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Veröffentlicht am 28.11.2025

Zu Tisch mit Erinnerungen

Ich lieb's
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An einem Sonntagnachmittag, wenn die Küche nach Butter und warmen Äpfeln duftet, schlägt dieses Buch ein wie ein vertrauter Gast, der die besten Rezepte aus dreißig Jahren mitbringt. Die Seiten sind eine ...

An einem Sonntagnachmittag, wenn die Küche nach Butter und warmen Äpfeln duftet, schlägt dieses Buch ein wie ein vertrauter Gast, der die besten Rezepte aus dreißig Jahren mitbringt. Die Seiten sind eine Einladung: rustikale Rinderrouladen mit Omas Hand, zärtlich abgeschmeckte Fischvarianten und überraschende Kombinationen wie Trüffel mit Apfelchutney — alles so angelegt, dass Leidenschaft und Verlässlichkeit Hand in Hand gehen.

Die Fotos sind opulent, jede Platte wirkt wie ein kleines Fest, das man sofort nachbauen möchte; die Kochschule-Seiten schenken Sicherheit, und die Hacks sind ehrliche Helfer für diejenigen, die Perfektion suchen, ohne Sterneausrüstung. Oft wünsche ich mir nur eine noch schlankere Einkaufsliste und an manchen Stellen eine Alternative für Zutaten, die nicht überall zu finden sind, doch das schmälert das Vergnügen kaum.

Am stärksten berührt, dass Herrmann hier nicht nur Rezepte, sondern Erinnerungen und kleine Geschichten serviert — das macht aus einem Kochbuch ein Zuhausebuch. Für alle, die gern mit Herz, Mut zu Geschmacksexperimenten und trotzdem bodenständiger Handwerkskunst kochen, ist „Ich lieb’s“ eine liebevolle und verlässliche Begleitung.

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Veröffentlicht am 28.11.2025

Eis, Blut und ein kleiner Funken Hoffnung

Der Weg des ewigen Winters
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Kälte, die einem direkt durch die Knochen kriecht, hat ja ihren eigenen Charakter. Hier fühlt sich dieser Winter an, als hätte er schlechte Laune und würde sie ganz Europa heimzahlen. Zwischen zusammengebrochenen ...

Kälte, die einem direkt durch die Knochen kriecht, hat ja ihren eigenen Charakter. Hier fühlt sich dieser Winter an, als hätte er schlechte Laune und würde sie ganz Europa heimzahlen. Zwischen zusammengebrochenen Reichen, plündernden Banden und einer Stadt, die eher friert, als hofft, stolpert man zusammen mit Halla in eine Geschichte, die erst sanft anpackt und dann ordentlich zubeißt.

Der Moment, in dem klar wird, dass dieses kleine Mädchen der letzte Funken Wärme in einer erfrierenden Welt ist, sitzt. Und dann kommt Orpheus, dieser charmante Taugenichts, der mehr Talent fürs Davonreden als fürs Kämpfen hat. Im nächsten Atemzug erwischt man sich beim Grinsen, weil er wieder irgendeinen Unsinn verzapft, und direkt danach beim Zusammenzucken, weil die Welt da draußen wirklich messerscharf ist. Diese Mischung aus Hoffnung, Dreck und mystischem Schimmer macht den Reiz aus.

Was richtig hängen bleibt: die Atmosphäre. Man kann fast hören, wie Eis an alten Mauern knackt, wie Atem in der Luft gefriert, wie Schritte in verlassenen Straßen hallen. Und trotzdem drückt sich da immer wieder ein bisschen Licht durch. Halla, dieses Kind mit Kräften, die man nicht richtig greifen kann, wirkt nie überhöht, sondern eher wie jemand, der etwas auf den Schultern trägt, das eigentlich viel zu groß ist.

Zwischendurch fragt man sich, wie man selbst in so einer Welt klarkäme. Wahrscheinlich nicht besonders glorreich. Aber genau das macht’s so nahbar. Der Roman verbindet Abenteuer, historische Anmutung und düstere Fantasy zu einem Mix, der erstaunlich rund läuft. Die Reise ist rau, intensiv und manchmal bitter, aber sie zieht ohne große Diskussion mit.

Am Ende klappt man das Buch zu und merkt, dass man noch immer diese frostige Stimmung in sich trägt. Und genau das ist die Art Atmosphäre, die länger nachhallt als so mancher Plot.

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Veröffentlicht am 27.11.2025

Europa, laut und ungezähmt

KUNTH Bildband Das wilde Europa
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Was für ein Bildband. Schon beim Aufschlagen spürt man dieses leichte Kribbeln: Kameraobjektive, endlose Horizonte und diese Momente, in denen die Natur einfach entscheidet, groß aufzutreten. „Das wilde ...

Was für ein Bildband. Schon beim Aufschlagen spürt man dieses leichte Kribbeln: Kameraobjektive, endlose Horizonte und diese Momente, in denen die Natur einfach entscheidet, groß aufzutreten. „Das wilde Europa“ ist kein trockener Naturführer, sondern ein wilder Spaziergang durch 180 Schutzgebiete, die man am liebsten direkt auf die Bucket-List setzen würde. Die Fotos haben Biss — schroffe Fjäll, moosbedeckte Buchen, Wisente, die so präsent sind, als könnten sie jeden Moment über den Rand der Seite traben. Dazu kurze, kluge Texte, die erklären, warum genau diese Flecken schützenswert sind, ohne belehrend zu werden.

Man merkt den Fotografen und Autorinnen an, dass sie nicht nur gute Augen, sondern auch Herzblut mitgebracht haben. Kleine Anekdoten, Kulturhintergründe und Schutzprojekte geben Tiefe; hier trifft Bilderbuch-Ästhetik auf ernsthafte Naturschutzarbeit. Ab und zu würde ich mir noch mehr Karten oder Reisetipps wünschen — aber vielleicht ist das genau der Punkt: Das Buch will verführen, nicht alles vorwegnehmen.

Perfekt als Coffee-Table-Book, Geschenk oder als Inspirationsquelle für die nächste Reise. Zwischendurch ertappt man sich beim Träumen: Welche Ecken Europas habe ich verpasst? Welche Stille möchte ich erleben? Klare Sache: Wer Landschaftsfotografie, wilde Tiere und Geschichten hinter den Bildern liebt, findet hier ein Schmuckstück. Einziges Manko: Manche Bildunterschriften sind zu knapp — will mehr Kontext, mehr Wegweiser. Trotzdem — großes Kino für die Augen und ein warmes Plädoyer dafür, Europas Wildnis nicht als Relikt, sondern als Aufgabe zu sehen.

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Veröffentlicht am 27.11.2025

Zwei Herzen in einem rauen London

Alle unsere Leben
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Was für ein Roman — und was für ein Schlag in die Magengrube des Erwachsenenlebens. Christine Dwyer Hickey zieht die Bühne groß auf: London 1979, zwei verlorene Iren, ein Boxring voller Hoffnungen und ...

Was für ein Roman — und was für ein Schlag in die Magengrube des Erwachsenenlebens. Christine Dwyer Hickey zieht die Bühne groß auf: London 1979, zwei verlorene Iren, ein Boxring voller Hoffnungen und jede Menge Dreck unter den Nägeln. Milly und Pip stolpern ineinander wie zwei verlorene Leute, die zufällig denselben Bahnhof verpasst haben. Das ist kein kitschiges Liebeslied, das ist ein rauer, leiser Blues über Menschen, die sich immer wieder finden und doch nie vollständig halten können.

Die Sprache trifft genau den Punkt: nicht geschminkt, manchmal verletzend ehrlich, und mit einem Humor, der meist zwischen den Zeilen sitzt und einem dann plötzlich lacht, wenn man eigentlich weinen wollte. Szenen wie kleine Polaroids — kurz, messerscharf, mit einem Geruch von Straßenlaternen und billigem Kaffee. Besonders stark: die Darstellung von Einsamkeit, die hier nicht melodramatisch auftritt, sondern alltäglich, lästig, fast wie ein verwaschenes Hemd, das man nie wegschmeißt.

Einziger kleiner Makel: Gegen Ende schleicht sich gelegentlich eine Erzählfreude ein, die den Fokus strecken will — ein paar Szenen wirken etwas zu ausladend. Trotzdem bleibt das Fundament stabil: Charaktere, die atmen, die Fehler machen, die wehtun. Wer auf ehrliche, melancholische Literatur steht, die nicht mit Effekten um sich schmeißt, sondern mit Herz und einem schelmischen Grinsen, wird hier große Freude haben. Für alle, die Geschichten mögen, die nachklingen — dieses Buch bleibt noch lange im Kopf.

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Veröffentlicht am 26.11.2025

Evolution zum Staunen Dawkins macht’s verständlich

Das große Buch der Evolution
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Was für ein Fest für Neugierige! Richard Dawkins serviert im großen Buch der Evolution ein Feuerwerk aus Ideen, Aha-Momenten und kleinen Naturwundern, das sofort Lust macht, wieder durch den Park zu laufen ...

Was für ein Fest für Neugierige! Richard Dawkins serviert im großen Buch der Evolution ein Feuerwerk aus Ideen, Aha-Momenten und kleinen Naturwundern, das sofort Lust macht, wieder durch den Park zu laufen und alles anzugucken, als hätte man es gerade erst entdeckt. Spannend: jedes Kapitel liest sich wie ein Detektivbericht — Fossilien, Gene, Verhalten — alles wird zusammengesetzt, bis das Puzzle ein Bild zeigt, das man vorher nur geahnt hat. Man merkt dem Buch an, dass hier ein Denker schreibt, der seine Begeisterung nicht hinter Fachchinesisch versteckt, sondern sie laut und deutlich teilt. Herrlich direkt, manchmal frech, und immer mit dieser typisch britischen Mischung aus Klarheit und trockenem Witz.

Besonders gefallen die Illustrationen: sie sind nicht nur hübsch, sie machen Gedanken sichtbar — und plötzlich versteht man, wie sich Evolution wie eine handschriftliche Chronik lesen lässt. Kleine Gedankenblitze zwischendrin — ein Seitenhieb auf Pseudowissen hier, ein augenzwinkernder Vergleich dort — halten das Tempo hoch. Ein paar Kapitel hätten etwas straffer sein dürfen; bei manchen Erklärungen schleift es leicht, wenn Dawkins zu sehr ins Detail geht. Trotzdem: wer Wissenschaft liebt oder wieder lieben lernen will, findet hier einen verlässlichen, oft begeisternden Führer.

Am Ende bleibt das Gefühl, dass Evolution kein abstraktes Konzept ist, sondern ein lebendiges, atmendes Kapitel unserer Alltagswelt. Das Buch ist keine trockene Lehrstunde, sondern ein leidenschaftlicher Spaziergang durch Zeit und Leben — mit Forschergeist, Neugier und Herz. Unbedingt lesen, am besten mit einem starken Kaffee und offenen Augen.

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