auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis 2025 stand und eine Empfehlung für alle, die gern mal über den Tellerrand hinausschauen!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 24.10.2025

Ein Haus und viele Leben

Treppe aus Papier
0

„Uns freut jedes mitgebrachte Land, jede bewanderte Erinnerung und jede neue Sprache, denn auch nur ein kurzes Bewohnen erweitert unsere Welt um kostbare Facetten.“ (S. 25)

Ach würde doch die ganze Welt ...

„Uns freut jedes mitgebrachte Land, jede bewanderte Erinnerung und jede neue Sprache, denn auch nur ein kurzes Bewohnen erweitert unsere Welt um kostbare Facetten.“ (S. 25)

Ach würde doch die ganze Welt so denken wie das alte Haus in diesem wunderbaren Buch! Die Welt wäre um vieles besser, schöner, toleranter und offener!
Henrik Szántó hat eine ungewöhnliche Erzählperspektive gewählt, um die Geschichten seiner Bewohner und Bewohnerinnen zu erzählen.

Durch den Keller, das Treppenhaus, die Wohnungen bis auf den Dachboden begleite ich die 90-jährige Irma, die fast ihr ganzes Leben in dem Haus wohnt. Als Kind litt sie unter der strengen Hand ihrer nazitreuen Eltern, bis heute wird sie von Fragen hinsichtlich ihrer Rolle in der damaligen Zeit geplagt. Einzig die Teenagerin Nele aus dem obersten Stock lockt sie ein wenig aus ihrem Schneckenhaus, als sie mit vielen offenen Fragen wegen ihrer Geschichtsklausur vor der Tür der Nachbarin steht.

„Der erste Atemzug in einem über Jahre verschlossenen Raum ist nicht angenehm. Darunter bebt der Staub. Eine Schicht freizulegen bedeutet, eine Wunde zu reißen, […]“ (S. 99)

Beide hinterfragen immer mehr die Vergangenheit und Nele beginnt zu begreifen, dass „die Vergangenheit nicht vergangen ist, sondern nur wenige Stufen entfernt.“ (Klappentext)
🏠
Das Buch habe ich in einem Rutsch durchgelesen. Ich mochte alles daran! Die Erzählperspektive, die Hausbewohner*innen, die verwobenen Erzählstränge, den Schreibstil von Henrik Szántó und die ganze Idee hinter dem Roman. Wer bzw. was könnte die Geschichte besser erzählen, als das Haus, in dem all die glücklichen und tragischen Ereignisse stattgefunden haben, wo man in all die menschlichen Abgründe aber auch in die offenen Herzen blicken kann.
Ziemlich am Anfang des Buches geht Nele mit ihrem Hund raus und passiert im Treppenhaus die Geister der Vergangenheit, ohne es natürlich mitzubekommen. Dieses Bild hat mir besonders gut gefallen.
🏠
„Eine Prise Widerstand formt den Charakter, zu viel verformt.“ (S. 110)

„Treppe aus Papier“ ist ein Zeitzeugnis. Ein Buch gegen das Vergessen und für mehr Toleranz und Verständnis. Ein Buch, das die richtigen Fragen und infrage stellt und das man unbedingt gelesen haben sollte!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere