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Fannie

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Veröffentlicht am 02.12.2025

DDR reloaded: Origineller Roman über ein sächsisches Dorf und seine Bewohner

Maulberg
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Beate und Peter ziehen aus Dortmund nach Maulberg. In dem kleinen Dorf in Nordsachsen übernimmt Beate die Leitung der dortigen Kindertagesstätte, während Dokumentarfilmer Peter mit einem neuen Werk an ...

Beate und Peter ziehen aus Dortmund nach Maulberg. In dem kleinen Dorf in Nordsachsen übernimmt Beate die Leitung der dortigen Kindertagesstätte, während Dokumentarfilmer Peter mit einem neuen Werk an vergangene Glanzzeiten anknüpfen will. Da kommt ihm das bevorstehende Jubiläum anlässlich stolzer 400 Jahre Maulberg gerade recht. Eine Idee ergreift Besitz von ihm: Was wäre, wenn die DDR in Maulberg wiederauferstünde? Zwar nur für vier Wochen, dafür aber mit allem Drum und Dran, Elektrozaun rund ums Dorf inklusive. Alle mobilen Endgeräte müssen abgegeben werden, die Kaufhalle vertreibt nur noch Ost-Produkte und wer raus aus Maulberg will, benötigt eine Ausreisegenehmigung. Vier Wochen lang zurück in die gute, alte DDR: Die Mehrheit der Maulberger Bürger stimmt dafür. Doch wird dieses Experiment ein gutes Ende nehmen?

Der Roman „Maulberg“ von Thomas Nicolai ist am 3. März 2025 im Satyr Verlag erschienen. Der aus Leipzig stammende Comedian, Hörbuch- und Synchronsprecher weiß, wovon er spricht, hat er doch selbst die DDR von seinem Geburtsjahr 1963 an hautnah miterlebt. Nicht-ostdeutsche Leser nimmt der Autor an die Hand, verzichtet auf allzu viel Gesächsel und erklärt DDR-typische Begriffe und Bräuche.

Ebenso unverwechselbar wie das auffällige Cover ist die Idee hinter seiner Geschichte. Mit derselben Frage, die sich der Autor bei der Entwicklung seines Romans gestellt haben dürfte, wird auch der Leser konfrontiert: Vier Wochen lang zurück in die DDR – würde ich persönlich das mitmachen? Was in diesen heutigen verrückten Zeiten für die Ex-DDR-Bürger zunächst heimelig, vertraut und verlockend klingt, nach Entschleunigung und nachbarschaftlichem Zusammenhalt, entpuppt sich in Wirklichkeit zu jeder Menge Verzicht: den auf die Freiheit, auf digitale Annehmlichkeiten und ein vielfältiges Warenangebot.

Mit viel Humor, lebendigen Figuren und manch schmerzlicher Wahrheit entreißt Thomas Nicolai der Ostalgie ihre „Früher war alles besser“-Maske. Er regt seine Leserschaft zum Nachdenken an, kommt aber nie mit erhobenem Zeigefinger daher. Vielmehr ermutigt er seine Leser mit seinem Roman, selbst darüber nachzudenken: War früher wirklich alles besser? Oder lässt man sich dazu hinreißen, die Vergangenheit mit Milde und Sanftheit zu verklären?

Mein Fazit: „Maulberg“ besticht durch einen originellen Plot, satirische Seitenhiebe und interessante Figuren. Für meinen Geschmack hätte der Comedian Thomas Nicolai gern noch ein wenig zackiger und spritziger schreiben dürfen. Dennoch ist „Maulberg“ ein Roman mit viel Witz und einer einzigartigen Geschichte.

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Veröffentlicht am 02.12.2025

Intensiver Roman mit starker Frauenfigur

Ich spüre dich leben
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Im Jahr 2021 habe ich zum ersten Mal ein Buch der in Berlin lebenden Schriftstellerin Ulla Mothes gelesen: „Geteilte Träume“. Ihre bildreiche Sprache hat mich damals beeindruckt. Umso mehr freute ich mich, ...

Im Jahr 2021 habe ich zum ersten Mal ein Buch der in Berlin lebenden Schriftstellerin Ulla Mothes gelesen: „Geteilte Träume“. Ihre bildreiche Sprache hat mich damals beeindruckt. Umso mehr freute ich mich, dass mit „Ich spüre dich leben“ am 1. Mai 2025 bei PalmArtPress ein neuer Roman aus der Feder von Ulla Mothes erschienen ist.

Darin geht es um das junge Ehepaar Stella und Falk Schönfeld. Sie ist Goldschmiedin, er erfolgreicher Banker. Beide leben in einer schicken Wohnung in der Bankenmetropole Frankfurt am Main und freuen sich auf ihr erstes Kind. So weit, so bilderbuchmäßig. Doch kurz vor der Geburt erhält Stella die Nachricht, dass sich ihr Mann das Leben genommen hat. Als wäre das nicht schon schlimm genug, ermittelt nun die Polizei, weil Falk im Verdacht steht, illegale Bankgeschäfte im großen Stil getätigt zu haben. Für Stella ist mit einem Wimpernschlag alles anders: Ihr perfektes Leben zerplatzt wie eine Seifenblase. Sie wird Mutter eines Sohnes, ist auf sich allein gestellt. Tief in ihrem Inneren spürt sie: Falk ist nicht tot. Doch stimmt das wirklich?

Am Anfang habe ich ein wenig gebraucht, um in die Welt von „Ich spüre dich leben“ hineinzufinden. Aber irgendwann war der Knoten geplatzt und ich wurde mit einer intensiven Geschichte vor einer beeindruckenden Kulisse belohnt.

Intensiv ist die Geschichte schon deshalb, weil man an der Seite von Stella alle Höhen und Tiefen auf der Klaviatur der Gefühle miterlebt: das Glück, Mutter zu sein, die Verzweiflung und den Verlust, aber auch Wut und Ohnmacht. All diese Facetten verleihen Ulla Mothes‘ Hauptfigur eine bewundernswerte Tiefe.

Die Geschichte wird sowohl aus der Sicht von Stella als auch aus der von Falk erzählt. Dabei erinnern sich beide an ihre gemeinsame Kindheit, an unbeschwerte Tage auf dem „platten Land“, aber auch an Verluste und Erfahrungen, die sie in ihrem weiteren Leben geprägt haben.

Große Teile des Romans spielen auf der Insel Sansibar. Autorin Ulla Mothes war selbst in Tansania und beschreibt dieses Land so eindrucksvoll, dass einen glatt das Fernweh überfällt. Ihre bildreiche Sprache kommt also glücklicherweise auch in „Ich spüre dich leben“ nicht zu kurz.

Die Spannung nimmt gegen Ende des Romans stetig zu und man fragt sich, wie die Story wohl enden mag. Bis dahin verfolgt man den Weg zweier Menschen, die alles hatten und alles verloren haben. Die tapfere Stella macht Zaudernden Mut und stellt eindrucksvoll unter Beweis, dass ein Neuanfang nach einem schweren Schicksalsschlag gelingen kann – auch wenn das in vielen Situationen alles andere als leicht ist.

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Veröffentlicht am 02.12.2025

Tiefgründige Spannungsliteratur made in England

Das Nest
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Gibt es melancholische Krimis? Nachdem ich „Das Nest“ von Sophie Morton-Thomas gelesen habe, kann ich diese Frage mit einem eindeutigen Ja beantworten.

Der 304-seitige Kriminalroman der britischen Autorin ...

Gibt es melancholische Krimis? Nachdem ich „Das Nest“ von Sophie Morton-Thomas gelesen habe, kann ich diese Frage mit einem eindeutigen Ja beantworten.

Der 304-seitige Kriminalroman der britischen Autorin erschien am 2. Juli 2025 im Pendragon Verlag und wurde übersetzt von Lea Dunkel. Der Titel der Originalausgabe lautet „Bird Spotting In A Small Town“.

Die Geschichte beginnt anheimelnd: Wir lernen Fran kennen, die in einem englischen Küstenort Fran’s Holiday Vans, eine Wohnwagensiedlung, betreibt. Gemeinsam mit ihrem Mann und Sohn Bruno lebt sie auf dem Gelände und liebt es, im angrenzenden Marschland die Vögel zu beobachten.

Doch auf leisen Sohlen schleicht sich das Unbehagen ein und schließlich auch das Grauen. Autorin Sophie Morton-Thomas enthüllt Stück für Stück die Untiefen ihrer Geschichte. Da ist einerseits die familiäre Situation, die Fran belastet. Zu ihrer Schwester Ros, der Fran Unterschlupf in einem der Mobilheime gewährt, findet sie keinen Zugang mehr. Ros‘ Tochter Sadie zieht immer wieder mit unbekanntem Ziel gemeinsam mit Bruno los. Frans Schwager Ellis verschwindet – und das ausgerechnet, als die Lehrerin von Bruno und Sadie ermordet aufgefunden wird. Und dann sind da noch die Roma, die gleich neben der Wohnwagensiedlung Halt machen …

Sophie Morton-Thomas hat einen düsteren Kriminalroman mit ganz viel Atmosphäre geschrieben. Die salzige Luft des Marschlandes steigt einem beim Lesen in die Nase, man spürt das Zerren des Windes und den peitschenden Regen förmlich am eigenen Leib. Die großen und kleinen Geheimnisse, die zwischenmenschlichen Abgründe, offenbaren sich erst nach und nach. Und über allem steht die Frage: Wer hat die Lehrerin ermordet?

„Niemand in meiner Welt ist gerade unschuldig, mit Ausnahme meines Kindes.“

Dieses Zitat von Protagonistin Fran auf Seite 247 bringt es auf den Punkt: So gut wie jeder hat ein Motiv zur Ermordung der Lehrerin, die in ihrer Art sehr eigen war und von den Dorfbewohnern argwöhnisch beäugt wurde.

Gegen Ende ihres Romans zieht Sophie Morton-Thomas die Zügel gehörig an. Eine unfassbare Enthüllung reiht sich an die andere – bis es schließlich zur überraschenden Auflösung kommt.

Ich persönlich hätte mir am Ende des Buchs etwas weniger Tempo gewünscht, um als Leserin all die Geständnisse und Entwicklungen verdauen zu können, aber das ist auch schon mein einziger Kritikpunkt.

Mit „Das Nest“ hat Sophie Morton-Thomas einen stillen und doch gewaltigen Roman geschrieben, in dem sie ausnahmslos alle handelnden Personen geschickt miteinander verbindet. Und am Ende gibt uns die Autorin eine Metapher mit, über die man auch dann noch nachdenken wird, wenn man das Buch bereits zugeklappt hat – und die bezieht sich (ohne, dass ich zu viel verrate) auf den Titel „Das Nest“.

Ein außergewöhnliches Buch, das ich gern allen Freunden von tiefgründiger Spannungsliteratur ans Herz legen möchte.

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Veröffentlicht am 02.12.2025

Ein Trauerredner gegen das Organisierte Verbrechen

Über die Toten nur Gutes
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Mads Madsen wohnt in Glücksburg. Sein Elternhaus teilt er sich mit seinem schrulligen Vater Fridtjof und der Malteserhündin Bobby. So weit, so beschaulich. Doch dann erfährt Mads, dass Patrick, sein Freund ...

Mads Madsen wohnt in Glücksburg. Sein Elternhaus teilt er sich mit seinem schrulligen Vater Fridtjof und der Malteserhündin Bobby. So weit, so beschaulich. Doch dann erfährt Mads, dass Patrick, sein Freund aus Kindertagen, unter tragischen Umständen verstorben ist. Mithilfe mysteriöser Nachrichten und versteckter Schätze aus Kindertagen lotst der Verblichene Mads posthum auf die Spur seines rätselhaften Todes. Obwohl Mads eigentlich nur eine Trauerrede für Patrick schreiben will, steckt er bald bis zum Hals in Ermittlungen, die er besser der Polizei überlassen sollte. Denn mit den finsteren Gestalten, mit denen es Mads zu tun bekommt, ist nicht zu spaßen …

Andreas Izquierdo hat sich 2013 mit seinem Roman „Das Glücksbüro“ in mein Herz geschrieben. Der facettenreiche Schriftsteller, der gleich in mehreren Genres zu Hause ist, hat nun mit Mads Madsen einen warmherzigen Hauptdarsteller erschaffen, der in „Über die Toten nur Gutes“ über ein Minenfeld aus Verbrechen gemeingefährlicher Typen stolpert. Glücksburg goes Crime, könnte man sagen. Denn das beschauliche Leben von Mads wird ordentlich auf links gedreht, als er nachforscht, wie sein Freund Patrick ums Leben gekommen ist.

In seine Figuren hat Andreas Izquierdo wieder einmal viel Leidenschaft investiert. Man weiß gar nicht, wen man zuerst ins Herz schließen soll: Mads selbst, seinen Bingo-süchtigen Vater, die putzige Malteserhündin Bobby, seinen treuen Bestatterkumpel Fiete oder gar den stillen Herrn Barnady, der im Laufe der Geschichte mit so manch unentdecktem Talent aufwartet.

Andreas Izquierdo erzählt einmal mehr lebhaft, dialogreich, originell und trifft dabei immer den richtigen Ton. Denn auch wenn sein Kriminalroman „Über die Toten nur Gutes“ der Sparte Cosy Crime zugeordnet wird, widmet er sich den Themen Tod und Schicksal dennoch mit dem gebotenen Respekt.

Die Geschichte geht gut voran und unterhält hervorragend. Dabei ist „Über die Toten nur Gutes“ keiner der Krimis, die das Herz des Lesers schneller klopfen lassen oder gar Gänsehaut erzeugen, wohl aber eine Geschichte über die Kraft der Freundschaft, die einen oft schmunzeln, aber auch so manches Mal nachdenklich werden lässt.

Am 16. September 2025 ist das 304-seitige Buch bei DuMont erschienen. Good News für alle, die (wie ich) noch mehr über den ermittelnden Trauerredner Mads lesen wollen: Im Herbst 2026 erscheint mit „Niemals geht man so ganz“ der zweite Band der Reihe.

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Veröffentlicht am 16.12.2024

Psychologisch raffinierter Thriller mit atmosphärischen Schwächen

Tell Me Lies
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Hannah wurde von ihrem Ehemann Sam betrogen. Nach einer Paartherapie sollen nun ein paar unbeschwerte Tage in Cornwall mit ihrer gemeinsamen Tochter Lily helfen, durchzuatmen und sich als Paar wieder näherzukommen. ...

Hannah wurde von ihrem Ehemann Sam betrogen. Nach einer Paartherapie sollen nun ein paar unbeschwerte Tage in Cornwall mit ihrer gemeinsamen Tochter Lily helfen, durchzuatmen und sich als Paar wieder näherzukommen. Doch im angemieteten "Owl Cottage" gehen seltsame Dinge vor: Tote Eulenküken liegen auf der Fußmatte, es kommt zu einem plötzlichen Stromausfall und da sind immer wieder geheimnisvolle Klopfgeräusche, die nur Hannah hört. Kurz darauf wird es Tote geben ...

Teresa Driscolls Thriller "Tell Me Lies" wurde von Sonja Häusler vom Englischen ins Deutsche übersetzt und am 25. Juni 2024 bei HarperCollins Germany veröffentlicht. Die gleichnamige Originalausgabe erschien im Jahr 2023.

Mit Hannah hat sich die Autorin eine schicksalsbeladene Figur erdacht, die schon in frühen Kindheitstagen ein Trauma erlitt, als ihr Vater bei einem gemeinsamen Picknick ums Leben kam. Doch mit Sam schien "Das Mädchen aus dem Wald", wie die Presse sie einst betitelte, ihr Glück gefunden zu haben. Der Seitensprung des Ehemanns stürzt Hannah allerdings in eine tiefe Krise. Sie nimmt Psychopharmaka und traut ihren eigenen Wahrnehmungen nicht mehr. Was ist Einbildung, was ist Realität?

"Tell Me Lies" ist ein psychologisch raffinierter und spannender Thriller, der sich gut lesen lässt. Gebannt stellt man sich beim Lesen die Frage, ob all die seltsamen Ereignisse mit Hannahs psychischer Verfassung zusammenhängen oder ob sie jemand gezielt in den Wahnsinn treiben will. Nur wer? Die Auflösung hebt sich Autorin Teresa Driscoll bis zum Ende auf.

Über die Thrillerhandlung hinaus thematisiert die Autorin die Mühen des Familienalltags, den schwierigen Spagat zwischen Kind und Karriere und das Zerbrechen von Freundschaften, sobald alle aus dem Freundeskreis eigene Familien gründen.

Die Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht Hannahs, ihrer Mutter, Sams und schlussendlich der Polizei erzählt. Langeweile kommt dadurch nicht auf.

Punktabzug gibt es allerdings für die fehlende Atmosphäre. Aus dem vielversprechenden Setting - einem einsamen Cottage an der Küste Cornwalls - wäre meines Erachtens noch viel mehr herauszuholen gewesen. Gleiches gilt für das Cover, das ich allenfalls mit dem Schwarzwald, nicht aber mit Cornwall assoziieren würde.

Dennoch ist "Tell Me Lies" ein solider Thriller, der gut unterhält und seine ganze Geschichte erst nach und nach offenbart, indem er die Vergangenheit Hannahs mit dem Hier und Jetzt geschickt verbindet.

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